Gastroenterologie up2date 2020; 16(03): 198
DOI: 10.1055/a-1212-9226
Wichtige Studien im Fokus

Studienkommentar

Histologische Schnitte kolorektaler Tumoren enthalten eine Unmenge an prognostischen Informationen. Diese Informationen können helfen, klinische Entscheidungen zu unterstützen und Empfehlungen auszusprechen, beispielsweise über eine adjuvante Therapie nach Entfernung des Tumors. Differenzierungsgrad, Gefäßinvasion sowie die Zahl der tumorinfiltrierenden Lymphozyten sind etablierte Risikofaktoren, die teilweise schon heute in klinische Entscheidungen eingehen. Deep Learning mit künstlichen neuronalen Netzen kann diese und andere prognostische Informationen aus Bildern extrahieren und quantifizieren und damit möglicherweise klinische Entscheidungen unterstützen. Skrede et al. zeigen in der vorliegenden Studie auf, dass dies auch durch „End-to-end learning“ möglich ist. Dabei werden künstliche neuronale Netze direkt auf histologische Bilder trainiert und erhalten nur die Information über den klinischen Endpunkt. Somit müssen die neuronalen Netze von selbst relevante Muster erkennen und sind nicht auf a priori festgelegte Bildeigenschaften festgelegt. In dieser sehr systematisch durchgeführten Studie konnte ein neuronales Netz einen Risikoscore von Patienten ohne Fernmetastasen allein basierend auf Histologien vorhersagen. Im Gegensatz zu vielen anderen Studien zu neuen Computeralgorithmen ist diese Studie nicht nur technisch sorgfältig durchgeführt, sondern auch mit ausreichenden klinischen Details versehen. Zusammen mit anderen ähnlichen Studien aus der jüngeren Vergangenheit zeigt die Studie von Skrede et al., dass die Bildauswertung mit Deep Learning einer subjektiven Quantifizierung von Risikofaktoren in histologischen Bildern überlegen sein könnte. Von einer klinischen Anwendung ist die Methode trotzdem noch deutlich entfernt: Der Algorithmus wurde bislang nur auf einer einzigen externen Patientenkohorte validiert. Zudem bedeutet ein hoher Risikoscore nicht automatisch, dass eine intensivere Therapie für diesen Patienten das Risiko wieder senken kann. Zuletzt haben in Deutschland noch immer sehr wenige Kliniken digitale Arbeitsabläufe in der histopathologischen Routine. Um das volle Potenzial von dieser und ähnlichen Deep-Learning-Methoden zu nutzen, bedarf es also einer multizentrischen Validierung, klinisch-prospektiver Studien und eines Ausbaus der Digitalisierung.



Publication History

Article published online:
07 September 2020

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