Key words
Transarterial periarticular embolization (TAPE) - chronic joint pain - osteoarthritis
- tendinopathy
Einleitung
Die endovaskuläre Embolisation von Gefäßen an Gelenken ist ein Therapieansatz, der
zunächst als Behandlungsoption für Patienten mit Hämarthros beschrieben wurde [1]. In diesen Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einem iatrogenen Hämarthros,
z. B. nach Arthroskopie bzw. Arthroplastik, mit einer technischen Erfolgsrate von
bis zu 100 % und einer klinischen Erfolgsrate von bis zu 93 % behandelt werden können.
2013 erschien die erste Arbeit, die zeigte, dass Gelenkschmerzen, die durch eine Tendinopathie
oder Enthesiopathie ausgelöst werden, mittels einer endovaskulären Embolisation behandelt
werden können [2]. 2015 folgte eine Arbeit, die den Einsatz der endovaskulären Embolisation zur Behandlung
von Patienten mit Schmerzen im Rahmen einer Osteoarthritis beschrieb [3]. In dieser monozentrischen Studie wurde erstmalig gezeigt, dass nach der Embolisation
die Schmerzlinderung bis zu einem Jahr anhalten kann. Diese Ergebnisse konnten in
einer Wiederholungsstudie an einem größerem Patientenkollektiv von 72 Patienten bestätigt
werden [4]. Es folgten weitere Studien, die den schmerzlindernden Effekt der Embolisation auch
am Schulter- bzw. Ellenbogengelenk demonstrierten [5]
[6]
[7].
Ziel dieser Arbeit ist es, die Einsatzmöglichkeiten der
transarteriellen periartikulären Embolisation (TAPE) zur Behandlung von chronischen Gelenkschmerzen bzw. Enthesiopathien, das technische
Prozedere und initiale Ergebnisse anhand von 3 klinischen Patientenbeispielen in Deutschland
zu illustrieren.
Fallbeispiele
Fall 1 – Schulter
Bei einem 82-jährigen Patienten lag eine traumatisch bedingte Versteifung des rechten
Schultergelenks vor. Aufgrund der rechtsseitigen Bewegungseinschränkung habe der Patient
die linke Schulter überdurchschnittlich beansprucht, die nun so schmerzhaft sei, dass
er im Alltag stark einschränkt sei. Trotz der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika
(NSAR) hätten die Schmerzen im Verlauf der letzten 5 Jahre immer weiter zugenommen.
Bei der Untersuchung zeigt sich eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung insbesondere
bei der Anteversion (90°) und Abduktion (passiv 80°/aktiv 40°). Die Röntgen-Aufnahme
der Schulter zeigte osteophytäre Ausziehungen am Humeruskopf und eine Verschmälerung
des Subakromialraums mit begleitendem Humeruskopf-Hochstand (Kellgren-Lawrence-Grad
3). Der Schmerz wurde auf einer visuellen Analogskala (VAS) von 1–10 tagsüber mit
7 und nachts mit 8 angegeben. Der American Shoulder and Elbow Surgeons (ASES) Score
(der Score reicht von 0–100, wobei ein höherer Score geringere Schmerzen und eine
bessere Funktionalität beschreibt) betrug 34,3.
In Zusammenschau aller Befunde wurde die Diagnose einer aktivierten Omarthrose gestellt.
Fall 2 – Ellenbogen
Ein 51-jähriger Patient stellte sich mit Schmerzen am Epicondylus humeri ulnaris vor,
die durch eine beruflich und sportlich bedingte Überbelastung ausgelöst worden waren.
Die Einnahme von NSAR und die Durchführung einer Physiotherapie hatten zu keiner Symptomlinderung
geführt. 2 Jahre vorher sei aufgrund der Therapieresistenz schließlich, beim Verdacht
auf ein N.-ulnaris-Rinnensyndrom, eine Neurolyse des Nervus ulnaris durchgeführt worden.
Trotz der Operation seien die Beschwerden jedoch unverändert in Form eines Spannungsschmerzes
im gesamten Gelenk und eines Druckschmerzes mit Punctum maximum über dem Epicondylis
humeri ulnaris persistent.
Bei der Untersuchung zeigt sich ein schmerzhaftes, jedoch frei bewegliches Ellenbogengelenk
rechts. Es fand sich eine vollkommen reizlose ehemalige Operationsnarbe. Hinweise
für eine N.-ulnaris-Kompression zeigten sich nicht. Die Intensität des Schmerzes wurde
auf der VAS mit 8 angegeben. Der Disabilities of the Arm, Shoulder and Hand (DASH)
Score (der Score reicht von 0–100, wobei ein höherer Score stärkere Symptome und Funktionseinschränkungen
beschreibt) betrug 44,2.
Die MRT-Untersuchung des Ellenbogengelenks zeigte einen Reizerguss sowie eine leicht
verdickte und kontrastmittelaffine Synovialis als Hinweis auf ein entzündliches Geschehen.
In Zusammenschau aller Befunde wurde die Diagnose einer chronischen Epicondylitis
humeri ulnaris rechts („Golfer-Ellenbogen“) gestellt.
Fall 3 – Knie
Eine 23-jährige Patientin stellte sich mit Schmerzen im rechten Knie vor. Die Patientin
habe seit ihrer Kindheit Tanzen als Leistungssport betrieben. Vor 5 Jahren seien erstmalig
Schmerzen mit Punctum maximum am Unterpol der Patella aufgetreten. Diese seien in
den letzten Monaten immer stärker geworden. Zuletzt seien diese so stark gewesen,
dass sie nicht nur den Tanzsport aufgeben musste, sondern auch im alltäglichen Leben
(wie z. B. beim Treppensteigen) erheblich eingeschränkt war.
Zunächst wurden bei der Patientin eine Medikation mit NSAR und Physiotherapie durchgeführt,
die jedoch zu keiner signifikanten Linderung führten. Ferner wurden Injektionen mit
einem kristalloiden Kortison peritendinös am distalen Patellapol durchgeführt. Bei
ausbleibender Besserung wurde zuletzt eine operative Denervierung diskutiert.
Bei der Untersuchung zeigte sich ein frei bewegliches rechtes Kniegelenk. Es konnte
ein starker Druckschmerz am Patella-Unterpol ausgelöst werden, der sich unter Lastaufnahme
verstärkte. Eine MRT des Kniegelenks zeigte eine Hyperintensität der posterioren Anteile
der Patellarsehne sowohl in der T1- als auch PD-Sequenz als Hinweis auf eine Degeneration
und Ödem. Ein Knochenmarködem oder Gelenkerguss waren nicht erkenntlich. Arthrotische
Veränderungen waren ebenfalls nicht vorhanden (Kellgren-Lawrence-Grad 0). Der Western
Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC) Score (der Score reicht
von 0–96, wobei ein höherer Score stärkere Symptome und Funktionseinschränkungen beschreibt)
wurde mit 68,2 ermittelt. Der Schmerz wurde auf der VAS mit 10 angegeben.
In Zusammenschau aller Befunde wurde die Diagnose einer chronischen Tendinitis der
Patellarsehne im Rahmen eines Patellaspitzensyndroms („Jumpers Knee“) gestellt.
Therapie und Verlauf
Bei allen 3 Patienten wurde im Rahmen eines individuellen Heilversuchs und nach entsprechender
Aufklärung eine TAPE durchgeführt.
Bei dem Patienten im Fall 1 wurde zur Behandlung der Schulter ein radialer Zugang
gewählt. Unter sterilen Kautelen erfolgten die Lokalanästhesie mit Prilocain (Xylonest
1 %) und die retrograde Punktion der A. radialis. In diese wurde eine 3,3F-Schleuse
(pfm medica, Super Sheath) eingebracht und 2500 IE unfraktioniertes Heparin verabreicht.
Über die Schleuse wurde ein 3,3F-Selektivkatheter in JR1-Konfiguration (pfm medical,
Mongoose) bis in die A. subclavia bzw. A. axiallaris vorgeführt. Es folgte die digitale
Subtraktionsangiografie (DSA) nach manueller Kontrastmittelinjektion (GE, Accupaque
350) zur Darstellung der Gefäßanatomie. Die Ostien der abgehenden Gefäße wurden mit
dem Selektivkatheter sondiert. In Koaxial-Technik erfolgte dann die superselektive
Sondierung der Gefäßäste mit einem 1,7F-Mikrokatheter (Medtronic, Echelon 10) und
einem 0,014“-Mikrodraht (Stryker, Syncro-14). Die DSA in der superselektiven Position
zeigte deutliche „Kontrastmittelwolken“ als Zeichen einer Hyperämie, die insbesondere
über die A. circumflexa humeri anterior et posterior, den Ramus coracoideus und die
A. circumflexa scapulae gespeist wurden ([Abb. 1]). Während der Injektion gab der Patient ein Druckgefühl und einen Schmerz im Bereich
der Beschwerdestelle an, die sich nach wenigen Sekunden wieder zurückbildeten. Sowohl
die Lokalisationen der Kontrastmittelanreicherungen als auch die Art der induzierten
Schmerzen korrelierten mit der von dem Patienten vorbeschriebenen Schmerzsymptomatik.
Die Gefäße, die eine Hyperämie zeigten, bzw. dort, wo ein typischer Schmerzreiz ausgelöst
werden konnte, wurden anschießend langsam mit Portionen von bis zu 1,5 ml eines Kontrastmittel
(10 ml GE Accupaque 350)-Imipenem/Cilastatin-Gemisches (Fresenius-KABI, Imipenem/Cilastatin
500 mg/500 mg) embolisiert, bis eine deutliche Flussverlangsamung oder Stase im entsprechenden
Gefäß eintrat. Die Gesamtmenge des Embolisats betrug 5,5 ml (entspricht 275 mg Imipenem/275 mg
Cilastatin). Nach Embolisation zeigte sich eine deutliche Reduktion, z. T. sogar eine
komplette Rückbildung der Hyperämie. Nach Entfernung des Interventionsmaterials wurde
die Punktionsstelle mit einem Kompressionsband (Terumo, TR Band) versorgt.
Abb. 1 DSA des linken Schultergelenks bei einem Patienten mit aktivierter Arthrose nach
Sondierung der A. circumflexa humeri posterior in einer sehr frühen a und einer etwas späteren b Kontrastmittelphase. In der späteren Kontrastmittelphase kommen deutliche „Kontrastmittelwolken“
zur Darstellung als Hinweis auf eine Hyperämie (Pfeile). Nach tiefer superselektiver
Sondierung c des Gefäßes demarkiert sich deutlich ein hypervaskularisiertes Areal in Projektion
auf den lateralen Anteil des Humeruskopfes (Pfeil).
Fig. 1 DSA of the left shoulder joint in a patient with activated osteoarthritis after probing
the posterior circumflex humeral artery in a very early a and somewhat later b contrast phase. In the later contrast phase, obvious contrast medium “clouds” appear
as an indication of hyperemia (arrows). After deep superselective probing c of the vessel, a hypervascularized area is clearly demarcated in projection on the
lateral part of the humeral head (arrow).
Der Patient konnte am ersten postinterventionellen Tag ohne Komplikationen entlassen
werden. Bereits am Tag der Entlassung berichtete der Patient über eine deutliche Schmerzlinderung
mit einem VAS-Score von 7 auf 4 bzw. Nachtschmerz von 8 auf 0. Zudem konnte der Patient
den Arm bereits durch die reduzierten Schmerzen besser bewegen; die maximale Anteversion
betrug nun 180° (vormals 90°) und die Abduktion 160°/120° (vormals 80°/40°). Der ASES-Score
verbesserte sich auf 63,3 (vorher 34,3).
Bei den Patienten im Fall 2 und Fall 3 wurde ähnlich wie im Fall 1 verfahren. Folgende
Unterschiede ergaben sich jedoch: im Fall 2 wurde ein transfemoraler Zugang gewählt,
um alle Gefäßabgänge der A. brachialis, A. radialis und A. ulnaris sicher sondieren
zu können. Über eine 4F-Schleuse wurde ein 4F-Selektivkatheter in Vertebralis-Konfiguration
(Cordis, Tempo) bis in die A. subclavia rechts vorgeführt. In Koaxial-Technik wurden
wie oben beschrieben die Gefäßabgänge mit einem 1,7F-Mikrokatheter (Medtronic, Echelon
10) und einem 0,014“-Mikrodraht (Stryker, Syncro-14) sondiert. In der Übersichtsangiografie
zeigt sich eine stark hypervaskularisierte Gelenkkapsel, am stärksten jedoch in Projektion
auf den Epicondylis humeri ulnaris. Dieses Areal wurde in erster Linie durch die A.
collateralis ulnaris inferior und A. recurrens ulnaris versorgt ([Abb. 2]). Es folgte die Embolisation der Gefäße mit dem o. g. Kontrastmittel-Imipenem/Cilastatin-Gemisch
mit Portionen von bis zu 1,5 ml. Die Gesamtmenge des Embolisats betrug 4,5 ml (entspricht
225 mg Imipenem/225 mg Cilastatin).
Abb. 2 DSA des rechten Ellenbogengelenks bei einem Patienten mit Epicondylitis humeri ulnaris.
Bereits in der Übersichtsangiografie a zeigt sich ein hypervaskularisiertes Areal in Projektion auf den Epicondylus humeri
ulnaris. Dieses Areal (Pfeil) demarkiert sich deutlicher nach der superselektiven
Sondierung u. a. der A. collateralis ulnaris superior b. In der späteren Kontrastmittelphase c zeigt sich eine charakteristische frühe Füllung der Venen (Pfeilspitzen). Nach Embolisation
ist eine deutliche Flussverlangsamung zu erkennen; zudem stellen sich die hypervaskularisierten
Areale nicht mehr dar d.
Fig. 2 DSA of the right elbow joint in a patient with epicondylitis of the ulnar humerus.
The overview angiography a shows a strongly hypervascularized area in projection onto the epicondyle ulnar humerus.
This area (arrow) is more clearly demarcated after the superselective probing of the
superior ulnar collateral artery b. In the later contrast phase c a characteristic early filling of the veins (arrowheads) is observed. There is a
marked slowdown in flow after embolization; in addition, the hypervascularized areas
are no longer visible d.
Der Patient im Fall 2 konnte ebenfalls am ersten postinterventionellen Tag ohne Komplikationen
entlassen werden und schilderte, dass das Druckgefühl und die Schmerzen des rechten
Ellenbogengelenks deutlich nachgelassen hätten. Der Schmerz auf der VAS wurde mit
nur noch 3 angegeben (vorher 8), der DASH-Score mit 15,0 (vorher 44,2).
Im Fall 3 wurde ebenfalls ein transfemoraler Zugang gewählt und eine 4F-Schleuse antegrad
eingebracht. Nach Darstellung der Gefäßanatomie am Knie mittels einer 2-Ebenen-Angiografie
erfolgte die superselektive Sondierung der Gefäßäste wie oben dargestellt. Bei der
DSA zeigten sich stark hypervaskularisierte Areale in Projektion auf den Unterpol
der Patella und den Hoffa-Fettkörper, die in erster Linie über die A. inferior lateralis
et medialis genus sowie die A. recurrens tibialis versorgt wurden ([Abb. 3a–d]). Auch hier wurde durch die Injektion des Kontrastmittels ein typischer Schmerz
ausgelöst, der nach wenigen Sekunden wieder abklang. Es folgte die Embolisation der
Gefäße mit dem o. g. Kontrastmittel-Imipenem/Cilastatin-Gemisch ([Abb. 3e, f]). Die Gesamtmenge des Embolisats betrug 6,0 ml (entspricht 300 mg Imipenem/300 mg
Cilastatin).
Abb. 3 Übersichtsangiografie mit Lage der Katheterspitze im P3-Segment der A. poplitea (a a. p.; b seitlich). Die Angiografie im seitlichen Strahlengang nach superselektiver Sondierung
der A. recurrens tibialis zeigt deutlich hypervaskularisierte Areale, die sich auf
den Patella-Unterpol und den Hoffa-Fettkörper projizieren (c DSA; d nativ). Nach der Embolisation mit dem in Kontrastmittel aufgelösten Imipenem/Cilastatin,
die bis zum Eintreten einer Stase durchgeführt wurde, kommen die hypervaskularisierten
Areale nicht mehr zur Darstellung (e DSA; f nativ).
Fig. 3 Overview angiography with position of the catheter tip in the P3 segment of the popliteal
artery (a a. p.; b lateral). Angiography in the lateral beam path after superselective probing of the
tibial recurrent artery clearly shows hypervascularized areas projecting onto the
patella lower pole and the Hoffa fat body (c DSA; d native). The hypervascularized areas are no longer visible after embolization with
imipenem/cilastatin dissolved in contrast medium, which was performed until stasis
occurred, (e DSA; f native).
Bei der Patientin im Fall 3 zeigte sich unmittelbar postinterventionell eine Hautrötung
ventral am Kniegelenk. Durch das Anlegen einer Kalt-Kompresse bildete sich diese teilweise
zurück und war nach ca. einer Woche nicht mehr zu erkennen. Zu diesem Zeitpunkt gab
die Patientin auch an, dass sie weitestgehend schmerzfrei, die Spannung bei der Kniebeugung
nicht mehr zu spüren und dass auch das Treppensteigen wieder ohne Schmerzen möglich
sei. Es wurde ein WOMAC-Score von 51 (vorher 68,2) ermittelt. Der Schmerz wurde auf
der VAS mit 3 angegeben (vorher 10).
Schlussfolgerung, Diskussion
Schlussfolgerung, Diskussion
Bei allen 3 Patienten bestand ein chronisches Schmerzsyndrom eines Gelenks, das trotz
einer intensiven orthopädisch begleiteten Behandlung über mehrere Jahre persistierte.
Die Patienten wurden über die TAPE und der noch sehr limitierten Erfahrungen im Rahmen
einer interdisziplinären Beratung ausführlich aufgeklärt. Sie willigten der Behandlung
schließlich auf der Grundlage eines individuellen Heilversuchs ein.
Im Rahmen der Aufklärung wurden die Patienten auch darüber informiert, dass in den
bisherigen Publikationen die TAPE entweder mit permanentem Embolisationsmaterial,
wie z. B. Polyzene-beschichtete Hydrogel-Mikrosphären, oder mit temporärem Embolisationsmaterial,
wie z. B. in Kontrastmittel aufgelöstes Imipenem/Cilastatin, durchgeführt wurde [4]. Die Anwendung des Antibiotikums Imipenem/Cilastatin als Embolisationsmaterial stellt
trotz der Beschreibung in den genannten Arbeiten einen „Off-label-use“ dar. Dennoch
wurde nach Abwägung der möglichen Komplikationen und Berücksichtigung der persönlichen
Berichte der Autoren der bereits publizierten Studien sowohl von den behandelten Patienten
als auch von den Autoren dieser Studie die Anwendung von Imipenem/Cilastatin favorisiert.
Eine der in den Studien beschriebenen Komplikationen sind Hautverfärbungen [4]. Auch wir konnten bei der Behandlung der Patientin mit dem Patellaspitzensyndrom
postinterventionell eine deutliche Hautrötung feststellen, die sich jedoch nach Anlegen
von Kühl-Kompressen relativ schnell zurückbildete und nach ca. einer Woche nicht mehr
zu erkennen war. Bei der Anwendung von permanenten Partikeln wurde über deutlich längeranhaltende
Hautverfärbungen berichtet [4]
[7]. Im Fall eines Reflux könnten auch Non-Targeted-Embolisationen in die Akren nicht
ausgeschlossen werden. Bei der TAPE im Bereich des Schultergelenks wären sogar Non-Targeted-Embolisationen
in den Spinalkanal bzw. Rückenmark denkbar. Insbesondere unter dem Aspekt, schwerwiegende
Komplikationen zu vermeiden, erscheint die Anwendung eines temporären Embolisats vorteilhaft.
Als weiteres temporäres Embolisationsmaterial wären z. B. auch Gelatineschwamm- oder
Stärke-Partikel denkbar; diese haben jedoch bislang in keiner der publizierten Studien
Anwendung gefunden.
Überraschend ist die anhaltende schmerzlindernde Wirkung der Embolisation, auch wenn
mit den temporären Embolisationsmaterialien nur ein vorrübergehender Verschluss der
Gefäße erreicht wird. Es wird angenommen, dass der Schmerz durch pathologische, nicht
myelinisierte sensorische Nerven vermittelt wird, die sich in der Umgebung von neu
gebildeten Gefäßen bilden [8]. Die in entzündlich veränderten bzw. überbeanspruchten Strukturen wie der Gelenkkapsel,
Synovialis, Periost und Sehnen stattfindende Neoangiogenese und Neoneurogenese wird
durch lokoregionär freigesetzte proangiogenetische Faktoren wie z. B. VEGF/PDGF oder
proneurogenetische Faktoren wie das beta-NGF induziert und unterhalten [9]. Diese Prozesse sind ferner verantwortlich für nachfolgende strukturelle Veränderungen
bzw. Destruktionen von Knorpel und Knochen der Gelenke [10]. Es wird angenommen, dass durch eine Embolisation das Einschwemmen von inflammatorischen
Zellen und proinflammatorische Zytokinen vermindert und damit die Stimulierbarkeit
der Nerven herabgesetzt wird [3]. Ob diese Effekte allein durch die mechanische Okklusion der Gefäße bzw. durch die
Erzeugung einer Ischämie bedingt sind, oder ob z. B. das kristalloide Antibiotikum
Imipenem/Cilastatin möglichweise selbst eine antiinflammatorische oder analgetische
Wirkung entfaltet, ist nicht bekannt.
Unerwartet war auch die schnell einsetzende Linderung der Beschwerden. Bei allen 3
dargestellten Fällen zeigte sich bereits am ersten postinterventionellen Tag eine
deutliche Reduktion der Schmerzen, obwohl ihnen keine zusätzlichen Schmerzmittel verabreicht
wurden. Bei dem Patienten mit den arthrotischen Schulterbeschwerden führte die Behandlung
sogar zu einer deutlich verbesserten Beweglichkeit des Gelenks. Alle 3 Patienten berichteten
zudem, dass sie auch nach 3 Monaten postinterventionell auf die Einnahme von Analgetika
verzichten können.
Gelenkschmerz ist ein weitverbreitertes Leiden, dem meistens eine Arthrose, seltener
auch aseptische oder septische Entzündungen zugrunde liegen [11]. Das therapeutische Spektrum beinhaltet die medikamentöse Einnahme von Analgetika,
Physiotherapie oder Gelenkinjektionen [12]. Bei therapieresistenten arthrotischen Schmerzen ist häufig ein operativer prothetischer
Gelenkersatz unausweichlich. Bei chronisch-entzündlichen Veränderungen von Sehnen
oder Gelenkkapsel ist trotz der üblichen Therapieansätze ein längerer Krankheitsverlauf
vorgezeichnet.
Die hier dargestellte TAPE stellt nach unseren ersten Erfahrungen eine vielversprechende
neue Therapieoption zur Behandlung von Patienten mit chronischen Gelenkschmerzen dar.
Die momentan noch spärliche Literaturdatenlage scheint dies zu unterstreichen. Das
genaue Wirkungsprinzip der Embolisation ist derzeit noch unklar. Allerdings ist sehr
gut denkbar, dass die TAPE die pathomorphologischen Veränderungen, die nach neuesten
Erkenntnissen eine entscheidende Rolle bei degenerativ bedingten oder überlastungsbedingten
Gelenkschmerzen spielen, nämlich die Neoangiogenese und Neoneurogenese, adressiert.
Unter Würdigung der guten technischen Durchführbarkeit und der niedrigen Komplikationsrate
erscheint es gerechtfertigt zu sein, den Ansatz weiter zu verfolgen. Dennoch gibt
es wesentliche offene Fragen, die in zukünftigen Studien zu klären sein werden. Hierzu
zählen die Identifikation des geeigneten Patienten, die Effektivität anderer Embolisationsmaterialien,
das Komplikationsprofil in einem großen Patientengut und die Langzeitergebnisse der
Therapie.
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In Deutschland liegt die Prävalenz von Gelenkschmerzen bei 55,1 % pro Jahr.
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Viele Patienten mit Arthrose leiden an therapieresistenten Gelenkschmerzen.
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Viele Patienten scheuen eine operative Gelenkersatztherapie.
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Insbesondere bei jüngeren Patienten ist aus orthopädischer Sicht die Gelenkersatztherapie
problematisch.
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Die TAPE kann möglicherweise dazu beitragen, das Therapiespektrum von chronischen
Gelenkschmerzen zu erweitern.