Pneumologie 2020; 74(11): 710
DOI: 10.1055/a-1204-4395
Pneumo-Fokus

Respiratorisches Risiko bei Sarkopenie, Adipositas und sarkopener Adipositas

Petermann-Rocha F. et al.
Sarcopenic obesity and its association with respiratory disease incidence and mortality.

Clin Nutr 2020;
DOI: 10.1016 /j.clnu.2020.03.006.
 

Leidet eine Person gleichzeitig an einer Sarkopenie (altersbedingte Abnahme der Muskelmasse und -kraft sowie der körperlichen Leistungsfähigkeit) und krankhaftem Übergewicht, liegt eine sarkopene Adipositas vor. Eine Sarkopenie begünstigt vermutlich Atemwegserkrankungen, wogegen Übergewicht diesbezüglich als protektiv gilt. Wie wirkt sich die Kombination beider Krankheitsbilder auf das respiratorische Risiko aus?


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Dieser Frage gingen irische Forscher nach. Anhand der Daten von 170 083 Teilnehmern der zwischen 2007 und 2010 gestarteten „UK Biobank“-Studie prüften sie den Zusammenhang zwischen der Sarkopenie, der Adipositas sowie der sarkopenen Adipositas und der Inzidenz bzw. der Mortalität respiratorischer Erkrankungen. Hierzu werteten sie zusätzlich klinische und administrative Datenbanken aus. Die Diagnose „Adipositas“ stellten die Forscher anhand verschiedener Kriterien:

  • Body-Mass-Index ≥ 30 kg/m2

  • Bauchumfang ≥ 88 cm (Frauen) bzw. ≥ 102 cm (Männer)

  • Körperfettgehalt ≥ 38,6 % (Frauen) bzw. ≥ 26,9 % (Männer), entsprechend den beiden höchsten geschlechtsspezifischen Quintilen bezogen auf die Studienpopulation.

Die Diagnose „Sarkopenie“ erforderte das Vorliegen einer geringen Muskelmasse in der Bioimpedanzmessung plus eine geringe Greifkraft (Messung mittels hydraulischem Handdynamometer) und/oder eine langsame Gehgeschwindigkeit.

Ergebnisse

Während der durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 7 Jahren entwickelten 3,2 % der Studienteilnehmer eine Atemwegserkrankung und 0,5 % verstarben daran. Im Vergleich zur Referenzgruppe (normalgewichtige Personen ohne Sarkopenie) ging eine anhand des Body-Mass-Index definierte Adipositas mit einer um 13 % und eine isolierte Sarkopenie mit einer um 23 % erhöhten Inzidenz respiratorischer Erkrankungen einher (Hazard Ratio 1,13; 95 %-KI 1,03 – 1,23 bzw. Hazard Ratio 1,23; 95 %-KI 1,10 – 1,36). Bei einer sarkopenen Adipositas stieg die Erkrankungsinzidenz sogar um 51 % (Hazard Ratio 1,51; 95 %-KI 1,30 – 1,77). Im Hinblick auf die respiratorische Mortalität zeigte sich: Eine anhand des Body-Mass-Index definierte Adipositas ging mit einem signifikant geringeren (Hazard Ratio 0,62; 95 %-KI 0,48 – 0,79), eine Sarkopenie dagegen mit einem signifikant höheren Sterberisiko einher (Hazard Ratio 1,45; 95 %-KI 1,12 – 1,88). Eine sarkopene Adipositas beeinflusste dagegen das Sterberisiko nicht wesentlich (Hazard Ratio 1,12; 95 %-KI 0,76 – 1,63). Verwendeten die Forscher zur Definition der Adipositas statt des Body-Mass-Index den Bauchumfang oder den Körperfettgehalt, veränderten sich die Ergebnisse kaum.

Fazit

Sowohl eine Sarkopenie als auch eine Adipositas sowie die Kombination beider Zustände gehen mit einer erhöhten Inzidenz respiratorischer Erkrankungen einher, schlussfolgern die Autoren. Während die Adipositas mit einer geringeren und die Sarkopenie mit einer erhöhten respiratorischen Mortalität assoziiert ist, scheint die sarkopene Adipositas diesbezüglich keinen wesentlichen Einfluss zu haben. Vermutlich gleichen sich hier die protektiven und die begünstigenden Faktoren aus, meinen die Forscher.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
17 November 2020

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