Kurze Übersicht zur Corona-Lage – Was gibt es an deutschen Initiativen, was läuft
international?
Seitdem es im Dezember 2019 in Wuhan, China, zu einem Ausbruch des Coronavirus 2 (SARS-CoV-2)
gekommen ist, hat sich das Virus über die ganze Welt ausgebreitet und die Welt verändert.
Am 12. Februar 2020 benannte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die durch das neuartige
Coronavirus ausgelöste Krankheit „COVID-19“ (Akronym für „Corona-Virus-Disease“).
Mitte März erklärte die WHO eine Pandemie, Ende März waren bereits erste nationale
und internationale COVID-19-Krankheitsregister erstellt, die seither Daten zu dieser
neuen Erkrankung sowie deren Behandlung sammeln (z. B. Lean European Open Survey for
SARS-CoV-2 Infected Patients, kurz LEOSS).
Anfang April hat die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) mit
ihrem Register ein Instrument zur Erfassung von stationär behandelten pädiatrischen
COVID-19-Patienten in Deutschland geschaffen, um Daten zu Verläufen, Risikofaktoren,
Therapien etc. rasch zu generieren, die zeitnah online auf der DGPI-Website allen
Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Zum gleichen Zeitpunkt hat auch die
Kommission für Arzneimittelsicherheit im Kindesalter (KASK) der Deutschen Gesellschaft
für Kinder- und Jugendmedizin Hinweise zur medikamentösen Therapie bei an COVID-19
erkrankten Kindern veröffentlicht.
Neben allgemeinen Datenerhebungen wurden auch Register für spezielle Patient*innengruppen
entwickelt, wie z. B. für Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder
rheumatischen Erkrankungen (z. B. COVID-19-Register der Deutschen Gesellschaft für
Rheumatologie). Auch wenn die meisten der registrierten COVID-19-Fälle in der erwachsenen
Bevölkerung (ohne und mit rheumatischen Erkrankungen) beobachtet werden – in Deutschland
treten knapp 1 % bei Kindern < 5 Jahre auf, 2 % bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren
–, sind Kinder und Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen möglicherweise besonders
anfällig für eine SARS-CoV-2-Infektion; zum einen durch ihre chronisch-entzündliche
Erkrankung, zum anderen durch die therapeutisch induzierte Immunsuppression. Letztere
könnte aber auch den klinischen Verlauf von COVID-19 – positiv oder negativ – beeinflussen.
Bereits Ende Februar hat die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)
Handlungsempfehlungen bezüglich SARS-CoV-2 bei Kindern und Jugendlichen mit rheumatischen
oder autoinflammatorischen Erkrankungen zirkuliert. Diese gründen sich auf einen Expertenkonsensus.
Außerdem wurde Ende Mai durch ein Experten-Team eine Online-Umfrage zu Behandlungsstrategien
bezüglich COVID-19 unter deutschsprachigen Kinder- und Jugendrheumatolog*innen durchgeführt,
deren Ergebnisse bereits publiziert sind.
Eine detaillierte Erfassung der klinischen Manifestationen, des Verlaufs und des Outcomes
der COVID-19-Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen mit rheumatischen Erkrankungen
ist erforderlich, um eine evidenzbasierte Risikoabschätzung dieser Infektionskrankheit
vornehmen zu können und die Patient*innen und ihre Eltern besser über eine medikamentöse
Therapie im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion beraten zu können. Hierzu
werden folgende Initiativen sicherlich ihren Beitrag leisten:
Pädiatrische Patient*innen mit einer rheumatischen Grunderkrankung, die an COVID-19
erkranken, können seit Anfang April über das Kinder-Biologika-Register BiKeR anhand
eines Fragebogens als „adverse event of special interest“ erfasst werden. Bei dieser
Erhebung steht die Therapie (welche Substanz, Änderung der Dosis, Absetzen) der rheumatischen
Grunderkrankung, aber auch die der von COVID-19 im Vordergrund.
Um ein möglichst umfassendes Bild zu COVID-19 bei den Patient*innen (mit allen rheumatischen
Erkrankungen und unabhängig von der Therapie) zu gewinnen und das Risiko für die Betroffenen
im Kontext der Grunderkrankung und Rheumatherapie abschätzen zu können, besteht seit
Mitte April die Möglichkeit der Erfassung in Form eines Zusatzmoduls im Rahmen der
Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher (Kinder-KD). Hier werden die
COVID-19-assoziierten Symptome, die spezifischen therapeutischen Interventionen sowie
das Outcome bezüglich sowohl der SARS-CoV-2-Infektion als auch der rheumatischen Grunderkrankung
dokumentiert. Die Daten der Kinder-KD zu COVID-19 werden mit BiKeR und dem Register
der DGPI abgeglichen, sodass keine Doppelerfassung notwendig ist. Die Erhebung ist
so konzipiert, dass die Daten auch für andere Fallsammlungen (international: EULAR
und CARRA, siehe unten) genutzt werden können. Das Ausfüllen des Fragebogens kann
retrospektiv erfolgen. Nach Eingang der Bögen werden die Daten (Fallzahlen, Diagnose,
Alter sowie Klinik, Krankheitsschwere und Outcome von COVID-19) täglich aufbereitet.
Mit Stand 15. Juli 2020 wurden nach Abgleich mit dem DGPI-Register und BiKeR 19 Patient*innen
mit juveniler idiopathischer Arthritis und SARS-CoV-2 Nachweis gemeldet.
Seit Ende März werden aus Ländern wie Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien,
USA und Kanada immer mehr Fälle eines mit COVID-19 assoziierten Hyperinflammationssyndroms
(Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome [PIMS]) bei Kindern berichtet, das phänotypisch
einem Kawasaki-Syndrom, einem Makrophagenaktivierungssyndrom oder einem toxischen
Schock-Syndrom ähneln kann. Fallberichte liegen inzwischen auch in Deutschland vor.
Um dieses Krankheitsbild (vorläufige Falldefinition siehe Informationskasten), welches
vermutlich in Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion steht, jedoch offenbar nicht
mit einer vorbestehenden Grunderkrankung einhergeht, näher charakterisieren zu können,
bittet die DGPI um Dokumentation von Patienten mit diesem Krankheitsbild mittels eines
Online-Surveys. Da pädiatrische Patienten mit einem Hyperinflammationssyndrom sicherlich
interdisziplinär unter Einbeziehung von pädiatrischen Rheumatolog*innen diagnostiziert
und behandelt werden, wurde durch Mitglieder der GKJR zusätzlich ein Erfassungsbogen
entworfen, mit dem Patient*innen mit PIMS im Rahmen der Kinder-KD gemeldet werden
können. Bisher beträgt die Fallzahl für Patient*innen mit PIMS 4 (Stand: 15. Juli
2020).
Internationale Initiativen
In Zusammenarbeit mit dem American College of Rheumatology wurde das „COVID-19 Global
Rheumatology Alliance Healthcare Provider Registry“ aufgebaut, in welches Patient*innen
mit rheumatischen Grunderkrankungen und COVID-19 weltweit (außer aus Europa, siehe
unten) eingeschlossen werden können. Analog dazu könnten pädiatrische Patient*innen
mit rheumatischen Erkrankungen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, in die „COVID-19
Global Pediatric Rheumatology Database“ aufgenommen werden, die von der Childhood
Arthritis and Rheumatology Research Alliance (CARRA) erstellt wurde. Zu diesen beiden
Registern gibt es jeweils auch ein „Patient Experience Survey“, in denen rheumakranke
Patient*innen ihre Erfahrungen mit COVID-19 dokumentieren sollen.
In Europa hat die European League against Rheumatism (EULAR) ein COVID-19-Register
sowohl für pädiatrische als auch für erwachsene Patient*innen mit rheumatischen Grunderkrankungen
erstellt. Auf der Webseite der EULAR COVID-19 Database wird darauf verwiesen, dass
Patient*innen aus Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal und Schweden in den jeweiligen
nationalen Registern dokumentiert werden sollen. Diese nationalen Daten werden regelmäßig
übertragen und mit Daten aus der Datenbank EULAR-COVID-19 zusammengeführt.
Außerdem gibt es auch eine europäische Initiative der Pediatric Rheumatology European
Society (PReS), International Society of Systemic Auto-Inflammatory Diseases (ISSAID),
European Reference Network on Rare Primary Immunodeficiency, AuToinflammatory and
Autoimmune Diseases (ERN-RITA) und der Paediatric Rheumatology INternational Trials
Organisation (PRINTO), die ein Netzwerk zum Ziel hat, in dem PIMS-Patient*innen in
einem Register gesammelt werden sollen.
In den USA sollen Ärzt*innen, die Patient*innen unter 21 Jahren, die die Multisystem-Inflammatory-Syndrome-in-Children
(MIS-C)-Kriterien erfüllen, betreut haben oder betreuen, Verdachtsfälle ihrem örtlichen,
staatlichen oder territorialen Gesundheitsamt melden (Hinweis auf den Internet-Seiten
des Center of Disease Control and Prevention, USA).
INFORMATIONSKASTEN ZUM COVID-19-ASSOZIIERTEN HYPERINFLAMMATIONSSYNDROM (PEDIATRIC
INFLAMMATORY MULTISYSTEM SYNDROME (PIMS)
Vorläufige Falldefinition (modifiziert nach Royal College of Paediatrics and Child
Health vom 01.05.2020)
-
Ein Kind mit anhaltendem Fieber, Entzündungen (Neutrophilie, erhöhtes CRP, Ferritin
und Lymphopenie) und Anzeichen einer Dysfunktion einzelner oder mehrerer Organe (Schock,
kardiale, respiratorische, renale, gastrointestinale oder neurologische Störung) mit
anderen zusätzlichen klinischen Auffälligkeiten oder pathologischen Veränderungen
im
-
Labor, in der Bildgebung oder im EKG. Krankheitsbilder, die die Kriterien für das
Kawasaki-Syndrom oder Makrophagenaktivierungssyndrom vollständig oder teilweise erfüllen
oder einem toxischen Schocksyndrom ähneln, können einbezogen werden.
-
Ausschluss jeder anderen mikrobiellen Ursache, einschließlich bakterieller Sepsis,
Staphylokokken- oder Streptokokken-Schocksyndromen, Infektionen im Zusammenhang mit
Myokarditis wie z. B. Enterovirus.
-
SARS-CoV-2 PCR-Test positiv oder negativ.
PedMUS – ein digitales Lehrbuch für die kindliche Gelenksonografie
Der Stellenwert der Gelenksonografie hat in der Kinderrheumatologie in den vergangenen
Jahren deutlich zugenommen. Um diese bildgebenden Möglichkeiten für Kinder- und Jugendliche
mit rheumatischen Erkrankungen flächendeckend einsetzen zu können, wurden in Deutschland
u. a. von der im Jahr 2011 gegründeten Kommission Bildgebung der GKJR verschiedene
Initiativen unternommen. Bereits seit 2012 werden jährlich Ultraschallfortbildungen
und -kurse unter Federführung der Kommission Bildgebung in Deutschland angeboten.
Hierzu gehören regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen in Sendenhorst, Landshut, Weißenfels,
Leipzig und Garmisch-Partenkirchen. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis
Bewegungsorgane der DEGUM konnte seit Beginn dieser Veranstaltungen eine hohe Weiterbildungsqualität
erreicht werden. Inzwischen hat sich im Rahmen der Kommission Bildgebung ein erfahrenes
Ausbilderteam formiert.
Auch international fanden in den letzten Jahren im Rahmen der europäischen Rheumagesellschaften
PReS und EULAR erste Gelenkultraschallkurse für die kindliche Gelenksonografie statt.
Um die Gelenksonografie für Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen zu standardisieren,
begann die Kommission Bildgebung im Jahr 2012 eines der größten sonografischen Normwerteprojekte
weltweit. Über 400 gesunde Probanden aller Altersklassen konnten in dieses Ultraschall-Projekt
eingeschlossen werden. Inzwischen konnten sonografische Normbefunde zum Knie-, Schulter-
Hüft- und Ellenbogengelenk bei Kindern und Jugendlichen in mehreren Arbeiten publiziert
werden. Neben den nationalen Studienprojekten haben sich auch internationale Forschungsgemeinschaften,
wie zum Beispiel die OMERACT-Gruppe (Outcome Measures in Rheumatology) formiert, um
eine bessere Standardisierung der kindlichen Gelenksonografie zu verfolgen. 2015 wurden
von der OMERACT-Gruppe erstmals international konsentierte Ultraschalldefinitionen
für die kindlichen Gelenke publiziert.
Zur internationalen Verbesserung der Ausbildungs- und Trainingsmöglichkeiten wurde
2017 in einer deutsch-italienisch-kanadischen Kooperation die PedMUS-Initiative (Pediatric
Musculoskeletal Ultrasound Initiative) gegründet. In einem ersten Schritt wurde ein
digitaler Ultraschalllehratlas für die kindliche Gelenksonografie erstellt. Das interaktive
E-Book von PedMUS erschien unter der Förderung von AbbVie in einer ersten Edition
im Juni 2019. Mittlerweile in der 2. Edition lässt sich das über 250 Seiten umfassende
E-Book sowohl online als auch auf dem Laptop oder Smartphone sehr bedienerfreundlich
einsetzen. So können zum Beispiel bestimmte Gelenkregionen sehr einfach angewählt
werden und es können Bilder von gesunden und kranken Befunden direkt miteinander verglichen
werden. Das E-Book geht dabei sehr umfassend auf die altersspezifischen Besonderheiten
der kindlichen Gelenke ein. Neben dem Ultraschallatlas der Gelenkregionen umfasst
das E-Book u. a. auch Kapitel über die Ultraschalltechnik, über die Anwendung in der
Praxis und über die Graduierung einer kindlichen Gelenkentzündung. Eine weitere geplante
Version des E-Books wird auch ein Kapitel über die ultraschallgeführte Injektion von
Gelenken beinhalten. Das E-Book wurde in Deutschland erstmals im Januar 2020 in einer
deutschen Version im Rahmen eines Workshops im Nordwestdeutschen Rheumazentrum in
Sendenhorst vorgestellt und ist inzwischen auch auf der Webseite der GKJR (www.gkjr.de) abrufbar. Weitere Versionen des ursprünglich englischsprachigen E-Books stehen inzwischen
in Portugiesisch, Französisch und Türkisch zur Verfügung.
IMPRESSUM
Verantwortlich für den Inhalt
Prof. Dr. Kirsten Minden
Universitätsmedizin Berlin –
Charité Campus Virchow und
Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin
Martina Niewerth, Deutsches
Rheuma- Forschungszentrum Berlin