Der Klinikarzt 2020; 49(06): 268-273
DOI: 10.1055/a-1198-1243
Im Fokus
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Studie zur Immunität gegen SARS-CoV-2

Keine signifikante humorale Immunität gegen SARS-CoV-2 im medizinischen Personal eines Klinikums der Maximalversorgung und in der Stadtregion Fulda
Peter M. Kern
1   Universitätsmedizin Marburg – Campus Fulda; Klinikum Fulda gAG
,
Hans-Helge Müller
2   Philipps-Universität Marburg, Institut für Medizinische Bioinformatik und Biostatistik
,
Thomas Menzel
1   Universitätsmedizin Marburg – Campus Fulda; Klinikum Fulda gAG
,
Heike Weisser
1   Universitätsmedizin Marburg – Campus Fulda; Klinikum Fulda gAG
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
29 June 2020 (online)

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Der indikationsgesteuert durchgeführte direkte Virusnachweis (RT-PCR im Abstrich) unterschätzt wegen der möglichen asymptomatischen Verläufe die Zahl der SARS-CoV-2-Infizierten erheblich. Daher sind populationsbasierte Erhebungen der Antikörperprävalenz zur verlässlichen Einschätzung der gegenwärtigen Pandemie unverzichtbar.

Methoden: In einem Klinikum der Maximalversorgung wurden 74,8 % aller Mitarbeiter/innen mit direktem Patientenkontakt (n = 1480) sowie als nicht medizinprofessionelle Kontrollgruppe Mitarbeiter/innen lokaler Supermärkte mit direktem Kundenkontakt (n = 300) auf Antikörper der Klassen IgA und IgG gegen SARS-CoV-2 getestet. Die Gesamtkohorte stellt zugleich 1,5 % der Bevölkerung der Stadtregion Fulda mit 125 000 Einwohnern dar.

Ergebnisse: 1,0 % der Testpersonen waren positiv für IgG, 4,4 % für IgA. Bei einer Testspezifität von 99,6 % (IgG) bzw. 92,4 % (IgA) liegt weder im Gesamttestkollektiv noch in einer der Untergruppen eine klinisch signifikante Immunität gegen SARS-CoV-2 vor.

Schlussfolgerung: Von einer relevanten Anzahl durchlaufener unerkannter Infektionen kann in dieser Region nicht ausgegangen werden. Die noch spärlichen Daten aus internationalen Regionen lassen Immunitätsraten bis maximal 60 % in stark exponierten Kollektiven vermuten, wobei sich in Deutschland ein dynamisches Mosaik mit aktuellen Werten zwischen null und 15 % abzeichnet. Diese Heterogenität legt eine regionale Planung der Maßnahmen zur Kontrolle der Virusausbreitung nahe. Ein relevanter immunologischer Schutz der Bevölkerung vor SARS- CoV-2 ist bis zur Verfügbarkeit einer Impfung nicht zu erwarten.