physiopraxis 2020; 18(07/08): 42-47
DOI: 10.1055/a-1181-6115
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Hilfe für den Trainingsplan – Fallbeispiele aus dem Athletiktraining

Daniel Kadlec
,
David Gröeger
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Publication History

Publication Date:
15 July 2020 (online)

 

Fallbeispiele aus der Sportreha, Grundlagen zum Athletiktraining und ein großer Übungspool samt Trainingsplänen – all das ist Teil des neuen Buches „Athletiktraining in der Sport-physiotherapie“ von den Sportwissenschaftlern David Groeger und Daniel Kadlec. Zwei Fall-beispiele daraus stellt physiopraxis als Kostprobe vor.


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Daniel Kadlec

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Daniel Kadlec ist derzeit Doktorand an der Edith Cowan University in Perth, Australien, im Bereich Sportwissenschaft und Biomechanik und arbeitet als Athletiktrainer für eine AFL-Mannschaft.

David Gröger

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David Gröger ist Bundestrainer Athletik für den deutschen Handballbund und Gründer von Plus D Sports in Solingen. Außerdem ist er zertifizierter DOSB-Athletiktrainer.

Fallbeispiel 1: Patellartendinopathie

Der Fall

Clara Müller ist 24 Jahre alt und spielt dreimal pro Woche Volleyball. Sie leidet beidseitig unter einer Patellartendinopathie. Vorverletzungen hat sie keine.

Ziel der Rehabilitation von Tendinopathien ist es, die Belastungstoleranz der betroffenen Sehne progressiv zu erhöhen, um schließlich bei jeglicher sportartspezifischen Belastung schmerzfrei zu bleiben. Dabei sind hohe mechanische Lasten mittels verschiedener Methoden des Krafttrainings empfehlenswert, um qualitative Adaptationen der Sehne zu erzeugen und somit die Belastungstoleranz zu erhöhen.

Abhängig von der akuten Schmerzsymptomatik ist zunächst eine Unterbrechung des Trainings empfehlenswert, um anschließend den Fokus zunächst nur auf die Rehabilitation zu richten. Schmerz bei und nach Belastung ist während der kompletten Rehabilitation das entscheidende Kriterium, um Intensität und Volumen der Übungen zu bestimmen. Ein höheres subjektives Schmerzempfinden als 2 von 10 Punkten auf der VAS sollte während der Übungen nicht auftreten.


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Phase 1 Beispielübungen aus dem Krafttraining

In Phase 1 sind hauptsächlich isometrische Belastungen für die Knieextensoren ratsam ([TAB. 1]). Neben einer kontrollierten Belastungssteigerung wirkt diese Methode analgetisch auf die schmerzhafte Struktur. Somit kann die Sehne progressiv belastet werden, um die gewünschten Anpassungen zu induzieren. Weiterhin sind Übungen für die Rumpf- und Beckenstabilität sowie für Oberkörper und Unterschenkel enthalten.

TAB. 1 Phase 1 Patellartendinopathie

Zeitraum

Voraussetzung

Ziele

Methoden

1–2 Wochen

  • sportartspezifisches Training unterbrechen

  • Schmerz bei Belastung minimal halten

  • Aktivitäten mit einem DVZ (Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus) vermeiden

  • Belastungstoleranz progressiv erhöhen

  • Krafttraining

  • Ausdauertraining

  • Beinstrecker (3–5 Sätze à 30–60 Sek. isometrischer Belastung, schmerzadaptierte Intensität (VAS < 3), Kniewinkel bei rund 60°, 90–180 Sek. Satzpause, mehrmals täglich durchführbar)

  • Beckenbrücke, Rückenstrecker, Hüftheben ([ABB. 1 UND 2], S. 44), Kreuzheben gestreckt (2–4 Sätze à 6–15 Wdh., Bewegungstempo 3–1–1, Progression von beidbeiniger zu einbeiniger Ausführung)

  • Hüftgelenkabduktion mit Miniband (3–5 Sätze à 8–15 Wdh.)

  • Wadenheben (3–5 Sätze à 8–12 Wdh., stehend und sitzend)

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ABB. 1 UND 2 Hüftheben: Die Langhantel liegt im Bereich des Beckens auf. Der Athlet berührt mit der hinteren Schulter eine Bank/Box. Die Hände halten die Langhantel nah am Körper. Durch eine Hüftextension hebt er das Gewicht unter einer konstant neutralen Wirbelsäulenaufrichtung zügig an, bis Schulter, Hüfte und Knie eine Gerade ergeben. Anschließend gibt er das Gewicht über den gleichen Weg kontrolliert ab, bis es den Boden berührt.Abb.: K. Oborny/Thieme GruppeAbb.: K. Oborny/Thieme Gruppe

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Beispielübungen aus dem Ausdauertraining

Ausdauertraining wird in dieser Phase nur mit niedrigem Volumen sowie geringer Intensität und ausschließlich auf Geräten (Fahrrad, Rudermaschine, Airbike) durchgeführt, sofern der Athlet schmerzfrei ist. Somit werden zusätzliche Belastungen der verletzten Struktur minimiert.

  • Dauermethode (5–30 Min., niedriger Widerstand (VAS < 3))


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Kriterien für den Eintritt in Phase 2

Der subjektive Schmerz bei den isometrischen Belastungen der Knieextensoren ist für den Übergang in die nächste Phase das entscheidende Kriterium. Sobald hohe Lasten (ca. 70 % des 1 RM) über mehrere Sätze hinweg höchstens einen Schmerz unter 3 von 10 Punkten auf der VAS hervorrufen, kann man die Belastung steigern.

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei isometrischen Übungen für die Knieextensoren


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Phase 2 Beispielübungen aus dem Krafttraining

In Phase 2 ([TAB. 2]) wird dynamisches Krafttraining wieder progressiv eingeführt, um die Kraftfähigkeit der Knieextensoren zu erhöhen und die Belastungstoleranz der Patellarsehne zu steigern. Schweres Krafttraining mit einer langsamen Ausführung ist hierbei zu empfehlen, um die Sehne progressiv zu stärken. Weiterhin sind Übungen für die Rumpf- und Beckenstabilität sowie für Oberkörper und Unterschenkel enthalten.

TAB. 2 Phase 2 Patellartendinopathie

Zeitraum

Ziele

Methoden

3–6 Wochen

  • Schmerz bei Belastung minimal halten

  • Aktivitäten mit einem DVZ vermeiden

  • Belastungstoleranz progressiv erhöhen

  • sportartspezifische Belastung vermeiden

  • Krafttraining

  • Ausdauertraining

  • Kniebeuge, Beinpresse (3–5 Sätze à 6–15 Wdh., gleichmäßige Gewichtsteilung, Bewegungstempo 3–1–3)

  • Beckenbrücke, Rückenstrecker, Hüftheben, Kreuzheben gestreckt (2–4 Sätze à 6–15 Wdh., Bewegungstempo 3–1–1, Progression von beidbeiniger zu einbeiniger Ausführung)

  • Hüftabduktion mit Miniband (3–5 Sätze à 8–15 Wdh.)

  • Wadenheben (3–5 Sätze à 8–12 Wdh.)


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Beispielübungen aus dem Ausdauertraining

In Frage kommen kontinuierliche Belastungen und verschiedene Intervallformen. Obwohl man erste läuferische Belastungen zum Ende der Phase progressiv einführt, hält der Athlet das Ausdauertraining weiterhin hauptsächlich auf Geräten ab.

  • extensive Intervalle (Fahrrad, Rudermaschine, Airbike, 4–8 Min. Intervalllänge, 3–5 Sätze, 2–3 Min. Satzpause, Herzfrequenz (HF) ca. 140–165)

  • intensive Intervalle (Fahrrad, Rudermaschine, Airbike (15 Sek. – 4 Min. Intervalllänge, 4–10 Durchgänge, 15 Sek. – 3 Min. Serienpausen, 3–5 Min. Satzpausen, HF 170 S/Min. – max.)

  • Dauermethode (Laufen, 5–30 Min., schmerzadaptierte Intensität)


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Kriterien für den Eintritt in Phase 3

Ähnlich wie bei der vorherigen Phase ist der subjektive Schmerz bei allen dynamischen Belastungen der Knieextensoren (Kniebeuge, Beinpresse) entscheidend. Sobald hohe Lasten (6 RM) über mehrere Sätze hinweg höchstens einen Schmerz unter 3 von 10 Punkten auf der VAS hervorrufen, kann der Athlet die Belastung steigern. Lauftraining soll ebenfalls keinen bzw. nur minimalen Schmerz hervorrufen.

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei dynamischen Übungen unter hohen Lasten und bei Lauftraining


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Phase 3 Beispielübungen aus dem Bereich der Sensomotorik

Phase 3 führt verschiedene Sprungformen ohne Zusatzlast progressiv ein ([TAB. 3], S. 43). Der Fokus liegt auf der Qualität der Ausführung und einer optimalen Landetechnik. Zudem werden progressiv lineare und laterale sportartspezifische Bewegungsformen in einem vorgegebenen Rahmen und kontrolliert mit Fokus auf die Bewegungsausführung während der Entschleunigung durchgeführt. Das subjektive Schmerzempfinden diktiert weiterhin die Belastungsprogression.

TAB. 3 Phase 3 Patellartendinopathie

Zeitraum

Ziele

Methoden

6–10 Wochen

  • Schmerz bei Belastung minimal halten

  • Aktivitäten mit einem DVZ einführen

  • Belastungstoleranz progressiv erhöhen

  • mit sportartspezifischem Training beginnen

  • Sensomotorik

  • Krafttraining

  • Ausdauertraining

  • bilaterale Sprünge; nichtkontinuierliche und kontinuierliche, 2–4 Sätze à 4–8 Wdh., Fokus auf stabiler und leiser Landung nach jedem Sprung, Progression durch Sprungdistanz und Reduzierung der Bodenkontaktzeit)

  • unilaterale Sprünge (nichtkontinuierliche und kontinuierliche, 2–4 Sätze à 4–8 Wdh., Fokus auf stabiler und leiser Landung nach jedem Sprung, Progression durch Sprungdistanz, Selbstkontrolle im Spiegel, multidirektionale Ausführung)

  • Plyometrie mit zunächst reduzierter exzentrischer Belastung (Boxsprünge), 3–5 Sätze à 3–5 Wdh., Fokus auf stabiler und leiser Landung nach jedem Sprung, gleichmäßige Gewichtsteilung, Progression durch Erhöhung der exzentrischen Belastung (Hock-Streck-Sprung und Niedersprünge)

  • kontrolliertes Üben von linearer und lateraler Entschleunigung (geschlossene und offene Übungsreihen, Fokus auf stabiler und leiser Entschleunigung, Progression durch Erhöhung der Bewegungsgeschwindigkeit)

  • kontrolliertes Üben von Richtungswechseln (geschlossene und offene Übungsreihen, Fokus auf kontrolliertem Übergang bei Änderungen der Bewegungsrichtung, Progression durch Erhöhung der Bewegungsgeschwindigkeit

  • Beginn mit sportartspezifischem Training (ohne Kontakt, einfache Übungsabfolgen, Ermüdung gering halten, geringes Volumen)


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Beispielübungen aus dem Krafttraining

Während man die Intensität weiter erhöht, reduziert man das Volumen, da der Athlet wieder mehr Sprungformen und sportartspezifisches Training durchführen kann. Das Bewegungstempo hält er wieder kontrolliert während der Exzentrik und möglichst dynamisch während der Konzentrik.

  • Kniebeuge tief, Kreuzheben (4–6 Sätze à 2–5 Wdh., gleichmäßige Gewichtsverteilung, Bewegungstempo 2–1–X)

  • multidirektionale Ausfallschritte, Aufsteiger ([ABB. 3 UND 4]), einbeinige Kniebeugen, Absteiger, Beinstrecker (2–4 Sätze à 4–6 Wdh. pro Seite, Fokus auf stabiler Beinachse, Bewegungstempo 2–1–1)

  • Beckenbrücke, Rückenstrecker, Hüftheben (2–4 Sätze à 4–6 Wdh. pro Seite, dominant einbeinige Ausführung, Bewegungstempo 2–1–1)

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ABB. 3 UND 4 Aufsteiger: Die Langhantel ist auf der hinteren Schulter abgelegt. Die Hände umfassen die Stange nah am Körper. Der vordere Fuß steht auf einer etwa kniehohen Box. Durch eine Gewichtsverlagerung auf das vordere Bein und unter konstanter Rumpfspannung steigt die Athletin auf die Box. Das hintere Bein hebt sie im obersten Punkt mit an.Abb.: K. Oborny/Thieme GruppeAbb.: K. Oborny/Thieme Gruppe

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Beispielübungen aus dem Ausdauertraining

Ähnlich wie beim Krafttraining sollte weiterhin die Intensität des Ausdauertrainings hoch bleiben, wobei das Volumen reduziert wird, um Ermüdung und Belastung gering zu halten. Außerdem sollte der Athlet einen gewissen Anteil des Ausdauertrainings an Geräten absolvieren, um die gesamte Belastung der verletzten Struktur mit dem zeitgleich stattfindenden sportartspezifischen Training, dem Krafttraining und den Sprungformen nicht zu sehr zu steigern. Verschiedene Intervallformen bereiten den Athleten auf die Belastung durch die spezifische Sportart vor.

  • extensive Intervalle (Fahrrad, Rudermaschine, Airbike, Laufen, 4–8 Min. Intervalllänge, 3–5 Sätze, 2–3 Min. Satzpause, HF ca. 140–165 S/Min.)

  • intensive Intervalle (Fahrrad, Rudermaschine, Airbike, laufen, 15 Sek.–4 Min. Intervalllänge, 4–10 Durchgänge, 15 Sek.–3 Min. Serienpausen, 3–5 Min. Satzpausen, HF ca. 170 S/Min. – max.)


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Kriterien für den Eintritt in die nächste Phase

Ähnlich wie bei der vorigen Phase ist der subjektive Schmerz bei allen dynamischen und reaktiven Belastungen (Krafttraining und Sprünge) das entscheidende Kriterium. Weiterhin ist es notwendig, dass beim Athleten eine mögliche Schmerzreaktion nach diversen Belastungen innerhalb von 24 Stunden komplett abklingt. Die progressive Steigerung des sportartspezifischen Trainings ist so lange nötig, bis der Athlet reguläre Trainingsumfänge ohne Schmerzen absolvieren kann.

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei dynamischen Übungen unter hohen Lasten

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei reaktiven Übungen

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei Lauftraining

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei sportartspezifischen Belastungen

  • passende langfristige Trainingsbelastung (ACWR = Acute:Chronic Workload Ratio)

  • psychologische Bereitschaft


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Fallbeispiel 2: Werferschulter

Der Fall

Der 26-jährige Samuel Fischer ist Profihandballer und leidet unter einer Werferschulter (Subluxation). Er spielt 5-mal pro Woche Handball, absolviert 2 Krafttrainingseinheiten und hat wöchentlich ein Spiel.

Wegen der extremen Winkelgeschwindigkeiten und der großen Kraft, die durch das Glenohumeralgelenk und seine umgebenden Strukturen übertragen wird, muss das Gewebe bei Handballern eine enorme Stabilisierung erfahren. Das Dilemma der Wurfsportler ist das Werfer-Paradoxon: Die Schulter des Werfers muss locker genug sein, um eine exzessive Außenrotation zu erlauben, aber stabil genug, um symptomatische Subluxationen zu verhindern, was ein gewisses Gleichgewicht zwischen Beweglichkeit und Funktionsstabilität voraussetzt. Dieses Gleichgewicht ist häufig gefährdet, und man nimmt an, dass es zu verschiedenen Arten von Verletzungen des umgebenden Gewebes führen kann. Im Folgenden wird ein mehrphasiger, progressiver Rehabilitationsplan beschrieben, der dazu dient, das Verletzungsrisiko zu verringern und den verletzten Athleten konservativ und postoperativ zu rehabilitieren.


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Phase 1 Beispielübungen aus dem Krafttraining

Je nach Schweregrad der Verletzung beginnt das Krafttraining in Phase 1 oft mit submaximalen isometrischen Belastungen für alle Schulter- und Schulterblattbewegungen ([TAB. 4], S. 46) . Der Athlet führt sie über den gesamten verfügbaren Bewegungsbereich hinweg in mehreren Winkeln durch, mit Schwerpunkt auf der Kontraktion am Ende. Neben einer kontrollierten Belastungssteigerung wirkt diese Methode analgetisch auf die schmerzhaften Strukturen.

TAB. 4 Phase 1 Werferschulter

Zeitraum

Voraussetzung

Ziele

Methoden

ca. 14 Tage

  • sportartspezifisches Training unterbrechen

  • keine akute Entzündung

  • Schmerzen reduzieren

  • Bewegungsamplitude erhalten/wiederherstellen in IRO und ARO

  • Belastungstoleranz progressiv erhöhen

  • funktionelle Positionen kontrollieren

  • Therapie

  • Verbesserung der Motorik

  • Krafttraining

  • Ausdauertraining

  • Beweglichkeit

  • Verbesserung der IRO-ROM in 90°-Abduktion

  • schrittweise Dehnung in ARO und Flexion – keine schmerzhafte ARO erzwingen!

  • Schwunggymnastik (anfangs nicht über 90°)

  • Stärkung der Rotatorenmanschette (insbesondere ARO) bei geringer bis moderater isometrischer Belastung

  • IRO/ARO mit Gummiband in ca. 90° Schultergelenkabduktion (3–5 Sätze à 20–40 Sek. isometrisch halten)

  • Skapulakräftigung (4-Way-Scaps mit Gummiband ([ABB. 5 UND 6], S. 46), 3–5 Sätze à 20–40 Sek. isometrisch halten; IYTWs in Bauchlage 2–4 Sätze à 5–10 Sek. isometrisch halten, Progression mit geringer Zusatzlast (nur wenn schmerzfrei!))

  • Stabilisierung (Gymball-Stabi mit Pertubation 2–4 Sätze à 20–40 Sek., Pertubation in diversen wurfspezifischen Positionen, 2–4 Sätze max. 10 Sek. pro Position)

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ABB. 5 UND 6 4-Way-Scaps (Retraktion): Die Athletin steht mit leicht gebeugten Knien und konstanter Rumpfspannung frontal zum Widerstandsband. Sie greift es an beiden Enden und spannt es. Aus dieser Position zieht sie die Schultern gegen den Widerstand des Bands nach hinten, sodass die Schulterblätter zur Wirbelsäule ziehen. Anschließend gibt sie dem Widerstand bis in die Ausgangsposition nach. Die Ellenbogengelenke sind während der gesamten Übung konstant gestreckt.Abb.: K. Oborny/Thieme GruppeAbb.: K. Oborny/Thieme Gruppe

Bei allen Übungen gilt eine schmerzadaptierte Intensität (VAS < 3) und eine Satzpause von 60–120 Sek. Weil die Griffkraft in diversen Schultergelenkswinkeln eine hohe Korrelation zur Kraft der Rotatorenmanschette aufweist, empfiehlt sich zusätzlich Folgendes:

  • Reis kneten

  • Handgelenkextension und -flexion

  • Handgelenksupination und -pronation

Die Rumpfkraft und die unteren Extremitäten sowie die kontralaterale Seite (Transfereffekt) trainiert der Athlet wie zuvor weiter.


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Beispielübungen aus dem Ausdauertraining

Das Training erfolgt bei der Rehabilitation einer Werferschulter in Phase 1 mit mittlerem Volumen sowie mittlerer Intensität. Aufgrund der Armbewegung und der Erschütterungen sind Laufeinheiten nicht ratsam für den Athleten. Somit werden zusätzliche Belastungen der verletzten Strukturen minimiert. Empfehlenswert in dieser Zeit ist die Dauermethode auf dem Fahrrad mit 15–40 Minuten bei mittlerem Widerstand.


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Kriterien für den Eintritt in Phase 2

Subjektiver Schmerz bei den isometrischen Belastungen durch die Rotatorenmanschette und an der Skapulamuskulatur ist das entscheidende Kriterium. Sobald hohe Lasten (ca. 70 % des 1 RM) über mehrere Sätze hinweg höchstens einen Schmerz unter 3 von 10 Punkten auf der VAS hervorrufen, kann der Athlet die Belastung steigern.

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei allen Übungen

  • weiterhin keine sportartspezifische Belastung

  • „normale“ Bewegungsamplitude


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Phase 2 Beispielübungen aus dem Krafttraining

Hier beginnt der Athlet mit einem Schnellkraftraining. In dieser Phase wird dynamisches Krafttraining wieder progressiv eingeführt, um die Kraftfähigkeit der Rotatorenmanschette und der Skapulamuskulatur zu erhöhen und die Belastungstoleranz der passiven Strukturen weiter zu steigern ([TAB. 5]). Moderates bis schweres dynamisches Krafttraining mit einer Akzentuierung auf der exzentrischen Phase ist zu empfehlen, um den Sehnen-Band-Apparat progressiv zu stärken.

TAB. 5 Phase 2 Werferschulter

Zeitraum

Ziele

Methoden

ca. 14–21 Tage

  • Schmerz weiterhin reduzieren

  • muskuläre Dysbalancen ausgleichen

  • Rotatorenmanschette und Skapulamuskulatur kräftigen, dynamische Stabilität verbessern

  • Flexibilität (wie in Phase 1, schrittweise Wiederherstellung der ARO)

  • Krafttraining

  • Ausdauertraining

  • Stärkung der Rotatorenmanschette (IRO/ARO mit Gummiband, 3–5 Sätze à 10–15 Wdh., Abduktion bei ca. 90°)

  • Skapulakräftigung (4-Way-Scaps mit Gummiband in ca. 90° Schultergelenkabduktion 3–5 Sätze à 10 Wdh.; IYTWs 2–4 Sätze à 5–8 Wdh. mit Zusatzlast; exzentrische horizontale Adduktion 2–4 Sätze à 5–8 Wdh. (3–5 Sek. exzentrisch))

  • Trapezkräftigung (Face Pull 3–5 Sätze à 10–15 Wdh.; Shrugs 3–5 Sätze à 10–15 Wdh.; Gymball-Stabi mit Pertubation 2–4 Sätze à 20–40 Sek., Pertubation in diversen wurfspezifischen Positionen mit Gewichtsball (0,5–1,5 kg) 2–4 Sätze à 10 Sek. pro Position


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Beispielübungen aus dem Ausdauertraining

Möglich sind Laufeinheiten mit geringer bis mittlerer Intensität auf dem Laufband (Dauermethode) oder Intervallformen auf dem Fahrrad. Obwohl erste läuferische Belastungen zum Ende der Phase progressiv eingeführt werden, trainiert der Athlet weiterhin hauptsächlich an Geräten.

  • Dauermethode (Laufen 5–30 Min., schmerzadaptierte Intensität)

  • extensive Intervalle (Fahrrad 4–8 Min. Intervalllänge à 3–5 Sätze)

  • intensive Intervalle (Fahrrad, 15 Sek.–2 Min. Intervalle, 15 Sek.–3 Min. Serienpausen, 4–10 Durchgänge, 3–5 Sätze)


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Kriterien für den Eintritt Phase 3

Entscheidend sind der subjektive Schmerz bei allen dynamischen Belastungen sowie das Erreichen einer der Funktion entsprechenden vollen ROM. Sobald hohe Lasten (6 RM) über mehrere Sätze hinweg höchstens einen Schmerz unter 3 von 10 Punkten auf der VAS hervorrufen, kann der Athlet die Belastung steigern. Lauftraining soll ebenfalls keinen bzw. nur minimalen Schmerz hervorrufen.

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei dynamischen Übungen unter hohen Lasten und beim Lauftraining


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Phase 3 Beispielübungen aus dem Ausdauertraining

Ratsam sind Laufeinheiten von mittlerer bis hoher Intensität auf dem Laufband oder in der Halle ([TAB. 6]). Für die Laufeinheiten werden extensive und intensive Intervalle sowie Spielformen ohne Kontakt gewählt.

TAB. 6 Phase 3 Werferschulter

Zeitraum

Ziele

Methoden

ca. 21 Tage

  • Schmerz bei Belastung minimal halten

  • progressiver Muskelaufbau und Kräftigung

  • neuromuskuläre Kontrolle

  • mit sportartspezifischem Training beginnen

  • Flexibilität (wie in Phase 1, 2, „strengthen to lengthen“: Ausnutzung des kompletten ROM bei dynamischen Kräftigungsübungen

  • Schnellkraft/Reaktivkraft, „Ballistic Six“, ARO horizontal, ARO 90/90, OH Slam reaktiv gegen Wand, 90/90 ARO seitlicher Wurf, rückwärts entschleunigen und halb kniend werfen, Reaktivwurf halb kniend

  • Krafttraining wie in Phase 2; Intensität steigern!

  • sportartspezifisch, progressives Wurfprogramm (Das gesamte Wurfprogramm gibt es im Buch.)

  • extensive Intervalle (Laufen 2–4 Min. Intervalllänge, 3–5 Durchgänge, 2–3 Min. Satzpause, HF bei ca. 85 %)

  • intensive Intervalle (Laufen 15–45 Sek. Intervalllänge, 4–10 Durchgänge, 3–5 Sätze, 15 Sek.–3 Min. Serienpausen, 3–5 Min. Satzpausen, HF ca. 90 % – max.)

  • Spielformen (Small-sided Games)


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Phase 4 Kriterien für den Eintritt Phase 4

Schmerz sollte nun gar nicht bis minimal vorkommen (< 2 VAS), besonders nach den Würfen. Wie bei der vorigen Phase ist der subjektive Schmerz bei allen dynamischen Belastungen das entscheidende Kriterium sowie das Erreichen einer der Funktion entsprechenden vollen ROM. Sobald hohe Lasten (6 RM) über mehrere Sätze hinweg höchstens einen Schmerz unter 3 von 10 Punkten auf der VAS hervorrufen, kann der Athlet die Belastung steigern ([TAB. 7]). Lauftraining soll ebenfalls keinen bzw. nur minimalen Schmerz hervorrufen.

TAB. 7 Phase 4 Werferschulter

Zeitraum

Ziele

Methoden

durchgängig

  • Schmerzfreiheit erhalten

  • Risiko für eine erneute Verletzung reduzieren

  • progressiver Muskelaufbau und Kräftigung sowie Erhaltung

  • volle Sport- und Wettkampffähigkeit

  • kontrollierte Rückführung in das Mannschaftstraining bis hin zum Wettkampf

  • Übungen aus den vorherigen Phasen ab jetzt regelmäßig in das Krafttraining implementieren oder als eigenständige Einheit durchführen

  • Ausdauer: sportartspezifisch!

  • minimaler Schmerz (< 3 VAS) bei dynamischen Übungen unter hohen Lasten, beim Wurfprogramm und beim Lauftraining

  • volle Kraft (MFT 5/5), volle (der Funktion entsprechende) ROM

Daniel Kadlec und David Groeger


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ABB. 1 UND 2 Hüftheben: Die Langhantel liegt im Bereich des Beckens auf. Der Athlet berührt mit der hinteren Schulter eine Bank/Box. Die Hände halten die Langhantel nah am Körper. Durch eine Hüftextension hebt er das Gewicht unter einer konstant neutralen Wirbelsäulenaufrichtung zügig an, bis Schulter, Hüfte und Knie eine Gerade ergeben. Anschließend gibt er das Gewicht über den gleichen Weg kontrolliert ab, bis es den Boden berührt.Abb.: K. Oborny/Thieme GruppeAbb.: K. Oborny/Thieme Gruppe
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ABB. 3 UND 4 Aufsteiger: Die Langhantel ist auf der hinteren Schulter abgelegt. Die Hände umfassen die Stange nah am Körper. Der vordere Fuß steht auf einer etwa kniehohen Box. Durch eine Gewichtsverlagerung auf das vordere Bein und unter konstanter Rumpfspannung steigt die Athletin auf die Box. Das hintere Bein hebt sie im obersten Punkt mit an.Abb.: K. Oborny/Thieme GruppeAbb.: K. Oborny/Thieme Gruppe
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ABB. 5 UND 6 4-Way-Scaps (Retraktion): Die Athletin steht mit leicht gebeugten Knien und konstanter Rumpfspannung frontal zum Widerstandsband. Sie greift es an beiden Enden und spannt es. Aus dieser Position zieht sie die Schultern gegen den Widerstand des Bands nach hinten, sodass die Schulterblätter zur Wirbelsäule ziehen. Anschließend gibt sie dem Widerstand bis in die Ausgangsposition nach. Die Ellenbogengelenke sind während der gesamten Übung konstant gestreckt.Abb.: K. Oborny/Thieme GruppeAbb.: K. Oborny/Thieme Gruppe