Klin Padiatr 2020; 232(05): 228-248
DOI: 10.1055/a-1179-0728
Diagnostic and Treatment Recommendation

Nierenzysten und zystische Nierenerkrankungen bei Kindern (AWMF S2k-Leitlinie)

Kidney Cysts and Cystic Nephropathies in Children – A Consensus Guideline by 10 German Medical Societies
1   Department of Internal Medicine IV, Medical Center – University of Freiburg, Freiburg
2   Faculty of Medicine, University of Freiburg, Freiburg im Breisgau
,
Carsten Bergmann
1   Department of Internal Medicine IV, Medical Center – University of Freiburg, Freiburg
2   Faculty of Medicine, University of Freiburg, Freiburg im Breisgau
3   Medizinische Genetik Mainz, Limbach Genetics, Mainz
,
Florian Brinkert
4   Department of Pediatrics, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Metin Cetiner
5   Department of Pediatrics II, University Hospital Essen, Essen
,
Ulrich Gembruch
6   Department of Obstetrics and Prenatal Medicine, University Hospital of Bonn, Bonn
,
Dieter Haffner
7   Department of Pediatric Kidney, Liver and Metabolic Diseases, Hannover Medical School, Hannover
,
Markus Kemper
8   Department of Pediatrics, Asklepios Kliniken Hamburg GmbH, Asklepios Klinik Nord, Standort Heidberg, Hamburg
,
Jens König
9   Department of General Pediatrics, University Children's Hospital Münster, Münster
,
Max Liebau
10   Department of Pediatrics, University Hospital Cologne, Cologne
11   Center for Molecular Medicine, University of Cologne, Cologne
,
Rolf Felix Maier
12   Department of Pediatrics, University Hospital of Giessen and Marburg, Campus Marburg, Marburg
,
Jun Oh
4   Department of Pediatrics, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Lars Pape
7   Department of Pediatric Kidney, Liver and Metabolic Diseases, Hannover Medical School, Hannover
,
Silke Riechardt
13   Department of Urology, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg
,
Udo Rolle
14   Department of Pediatric Surgery, Hospital of the Goethe University Frankfurt, Frankfurt am Main
,
Rainer Rossi
15   Department of Pediatrics, Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin
,
Joachim Stegmann
16   Department of Radiology, Catholic Childrenʼs Hospital Wilhelmstift, Hamburg
,
Udo Vester
17   Department of Pediatrics, HELIOS Hospital Duisburg, Duisburg
,
Constantin von Kaisenberg
18   Department of Obstetrics and Gynaecology, Center for Perinatal Medicine, Hannover Medical School, Hannover
,
Stefanie Weber
12   Department of Pediatrics, University Hospital of Giessen and Marburg, Campus Marburg, Marburg
,
Franz Schaefer
19   Center for Pediatrics and Adolescent Medicine, Division of Pediatric Nephrology, University Hospital Heidelberg, Heidelberg
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die Leitlinie wurde im Konsens aller relevanten deutschen Fachgesellschaften zusammen mit Patientenvertretern erstellt. Standard der prä- und postnatalen Bildgebung von Nierenzysten ist die Sonografie, die auch im Abdomen und inneren Genitale extrarenale Manifestationen ausschließen soll. Die MRT hat einzelne Indikationen. Bei Verdacht auf zystische Nierenerkrankungen ist eine kindernephrologische Vorstellung indiziert. Die pränatale Betreuung muss auf sehr unterschiedliche Schweregrade zugeschnitten werden. Bei renalem Oligohydramnion wird eine Entbindung in einem Perinatalzentrum der höchsten Stufe empfohlen. Neugeborenen sollte eine Nierenersatztherapie nicht allein aufgrund des Alters vorenthalten werden. Bei unilateraler multizystischer Nierendysplasie ist keine funktionelle Bildgebung oder Nephrektomie notwendig, aber (wie auch bei uni- oder bilateraler Nierenhypo-/dysplasie mit Zysten) eine langfristige nephrologische Überwachung. Bei der ARPKD (autosomal rezessive polyzystische Nierenerkrankung), Nephronophthise, Bardet-Biedl-Syndrom und HNF1B-Mutationen müssen extrarenale Manifestationen beachtet werden; eine genetische Testung ist hier sinnvoll. Kinder mit tuberöser Sklerose, Tumorprädispositionen (z. B. von Hippel Lindau Syndrom) oder hohem Risiko für erworbene Nierenzysten sollten regelmäßige Nierensonografien erhalten. Auch asymptomatische Kinder von Eltern mit ADPKD (aut. dominanter polyzystischer Nierenerkrankung) sollten regelmäßig auf Hypertonie und Proteinurie untersucht werden. Eine präsymptomatische sonografische oder genetische Diagnostik dieser Minderjährigen sollte nur nach ausführlicher Aufklärung erwogen werden. Einfache (isolierte) Zysten sind bei Kindern sehr selten und eine ADPKD eines Elternteils sollte ausgeschlossen sein. Komplexe Nierenzysten bedürfen weiterer Abklärung.


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Abstract

This consensus-based guideline was developed by all relevant German pediatric medical societies. Ultrasound is the standard imaging modality for pre- and postnatal kidney cysts and should also exclude extrarenal manifestations in the abdomen and internal genital organs. MRI has selected indications. Suspicion of a cystic kidney disease should prompt consultation of a pediatric nephrologist. Prenatal management must be tailored to very different degrees of disease severity. After renal oligohydramnios, we recommend delivery in a perinatal center. Neonates should not be denied renal replacement therapy solely because of their age. Children with unilateral multicystic dysplastic kidney do not require routine further imaging or nephrectomy, but long-term nephrology follow-up (as do children with uni- or bilateral kidney hypo-/dysplasia with cysts). ARPKD (autosomal recessive polycystic kidney disease), nephronophthisis, Bardet-Biedl syndrome and HNF1B mutations cause relevant extrarenal disease and genetic testing is advisable. Children with tuberous sclerosis complex, tumor predisposition (e. g. von Hippel Lindau syndrome) or high risk of acquired kidney cysts should have regular ultrasounds. Even asymptomatic children of parents with ADPKD (autosomal dominant PKD) should be monitored for hypertension and proteinuria. Presymptomatic diagnostic ultrasound or genetic examination for ADPKD in minors should only be done after thorough counselling. Simple cysts are very rare in children and ADPKD in a parent should be excluded. Complex renal cysts require further investigation.


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Abbreviations

ADPKD autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung

ARPKD autosomal rezessive polyzystische Nierenerkrankung

CAKUT Congenital anomalies of the kidney and urinary tract

CEUS kontrast-verstärktes Ultraschall (engl. Contrast enhanced ultrasound)

MRT Magnetresonanztomografie

CT Computertomografie

mTOR mammalian target of rapamycin

häufig verwendete Gennamen:

DICER1 Ribonuklease III

HNF1B Hepatocyte nuclear factor 1 homeobox B (auch Transcription Factor 2 (TCF2))

PKHD2 Fibrocystin

PKD1 / PKD2 Polycystin 1 und 2

Einleitung

Bei Kindern treten Zysten in den Nieren im Rahmen einer Vielzahl von Erkrankungen auf, welche sowohl auf isolierte lokale Prozesse als auch die ganze Niere oder den ganzen Körper betreffende Prozesse zurückzuführen sein können. Somit liegt eine sehr große Bandbreite an Erkrankungsschweregraden, assoziierter Morbidität und zu erwartenden Prognosen vor.

Zu unterscheiden sind isolierte einzelne Zysten (welche bei älteren erwachsenen Patienten häufig, aber bei Kindern nur selten vorkommen [1] [2]) von zystischen Nierenerkrankungen, wie der autosomal-rezessiven und autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ARPKD und ADPKD, vom Engl. polycystic kidney disease) oder der Nephronophthise, welche Multisystemerkrankungen sind, bei denen die Nierenbeteiligung führend sein kann. Bei anderen Systemerkrankungen, wie dem Bardet-Biedl-Syndrom oder der tuberösen Sklerose, ist eine Bildung von Zysten in den Nieren häufig, aber nicht unbedingt klinisch führend. Entwicklungsstörungen der Nieren, wie die Dysplasie mit Zysten und die multizystisch-dysplastische Niere betreffen in der Regel eine ganze Niere und Anomalien in der kontralateralen Niere oder in anderen Organsystemen sind fakultativ. Auch die seltenen zystischen Nierentumore können entweder isoliert oder im Rahmen einer Grunderkrankung (wie von-Hippel Lindau-Syndrom oder DICER1-Mutationen) vorkommen. Erworbene Nierenzysten entstehen besonders nach Trauma oder im Rahmen einer chronischen Niereninsuffizienz.


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Methoden

Informationen zur Erstellung der Leitlinie inklusive Methodik, systematischen Literaturrecherchen, beteiligten Fachgesellschaften (inkl. Mandatsträger), Patientenvertretern, finanzieller Unterstützung und Umgang mit Interessenskonflikten sind im begleitenden Leitlinienreport (auf https://doi.org/10.1055/a-1179-0728) dargestellt. Die Konsensusstärke zu jeder Empfehlung ist angegeben als Anzahl der Teilnehmer welche jeweils mit ja/nein/Enthaltung gestimmt haben.


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Basis- und Initialdiagnostik

Anamnese und Untersuchung

Eine Erstvorstellung erfolgt oft nach einem sonografischen Zufallsbefund bei einem pränatalen Routineultraschall oder bei der Abklärung von Bauchschmerzen, abdominellem Trauma oder Harnwegsinfekt oder bei positiver Familienanamnese. Hier sollten zunächst Anamnese und körperliche Untersuchung vervollständigt werden. Hierbei ist in der Familienanamnese neben bereits bekannten familiären zystischen Nierenerkrankungen auf prä- und neonatale Todesfälle mit Oligohydramnion (ARPKD), arterielle Hypertonie und Niereninsuffizienz im Erwachsenenalter (ADPKD), sowie unklare syndromale Erkrankungen zu achten. Bei der körperlichen Untersuchung sollten Zeichen der Niereninsuffizienz (Hautkolorit, Ödeme, Blutdruck) und Stigmata syndromaler Erkrankungen gesucht werden (z. B. Polydaktylie bei Bardet-Biedl-Syndrom, Angiokeratome bei tuberöser Sklerose). Bei Patienten mit nephrologischen Befunden (Proteinurie, arterielle Hypertonie, Salzverlust, Ödeme usw.) müssen Anamnese und Untersuchung dementsprechend erweitert werden.


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Bildgebung

Der Ultraschall ist die Untersuchungsmethode der Wahl zur Charakterisierung von Nierenzysten und zystischen Nierenerkrankungen im Kindesalter und bedarf meist keiner ergänzenden Bildgebung. Letztere sollte auch im Hinblick auf die Risiken von Strahlenexposition und Sedierung bei Kindern nur sehr zielgerichtet eingesetzt werden.

(Für Empfehlungen zur pränatalen Bildgebung siehe Seite 19)

Empfehlung 1.1

Kinder mit Nierenzysten und zystischen Nierenerkrankungen sollen primär mittels Sonografie untersucht werden.

  • Siehe auch Empfehlungen der Gesellschaft für pädiatrische Radiologie (GPR), Europäischen Gesellschaft für Kinderradiologie (ESPR) und der Europäischen Gesellschaft für Urologie [3]

  • Schnittbildgebungen bringen nur bei komplizierten Läsionen zusätzliche Befunde [4]

Konsensstärke: 21/0/0 (100%)

Bei V.a. Nierenzysten sollten folgende Befunde sonografisch dokumentiert werden: uni- oder bilaterale Veränderungen, Nierengröße (verkleinert/ normal/ vergrößert), Hinweise auf Nierendysplasie (kortikale Echogenität, Mark-Rinden-Differenzierung), Anzahl und Lokalisation der Zysten (kortikal, medullär, kortiko-medullärer-Übergang, ubiquitär) bzw. ein Muster („Pfeffer und Salz“), welches mit vielen mikroskopisch kleinen Zysten vereinbar ist (heutzutage sind diese Mikrozysten aber oft mit einem hochauflösenden Linearschallkopf darstellbar), sowie das Vorhandensein assoziierter Fehlbildungen der ableitenden Harnwege (besonders Hilum, Nierenbecken und Kelche, aber auch Ureteren, Blase und Urethra). Ungewöhnliche Befunde, welche Hinweise auf eine Einblutung, Infektion oder Malignität sein können, sind Schwebeteilchen, Kalzifikationen, Wandverdickungen, Septierungen sowie Hyperperfusion in Septen oder Zystenwand. Diese Befunde bedürfen der weiteren Abklärung.

Empfehlung 1.2

Bei der Erstuntersuchung von Kindern mit Nierenzysten oder zystischen Nierenerkrankungen soll eine Sonografie der Nieren und ableitenden Harnwege erfolgen. Außer bei singulären Zysten soll auch eine Sonografie des Abdomens (Leber, Milz, Pankreas) und eine transabdominale Sonografie des inneren Genitales durchgeführt werden.

  • Eine signifikante Anzahl an zystischen Nephropathien geht mit Leberfibrose und/ oder portaler Hypertension einher. Bei der ARPKD liegt häufig ein Caroli Syndrom vor [z. B. 5,6].

  • Eine vollständige Abdomen-Sonografie bei Erstuntersuchung der Nieren ist Teil der DEGUM Empfehlung [7].

Konsensstärke: 20/0/1 (21) 100%

Bei der Abdomensonografie sollte besonders auf Leberzysten, Zeichen der Leberfibrose (Kontur des Leberunterrands, Parenchymstruktur und -echogenität), sowie Zeichen der portalen Hypertension (Splenomegalie, Kollateralkreisläufe, Flussrichtung und -geschwindigkeit im Doppler der Vena portae) untersucht werden. Während Makrozysten der Leber (und des Pankreas) bei ADPKD vorkommen [z. B. [8], entwickelt sich die Leberfibrose bei der ARPKD obligat und bei der Nephronophthise je nach zugrundeliegender Genveränderung. Die bei der ARPKD häufigen zystischen Erweiterung der Gallengänge (Caroli Syndrom) sind sonographisch gut nachweisbar; die hierdurch gehäuft auftretenden Cholangitiden sind sonographisch allerdings nur schwer greifbar. Bei Patienten mit HNF1B-Mutation kann eine Pankreashypoplasie oder –schwanzaplasie vorliegen [9] [10].

Die Untersuchung des inneren Genitales gehört zur Standarduntersuchung des Harntrakts [7]. Bei HNF1B-Mutationen und dem Bardet Biedl Syndrom sind besonders Müller-Gang-Anomalien wie Uterus didelphys oder verschlossene Hemivagina [11] [12] [13] beschrieben. Samenblasenzysten kommen bei der multizystischer Nierendysplasie und ADPKD vor.

Empfehlung 1.3

Die Nierensonografie sollte von einem in der pädiatrischen Sonografie erfahrenen Untersucher durchgeführt werden.

  • Als Untersucher-abhängige Methode ist gerade beim Ultraschall auf eine gute Ausbildung und ausreichende Erfahrung des Untersuchers zu achten [14].

  • Die Charakterisierung von Nierenzysten bei Kindern hat bei erfahrenen Untersuchern eine geringe Interuntersucher-Variabilität [15]

Konsensstärke: 21/0/0 (21) 100%

Die Nierensonografie sollte möglichst standardisiert [7] und von einem in der pädiatrischen Sonografie ausgebildetem Untersucher mit möglichst hochauflösenden Schallköpfen durchgeführt werden. Für Neugeborene und Säuglinge sollte ein Linearschallkopf mit >10 MHz verwendet werden, für Kleinkinder und Schulkinder ein Sektorschallkopf mit >7 MHz und für größere und besonders adipöse Kinder niederfrequentere Schallköpfe.

Empfehlung 1.4

Für die Routineuntersuchung von Nierenzysten und zystischen Nierenerkrankungen soll keine Computer-Tomografie oder Magnet-Resonanz-Tomografie durchgeführt werden.

  • CT und MRT bringen nur zusätzliche Befunde bei komplizierten Läsionen (insgesamt eher seltener Verdacht auf Malignität) und sind auch hier nicht eindeutig dem Ultraschall überlegen [4] [16]

  • CT und MRT sind aufgrund von ionisierender Strahlung, Sedierung und/oder Kontrastmittel deutlich belastender als Ultraschall.

Konsensstärke: 21/0/0 (21) 100%

Die Schnittbildgebung bei Kindern und Heranwachsenden ist in der Regel keine weitere Hilfe für Diagnostik und Therapie und belastend im Sinne von unnötiger Strahlenexposition, Kontrastmittelgabe und ggf. notwendiger Sedierung. Klinische Indikationen zum MRT bestehen nur bei begründetem V.a. Malignität oder wenn die Sonografie nicht ausreichend beurteilbar ist (z. B. adipöser Patient mit V.a. Zysteninfektion). Eine Sondersituation stellt die Bestimmung des Gesamtnierenvolumens bei der ADPKD dar; hier ist für Erwachsene und Adoleszente ab 16 Jahren eine Korrelation zur Progressionsgeschwindigkeit beschrieben [17]. Daher ist die Bestimmung im Rahmen von klinischen Studien durchaus sinnvoll, in der klinischen Routine aber häufig ohne therapeutische Relevanz.


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Genetische Diagnostik

Eine genetische Diagnostik ist in einigen klinischen Situationen sinnvoll und orientiert sich nicht nur an der Wahrscheinlichkeit eines auffälligen Befundes, sondern auch an der Wahrscheinlichkeit einer Konsequenz für das Management des Patienten oder der Familienplanung. Bei der pränatalen genetischen Untersuchung ist zusätzlich das Risiko der invasiven Materialgewinnung zu berücksichtigen. Empfehlungen zur pränatalen genetischen Testung finden sich im Abschnitt „Pränatale Diagnostik“ auf Seite 21.

Kinder und Feten mit einer solitären Zyste (d. h. auch ansonsten normalem Nierenparenchym und ohne extrarenale Anomalien) benötigen weder prä- noch postnatal eine genetische Untersuchung. Allerdings kann eine sonografische Untersuchung der Eltern von Kindern mit einer solitären Zyste sinnvoll sein, um etwa eine unerkannte ADPKD auszuschließen.

Empfehlung 2.1

Kinder mit isolierter unilateraler multizystischer Nierendysplasie sollen routinemäßig keine genetische Diagnostik bekommen.

  • Niedrige Wahrscheinlichkeit für Chromosomenaberrationen bei isolierter unilateraler multizystischer Nierendysplasie [18]

Konsensstärke: 18/1/2(21) 90%

Empfehlung 2.2

Eine genetische Beratung und Diagnostik sollten angeboten werden bei:

  • Bilateraler Nierendysplasie mit oder ohne Zysten

  • Unilateraler Nierendysplasie mit positiver CAKUT Familienanamnese

Eine genetische Beratung und Diagnostik sollten durchgeführt werden bei:

  • Bilateraler Nierendysplasie mit oder ohne Zysten und positiver Familienanamnese.

  • In diesen Szenarien ist eine signifikante Detektionsrate an monogenetischen Erkrankungen zu erwarten [19] [20]

Konsensstärke: 14/3/3 (20) 82%

Nierendysplasien sind Teil der „congenital anomalies of the kidney and urinary tract“ (CAKUT) Erkrankungen, welche bei verschiedenen Familienmitgliedern oft sehr unterschiedliche Formen annehmen können. Hierfür sind eine Vielzahl von genetischen Ursachen bekannt, allerdings bleiben aktuell auch noch viele Fälle ungeklärt [19] [20] [21]. In den o.g. Fällen wäre eine signifikante Rate an monogenetischen Erkrankungen zu erwarten [19] [20]. Einige Veränderungen sind hierbei für das weitere Management des Patienten relevant, z. B. HNF1B (siehe „HNF1B-Erkrankung“ Seite 8) oder GATA3 Mutationen [22].

Empfehlung 2.3

Bei Nachweis einer autosomal dominanten Mutation des Indexpatienten mit zystischer Nierendysplasie sollte eine humangenetische Beratung durchgeführt und eine Familienuntersuchung angeboten werden.

  • Besonders das Vorliegen einer HNF1B-Mutation ist oft bis ins Erwachsenenalter unerkannt und kann trotzdem therapeutisch relevant sein [23]

Konsensstärke: 16/0/4 (20) 100%

Dies betrifft v. a. Patienten mit HNF1B-Mutationen, welche autosomal dominant vererbt werden, wobei es sich bei ca. 50% der betroffenen Patienten um Neumutationen handelt [24] [25] [26]. Da die Nierenzysten auch lange unerkannt bleiben können, ist eine Neumutation klinisch von einer „falsch negativen“ Familienanamnese nicht zu unterscheiden. Auch bei autosomal dominanten Mutationen in BMP4, EYA1, ROBO2, SALL1 und weiteren Genen sind Nierendysplasien mit Zysten beschrieben worden.

Empfehlung 2.4

Bei Kindern mit frühen, schweren Verlaufsformen oder ungewöhnlich rasch fortschreitender ADPKD sollte eine genetische Untersuchung zur Abklärung von Differenzialdiagnosen angeboten werden.

  • Ungewöhnliche klinische Manifestationen anderer Erkrankungen [27] oder auch das PKD1/TSC2 contiguous gene deletion Syndrome [28] können schwere ADPKD(-ähnliche) Verläufe im Kindesalter verursachen.

Konsensstärke: 14/0/0 (14) 100%

Sehr frühe, schwere Verlaufsformen („Very early onset“) der ADPKD können dem Bild einer ARPKD ähneln und mit entsprechenden therapeutischen Herausforderungen wie massiver Nephromegalie, schwerer arterielle Hypertonie oder Niereninsuffizienz einhergehen. Die genetische Untersuchung sollte eine Multi-Gen Analyse auf zystische Nephropathien umfassen.

Im Umkehrschluss ist bei Kindern mit klassischer Familienanamnese einer ADPKD und einzelnen Zysten keine genetische Sicherung der Diagnose erforderlich. Bei Kindern mit positiver Familienanamnese ohne Symptome sollten die ethischen Aspekte einer präsymptomatischen (genetischen oder radiologischen) diagnostischen Testung beachtet werden (siehe krankheitsspezifische Empfehlungen zur ADPKD, Seite 9).

Empfehlung 2.5

Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer ARPKD sollte zur Sicherung der Diagnose eine genetische Diagnostik erfolgen.

  • Expertenkonsens

  • Genotyp-Phänotyp Korrelation hilft prognostischer Einschätzung [29–31]

Konsensstärke: 14/0/0 (14) 100%

Eine genetische Bestätigung der Verdachtsdiagnose ist für diese schwerwiegende Erkrankung sinnvoll und erlaubt eine gewisse prognostische Einschätzung [29] [30] [31]. Oft sind die Befunde auch für die weitere Familienplanung der Eltern relevant. Da gelegentlich auch dominante Mutationen (z. B. HNF1B oder PKD1) zusammen mit den klassischen PKHD1 Mutationen identifiziert werden, kann auch eine Relevanz für andere Familienmitglieder gegeben sein [27] [32] [33].

Empfehlung 2.6

Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Nephronophthise sollte zur Sicherung der Diagnose eine genetische Diagnostik erfolgen.

  • Expertenkonsens

  • Genotyp-Phänotyp Korrelation hilft prognostischer Einschätzung und Auswahl relevanter Screeninguntersuchungen [34]

Konsensstärke: 14/0/0 (14) 100%

Mit einer Zuordnung zu einem oder mehreren der aktuell ca. 20 bekannten Nephronophthise-Gene kann das Risiko von späteren extrarenalen Manifestationen (z. B. Leberfibrose oder Retinitis pigmentosa) abgeschätzt werden und entsprechende klinische Vorsorge eingeleitet werden [34].

Empfehlung 2.7

Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen eines Bardet-Biedl Syndroms sollte zur Sicherung der Diagnose eine genetische Diagnostik erfolgen.

  • Expertenkonsens

  • Genotyp-Phänotyp Korrelation hilft prognostischer Einschätzung und Auswahl relevanter Screeninguntersuchungen [35] [36]

Konsensstärke: 14/0/0 (14) 100%

Bei initialem klinischem Verdacht auf Bardet-Biedl Syndrom liegen in der Regel noch nicht alle Kardinalzeichen vor, sodass die Diagnose noch nicht sicher aufgrund der Klinik gestellt werden kann. Die Kenntnis der genauen Mutation ermöglicht zusätzlich häufig eine prognostische Beratung (z. B. bezüglich des Risikos von Adipositas, Augenbeteiligung und chronischer Niereninsuffizienz) [35] [36]. In Anbetracht der Heterogenität des Bardet-Biedl Syndroms (aktuell mehr als 20 bekannte Gene) erfolgt eine genetische Diagnostik in der Regel als Panel Diagnostik.


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Selbsthilfegruppen

Der Kontakt zu Selbsthilfegruppen ist aufgrund der seltenen und chronischen Natur der Erkrankungen oft hilfreich für Eltern und Patienten und sollte möglichst frühzeitig vermittelt werden. Bei großen räumlichen Distanzen ist für viele Eltern zunächst der Eltern-/Förderverein des nächsten kindernephrologischen Zentrums ein guter Ansprechpartner. Aktuelle Ansprechpartner sind auf der Webseite des Bundesverbands Niere aufgelistet ( https://www.bundesverband-niere.de/angebot/selbsthilfe-vor-or). Hier sind auch regionale Elternvereine und Regionalgruppen des Vereins „Junge Nierenkranke“ aufgeführt.

Krankheitsspezifische, überregionale Selbsthilfegruppen existieren für Betroffene von:


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Krankheitsspezifische Empfehlungen

Multizystische Nierendysplasie

Bei der multizystischen Nierendysplasie besteht die Nierenanlage i.d.R. aus multiplen Makrozysten ohne relevanten Parenchymanteil. Kinder mit multizystischer Nierendysplasie haben in 1/3 der Fälle andere Harntraktanomalien (wie z. B. vesiko-uretero-renaler Reflux der Gegenseite) und in 15% der Fälle bestehen extrarenale Anomalien. Atypische Präsentationen der multizystischen Nierendysplasie in nur einem Doppelnierenanteil, in einer Hufeisenniere oder einer ektopen Niere kommen vor.

Eine Untersuchung der kontralateralen Niere auf Dysplasie ist aufgrund der Bedeutung für die renale Prognose besonders wichtig. Eine kompensatorische Hypertrophie der Gegenseite ist als prognostisch günstig zu betrachten (Nierenlänge > 97. Perzentile und normales Gesamtnierenvolumen [37]). Der Zeitpunkt, bis zu dem sich die kompensatorische Hypertrophie ausbildet, ist aber unterschiedlich: sie kann schon intrauterin vorliegen [38] und 95% der Kinder, welche sie entwickeln, tun dies bis zum 3. Geburtstag. Allerdings haben 10% der Kinder mit unilateraler multizystischer Nierendysplasie auch bis zum 10. Geburtstag noch keine kontralaterale kompensatorische Hypertrophie ausgebildet [39].

Empfehlung 3.1

Wenn bei einer multizystischen Nierendysplasie die Differenzialdiagnose einer Harnleiterobstruktion sonografisch nicht sicher auszuschließen ist, soll eine kinderurologische Diagnostik erfolgen.

  • Auch in Studien an tertiären Zentren muss gelegentlich die pränatale Diagnose einer multizystischen Nierendysplasie postnatal revidiert werden [40].

Konsensstärke: 19/0/1 (20) 100%

Die hochgradige Harnleiterobstruktion ist eine wichtige Differenzialdiagnose der multizystischen Nierendysplasie, da sie diagnostische und therapeutische Konsequenzen hat. Der Verdacht auf eine Obstruktion sollte besonders gestellt werden, falls Nierenparenchym oder ein Nierenbecken darstellbar ist. Zur Auswahl der Diagnostik und Therapie der Harntransportstörung beim Kind sei auf bestehende Leitlinien verwiesen [41] [42] [43].

Empfehlung 3.2

Bei sonografisch eindeutiger multizystischer Nierendysplasie soll keine weitere Untersuchung zum Nachweis der fehlenden Funktion der betroffenen Niere durchgeführt werden.

  • Der früher übliche Befund der Funktionslosigkeit in der Nierenszintigrafie ist ohne klinische Relevanz und rechtfertigt keine Strahlenbelastung.

Konsensstärke: 20/0/0 (20) 100%

Empfehlung 3.3

Bei Kindern mit unilateraler multizystischer Nierendysplasie ohne Symptome und ohne sonografische Auffälligkeiten der Gegenseite soll kein Ausschluss eines vesiko-uretero-renalen Refluxes erfolgen.

  • Das Vorhandensein eines vesiko-uretero-renalen Refluxes auf der Gegenseite ist mit 17% (Konfidenzintervall aus Metaanalyse 14–20% [44]) nicht ganz so häufig wie zuvor gedacht [45]

  • Zwei unauffällige Ultraschallbefunde der Gegenseite im Neugeborenenalter schließen in diesem Fall einen vesiko-uretero-renalen Reflux mit hoher Wahrscheinlichkeit aus [46].

Konsensstärke: 16/1/3 (20) 94%

Auch bei asymptomatischen Kindern mit sonografischen Auffälligkeiten der funktionellen Einzelniere sollte kritisch abgewogen werden, ob eine Refluxprüfung durchgeführt wird, da in den meisten Zentren eine antibiotische Prophylaxe erst bei stattgehabtem Harnwegsinfekt empfohlen wird [46]. Wie bei anderen Patienten mit (funktionellen) Einzelnieren sollten Eltern über die Symptome eines Harnwegsinfektes aufgeklärt werden, damit im Verdachtsfall eine zügige und gründliche Diagnostik und Therapie erfolgt.

Empfehlung 3.4

Kinder mit multizystischer Nierendysplasie sollen nicht prophylaktisch nephrektomiert werden.

  • Bei multizystischer Nierendysplasie ist das Risiko einer arteriellen Hypertonie gering und das Risiko der malignen Entartung nicht erhöht und rechtfertigt keine Nephrektomie [45] [47].

Konsensstärke: 20/0/0 (20) 100%

Sehr seltene Indikationen zur Nephrektomie könnten extrem große Zysten mit raumforderndem Effekt (wie z. B. Fütterungsschwierigkeiten beim Säugling) oder therapierefraktäre arterielle Hypertonie sein.

Empfehlung 3.5

Kinder mit multizystischer Nierendysplasie mit sonografischen Auffälligkeiten der kontralateralen Niere, Proteinurie oder arterielle Hypertonie sollten einem Kindernephrologen vorgestellt werden.

  • Die Hauptrisikofaktoren für eine langfristig eingeschränkte Nierenfunktion bei funktioneller Einzelniere sind mangelndes Wachstum der Gegenseite, Proteinurie und arterielle Hypertonie [48].

Konsensstärke: 15/3/2 (20) 83%

Eine nachgewiesene kompensatorische Hypertrophie bleibt in aller Regel auch bei weiterem Körperwachstum bestehen [49], eine arterielle Hypertonie oder Proteinurie kann aber auch erst im Verlauf auftreten, sodass langfristige Kontrollen notwendig sind.

Kinder mit isolierter unilateraler multizystischer Nierendysplasie sollen routinemäßig keine genetische Diagnostik erhalten (siehe Empfehlung 2.1).


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Nierendysplasie mit Zysten

Zysten sind ein häufiger, aber nicht notwendiger Bestandteil der Nierendysplasie. Bei der zystischen Nierendysplasie treten Zysten in einer sonomorphologisch auffälligen (dysplastischen oder hypoplastischen) Niere auf. Im Gegensatz zur multizystischen Nierendysplasie ist funktionelles Gewebe nachweisbar und eine Urinproduktion findet statt. Auffälligkeiten der ableitenden Harnwege können koexistieren. Ein Teil der Patienten hat syndromale Erkrankungen mit extrarenalen Manifestationen. Zur genetischen Diagnostik bei Nierendysplasie siehe Empfehlung 2.2 und Empfehlung 2.3.

Empfehlung 4.1

Kinder mit bilateraler Nierendysplasie mit oder ohne Zysten sollen einem Kindernephrologen vorgestellt werden und eine genetische Testung sollte angeboten werden.

  • Bilaterale Nierendysplasie ist der zweithäufigste Grund für Dialysepflichtigkeit im Kindes- und Jugendalter [50]

Konsensstärke: 19/0/1 (19) 100%

Bei bilateraler Nierendysplasie sollte bereits nach Erstdiagnose eine kindernephrologische Vorstellung erfolgen, da die korrekte Erkennung und Therapie von arterieller Hypertonie und Proteinurie über den Erhalt der Nierenfunktion bestimmen [51]. Weitere Kontrollintervalle richten sich nach Nierenfunktion, Folgeerscheinungen und Begleitkrankheiten.

Empfehlung 4.2

Kinder mit unilateraler Nierendysplasie mit oder ohne Zysten sollten bei renal bedingten Symptomen einem Kindernephrologen vorgestellt werden.

  • Eine arterielle Hypertonie oder Proteinurie und deren ausreichende medikamentöse Behandlung sind wichtige Einflussfaktoren auf die langfristige Nierenfunktion [51]

Konsensstärke: 16/0/4 (16) 100%

Eine unilateral dysplastische Niere kann z. B. Ursache eines renalen Hypertonus sein, welcher auch der gesunden Gegenseite schadet. Bei Auftreten einer Proteinurie wäre je nach Partialfunktion der dysplastischen Seite eine nephroprotektive Therapie mit einer Renin-Angiotensin-System-Blockade zu empfehlen.


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HNF1B-Erkrankung

Patienten mit Mutationen im HNF1B-Gen weisen ein großes Spektrum an Erkrankungen auf. Die Entdeckung der autosomal dominant vererbten Genveränderung erfolgte zunächst bei Patienten mit Nierenzysten und Diabetes mellitus im frühen Erwachsenenalter [52]. Die strukturellen renalen Läsionen können sich aber auch als multizystisch-dysplastische Niere, Nierendysplasie ohne Zysten, Nierenhypoplasie oder -agenesie, oder glomerulozystische Erkrankung äußern. Bei Patienten mit CAKUT sind HNF1B-Mutationen die häufigste bekannte genetische Ursache [20] und bei Feten mit pränatal isolierten hyperechogenen Nieren ebenfalls ein häufiger Befund [53].

HNF1B wird während der Organogenese auch in vielen extra-renalen Epithelzellen exprimiert, wodurch eine deutliche Assoziation mit Fehlbildungen des weiblichen Genitaltraktes (besonders Müller-Gang Anomalien wie Uterus didelphys und/oder Vagnial-atresie) und des Pankreas (meist Hypoplasie) gegeben ist. Bei Patienten mit Erstdiagnose von Nierenzysten sollte daher in der abdominellen Sonografie auch auf diese Merkmale geachtet werden (siehe Empfehlung 1.2).

Der Diabetes mellitus (‚maturity onset diabetes of the young‘ (MODY) Typ 5) ist gekennzeichnet durch einen schleichenden Verlust der Insulinproduktion ohne Autoantikörper oder Insulinresistenz, sodass ein Screening nach erhöhten Nüchternblutzuckern sinnvoll ist. Allerdings tritt die Insulinpflichtigkeit meist erst in der 3. Lebensdekade ein [54], sodass erhöhte Aufmerksamkeit besonders bei Adoleszenten und bei Steroid- oder Tacrolimustherapie geboten ist [55]. Funktionale renale Störungen bei Patienten mit HNF1B-Mutationen treten als Tubulopathie mit renalem Magnesium-Verlust, Hypomagnesiämie und Hyperurikämie mit Gicht auf. Diese können klinisch auch führend sein. Der Verlust der glomerulären Filtrationsrate ist meist nur langsam [55]. Ein Hyperparathyreodismus sowie erhöhte Transaminasen werden ebenfalls gehäuft beobachtet.

Auf Grund der vielfältigen extrarenalen Manifestationen und den sich daraus ergebenden diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen sowie des hohen Anteils an Neumutationen ist eine gezielte Testung auf HNF1B-Varianten zu empfehlen bei bilateraler Nierendysplasie mit oder ohne Zysten sowie bei unilateraler Nierendysplasie mit positiver CAKUT Familienanamnese (siehe Empfehlung 2.2). Bei positiven Befunden ist aufgrund des autosomal dominanten Erbgangs und der großen klinischen Variabilität auch eine Beratung und evtl. genetische Testung weiterer Familienangehöriger sinnvoll (siehe Empfehlung 2.3).


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Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung

Die ADPKD ist gekennzeichnet durch die langsame Entwicklung multipler kortikaler und medullärer Zysten. Pränatal sind bei einigen Patienten eine kortikale Hyperechogenität und vergrößerte Nieren darstellbar. Makroskopische Zysten folgen dann zu einem beliebigen Zeitpunkt zwischen Geburt und frühem Erwachsenenalter. Das mediane Alter der Dialysepflichtigkeit liegt in Abhängigkeit von betroffenem Gen und Mutationstyp bei 55–75 Jahren [56]. Eine Einschränkung der glomerulären Nierenfunktion im Kindesalter ist selten und nur bei „very early onset“ Verläufen mit sehr rapidem Nierenwachstum zu beobachten [57] [58]. Sie gehen mitunter mit zusätzlichen Gen-Varianten zu einer klassischen PKD1/2-Mutation einher [59]. In der Regel bietet die ADPKD im Kindesalter keine spezifische Symptomatik, denn obwohl wiederholte Bauch- oder Rückenschmerzen, Harnwegsinfekte und Enuresis nocturna vorkommen, sind diese in der allgemeinen pädiatrischen Bevölkerung auch sehr häufig [60]. Allerdings liegt in einer Metaanalyse die Prävalenz der arteriellen Hypertonie bei Kindern mit ADPKD bei 20% und die Prävalenz einer (meist sehr kleinen) Proteinurie bei 25% [61]. Obwohl ein „Recht auf Nichtwissen“ der Kinder von betroffenen Eltern daher respektiert werden sollte, muss eine adäquate medizinische Versorgung bei arterieller Hypertonie oder Proteinurie gewährleistet werden.

Will man die Diagnose ADPKD bereits im Kindesalter stellen, so kann dies radiologisch oder genetisch erfolgen. Für die radiologische Diagnostik ist Ultraschall das Mittel der Wahl. Die Pei/Ravine Kriterien wurden für Jugendliche ab 15 Jahren und (hauptsächlich) für Erwachsene entwickelt und fordern ≥ 3 Zysten für die Diagnose einer ADPKD; aber bei jüngeren Kindern mit einem betroffenen Elternteil darf schon eine einzelne Zyste als hochverdächtig gelten [62]. Allerdings ist der sonografische Ausschluss einer ADPKD durch fehlende Zysten erst ab einem Lebensalter von 40 Jahren möglich [63], sodass die Methode in der Kindheit eine niedrige Sensitivität hat. Bei negativem Screening-Ultraschall besteht in der Regel allerdings keine Notwendigkeit, die Diagnose mittels Genetik zu forcieren, da bei unauffälligem Ultraschall nicht mit relevanten Komplikationen zu rechnen ist. Da das Zystenwachstum nur langsam fortschreitet, ist eine Kontrolle nach ca. 3 Jahren in der Regel ausreichend. Ist der Patient dann immer noch minderjährig, sollte erneut über die Vor- und Nachteile eines diagnostischen Ultraschalls aufgeklärt werden.

Eine Indikation zur genetischen Testung besteht v. a. bei frühen und schweren Verläufen. Die Vielfalt und Komplexität der bekannten PKD-Gene hat in den letzten Jahren stark zugenommen und die Detektionsraten sind sehr hoch. Entscheidet man sich für eine sogenannte prädiktive genetische Untersuchung von asymptomatischen Patienten, so bedarf diese einer vorherigen fachärztlichen humangenetischen Beratung. Die prädiktive genetische Testung bietet in Deutschland den Vorteil, dass die hierbei erhobenen Befunde bei Abschluss von Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht preisgegeben werden müssen [64]. Somit genießen asymptomatische Patienten rechtlich einen besseren Schutz vor Diskriminierung bei positiven genetischen Befunden als bei positiven radiologischen Befunden.

Mit der regelmäßigen Untersuchung auf arterielle Hypertonie und Proteinurie ohne diagnostische Testung für alle Kinder betroffener Eltern besteht auch die Möglichkeit eines „Mittelweges“ der adäquaten medizinischen Überwachung ohne dem Kind/ jungen Erwachsenen das Recht auf Nichtwissen zu nehmen. Allerdings bedarf es hierbei naturgemäß auch der regelmäßigen Untersuchung aller derer Geschwister, die sich später nicht als erkrankt herausstellen.

Bei Kindern mit klassischer Familienanamnese und Nachweis einzelner Zysten ist eine genetische Sicherung der Diagnose nicht erforderlich, da sie als sonografisch gesichert gelten kann. Kindern mit frühen, schweren Verlaufsformen oder ungewöhnlich rasch fortschreitender ADPKD sollte hingegen in jedem Fall eine genetische Untersuchung zur Abklärung von Differenzialdiagnosen angeboten werden (siehe Empfehlung 2.4).

Empfehlung 5.1

Bei gesicherter ADPKD eines Elternteils soll bei Kindern und Feten mit ≥ 1 Nierenzysten und/oder hyperechogenen oder vergrößerten Nieren entsprechend der Verdachtsdiagnose ADPKD vorgegangen werden. Eine unauffällige Nierensonografie im Kindesalter soll nicht als Ausschluss der ADPKD gelten.

Viele Kohortenstudien (hauptsächlich [57] [65] [66] [67] [68] [69] [70] [71] [72]) haben gezeigt, dass

  • das Vorhandensein von mindestens einer Nierenzyste bei Kindern mit einem betroffenen Elternteil hochwahrscheinlich für die Diagnose einer ADPKD ist,

  • aber besonders bei jungen Kindern ein unauffälliger Ultraschall die spätere Entwicklung von Zysten nicht ausschließen kann, und

  • nur selten eine einzelne Zyste in der Verlaufsuntersuchung nicht bestätigt werden konnte.

Konsensstärke: 13/0/0 (13) 100%

Die Verdachtsdiagnose ADPKD erfordert dann zunächst regelmäßige Kontrollen auf arterielle Hypertonie und Proteinurie (siehe unten). Regelmäßige Ultraschallkontrollen ohne Symptome sind nicht zwingend erforderlich, da sie ohne klinische Konsequenz sind.

Empfehlung 5.2

Empfehlung 5.2

Asymptomatische Kinder eines Elternteils mit gesicherter ADPKD sollen regelmäßig auf das Vorliegen einer arteriellen Hypertonie und Proteinurie untersucht werden. Ob bei diesbezüglich unauffälligen Untersuchungsbefunden zusätzlich eine weiterführende Diagnostik (Sonografie, Genetik) durchgeführt wird, sollten Sorgeberechtigte, Patienten und betreuende Ärzte nach Aufklärung gemeinsam entscheiden. Bei auffälligen Untersuchungsbefunden soll eine weitere Hypertonie-/Proteinurie-Abklärung einschließlich einer Sonografie durchgeführt werden.

  • Ca. 20% der Kinder mit gesicherter ADPKD haben eine arterielle Hypertonie [61,73] und ca. 25% eine Proteinurie [61,74,75]

  • Behandlung einer Proteinurie und arteriellen Hypertonie sind essentielle Bestandteile der Erhaltung der Nierenfunktion bei Kindern mit chronischen Nierenerkrankungen [51]

  • Auch bei ansonsten gesunden Kindern sollte regelmäßig der Blutdruck gemessen werden, z. B. 1x/ Jahr [76,77]

Konsensstärke: 1. Satz: 12/0/1 (13) 100%; 2. Satz: 12/0/1 (13) 100%; 3. Satz: 13/0/0 (13) 100%

Bei arterieller Hypertonie und/oder Proteinurie bei einem Kind mit einem betroffenen Elternteil, ist zwar eine ADPKD als Ursache sehr wahrscheinlich. Andere, besonders ursächlich behandelbare Ursachen, sollten aber ausgeschlossen werden.

Da rupturierte intrakranielle Aneurysmen bei Kindern mit ADPKD äußerst selten sind, ist hierfür kein regelmäßiges Screening erforderlich.

Empfehlung 5.3

Die präferierte Methode zur Diagnose einer arteriellen Hypertonie ist die 24h-Blutdruckmessung. Bei Kindern mit gesicherter ADPKD sollte eine 24h-Blutdruckmessung ab dem 5. Lebensjahr durchgeführt werden. Wiederholungsuntersuchungen sollten in Abhängigkeit der Befunde erfolgen. Dies gilt auch für Kinder ohne gesicherte ADPKD mit einem betroffenen Elternteil.

  • Die 24h-Blutdruckmessung ist Einzelmessungen in der Klinik deutlich überlegen bezüglich Sensitivität und Spezifität für die Diagnose einer arteriellen Hypertonie [76].

  • Eine 24h-Blutdruck-Studie an Kindern mit ADPKD [78] zeigte eine besonders hohe Inzidenz der isolierten nächtlichen Hypertonie, welche ohne 24h-Blutdruckmessung nicht diagnostizierbar ist.

Konsensstärke: 1. Satz: 14 /0/0 (14) 100%; 2.Satz 13/0/1 (14) 100%, 3. Satz: 11/1/1 (13) 92%

Bei Kindern mit renaler Grunderkrankung sollte eine besonders gründliche Abklärung einer arteriellen Hypertonie erfolgen, da die gute Blutdruckeinstellung für die Progression der Niereninsuffizienz entscheidend ist [51]. Niedrigere Blutdruck-Zielbereiche sind generell bei Kindern mit chronischer Nierenerkrankung anzustreben [77] [79] [80], auch wenn keine expliziten Daten für die Blutdruckzielwerte für Kinder mit ADPKD vorliegen.

Empfehlung 5.4

Kindern mit gesicherter ADPKD soll eine Therapie mit einem Vasopressin Rezeptor Antagonisten nicht routinemäßig angeboten werden.

Konsensstärke: 1. Satz: 12/0/2 (14) 100% (2 Enthaltungen wegen moderatem Interessenskonflikt)

Für Erwachsene mit ADPKD, welche voraussichtlich zu Lebzeiten eine Dialysepflichtigkeit erreichen werden, ist der Vasopressin Rezeptor Antagonist Tolvaptan zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufes zugelassen. Zur Prädiktion, ob eine Dialysepflichtigkeit wahrscheinlich ist, gibt es im Erwachsenenalter validierte radiologische, klinische und genetische Vorhersageparameter [17], welche die Basis der Indikationsstellung sind [86]. Für Kinder gibt es aber keine ähnlich validierten Parameter oder Scores. Obwohl aus theoretischen Überlegungen der absolute Nutzen (Erhalt der Nierenfunktion) bei frühem Therapiebeginn besonders groß ist [87], sind die Nebenwirkungen der Therapie erheblich (Polyurie im Median knapp 6l/d [88], geringe Inzidenz einer Hepatopathie). Daher ist eine Therapie im Jugendalter voraussichtlich besonders schwierig. Eine klinische Studie an Teenagern wird aktuell durchgeführt (Einschluss bereits abgeschlossen), ist aber noch nicht abgeschlossen [89]. Bei Kindern mit genetisch gesicherter, very-early onset ADPKD (siehe [90] für eine Definition) oder schweren Verlaufsformen kann aufgrund des prinzipiellen Wirknachweises bei Erwachsenen eine off-label Therapie erwogen werden.


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Autosomal rezessive polyzystische Nierenerkrankung

Die ARPKD wird meist schon pränatal diagnostiziert mit dem klassischen Bild bilateral vergrößerter, strukturgestörter Nieren. Sonografisch zeigt sich eine heterogene parenchymale Echostruktur („Pfeffer und Salz Muster“), welches durch multiple winzige Zysten entsteht, die unter, oder gerade über der sonografischen Nachweisbarkeitsgröße liegen. Allerdings kann die Nierengröße auch normal sein, die Hyperechogenität nur auf das Mark beschränkt sein oder die Zysten als Makrozysten unterschiedlicher Größe, Anzahl und Lokalisation erscheinen.

Die Leberbeteiligung ist bei der ARPKD obligat vorhanden und kann sich als Caroli Syndrom (dilatierte Gallenwege mit erhöhtem Risiko für Cholangitiden) oder als angeborene Leberfibrose manifestieren. Sie korreliert nicht unbedingt mit der Nierenbeteiligung [91] [92] und schreitet mit zunehmendem Alter fort [6]. Einzelne Patienten mit Diagnose im späten Erwachsenenalter und vornehmlich Leberbeteiligung sind beschrieben [92].

Empfehlung 6.1

Bei pränatalem Verdacht auf ARPKD soll der Schwangeren zeitnah eine interdisziplinäre Beratung unter Beteiligung pränatalmedizinischer, kindernephrologischer, neonatologischer und ggf. humangenetischer Expertise angeboten werden.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 14/0/0 (14) 100%

Siehe auch weitere Empfehlungen im Kapitel „Pränatale Beratung, Diagnostik und Therapie“.

Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer ARPKD sollte zur Sicherung der Diagnose eine genetische Diagnostik erfolgen (siehe Empfehlung 2.5).

In der Neonatalperiode wird bei Kindern mit ARPKD besonders häufig eine Hyponatriämie beobachtet, welche wahrscheinlich auf einer Störung der Wasserausscheidung beruht. Die Natriumkonzentration im Serum sollte daher regelmäßig überwacht werden und bei Hyponatriämie sollte vorrangig mit Restriktion der Wassereinfuhr (statt mit Natriumsubstitution) reagiert werden.

Empfehlung 6.2

Bei Kindern mit ARPKD soll nicht routinemäßig eine Nephrektomie durchgeführt werden.

  • Eine Hoffnung auf klinische Besserung stützt sich nur auf Einzelfallberichte [93] [94] [95]

  • Postoperative hypotone Phasen sind potentiell lebensbedrohlich bei Infektionen und beeinträchtigen evtl. auch ohne krisenhaften Verlauf die neurologische Entwicklung bei Säuglingen [96].

Konsensstärke: 12/0/2 (14) 100%

Während man sich von der Nephrektomie bei massiv vergrößerten Nieren eine Verbesserung der Ventilationssituation bei Neugeborenen oder der Ernährungssituation und der arteriellen Hypertonie bei Säuglingen versprechen kann, gibt es hierfür nur Einzelfallberichte und keinen bewiesenen Benefit. Im Gegensatz dazu stehen das Risiko der Operation, die Reduktion der Restnierenfunktion (welche in den ersten Lebensmonaten manchmal noch ansteigt) sowie das potentiell lebensbedrohliche Hypotonie-Risiko, besonders bei bilateraler Nephrektomie in den ersten 3 Lebensmonaten. Die Indikation zur Nephrektomie sollte daher nur unter individueller Risikoabwägung im Einzelfall bei schwer beherrschbaren Komplikationen gestellt werden und nicht als Routinemaßnahme angesehen werden.

Empfehlung 6.3

Kindern mit ARPKD sollen kindergastroenterologisch mitbetreut und zur Beurteilung des hepatocholangiopathischen Phänotyps mindestens einmal jährlich evaluiert werden.

  • Fast alle Patienten mit ARPKD haben Auffälligkeiten der Leber oder der Gallenwege [5] [6] [92] [97]

  • Der Nachweis einer portalen Hypertension oder von zystischen Veränderungen der Gallenwege beeinflusst das klinische Management (z. B. Indikation zur gastroskopischen Varizen-Diagnostik)

Konsensstärke: 12/0/0 (12) 100%

Aufgrund der kongenitalen hepatischen Fibrose besteht ein erhöhtes Risiko für eine portale Hypertension, welche trotz bekannter Assoziation insgesamt unterdiagnostiziert ist [91]. Auch bei asymptomatischen Patienten ist daher ein regelmäßiges Screening auf hämatologische und sonografische Zeichen der portalen Hypertension zu empfehlen. Veränderungen der Lebersynthese-Parameter sind hingegen ungeeignet als Screeningtool. Die Familie sollte aufgeklärt werden, dass bei blutigem Erbrechen oder Teerstühlen eine sofortige medizinische Vorstellung notwendig ist. Die Leberbeteiligung kann eine Lebertransplantation notwendig machen. Ob bei gleichzeitiger Niereninsuffizienz eine kombinierte Leber-Nieren-Transplantation vorteilhaft ist, bleibt umstritten [98]. Auf jeden Fall sollte vor einer Nierentransplantation eine kindergastroenterologische Evaluation erfolgen, da das Risiko von Cholangitiden unter Immunsuppression erhöht ist und Komplikationen der Leberfibrose die Haupt-Todesursache von Kindern mit ARPKD nach Nierentransplantation sind [99].

Empfehlung 6.4

Bei Kindern mit ARPKD soll bei Fieber frühzeitig eine Cholangitis in Erwägung gezogen werden.

  • Die Inzidenz der Cholangitis bei ARPKD liegt bei ca. 5% [5] [6]. Aufgrund der schwierigen Diagnose liegt die Dunkelziffer aber wahrscheinlich höher.

Konsensstärke: 12/0/1 (13) 100%

Die klinischen Zeichen der Cholangitis sind oft unspezifisch, sodass nicht immer Fieber, Ikterus und Bauchschmerzen vorliegen. Die Diagnose kann daher schwierig zu stellen sein und auch ohne Anstieg der Leberwerte oder des Bilirubins vorliegen. Eine Leberbiopsie ist zur Diagnose der Cholangitis in der Regel nicht hilfreich. Gallengangsanomalien mit Cholangitiden können auch bei normalen sonografischen Befunden auftreten. Bei Patienten mit Gallengangsatresie korreliert die Anzahl der Cholangitiden negativ mit der Zeit bis zur Lebertransplantation. Von einer Parenchymschädigung bei wiederholten Episoden ist daher auszugehen [100]. Eine routinemäßige antibiotische Prophylaxe wird nicht empfohlen [101]. Allerdings kann sie für 6–12 Wochen nach einer Cholangitis, direkt nach Transplantation oder bei sonstiger Erhöhung der Immunsuppression erwogen werden. Bei Kindern mit ARPKD besteht keine routinemäßige Indikation zur Gabe von Ursodeoxycholsäure, da Patienten mit kongenitaler Leberfibrose meist keine Cholestase haben.


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Nephronophthise

Bei der Nephronophthise steht aufgrund der hereditären Tubulopathie klinisch zunächst die Polyurie/Polydipsie und später die progrediente Niereninsuffizienz im Vordergrund. Bei der infantilen Nephronophthise sind in der Regel bereits pränatal vergrößerte Nieren mit kortikalen Mikrozysten darstellbar und es kommt zum terminalen Nierenversagen vor dem 4. Geburtstag. Typisch sind Zysten am kortiko-medullären Übergang. Besonders bei der juvenilen und adoleszenten Nephronophthise, bei denen es erst in/nach der Pubertät zum terminalen Nierenversagen kommt, sind Zysten aber nicht obligat. In der Pubertät kommt es häufig zu einem raschen Verlust der Nierenfunktion und Dialysepflichtigkeit [34], sodass eine kindernephrologische Vorstellung auch bei nur gering erhöhtem Serum Kreatinin erfolgen sollte. Bei etwa 50% der Patienten tritt die Nephronophthise im Rahmen einer syndromalen Erkrankung auf [34], sodass eine strukturierte Abklärung bezüglich weiterer Organmanifestationen notwendig ist.

Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer Nephronophthise sollte zur Sicherung der Diagnose eine genetische Diagnostik erfolgen (siehe Empfehlung 2.6), u. a. da dies meist eine relevante Prognosestellung bezüglich extrarenaler Beteiligungen wie Retinitis pigmentosa und Leberfibrose erlaubt.

Empfehlung 7.1

Kinder mit Nephronophthise sollten kindergastroenterologisch und ophthalmologisch mitbetreut werden.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 14/0/0 (14) 100%

Aufgrund des Risikos für Leberfibrose sollten Untersuchungen zum Ausschluss einer portalen Hypertension durchgeführt werden, da diese oft klinisch nicht evident ist. Eine ophthalmologische Vorstellung ist notwendig zum Ausschluss retinaler Auffälligkeiten (z. B. Retinitis pigmentosa). Wenn vorhanden sind hier auch regelmäßige Kontrollen erforderlich. Eine weitere Betreuung (z. B. neuropädiatrisch) ist besonders bei Patienten mit Nephronophthise im Rahmen von übergeordneten Syndromen, je nach klinischem Bild, notwendig.


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Bardet-Biedl Syndrom

Das (Laurence-Moon-)Bardet-Biedl Syndrom ist eine individuell sehr unterschiedlich ausgeprägte Multisystemerkrankung mit den Kardinalsymptomen Adipositas, Pigment-Retinopathie, postaxialer Polydaktylie, Hypogenitalismus, Nierenfunktionsstörungen und Lernschwierigkeiten. Die renalen Befunde sind sehr heterogen und können von einzelnen oder multiplen (PKD-artigen) Zysten (30%), über Verlust der Mark-Rinden-Differenzierung, Renkulierung, Hufeisenniere, ektoper Niere, Doppelniere, Nierenagenesie bis hin zu anderen CAKUT-Formen reichen. Pränatal zeigen sich häufig vergrößerte Nieren mit homogener Hyperechogenität ohne Mark-Rinden-Differenzierung. Aufgrund der großen Variabilität kann die Diagnose eines Bardet-Biedl Syndroms nicht allein auf Basis der bildgebenden Befunde der Niere gestellt werden. Eine Polydaktylie bei Nierenfehlbildung ist oft ein früher Hinweis, da sie schon ab Geburt diagnostizierbar ist und damit deutlich vor Adipositas und Lernschwierigkeiten auftritt [102]. Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen eines Bardet-Biedl Syndroms sollte zur Sicherung der Diagnose eine genetische Diagnostik erfolgen (siehe Empfehlung 2.7).

Empfehlung 8.1

Kinder mit Bardet-Biedl Syndrom sollten eine interdisziplinäre kindernephro-urologische Abklärung erhalten.

  • Expertenkonsens

  • Strukturelle renale Auffälligkeiten treten bei ca. 50 % der Patienten auf [36].

  • Eine chronische Niereninsuffizienz in der Kindheit liegt meist im Stadium 1–3 [36].

Konsensstärke: 14/0/0 (14) 100%

Im Weiteren ist in der Regel eine multidisziplinäre Betreuung notwendig, wobei sich der primäre Betreuer nach der Hauptmanifestation richten sollte.

Ein spezifisches Therapeutikum (Melanocortin-4 Rezeptor Agonist) zur Gewichtsreduktion bei gesichertem Bardet-Biedl-Syndrom wird aktuell in einer Phase III Studie getestet [103].


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Einfache Zysten

Eine einfache Zyste ist eine solitäre Zyste bei ansonsten unauffälligen Nieren (auch auf der Gegenseite). Sie sollte rund sein, eine dünne Wand haben, echoleer sein, nicht septiert und getrennt vom Nierenbecken/Kelchen und ohne assoziierten darstellbaren Blutfluss im Doppler. Als Differenzialdiagnosen kommen die Erstmanifestation einer zystischen Nierenerkrankung, eine Kelchektasie, Dysplasie mit einzelner Zyste, post-traumatische Zyste oder post-operative Zyste nach partieller Nephrektomie in Frage [104]. Echinokokkuszysten der Nieren sind in Deutschland sehr selten.

Empfehlung 9.1

Bei einem Kind mit Erstdiagnose einer singulären Nierenzyste sollte eine Familienanamnese erhoben werden und eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden. Es sollte mindestens eine sonografische Verlaufsuntersuchung durchgeführt werden. Bei einfachen Zysten soll bei Diagnosestellung keine weitere bildgebende Diagnostik erfolgen.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 19/1/0 (20) 92%

Die einfache Nierenzyste ist bei Kindern eine Ausschlussdiagnose. Da sie mit einer Prävalenz um 0,1% deutlich seltener ist als bei Erwachsenen [1] [2] bedarf sie einer fokussierten Anamnese und klinischen Untersuchung. Obwohl im Rahmen der Erstdiagnose keine weitere Bildgebung im Sinne einer Schnittbildgebung oder Kontrastmitteldarstellung notwendig ist (siehe Empfehlung 1.1 und Empfehlung 1.4), sollte eine Verlaufsuntersuchung durchgeführt werden. Hierfür empfiehlt sich ein Intervall von etwa 3 Monaten – 1 Jahr, abhängig von Befund und Alter des Patienten.

Kinder und Feten mit einer solitären Zyste und normalem Nierenparenchym und ohne extrarenale Anomalien benötigen weder prä- noch postnatal eine genetische Untersuchung (siehe „Genetische Diagnostik“, Seite 3).

Empfehlung 9.2

Bei einem Kind mit Erstdiagnose einer singulären Nierenzyste sollte den Eltern eine sonografische Untersuchung der Nieren angeboten werden.

  • Eine falsch negative Familienanamnese kommt auch heute noch bei ca. 2 % der ADPKD Patienten vor [105]. Eine Diagnose ist für den betroffenen Erwachsenen höchstwahrscheinlich therapeutisch relevant.

Konsensstärke: 18/0/2 (20) 100%

Eine solitäre Zyste beim Kind kann die Erstmanifestation einer ADPKD darstellen, welche evtl. aufgrund eines milden Verlaufes (z. B. nicht-trunkierende PKD2-Mutationen oder GANAB-Mutation) beim betroffenen Elternteil nicht bekannt ist [105]. Die Untersuchung der Eltern kann somit sowohl für das Kind als auch das Elternteil relevant sein.


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Komplexe Zysten

Nur ein kleiner Teil der solitären Zysten im Kindesalter sind „komplex“ [15], d. h. sie weisen auch malignitätsverdächtige Zeichen auf, z. B. solide Anteile, verdickte Wand, verdickte Septen, Kalzifikationen oder verstärkte Durchblutung im Doppler-Ultraschall. Sie sind aber nicht zwangsläufig maligne, sondern können auch nach Trauma, Abszessen oder durch Echinokokkus-Infektionen oder gutartige Neoplasien wie das multilokuläre zystische Nephrom oder das mesoblastische Nephrom entstehen. Maligne Differenzialdiagnosen sind z. B. zystische Formen des Nephroblastoms (Wilms Tumor) und zystische Formen des Nierenzellkarzinoms. Bei Erwachsenen ist die Klassifikation der komplexen Zysten nach Bosniak etabliert, welche auf der CT-Bildmorphologie basiert [106]. Bei Erwachsenen detektieren MRT und kontrast-verstärkter Ultraschall (CEUS) mehr malignitätsverdächtige Elemente als CT [107] [108]. Bei Erwachsenen (bei denen auch maligne Nierentumore in der Regel langsam wachsen), führt dies zu einer höheren Rate an unnötig operativ entfernten benignen Läsionen und nur bei wenigen Patienten zur früheren operativen Entfernung eines Malignoms [109] [110] [111], während in anderen Studien mit CEUS eine gleiche oder bessere diagnostische Sicherheit bot [112] [113]. Bei Kindern scheint die Bosniak Klassifikation eine gute Sensitivität aber nicht so gute Spezifität für maligne Läsionen zu haben, bei aber sehr dünner Studienlage [4]. Hier ist das CT der Doppler-Sonografie nicht eindeutig überlegen [16] und leider liegen noch keine Studien zu CEUS bei Kindern mit komplexen Nierenzysten vor.

Nierenzysten und zystische Nierentumore kommen gehäuft bei Patienten mit Großwuchs-Syndromen (wie z. B. Beckwith-Wiedemann Syndrom) und Tumor-Prädispositions-Syndromen (z. B. tuberöse Sklerose, von Hippel-Lindau Syndrom) vor. Kinder mit zystischen Nephromen haben ggf. DICER1-Mutationen, welche auch die Häufigkeit anderer benigner und maligner Tumoren erhöht und daher regelmäßige Screening-Untersuchungen rechtfertigt. Da bei Kindern komplexe Nierenzysten insgesamt sehr selten sind und andere Manifestationen noch fehlen können, sollte bei einem solchen Befund daher großzügig nach genetischen Prädispositionen gesucht werden.

Empfehlung 10.1

Bei komplexen Zysten mit sonografischem Malignitätsverdacht sollte eine weitergehende Bildgebung mit Kontrastmittel durchgeführt werden, in der Regel MRT. In Zentren mit Erfahrung in der Methode kann hierfür auch CEUS eingesetzt werden.

  • AWMF S1-Leitlinie 025/004 „Nephroblastom“ empfiehlt bei V.a. Wilms Tumor primär eine detaillierte Sonografie der Nieren, des Retroperitonealraums, der Leber, der V. renalis und V. cava inferior und bei begründetem V.a. Wilms Tumor obligat eine MRT mit Kontrastmittel.

  • Obwohl i. v. Ultraschall-Kontrastmittel bei Kindern aktuell nur in den USA für Leberläsionen zugelassen ist, wird der Einsatz im Positionspapier der Europäischen Föderation der Gesellschaften für Ultraschall (EFSUMB) zu CEUS bei Kindern [114], sowie den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kinderradiologie [115] unterstützt.

Konsensstärke: 18/0/0 (18) 100%

Die Erfahrungen bei Erwachsenen mit zystischen und soliden Raumforderungen der Niere mit kontrastverstärktem Ultraschall (CEUS) sind sehr gut und da CEUS teilweise sensitiver als CT ist, wird es gerade auch zur Differenzierung von zystischen und soliden Läsionen empfohlen [116]. Allerdings gibt es noch keine publizierten Erfahrungen bei Kindern und noch keine einheitliche Bosniak Klassifikation für Nieren-CEUS bei Erwachsenen. Besonders wenn Differenzialdiagnostisch eher nicht-maligne Zysten in Betracht kommen oder solide Anteile dominieren, kann in Zentren mit pädiatrischer Erfahrung CEUS Differenzialdiagnostisch hilfreich sein [114] [115].


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Tuberöse Sklerose

Bei der tuberösen Sklerose können so gut wie alle Organsysteme von gutartigen Tumoren befallen werden. In der Niere sind Angiomyolipome und Zysten typisch, welche meist in der späteren Kindheit beginnen [117]. Die Diagnose kann häufig anhand klinischer Kriterien gestellt werden [118], aber die Präsentation ist sehr variabel. Eine genetische Diagnostik ist zu empfehlen, wenn die Diagnose klinisch nicht eindeutig ist (besonders bei jüngeren Kindern), oder eine Relevanz zur genetischen Beratung weiterer Familienangehöriger besteht [119]. Nierenzysten sind nur ein Minor-Kriterium bei der klinischen Diagnose, ≥ 2 Angiomyolipome aber ein Major-Kriterium [118]. Von größeren renalen Angiomyolipomen (> 3 cm) geht ein erhöhtes Blutungsrisiko aus, was im Erwachsenenalter eine etablierte Indikation für eine mTOR-Inhibitor-Therapie darstellt [120]. mTOR-Inhibitoren sind für Kinder mit tuberöser Sklerose allerdings nur als Therapie für subependymale Riesenzell-Astrozytome zugelassen. Eine off-label mTOR-Inhibitor Therapie für Angiomyolipome bei Kindern sollte nur nach individueller Risikoabwägung erfolgen und in einem Zentrum durchgeführt werden. Nebenbefundlich sind auch positive Effekte der Therapie auf das Wachstum von Nierenzysten beobachtet worden [121], auch wenn sie für diese Indikation nicht zugelassen sind. Eine Nephrektomie sollte soweit möglich vermieden werden, um möglichst viel funktionelles Nierengewebe zu erhalten, da ein erhebliches Risiko für ein terminales Nierenversagen in späterem Lebensalter besteht [122].

Empfehlung 11.1

Kinder mit einer tuberösen Sklerose und initial unauffälliger Nierensonografie sollten wiederholt (mindestens alle 3 Jahre) sonografisch nachuntersucht werden. Bei bestehenden Nierenzysten oder Angiomyolipomen sollten jährliche Sonografien der Nieren erfolgen.

  • Expertenkonsens

  • Siehe auch internationales Konsenspapier zur tuberösen Sklerose bei Erwachsenen [120]

Konsensstärke: 13/0/0 (13) 100%

Da die Diagnose oft schon im frühen Kindesalter aufgrund von zerebralen Anfällen gestellt wird, sind bei Diagnosestellung oft noch keine renalen Auffälligkeiten vorhanden. Ein wiederholtes Screening ist daher sinnvoll, zu enge Zeitintervalle aber belastend für die Patienten und unökonomisch. Die Leitliniengruppe schlägt daher ein Intervall von ca. 3 Jahren zur Routinekontrolle von zuvor unauffälligen Nierenbefunden bei Kindern mit tuberöser Sklerose vor. Bei vorhandenen Auffälligkeiten werden jährliche Kontrollintervalle – in Anlehnung an die Empfehlungen für Erwachsene – empfohlen [120].

Empfehlung 11.2

Kinder mit Tuberöser Sklerose sollten ein MRT der Nieren erhalten:

  • wenn im Ultraschall ein schnell wachsendes Angiomyolipom darstellbar ist

  • zur jährlichen Verlaufskontrolle von Angiomyolipomen >3 cm

  • wenn viele Zysten eine Untersuchung des Parenchyms erschweren (z. B. beim PKD1/TSC2 contiguous gene deletion Syndrom)

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 13/0/0 (13) 100%

MRT-Untersuchungen werden für Erwachsene zur routinemäßigen Kontrolle der Angiomyolipome empfohlen, besonders auch vor der für sie zugelassenen Therapie mit einem mTOR-Inhibitor [120]. Angiomyolipome können aufgrund des Fettanteils in der Regel sonografisch sehr gut dargestellt werden. Bei den seltenen fettarmen Angiomyolipomen können aber erhebliche Diskrepanzen zwischen Ultraschall und MRT auftreten. Das geringe Risiko des Vorliegens eines fettarmen Angiomyolipoms, welches im Ultraschall nicht oder nur schwer nachweisbar war und konsekutiv zu einer Blutung führt, sollte gegen das Risiko einer Sedierung (bei jüngeren Kindern), sowie die höheren Kosten (bei Jugendlichen mit insgesamt noch niedrigem Risiko für schwere Angiomyolipome) abgewogen werden. Falls eine Sedierung notwendig ist, erfolgen MRT Abdomen und Schädel optimaler Weise in einer Sitzung. Vor Durchführung einer MRT kann in Zentren mit Erfahrung auch noch (off-label) CEUS erwogen werden.

Empfehlung 11.3

Kinder mit tuberöser Sklerose sollten regelmäßig auf eine arterielle Hypertonie untersucht werden.

  • Ein signifikanter Anteil der Patienten mit tuberöser Sklerose weist bereits in der Kindheit eine arterielle Hypertonie auf [123] [124]

  • Eine arterielle Hypertonie im Kindesalter wurde bei Kindern in Einzelfällen auch ohne strukturelle Läsionen des Nierengewebes beobachtet [123] [124]

Konsensstärke: 13/0/0 (13) 100%

Patienten mit tuberöser Sklerose haben ein erhöhtes Risiko für arterielle Hypertonie und entwickeln im Verlauf oft eine eingeschränkte Nierenfunktion, welche durch den Gewebeverlust bei interventioneller Behandlung renaler Läsionen weiter beeinträchtigt wird [124]. Da die arterielle Hypertonie einer der wichtigsten behandelbaren Risikofaktoren für die chronische Niereninsuffizienz ist [51], sollte der Blutdruck regelmäßig gemessen werden. Dabei sollten wie bei anderen Kinder mit Nierenerkrankungen strengere Blutdruckgrenzwerte und Zielwerte verwendet werden und 24h-Blutdruckmessungen großzügig angewandt werden [80].


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Erworbene zystische Nierenerkrankung

Einzelne erworbene Zysten können nach Trauma oder Operationen entstehen. Dagegen wird die diffusere erworbene zystische Nierenerkrankung der Eigennieren hauptsächlich nach Nierentransplantation, aber auch im Rahmen einer terminalen Niereninsuffizienz oder nach Lebertransplantation beobachtet [125] [126] [127] [128]. Die erworbene zystische Nierenerkrankung bei niereninsuffizienten Erwachsenen erhöht das Nierenzellkarzinomrisiko deutlich. Diese Tumoren haben ein spezifisches histologisches Erscheinungsbild [129] [, 130] und eigene genetische Risikofaktoren [131].

Empfehlung 12.1

Patienten mit Nierenersatztherapie und nach Nierentransplantation sollen jährlich eine Sonografie der Eigennieren zum Ausschluss erworbener Zysten oder Malignome erhalten.

  • Maligne Entartungen bei erworbener zystischer Nierenerkrankung sind auch im Kindesalter beschrieben [126] [127].

Konsensstärke: 12/1/0 (13) 92%

Etwa ein Drittel der Kinder unter Nierenersatztherapie entwickeln erworbene Zysten [132]. Bei Erwachsenen besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen erworbenen Zysten und Nierenzellkarzinomen [133]. Hierbei haben jüngere Patienten einen deutlich höheren Anstieg des standardisierten Nierenmalignomrisikos unter Dialyse als ältere Patienten [133]. Auch wenn das Absolutrisiko der älteren Patienten naturgemäß höher ist und es für Kinder keine verlässlichen Daten gibt, ist es daher sinnvoll Kinder mit terminaler Niereninsuffizienz und nach Nierentransplantation sonografisch auf erworbene zystische Nierenerkrankung und Malignitätshinweise zu screenen.


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Pränatale und Neonatale Aspekte

Pränatale Bildgebung

Pränatal präsentieren sich viele zystische Nephropathien als bilateral hyperechogene und/oder vergrößerte Nieren. Pränatale Makrozysten werden regelhaft nur bei der multizystischen Nierendysplasie dargestellt, können aber auch bei der ADPKD oder HNF1B-Erkrankung gefunden werden. Auch wenn die initiale Ultraschalldiagnostik durch die Zuordnung zu uni- oder bilateraler Nierenpathologie [134] und Nachweis eines begleitenden Oligohydramnions oder assoziierter Anomalien zu einer bereits ausreichenden prognostischen Einordnung führen kann, so sind doch in der Regel Verlaufsbeobachtungen notwendig, um eine bessere Differenzialdiagnostische und prognostische Einschätzung zu erlangen.

Empfehlung 13.1

Bei pränatalem Verdacht auf Nierenzyste(n) oder eine zystische Nierenerkrankung sollen eine weiterführende sonografische Organdiagnostik und eine Bestimmung der Fruchtwassermenge gemäß den Anforderungen DEGUM Stufe II durchgeführt werden.

  • Pränatal detektierte Nierenzysten sind häufig mit anderen Anomalien vergesellschaftet [135], sodass für eine ausreichende Diagnose- und Prognosestellung eine gründliche Organdiagnostik notwendig ist.

  • Siehe auch DEGUM Empfehlungen zu Qualitätsanforderungen an die weiterführende differenzierte Ultraschalluntersuchung in der pränatalen Diagnostik [136]

Konsensstärke: 15/0/1 (16) 100%

Häufige assoziierte Anomalien sind kontralaterale Nierenhypodysplasien, Enzephalozele bei Meckel-Gruber Syndrom, Herzfehler (besonders bei Chromosomen-Anomalien) und Genitalfehlbildungen. Bei renalem Oligohydramnion ist der Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens maßgeblich für die pulmonale Entwicklung und Prognose der pulmonalen Hypoplasie [137].

Empfehlung 13.2

Eine pränatal detektierte singuläre Nierenzyste sollte sonografisch kontrolliert werden (im Abstand von ca. 4 Wochen), um das Hinzukommen weiterer Pathologien auszuschließen. Bei Befundkonstanz sollten aus renaler Indikation keine weiteren pränatalen Kontrollen erfolgen.

  • Der Befund von singulären Nierenzysten zwischen der 14. und 16. Schwangerschaftswoche kann in der späteren Schwangerschaft häufig nicht mehr bestätigt werden [138]

  • Nach europäischen Registerdaten sind pränatal detektierte singuläre Nierenzysten quasi nur bei Auftreten im Rahmen von syndromalen Erkrankungen oder weiteren Organanomalien mit pränataler Morbidität assoziiert [135]

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

(Siehe Seite 15 für diagnostische Merkmale der einfachen Zyste.) Eine einzelne einfache Zyste ist pränatal extrem selten [135]. Die Verlaufskontrolle dient daher der Bestätigung der Diagnose. Aus einer bestätigten, singulären, nicht größenprogredienten Nierenzyste ergibt sich keine pränatale therapeutische Konsequenz.

Empfehlung 13.3

Bei pränatalem sonografischem Bild einer unilateralen multizystischen Nierendysplasie sollte eine sonografische Kontrolle (im Abstand von ca. 4 Wochen) durchgeführt werden. Weitere Kontrollen dienen der morphologischen Beurteilung der kontralateralen Niere und der ableitenden Harnwege sowie der Fruchtwassermenge.

  • Die Prognose der multizystischen Nierendysplasie hängt maßgeblich von der normalen Entwicklung der kontralateralen Niere sowie dem Vorhandensein extrarenaler Fehlbildungen ab [139].

Konsensstärke: 14/2/0 (16) 86%

(Siehe Seite 6 für diagnostische Merkmale der multizystischen Nierendysplasie.) Eine Gefährdung des Feten ergibt sich durch die multizystische Nierendysplasie nur bei unzureichender Funktion der kontralateralen Niere, welche sich durch morphologische Auffälligkeiten und bei eingeschränkter Gesamtnierenfunktion in einem renalen Oligohydramnion äußern würde.

Empfehlung 13.4

Bei pränatalem Nachweis bilateraler Nierenzysten oder bilateral angehobener Nierenechogenität sollen bis zum Ende der Schwangerschaft 4- bis 6-wöchentliche Ultraschallkontrollen erfolgen.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Eine höhere Frequenz kann allerdings z. B. aus geburtshilflichen Gründen indiziert sein. Die Langzeitprognose von Feten mit bilateralen Nierenzysten oder bilateraler Hyperechogenität der Nieren ist sehr unterschiedlich [140] [141]. Die Mortalität und Morbidität bis zum Ende der Perinatalzeit wird hauptsächlich durch eine frühes Oligohydramnion und begleitende Anomalien beeinflusst [140]. Bilaterale zystische Nierenerkrankungen bergen das potentielle Risiko eines renalen Oligohydramnions und rechtfertigen daher regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Besonders im Rahmen einer ARPKD kann die Nierengröße im Verlauf der Schwangerschaft rapide zunehmen.

Empfehlung 13.5

Eine fetale Magnetresonanztomografie zur Untersuchung zystischer Nierenerkrankungen sollte nur durchgeführt werden, wenn keine suffiziente sonografische Beurteilung der Nieren und anderer Organe möglich ist.

  • Etliche Fallserien seit 2004 beschreiben einen Nutzen der pränatalen MRT Untersuchung für fetale Harntraktanomalien, aber nur selten differenziert für Nephropathien [142] [143]

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Eine eingeschränkte Beurteilbarkeit der Sonografie kann z. B. bei ausgeprägtem Oligohydramnion oder maternaler Adipositas vorliegen, oder wenn keine eindeutige Organzuordnung möglich ist (z. B. V.a. Teratom). Bevor aber eine pränatale MRT Untersuchung initiiert wird, ist meist eine sonografische Zweituntersuchung mit hochauflösendem Ultraschall in einem perinatologischen Zentrum sinnvoll.


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Pränatale Beratung

Zystische Nephropathien können häufig schon in der Schwangerschaft im Rahmen der Routine-Ultraschall Diagnostik ab dem 2. Trimenon festgestellt werden. Viele stellen sich pränatal aber als bilateral angehobene Echogenität der Nieren und/oder bilaterale Nephromegalie dar und weniger häufig mit sichtbaren Zysten. Ein Oligohydramnion kann Hinweis auf fetale Oligurie sein, andere Ursachen des Oligohydramnions müssen aber abgegrenzt werden. Ein Anhydramnion oder frühes Oligohydramnion ist ein schwerwiegender Prädiktor für ein erhöhtes Risiko und beeinflusst über die Entstehung einer pulmonalen Hypoplasie maßgeblich die neonatale Morbidität und Mortalität [134] [137] [144]. Aufgrund der zumeist schweren Verläufe bei früher Diagnose und der Schwierigkeit, eine genaue Prognose zu bestimmen, stellt diese Situation große Herausforderungen an Pränatalmediziner und werdende Eltern.

Empfehlung 14.1

Schwangeren mit bilateraler zystischer Nierenerkrankung des Feten (mit oder ohne Oligohydramnion) soll eine interdisziplinäre Beratung unter Beteiligung pränatalmedizinischer, kindernephrologischer, neonatologischer und ggf. humangenetischer Expertise angeboten werden.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Sowohl bei Oligohydramnion als auch bei fetaler bilateraler zystischer Nierenerkrankung besteht ein sehr breites Spektrum an möglichen Diagnosen und fetaler Prognose und die Risikowahrnehmung ist auch durchaus verschieden aus pränataler und postnataler Perspektive [145]. Bei schweren Verläufen kommen sehr unterschiedliche Interventionen und prä- und postnatale Therapien in Frage (z. B. neonatale Intensivtherapie inklusive Beatmung und Dialyse, pränatale Amnioninfusion(en), aber auch perinatale Palliativversorgung). Daher ist eine ausführliche Aufklärung der Eltern über Prognose und Therapiemöglichkeiten mit verschiedenen Fachgruppen zu priorisieren und eine psychologische Begleitung notwendig. Die Vermittlung von Kontakten relevanter Selbsthilfevereinen sollte angestrebt werden.


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Pränatale Diagnostik

Ein Oligo- oder Anhydramnion als Ausdruck des pränatalen Nierenversagens ist ein ungünstiger prognostischer Marker für den Verlauf von zystischen Nephropathien. Bei der ARPKD z. B. ist ein frühes Oligo-/Anhydramnion mit einem erhöhten Risiko für ein frühes Auftreten einer terminalen Niereninsuffizienz assoziiert [146]. Eine genauere Prognosestellung wäre wünschenswert, ist aber schwierig. Die pränatale Lungenvolumenmessung ist aufgrund der unzureichenden Datenlage bei Feten mit renalem Oligohydramnion kein evidenzbasierter Prädiktor für die postnatale Morbidität und Mortalität. Pränatale Nierenfunktionsteste haben ebenfalls eine unzureichende Datenbasis für die Prädiktion der postnatalen Morbidität und Mortalität in dieser Gruppe und sind aufgrund der hierfür notwendigen invasiven Maßnahmen daher nicht indiziert. Eine Diagnosesicherung mittels genetischer Untersuchungen kann die Vorhersage über den Langzeitverlauf und mögliche Komorbiditäten etwas verbessern, ist in der Regel aber (noch) mit invasiven Maßnahmen verbunden.

Empfehlung 15.1

Wenn aus medizinischer Sicht genetische Analysen bei pränatal diagnostizierten zystischen Nierenerkrankungen empfohlen werden, muss zuvor eine ausgangsoffene humangenetische Beratung erfolgen.

  • Gendiagnostikgesetz 2010 § 9 und § 10 [64]

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Nach § 9 des Gendiagnostikgesetzes soll vor genetischen Untersuchungen eine ärztliche Aufklärung über Wesen, Bedeutung und Tragweite der genetischen Untersuchung stattfinden und ausreichend Bedenkzeit gewährt werden. In §10 wird zusätzlich angeordnet, dass nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses der betroffenen Person eine genetische Beratung durch einen hierfür qualifizierten Arzt/Ärztin angeboten werden soll. Inhalt der Aufklärung und Einverständnis sowie Inhalt einer genetischen Beratung sind schriftlich zu dokumentieren.

Bei einer rein prädiktiven genetischen Untersuchung hat die Beratung zusätzlich auch vor der Untersuchung und von einem Facharzt für Humangenetik zu erfolgen. Eine genetische Testung auf ADPKD ist in der Regel als prädiktiv zu bewerten, während sie bei den meisten anderen Ziliopathien eher diagnostisch einzuordnen ist. (Bezüglich der Besonderheiten der genetischen Testung auf ADPKD siehe auch krankheitsspezifische Empfehlungen hierfür).

Empfehlung 15.2

Empfehlung 15.2

Eine solitäre Zyste in normalem Nierenparenchym oder eine einseitige multizystische Nierendysplasie ohne extrarenale Anomalien stellen keine ausreichende Indikation zur pränatalen genetischen Untersuchung dar.

  • Niedrige Häufigkeit von Chromosomenaberrationen bei isolierter unilateraler multizystischer Nierendysplasie [18]

Konsensstärke: 14/2/0 (16) 88%

Bei diesen beiden Krankheitsbildern (solitäre Zyste in normalem Nierenparenchym oder eine einseitige multizystische Nierendysplasie) ist bei Abwesenheit von extrarenalen Anomalien die Wahrscheinlichkeit eines pathologischen Befundes nur gering. Mittels moderner Sequenzierungsmethoden können zwar auch selten bei Feten mit multizystischer Nierendysplasie ohne extrarenale Anomalien Auffälligkeiten gefunden werden, diese sind aber meist ohne pränatale Konsequenz [147]. Daher sollte in der Regel bei diesen Fällen aufgrund der Risiken der fetalen Gewebegewinnung auf die genetische Analyse verzichtet werden. Auch postnatal ist für diese Patienten eine genetische Testung eher nicht indiziert. Im Gegensatz dazu finden sich bei Patienten mit multizystisch-dysplastischer Niere und extrarenalen Anomalien häufiger Chromosomenaberrationen oder Gendefekte oder Variationen der Kopienanzahl (Copy Number Variations) [147] [148].

Empfehlung 15.3

Empfehlung 15.3

Eltern von Feten mit bilateraler zystischer Nierenerkrankung und/oder bilateral hyperechogenen Nieren sollten über die Möglichkeit einer pränatalen genetischen Testung informiert werden.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Dies gilt unabhängig vom Vorhandensein eines Oligohydramnions und/oder extrarenalen Anomalien. Der Benefit der Diagnosestellung läge hauptsächlich in der besseren Prognoseeinschätzung und ist daher auch abhängig von der Einstellung der Eltern gegenüber weiteren therapeutischen Maßnahmen bzw. dem evtl. Abbruch einer Schwangerschaft.

Empfehlung 15.4

Nach intrauterinem Fruchttod, Schwangerschaftsabbruch oder perinatalem Kindstod bei einer zystischen Nierenerkrankung sollte eine postmortale genetische Analyse oder DNA-Asservierung angeboten werden.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Dies gilt besonders, falls die Familie weiteren Kinderwunsch hat, da bei einer weiteren Schwangerschaft das Vorhandensein von DNA eines Indexpatienten für die genetische Beratung und Diagnostik maßgeblich sein kann. Auch eine Obduktion ist in der Regel sinnvoll.


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Pränatale Therapie

Es gibt keine pränatale kausale Therapie bei zystischen Nierenerkrankungen und keine spezifische Möglichkeit, die pränatale Nierenentwicklung positiv zu beeinflussen. Allerdings führt eine Geburt mit niedrigem Gewicht oder Gestationsalter zu einer reduzierten Nephronenmasse [149] und wirkt sich somit negativ auf das langfristige Risiko einer chronischen Niereninsuffizienz aus [150]. Dies gilt auch für die Progression der ADPKD [151]. Modifizierbare Risikofaktoren für eine Plazentainsuffizienz und Frühgeburtlichkeit sollten daher vermieden werden. Die Behandlung des Oligohydramnions an sich verfolgt das Ziel, die Lungenhypoplasie zu mindern und den Fortgang der Schwangerschaft bis näher an den errechneten Termin zu ermöglichen. Sie verspricht daher die neonatale Morbidität zu beeinflussen, kann die Nierenfunktion aber nicht grundlegend verbessern.

Empfehlung 15.1

Die gegenwärtige Datenlage zu wiederholten Amnioninfusionen bei Feten mit erhöhtem Risiko für pulmonale Hypoplasie durch renales Oligohydramnion erlaubt keine ausreichende Nutzen-Risiko-Bewertung um eine Empfehlung auszusprechen.

  • Eine Stellungnahme eines National Institutes of Health Workshops zu renalem Anhydramnion betont ebenfalls die unzureichende Datenlage für wiederholte Amnioninfusionen [152].

Konsensstärke: 15/1/0 (16) 94%

Über wiederholte Amnioninfusionen wurden bis jetzt nur Einzelfallbeschreibungen und eine einzige Fallserie publiziert [153]. Da dies eine sehr invasive und experimentelle Therapie mit möglichen schweren Komplikationen für Mutter und Kind darstellt, sollte sie sehr zurückhaltend erwogen werden. Die Konsensusgruppe empfiehlt daher die Ergebnisse zweier amerikanischer Studien abzuwarten [154] [155].


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Entbindungszeitpunkt und -ort

Eine frühere Entbindung verspricht keine Vorteile für das renale Outcome und birgt alle Risiken der Frühgeburtlichkeit [156]. So ist bei Kindern mit Harnröhrenklappen die Frühgeburtlichkeit und ein niedriges Geburtsgewicht zwar kein Risikofaktor für schlechtes renales Outcome [157], aber assoziiert mit längerem Krankenhausaufenthalt.

Empfehlung 16.1

Bei fetalen zystischen Nierenerkrankungen oder Nierenzysten soll aus renaler Indikation keine vorzeitige Entbindung erfolgen.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Leider gibt es keine Studien oder Fallserien zum geburtshilflichen Management bei renalem Oligohydramnion. Bei massiver Nephromegalie, wie sie bei ARPKD vorkommen kann, sollte die Möglichkeit einer Sectio-Entbindung bei abdomineller Dystokie erwogen werden.

Bei schwerkranken Neugeborenen beeinflusst die Geburt außerhalb eines neonatologischen Zentrums die Prognose maßgeblich und erhöht auch das Risiko eines akuten Nierenversagens [158]. Allerdings haben viele Feten mit pränatalen Nierenauffälligkeiten kein erhöhtes neonatales Risiko und daher können Geburtsort und -modus nach anderen Gesichtspunkten ausgewählt werden. So ist eine Entbindung in einem Perinatalzentrum allein aufgrund von unilateralen fetalen Nierenzysten nicht erforderlich. Neonatale Komplikationen sollten hingegen besonders bei bilateralen Nierenerkrankungen und renalem Oligohydramnion antizipiert werden. Im Sinne der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen (QFR-RL) ist hier sowohl der dringende Verdacht auf eine angeborene Fehlbildung zu stellen als auch die Notwendigkeit der unmittelbaren spezialisierten intensivmedizinischen Versorgung des Neugeborenen absehbar und somit die Indikation zur Versorgung in einem Perinatalzentrum der höchsten Stufe gegeben [159].

Empfehlung 16.2

Bei zu erwartenden pulmonalen Komplikationen (z. B. bilaterale zystische Nierenerkrankung mit frühem Oligohydramnion) soll die Entbindung in einem Perinatalzentrum der höchsten Stufe geplant werden. Dieses sollte über die Möglichkeit von Hochfrequenzoszillationsbeatmung, inhalativer Stickstoffmonoxid-Gabe, neonataler Dialysebehandlung und kindernephrologische Expertise vor Ort verfügen.

  • Ein frühes Oligohydramnion erhöht die Wahrscheinlichkeit der pulmonalen Hypoplasie mit Beatmungspflichtigkeit, sowie der frühen Dialysepflichtigkeit [144] [146]

  • Richtline des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen (QFR-RL) [159] Anlage 1 – Aufnahme und Zuweisungskriterien

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Nach renalem Oligohydramnion ist in der Neonatalphase das respiratorische Management entscheidend für die Prognose [144]. Gerade bei der ARPKD ist die Mortalität in der Neonatalphase am höchsten und pulmonale Komplikationen sind auch mit der renalen Prognose korreliert [6] [146]. Im zur Entbindung vorgesehenen Perinatalzentrum sollte auch die Expertise zur Durchführung einer neonatalen Dialyse vorhanden sein, um eine Verlegung in respiratorisch instabilem Zustand zu vermeiden; hierzu gehören neben der Kindernephrologie ggf. auch die Kinderchirurgie (Katheteranlage) und Kinderurologie.


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Neonatologische Versorgung

Ähnlich dem großen Spektrum der verschiedenen Diagnosen findet sich auch bei der notwendigen Versorgung von Neugeborenen mit Nierenzysten oder zystischen Nierenerkrankungen ein großes Spektrum von ambulanten Kontrollen bis hin zu maximaler intensivmedizinischer Betreuung.

In allen Fällen ist eine postnatale Kontrolle des Ultraschallbefundes indiziert. Besonders bei den großzystischen Nierenveränderungen, z. B. multizystisch-dysplastischer Niere ist gelegentlich eine postnatale Revision der Diagnose auch bei moderner pränataler Ultraschalldiagnostik notwendig [40].

Empfehlung 17.1

Neugeborene mit der pränatalen Diagnose einer solitären Nierenzyste sollten innerhalb der ersten 4–6 Lebenswochen eine Sonografie des Urogenitaltraktes erhalten.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Bei einer solitären Nierenzyste ist nicht von einer Einschränkung der Nierenfunktion oder der Differenzialdiagnose einer Harntransportstörung auszugehen. Daher ist eine sonografische Kontrolle in den ersten Wochen nach Etablierung der normalen Urinproduktion (ab dem 3. Lebenstag) ausreichend. Wie in Empfehlung 1.3 ausgeführt, sollte die Untersuchung durch einen Kinderradiologen oder einen erfahrenen pädiatrischen oder kinderurologischen Untersucher durchgeführt werden.

Empfehlung 17.2

Neugeborene mit der pränatalen Diagnose von Nierenzysten oder hyperechogenen Nieren sollten in der ersten Lebenswoche eine Sonografie des Urogenitaltraktes erhalten.

  • Expertenkonsens

Konsensstärke: 14/1/1 (16) 93%

Auch mit modernen Ultraschallgeräten kann besonders die Differenzierung einer multizystisch-dysplastischen Niere von einer hochgradigen Harntransportstörung schwierig sein [40] [160]. Da bei letzterer eine urologische Diagnostik und ggf. Therapie angebahnt werden sollte, ist eine sonografische Untersuchung zwischen dem 3.-und 7. Lebenstag optimal (vor dem 3. Lebenstag kann eine Harntransportstörung bei physiologischer Oligurie noch weniger ausgeprägt sein als im Verlauf).

Empfehlung 17.3

Empfehlung 17.3

Bei Neugeborenen mit unilateralen Nierenzysten und sonografisch unauffälliger kontralateraler Niere kann auf eine Bestimmung der Retentionsparameter verzichtet werden.

  • Expertenkonsens

  • Ein Risiko für eine eingeschränkte Nierenfunktion besteht nur bei bilateralen Befunden [161].

Konsensstärke: 15/1/0 (16) 94%

Dabei gilt die kontralaterale Niere auch als auffällig, wenn sie strukturell unauffällig aber ohne die zu erwartende kompensatorische Hypertrophie bleibt [39]. Die Entbehrlichkeit der Bestimmung der Retentionsparameter bedeutet nicht, dass langfristige Kontrollen des Nierenwachstums, des Blutdrucks und der Proteinurie entbehrlich sind (siehe Empfehlung 3.5 und Empfehlung 4.2).

Empfehlung 17.4

Bei Neugeborenen mit pränatalen Risikofaktoren für ein Nierenversagen (renales Oligohydramnion, bilaterale zystische Nierenerkrankung) sollen ab Geburt Urinausscheidung, Serum-Kreatinin, Serum-Elektrolyte und der Säure-Basen-Haushalt überwacht werden.

  • Nach renalem Oligohydramnion besteht ein hohes Risiko für schwere Niereninsuffizienz mit Hyperkaliämie, Azidose und Überwässerung bereits im Neugeborenenalter [137] [144].

Konsensstärke: 16/0/0 (16) 100%

Neugeborene nach renalem Oligohydramnion bedürfen fast ausnahmslos einer intensivmedizinischen Überwachung, meist steht aber initial die respiratorische Symptomatik im Vordergrund [137] [144]. In den ersten Lebenstagen sind die Retentionswerte noch weitgehend von der mütterlichen Nierenfunktion bestimmt, allerdings sollte bei neonatalem Nierenversagen ein pädiatrisch-nephrologisches Konsil frühzeitig erfolgen, da die Entscheidungen über die Initiierung einer Nierenersatztherapie ggf. einiger Vorbereitung bedürfen.

Auch bei bilateraler Nierenerkrankung ohne Oligohydramnion kann eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion vorliegen [141], wenn auch deutlich seltener als bei Z.n. Oligohydramnion. Auf der anderen Seite finden sich bei einigen Kindern nach fetal hyperechogenen Nieren postnatal und bis ins Kindesalter keinerlei Auffälligkeiten [162] [163], sodass die Kontrollintervalle in dieser Gruppe an die initialen Befunde angepasst werden können.

Empfehlung 17.5

Säuglingen und Neugeborenen mit terminaler Niereninsuffizienz aufgrund einer zystischen Nierenerkrankung soll eine Nierenersatztherapie angeboten werden. Abhängig von den individuellen Umständen kann aber auch eine aktive Entscheidung gegen die Nierenersatztherapie und eine palliative Versorgung angemessen sein. Die Entscheidung für oder gegen eine Nierenersatztherapie soll zusammen mit den Sorgeberechtigten getroffen werden.

  • Die Prognose nach neonataler Nierenersatztherapie ist in den letzten Jahrzehnten deutlich besser geworden, aber immer noch eingeschränkt [164] [165]

  • Säuglinge mit polyzystischen Nierenerkrankungen haben ein schlechteres Outcome als solche mit obstruktiven Uropathien [164]

  • Säuglinge mit neurologischen Komorbiditäten haben ein deutlich schlechteres Überleben [165]

Konsensstärke: 1. Satz: 14/0/2 (16) 100%; 2. Satz: 16/0/0 (16) 100%; 3. Satz: 14/0/2 (16) 100%

Aufgrund der in mehreren Studien nachgewiesenen deutlichen Verbesserung des Überlebens nach neonataler Nierenersatztherapie in den letzten Jahrzehnten ist diese mittlerweile als etabliertes Therapieverfahren zu betrachten [164] [165]. Da sie allerdings weiterhin eine sehr aufwendige und tief eingreifende Therapie darstellt, und das Überleben auch maßgeblich von weiteren Begleiterkrankungen abhängt, kann die Entscheidung zur palliativen perinatalen Versorgung durchaus gerechtfertigt sein. Entscheidungen zur Behandlungsform sollten in einem multidisziplinären Team unter enger Einbeziehung der Eltern getroffen werden.


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Stellungsnahme zur Autorenschaft

All authors contributed to the consensus discussions, voted on recommendations and critically reviewed the manuscript. The steering group consisted of M. Liebau and M. Kemper (for the German Society of Pediatric Nephrology) as well as F. Schaefer and C. Gimpel (for the NEOCYST consortium). Literature reviews and manuscript drafts were prepared by C. Gimpel.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich herzlich bei Herrn Uwe Korst und Frau Andrea Stippler von der Patientenorganisation PKD Familiäre Zystennieren e.V. für die aktive Beteiligung an der Erstellung der Leitlinie.

Anhang

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

PD Dr. Charlotte Gimpel
Klinik für Innere Medizin IV
Universitätsklinikum Freiburg
HugstetterStraße 55
79106 Freiburg im Breisgau
Phone: 0761 270 32510   
Fax: 0761 270 32450   

Publication History

Article published online:
13 July 2020

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Stuttgart · New York

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