Schlüsselwörter
Coronavirus - COVID-19 - SARS-CoV-2-Pandemie - Arbeitsschutz - persönliche Schutzausrüstung
- Infektionsschutz
Key words
infection control - anesthesiology - SARS CoV 2 - COVID 19 - aerosol-generating procedures
- personal protective equipment
Abkürzungen
ABAS:
Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe
ARDS:
Acute respiratory Distress Syndrome
ASN:
Abfallschlüsselnummer
BAL:
bronchoalveoläre Lavage
BMI:
Body-Mass-Index
CICO:
Cannot intubate, cannot oxygenate
COVID-19:
Coronavirus Disease 2019
CRP:
C-reaktives Protein
DGAI:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin
DGKH:
Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene
FFP2:
Filtering Face Piece (Klasse 2)
HFNO:
High Flow nasal Oxygenation
HME:
Heat and Moisture Exchanger
LDH:
Laktatdehydrogenase
MDV:
Mehrdosisbehälter
MNS:
Mund-Nasen-Schutz
MRSA:
Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus
N95-Maske:
Atemschutzmaske, mit der mindestens 95% der in der Luft befindlichen > 0,3 µm großen
Partikel abgeschieden werden
NIV:
nichtinvasive Beatmung
OR:
Odds Ratio
PAPR:
Powered Air-purifying Respirator
PCR:
Polymerase Chain Reaction
PEEP:
Positive endexpiratory Pressure
PSA:
persönliche Schutzausrüstung
PVP-Jod:
Povidon-Iod
RNA:
Ribonucleic Acid
RSI:
Rapid Sequence Induction
RSV:
respiratorisches Synzytial-Virus
SARS-CoV-2:
Severe acute respiratory Syndrome Coronavirus 2
SNACC:
Society of Neuroscience in Anesthesiology & Critical Care
STAKOB:
Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch
hochpathogene Erreger am Robert Koch-Institut
TRBA 250:
Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe Nr. 250
SARS-CoV-2/COVID-19
SARS-CoV-2 gehört wie die übrigen Coronaviren zu den behüllten RNA-Viren der Familie der Coronaviridae.
Die Inkubationszeit beträgt nach bisherigen Erkenntnissen bis zu 14 Tage, im Mittel
5 – 6 Tage. Eine Erregerübertragung schon während der Inkubationszeit ist möglich,
und auch asymptomatische Verläufe sind wahrscheinlich, was die Beurteilung von Krankheitszahlen
und die Berechnung der Relationen von schweren Fällen und Todesfällen erschwert.
Die manifeste Erkrankung wird COVID-19 genannt. Die Symptomatik ist unspezifisch und ähnelt der vieler anderer respiratorischer
Erkrankungen. Die Erkrankung kann fieberfrei verlaufen. 80% der Erkrankungen verlaufen
mild bis moderat. Im Verlauf kann es bei etwa 20% der Patienten zu einer klinischen
Verschlechterung kommen, mit Entwicklung von Dyspnoe und/oder Hypoxämien, typischerweise
ca. 7 – 10 Tage nach Symptombeginn. In rund 5% der Fälle besteht die Indikation zur
intensivmedizinischen Therapie, in 4% zur Beatmungstherapie aufgrund eines hypoxämen
respiratorischen Versagens. Etwa ca. 0,5 – 1% der Patienten versterben [1].
Cave
Bei einem septischen Schock und Multiorganversagen sollte an eine bakterielle (Super-)Infektion
gedacht werden.
Risikofaktoren
Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt ab 50 – 60 Jahren stetig mit dem Alter
an. Menschen über 80 Jahre haben eine Sterblichkeit von > 15%. Zusätzlich scheinen
verschiedene Grunderkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus,
maligne Erkrankungen, Erkrankungen des Atmungssystems, Immunsuppression sowie Adipositas
mit einem BMI > 30 kg/m2 unabhängig vom Alter das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zu erhöhen.
Prädiktoren für einen schwereren Verlauf scheinen neben Alter (> 50 Jahre), männlichem
Geschlecht, Dyspnoe und Persistenz von Fieber auch eine ausgeprägte Lymphopenie und
eine Erhöhung von LDH und Troponin zu sein.
Schwangere scheinen nach bisherigen Erkenntnissen kein erhöhtes Risiko für einen schwereren
Verlauf gegenüber nicht schwangeren Frauen mit gleichem Gesundheitsstatus zu haben.
Detaillierte Empfehlungen zum Umgang mit Schwangeren mit COVID-19 im Kreißsaal finden
sich bei der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe [2].
Bei Kindern wurde bislang kein erhöhtes Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf
berichtet, insgesamt scheint die Erkrankung bei Kindern milder zu verlaufen. Allerdings
wurde inzwischen auch über einzelne schwere Verläufe berichtet. Dies wird in weiteren
Studien beobachtet [3].
Praxis
STAKOB-Hinweise zur Diagnostik
Die Hinweise des STAKOB (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren
für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am Robert Koch-Institut; [1]) zur Diagnostik lauten:
-
Je nach Schwere des klinischen Bildes sollten neben der Diagnostik auf COVID-19 ggf.
auch zusätzlich verschiedene Differenzialdiagnosen berücksichtigt werden (z. B. Influenza,
andere respiratorische Viren, bakterielle Superinfektionen).
-
Der Nachweis von SARS-CoV-2 erfolgt mittels PCR aus einem tiefen Nasopharyngeal-/Oropharyngealabstrich,
Sputum, ggf. induziertem Sputum, oder aus Rachenspülwasser. Bei negativem Testergebnis
und dringendem klinischem Verdacht sollte eine 2. Probe getestet werden.
-
Bei Patienten im späteren Verlauf der Erkrankung (Pneumonie, ARDS) kann der Abstrich
bereits wieder virenfrei sein, während noch infektiöse Viruslast in den unteren Atemwegen
besteht. Um in diesen Fällen eine zusätzliche Gefährdung des Patienten durch eine
Bronchoskopie zur Gewinnung von Tracheobronchialsekret (Absaugung, keine BAL) nur
zu diagnostischen Zwecken zu vermeiden, kann ggf. auch (durch Inhalation mit 3%-NaCl-Lösung)
eine Sputumproduktion induziert werden.
-
Die Gewinnung von induziertem Sputum geht mit einer Aerosolbildung einher und sollte
nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen erfolgen.
-
Sollte die Gewinnung von respiratorischen Materialien mehrfach nicht möglich sein,
kann in einigen Fällen auch eine Stuhlprobe diagnostisch hilfreich sein.
-
Negative Testergebnisse bedeuten bei starkem klinischem Verdacht keinen sicheren Ausschluss
der Erkrankung.
-
Blut und Urin gelten bei COVID-19-Patienten als nicht infektiös.
-
Die bisher verfügbaren serologischen Testmöglichkeiten spielen in der Akutdiagnostik
weiterhin keine Rolle, können aber im weiteren Verlauf der Erkrankung als zusätzliche
Information nützlich sein und sollten weiter in Studien bezüglich ihrer Aussagekraft,
z. B. auch für epidemiologische Fragestellungen untersucht werden.
-
Laboruntersuchung:
-
Häufig treten eine Leukopenie mit Lymphopenie, Thrombopenie sowie CRP-, Transaminasen-
und LDH-Werterhöhungen auf. Nur selten kommt es zu einer allenfalls geringen Erhöhung
des Procalcitonins.
-
Troponin-Erhöhungen sind wahrscheinlich häufig Ausdruck einer COVID-19-assoziierten
Kardiomyopathie, selten eines Myokardinfarktes.
-
Anhaltende oder zunehmende Erhöhungen der D-Dimere können ein Hinweis auf thrombembolische
Ereignisse sein.
Schutzziele und Risikoanalyse
Schutzziele und Risikoanalyse
Fallbeispiel
Eine chirurgische Kollegin kehrt aus dem Skiurlaub in Südtirol zurück und nimmt ihre
Arbeit in einem Krankenhaus der Maximalversorgung wieder auf. Sie berichtet retrospektiv,
in einer Gondelbahn neben einer Person mit Symptomen einer viralen Atemwegsinfektion
gesessen zu haben, sie entwickelt 4 Tage nach Arbeitsbeginn selbst Symptome und wird
positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Infolgedessen bleibt sie umgehend zu Hause. Es werden
insgesamt 49 Kontaktpersonen ermittelt und mittels PCR am Tag 3 und Tag 10 nach Exposition
negativ getestet.
Vier Wochen später erfolgte eine erneute telefonische Befragung nach möglichen Krankheitssymptomen.
Lediglich in einem Fall kann eine Übertragung nicht sicher ausgeschlossen werden,
da retrospektiv Symptome innerhalb der Inkubationszeit zum 2. Test beschrieben wurden
und initial keine weitere Testung durchgeführt wurde. Im Umfeld dieser Person traten
jedoch keine weiteren Erkrankungen auf, und eine serologische Untersuchung steht aus.
Die Datenlage für viele Entscheidungen ist gerade am Anfang einer Pandemie unsicher.
Unter den Bedingungen der Pandemie müssen die folgenden Ziele hinsichtlich der Umsetzbarkeit
abgewogen werden:
-
Sicherstellung der stationären und intensivmedizinischen Versorgung einer Vielzahl
von Erkrankten,
-
Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung außerhalb des Infektionsgeschehens,
-
Schutz des Personals vor Infektionen,
-
Vermeidung der Weiterverbreitung des Erregers in der Bevölkerung und Schutz von Risikogruppen,
-
individualmedizinische Patientenversorgung.
Prinzip
Ein 100%iger Schutz der Bevölkerung oder des medizinischen Personals vor Infektion
oder eine 100%ige Versorgungssicherheit sind nicht erreichbar, vielmehr sind Maßnahmen
zu bevorzugen, die eine maximale Wirkung mit machbarem Aufwand ermöglichen. Außerdem
ist eine laufende Anpassung an die dynamische Entwicklung der Lage und ggf. neue wissenschaftliche
Erkenntnisse erforderlich.
Nach derzeitigem Kenntnisstand erfolgt die Übertragung in erster Linie im Sinne einer
Tröpfcheninfektion [4], vor allem über respiratorische Sekrete etwa beim Husten und Niesen sowie bei bestimmten
medizinischen Maßnahmen, die potenziell mit Aerosolbildung einhergehen. Eine indirekte
Übertragung, z. B. über Hände oder kontaminierte Oberflächen, ist ebenfalls möglich.
Merke
Der Übertragungsweg einer Infektionserkrankung bestimmt die erforderlichen Schutzmaßnahmen!
Der Begriff von Superspreading-Ereignissen bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht
etwa wie bei MRSA auf Einzelpersonen mit einer ungewöhnlich hohen Erregerausscheidung,
sondern auf epidemiologische Beobachtungen von Ansteckungen vieler Personen, z. B.
bei Großveranstaltungen (Kappensitzung in Gangelt, Kreis Heinsberg, Après-Ski in Ischgl
oder Familiencluster bei einer Beerdigung in den USA, Ausbrüche in Kliniken und Pflegeeinrichtungen
in Deutschland etc.), die primär durch engen und häufigen Kontakt der Indexpatienten
mit vielen Menschen zu erklären sind.
Eine außergewöhnlich heftige Freisetzung von virushaltigem Aerosol bei „explosivem
Husten oder Niesen“ ist zwar denkbar und es kann theoretisch auch über weitere Strecken
verteilt bzw. in der Luft suspendiert bleiben [5]. Die Frage, wie viele infektiöse Partikel aber tatsächlich durch die Luft übertragen
werden, ist ungeklärt. Klinisch-epidemiologische Studien, z. B. bei Influenza, aber
auch der bisherige Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie weisen darauf hin, dass dies ein
sehr seltenes Ereignis ist.
So konnten Phan et al. zeigen, dass in personenbezogenen Luftproben auf Einatemhöhe
von medizinischem Personal bei der Routineversorgung von Patienten mit viralen Atemwegserkrankungen
(darunter Influenza, Rhinoviren, RSV u. a.) in 22% der Proben Viren nachweisbar waren.
Sämtliche geprüfte Kontaktoberflächen waren positiv für Virennachweise, wobei Flächen,
die mehrheitlich vom medizinischen Personal und nicht von den Patienten selbst berührt
wurden, stärker kontaminiert waren [6].
Die gleiche Arbeitsgruppe der CDC-Epicenters hatte bereits die Kontaminationen der
Schutzkleidung und der darunter befindlichen Haut und Kleidung beim Ausziehen derselben
in 72 Messungen bei 59 Personen zeigen können [7]. 31% der Handschuhproben, 21% der Kittelproben und 12% der Maskenproben ergaben
positive Virusnachweise mit signifikant höheren Viruslasten an den Handschuhen (im
Mittel 120 Kopien/cm2) als an den Masken (im Mittel 25 Kopien/cm2), p = 0,007. 29% der gebrauchten Stethoskope waren ebenfalls viruspositiv. Nach dem
Ausziehen der persönlichen Schutzausrüstung ließen sich an 21% (14 von 66) der dominanten
Hände der Mitarbeiter Viren nachweisen, bei 7% im Gesicht (2 von 30) und bei 11% der
Kleiderproben (3 von 28), wobei nicht bei allen Gelegenheiten alle möglichen Proben
gewonnen werden konnten. Die Viruskonzentration lag im Mittel bei 1,6 Kopien/cm2 auf den Händen, 0,5 Kopien/cm2 im
Gesicht und 5,5 Kopien/cm2 auf der Kleidung, ohne statistisch signifikante Unterschiede [7].
In einer systematischen Übersicht aus dem Jahr 2016 wurde gezeigt, dass N95-Atemschutzmasken
(entspricht FFP2) zwar im Laborversuch einen größeren Schutz gegen die Erreger akuter
Atemwegsinfektionen einschließlich pandemischer Influenza zu bieten scheinen als chirurgische
Masken, dass sich mittels Metaanalyse aber kein höherer Schutzeffekt für medizinisches
Personal bei klinischer Anwendung nachweisen lässt [8].
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 fand einen signifikanten protektiven Effekt von
chirurgischen Masken (OR 0,13) und Atemschutzmasken (OR 0,12) gegen SARS, jedoch keinen
signifikanten Unterschied zwischen den beiden Typen von Schutzmasken [9]. Eine weitere Übersichtsarbeit mit einer Metaanalyse von 4 randomisierten kontrollierten
Studien kommt zu dem Ergebnis, dass chirurgische Masken und N95-Atemschutzmasken das
medizinische Personal bei nicht aerosolgenerierenden Tätigkeiten in vergleichbarem
Ausmaß gegen virale Erreger von Atemwegsinfektionen einschließlich Coronavirus schützen
[10].
In der ResPECT-Studie fanden sich bei Verwendung von FFP2-Masken sogar 20% mehr Influenzaübertragungen
als bei Verwendung von MNS, der Unterschied war allerdings statistisch nicht signifikant
[11].
Für die Wirksamkeit der auf Tröpfchenschutz basierenden Schutzmaßnahmen im Alltag
spricht auch eine prospektive kanadische Studie, die keine Unterschiede der Inzidenz
von Influenzaerkrankungen zwischen Gesundheitspersonal und nicht exponierten Menschen
während dreier konsekutiver saisonaler Influenzaperioden (474 Studienteilnehmer im
Winter 2010/2011, 614 Studienteilnehmer im Winter 2011/2012 und 656 Studienteilnehmer
im Winter 2012/2013) feststellen konnte [12].
Aus der Tatsache, dass eine Reihe von COVID-19-Patienten vor Auftreten von Symptomen
in der Inkubationszeit bereits infektiös sein können oder die Erkrankung nahezu symptomlos
erfolgen kann, ergibt sich die Frage des Umgangs mit elektiven Patienten ohne spezifische
Risikofaktoren. Mancherorts werden daher bei allen Patienten Schutzmaßnahmen wie bei
COVID-19-Patienten oder eine 14-tägige Quarantäne der Patienten diskutiert.
[Abb. 1] zeigt eine subjektive Risikoanalyse der Autoren, wobei das Risiko einer relevanten
Aerosolexposition mit SARS-CoV-2 bei asymptomatischen Patienten mit unbekanntem Trägerstatus
bei Beachtung einer erweiterten Basishygiene, z. B. um das generelle Tragen eines
Visiers, bei Intubation und Extubation als minimal anzusehen ist, während der Einsatz
komplexer Schutzkleidung (s. u.) eher mit einem erhöhten Handling-Risiko und einer
massiven physischen Belastung bei der Arbeit (erhöhter Atemwiderstand beim dauerhaften
Tragen von FFP2-Masken etc.) verbunden ist.
Abb. 1 Subjektive Risikoanalyse zur Erfordernis spezifischer Schutzmaßnahmen vor aerogener
Übertragung in Abhängigkeit von der Eintrittswahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsereignisses
(COVID-19) und der Wahrscheinlichkeit der aerogenen Übertragung aufgrund der vorliegenden
Literatur in Abhängigkeit von SARS-CoV-2-Träger-Status und Tätigkeit. Die umrahmten
Felder markieren das eingeschätzte Risikofenster in Abhängigkeit von Patientenstatus
und durchgeführten Maßnahmen. Die Farben kennzeichnen die Erfordernis spezifischer
Schutzmaßnahmen (mindestens FFP2-Maske): grün: nein, gelb: wenn möglich, rot: ja.
Eine Kontaktpersonenuntersuchung von nur mit chirurgischen Masken geschützten Personen
während der Intubation eines unerkannten COVID-19-Patienten ergab keine Übertragung
[13], und auch die Behandlung unerkannter Patienten in der Klinik oder Ambulanz muss
bei Beachtung guter Basishygiene nicht mit Übertragungen einhergehen, wie eine Schweizer
Untersuchung [14] und eigene Fallbeobachtungen (s. Fallbeispiel) zeigen.
Berufsassoziierte SARS-CoV-2-Übertragungen und COVID-19 waren in erster Linie mit
der komplett ungeschützten Versorgung nicht identifizierter, aber symptomatischer
Patienten, insbesondere unter Anwendung aerosolproduzierender Maßnahmen, assoziiert
[15].
OP-Vorbereitung und Anästhesie
OP-Vorbereitung und Anästhesie
Eine 14-tägige Quarantäne von Patienten im Krankenhaus oder in speziellen Einrichtungen
vor elektiven Eingriffen ist nicht praktikabel und lässt zudem das Risiko nosokomialer
Übertragungen durch asymptomatisches Personal unberücksichtigt. Zusätzliche Sicherheit
könnte jedoch ein präoperatives Eingangsscreening mittels SARS-CoV-2-PCR geben, vorausgesetzt,
das Ergebnis liegt tagesgleich vor, und die Operation kann innerhalb von 48 h nach
dem Test durchgeführt werden, da dann mit hoher Wahrscheinlichkeit keine relevante
Viruslast auch bei Patienten in der Inkubationsphase besteht. Das spätere Auftreten
von Symptomen kann durch einen einmaligen Test jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Basishygiene
Merke
Entscheidend für den Patienten- und Personalschutz bei Nicht-COVID-19-Patienten ist,
dass die normale Basishygiene im OP gerade in Pandemiezeiten penibel eingehalten wird.
Bei COVID-19-Patienten dürfen die spezifischen Schutzmaßnahmen nicht zu einer Vernachlässigung
der Basishygiene führen!
Zu den essenziellen intraoperativen Basishygienemaßnahmen (ergänzt nach [16]) gehören die folgenden Punkte:
-
Aseptische Techniken und Händedesinfektion insbesondere vor aseptischen Tätigkeiten,
vor und nach Patientenkontakt.
-
Designierter reiner und unreiner Bereich des Anästhesiearbeitsplatzes. Lagerung nicht
direkt im Einsatz befindlicher Materialien auf einer reinen Arbeitsfläche, um Kreuzkontamination
zu vermeiden.
-
Desinfektion aller Oberflächen und Handkontaktflächen bei jedem Patientenwechsel.
-
Nur patientenbezogener Gebrauch von Medikamenten, auch Mehrdosisbehälter (MDV) nur
patientenbezogen verwenden.
-
Alkoholische Desinfektion des Durchstichstopfens vor Anstich.
-
Alkoholische Desinfektion von Glasbrechampullen zum Öffnen.
-
Nur sterile Spritzen und Kanülen zum Aufziehen von Medikamenten verwenden.
-
Entsorgung aller angebrochener Medikamentengebinde nach Anästhesieende.
-
Entsorgung aller scharfen Materialien in geeigneten Sicherheitsabwurfbehältern unmittelbar
nach Gebrauch.
-
Verfügbarkeit von alkoholischem Händedesinfektionsmittel, geeigneten Flächendesinfektionsmitteltüchern
(begrenzt viruzid) und Abfallbehältern am Anästhesiearbeitsplatz.
Atemwegsmanagement
Das Atemwegsmanagement bei Patienten ohne Verdacht auf COVID-19 umfasst:
-
bei negativem SARS-CoV-2-PCR-Test in den letzten 72 h keine besonderen Maßnahmen;
-
bei fehlendem Test (z. B. Notfälle) oder Testergebnis älter als 72 h erweiterte Basishygiene
mit zusätzlich zum Mund-Nasen-Schutz getragenem Gesichtsvisier bei Intubation und
Extubation.
-
Auf ausreichende Narkosetiefe und Relaxation achten.
-
Bei der Maskenbeatmung auf guten Dichtsitz achten und Beatmungsdruck niedrig halten.
-
Intubation durch oder unter Supervision eines erfahrenen Facharztes.
Wichtig sind die Verwendung geeigneter Atemsystemfilter nach DGAI/DGKH-Empfehlung
[31] und der Wechsel der Beatmungsschläuche nach Herstellerangaben:
-
bei Verwendung für mehrere Non-COVID-19-Patienten routinemäßige Wischdesinfektion
der Außenoberfläche der Schläuche und des Handbeatmungsbeutels nach jedem Patienten,
-
bei bestätigten COVID-19-Fällen Wechsel der Beatmungsschläuche und geeigneten, gerätenahen,
mechanischen Filter zum Schutz des Kreisteils verwenden als zusätzliche Sicherheit.
Bei regelmäßigem Anfall von zu operierenden Patienten mit COVID-19 kann die Zuordnung
eines Narkosebeatmungsgeräts für COVID-19-Patienten erwogen werden. Bei Materialengpässen
können dann Atemsystemfilter ebenfalls nach jedem Patienten gewechselt und Beatmungsschläuche
sowie Beatmungsbeutel von außen zwischen den Eingriffen wischdesinfiziert werden,
wie bei der Basishygiene.
Übersicht
Potenziell aerosolproduzierende Maßnahmen
Ein mehrlagiger medizinischer Mund-Nasen-Schutz (MNS) ist geeignet, die Freisetzung
erregerhaltiger Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum des Trägers zu behindern [18] und dient primär dem Schutz des Gegenübers (Fremdschutz). Aufgrund dieser Eigenschaften
wird das generelle Tragen von MNS durch sämtliches medizinisches Personal, insbesondere
mit direktem Kontakt zu besonders vulnerablen Personengruppen, auch außerhalb der
direkten Versorgung von COVID-19-Patienten aus Gründen des Patientenschutzes während
der Pandemie empfohlen. Dies gilt natürlich auch für die Anästhesieambulanz. Das Tragen
einer sogenannten „Alltagsmaske“ beim Einkaufen oder bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
ist zurzeit überall Pflicht.
Merke
Atemschutzmasken mit Ausatemventil sind nicht zum Drittschutz geeignet!
Die Effektivität einer chirurgischen Maske zur Reduktion der Emission von Tröpfchen
und Viruspartikeln konnte in einer aktuellen Studie für eine Reihe von Viren gezeigt
werden [19], wobei die Emission von Coronaviren und ihre Viruslast in ausgeschiedenen Tröpfchen
und Aerosolen gering waren.
Merke
Besonders wichtig ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) durch symptomatische
Personen, um die Erregerfreisetzung in die Umgebung zu reduzieren. Dies gilt für den
Transport von Patienten in und aus dem OP bzw. den Aufenthalt im Aufwachraum bzw.
während einer OP in Regionalanästhesie. In Pandemiezeiten wird auch von asymptomatischen
Patienten und dem Personal ein MNS getragen.
DGAI und BDA haben Empfehlungen zu Besonderheiten des Atemwegsmanagements bei Patienten
mit vermuteter oder gesicherter COVID-19-Erkrankung herausgegeben [20]:
Intubation
-
Die Intubation sollte – so möglich – durch den in der endotrachealen Intubation Erfahrensten
durchgeführt werden, um die Anzahl der Intubationsversuche und die Instrumentationszeit
zu minimieren.
-
Zur Erhöhung des Abstands Patient–Intubierender wird empfohlen, ein Videolaryngoskop
zu benutzen.
-
Die Verwendung eines Führungsstabes wird ausdrücklich empfohlen.
-
Um eine Aerosolbildung bei Maskenbeatmung zu minimieren, sollte auf diese verzichtet
werden und nach einer Präoxygenierung über eine bimanuell fixierte, dicht sitzende
Gesichtsmaske und mit PEEP von 0 – 5 cmH2O eine Narkoseeinleitung als „rapid Sequence Induction“ (RSI) durchgeführt werden.
-
Im Fall einer notwendig werdenden Maskenbeatmung ist auf eine bestmögliche Abdichtung
der Gesichtsmaske zu achten (bimanueller C-Griff).
-
Zur Intubation wird bei stabilen Kreislaufverhältnissen die Positionierung des Patienten
in Anti-Trendelenburg-Lage, im Sitzen oder in der „ramped Position“ empfohlen (Cave:
Hypotonie nach Narkoseinduktion!).
-
Sofort nach Intubation wird ein HME-Filter auf den endotrachealen Tubus aufgesetzt.
-
Bei unmöglicher Intubation erfolgt als erste Rückfallebene der Einsatz eines supraglottischen
Atemwegs (Larynxmaske).
-
Führt diese nicht zur gewünschten Oxygenierung und liegt eine „cannot intubate, cannot
oxygenate“-(CICO-)Situation vor, wird die unmittelbare Krikothyrotomie (Koniotomie)
empfohlen.
Extubation
-
Idealerweise wird der Patient unter Vermeidung von Husten, Pressen und Blähmanövern
extubiert.
-
Die Verwendung eines geschlossenen Absaugsystems zur endotrachealen Absaugung unmittelbar
vor der Extubation ist möglich.
-
Zur Extubation verbleibt der HME-Filter auf dem Tubus und wird anschließend gemeinsam
mit dem Tubus entsorgt.
-
Eine transparente Schutzfolie kann während der Extubation zur Reduktion oder Vermeidung
von Aerosol- und Sekretexposition kurzzeitig über Kopf und Mund gelegt werden.
Alternativ zur Schutzfolie [21] sind auch der Einsatz stabiler Barrieren/Boxen beschrieben [22], [23]. Eine derartige zusätzliche Barriere könnte besonders bei der Extubation weitgehend
wacher Patienten sinnvoll sein, da diese – im Gegensatz zur unkomplizierten Intubation
eines gut narkotisierten, relaxierten Patienten – ein relevantes Hustenrisiko mit
erhöhtem Aerosolrisiko haben, allerdings müssen Probleme bei der Zugänglichkeit des
Atemwegs im Falle von Komplikationen und mögliche Abwehr- oder Panikreaktionen des
Patienten in der Nutzen-Risiko-Abwägung individuell berücksichtigt werden.
Schutzkleidung
Entscheidend für den Personalschutz ist neben der richtigen Auswahl das korrekte Ausziehen
der Schutzkleidung [24]. Obwohl komplexe Schutzkleidung (z. B. Overalls und Powered-Air-purifying-Respirator-(PAPR-)Systeme
in bestimmten Situationen einen verbesserten Schutz bieten, wird dieser nicht selten
durch Kontamination beim Ausziehen wieder zunichte gemacht [25]. Hinzu kommen die physischen Belastungen, eine schnellere Erschöpfung und vermehrte
Fehleranfälligkeit bei der Arbeit, sodass ein unkritischer Einsatz eher vermieden
werden sollte.
In jedem Fall muss das Personal im Einsatz der vorhandenen Schutzausrüstung geschult
werden und insbesondere das Ausziehen regelmäßig trainieren. Optische Visualisierungshilfen
in Form von Spiegeln [32] oder ein „Buddy-System“ eines Beobachters des Ausziehvorganges können gerade bei
komplexer Schutzkleidung hilfreich sein.
Praxis
RKI-Empfehlungen im Laufe der Zeit und formale Anforderungen des Arbeitsschutzes
Persönliche Schutzausrüstung im Umgang mit COVID-19-Patienten
Stand 14.04.2020 [26]. Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) bestehend aus Schutzkittel, Einweghandschuhen,
mindestens dicht anliegendem MNS bzw. Atemschutzmaske und Schutzbrille. Bei direkter
Versorgung von Patienten mit bestätigter oder wahrscheinlicher COVID-19-Erkrankung
sollten bevorzugt FFP2-Masken getragen werden (Schutz vor Aerosolen und Tröpfchen).
Wenn FFP2-Masken nicht zur Verfügung stehen, soll MNS getragen werden (Schutz gegen
Tröpfchen).
Bei allen Tätigkeiten, die mit Aerosolproduktion einhergehen (z. B. Intubation oder
Bronchoskopie), sollen Atemschutzmasken (FFP2 oder darüber hinausgehender Atemschutz)
und Hauben getragen werden.
Persönliche Schutzausrüstung im Umgang mit COVID-19-Patienten
Stand 24.04.2020 [27]. Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) bestehend aus Schutzkittel, Einweghandschuhen,
mindestens dicht anliegendem MNS bzw. Atemschutzmaske und Schutzbrille. Bei der direkten
Versorgung von Patienten mit bestätigter oder wahrscheinlicher COVID-19-Erkrankung
müssen gemäß den Arbeitsschutzvorgaben mindestens FFP2-Masken getragen werden (Biostoffverordnung
in Verbindung mit der Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe [TRBA] 250).
Bei den aktuellen Lieferengpässen können die Maßnahmen zur Wiederverwendung von Schutzmasken,
die gemäß Anhang 7 Ziffer 2 der TRBA 250 und dem ABAS-Beschluss 609 für den Fall einer
Pandemie beschrieben sind, hilfreich sein. Besondere Beachtung gilt bei allen Tätigkeiten,
die mit Aerosolbildung einhergehen können (z. B. Intubation oder Bronchoskopie).
Die Schutzkleidung wird ebenso wie nicht massiv kontaminierte Abfälle der normalen
Entsorgung zugeführt.
Praxis
Abfallentsorgung bei COVID-19-Patienten
-
Bei der Behandlung von an COVID-19 erkrankten Personen in Kliniken fällt nicht regelhaft
Abfall an, der unter Abfallschlüsselnummer ASN 18 01 03 („infektiöser Abfall“) deklariert
werden müsste.
-
Nicht flüssige Abfälle aus der Behandlung von COVID-19-Patienten stellen unter Einhaltung
der üblichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des Tragens geeigneter persönlicher
Schutzausrüstung kein besonderes Infektionsrisiko dar und sind in aller Regel der
Abfallschlüsselnummer ASN 18 01 04 zuzuordnen. Die Abfälle sind dabei stets in verschlossenen
und reißfesten Plastiksäcken der Abfallsammlung zuzuführen.
(nach [26])
Raumluft im OP
Durch die hohen Luftwechselraten im OP [24] ist selbst bei Aerosolentstehung eine rasche Reduktion gegeben. Die Türen sollten
stets geschlossen bleiben, aber insbesondere beim Vorhandensein von Vorräumen ist
eine mit dem Überströmen von Luft in die Flure verbundene Erregerausbreitung als extrem
unwahrscheinlich anzusehen und das Ausschalten der raumlufttechnischen Anlage (wie
etwa bei offener Tuberkulose) eher mit Nachteilen verbunden. In chinesischen Empfehlungen
wird die Umstellung auf Unterdruck empfohlen [28], wobei dies in den meisten Fällen technisch schwierig umzusetzen ist, der Sicherheitszugewinn
marginal erscheint und durch eine mögliche Gefährdung für den Patienten durch Keimeintrag
in den Saal erkauft wird.
Belege für einen klinischen Nutzen einer von Dexter et al. vorgeschlagenen nasopharyngealen
Viruslastreduktion mit PVP-Jod [29] gibt es bislang nicht, und das Einbringen beim wachen Patienten kann wiederum selbst
mit Husten verbunden sein.
Die Society of Neuroscience in Anesthesiology & Critical Care (SNACC) hat zusätzliche
Empfehlungen etwa bei transsphenoidalen Eingriffen, Wachkraniotomien, interventionellen
neuroradiologischen Eingriffen und Elektrokrampftherapie herausgeben, wobei die in
diesem Artikel beschriebenen Maßnahmen auf die entsprechende klinische Situation zu
adaptieren sind.
Merke
Darüber hinaus weisen die Neuroanästhesisten zu Recht darauf hin, dass auch die psychologische
Unterstützung des Personals in dieser emotional schwierigen Situation nicht vergessen
werden darf [30].
Kernaussagen
-
Unter den Bedingungen der SARS-CoV-2-Pandemie und der Unsicherheit hinsichtlich der
vielen Entscheidungen zugrunde liegenden Daten müssen die Behandlungsziele hinsichtlich
der Umsetzbarkeit abgewogen werden:
-
Sicherstellung der stationären und intensivmedizinischen Versorgung vieler Erkrankter,
-
Aufrechterhaltung der Versorgung außerhalb des Infektionsgeschehens,
-
Schutz des Personals vor Infektionen,
-
Vermeidung der Weiterverbreitung des Erregers in der Bevölkerung sowie
-
individualmedizinische Aspekte der Patientenversorgung in der Anästhesiologie und
im OP.
-
Dabei darf die Basishygiene in allen Bereichen der medizinischen Versorgung auch bei
Ressourcenengpass nicht vernachlässigt werden.
-
SARS-CoV-2-spezifische Schutzmaßnahmen sind entsprechend einer Risikoanalyse durchzuführen.
-
Die Dynamik der Pandemie und lokale Gegebenheiten sind zu berücksichtigen.