Pneumologie 2020; 74(06): 324-325
DOI: 10.1055/a-1166-0980
Pneumo-Fokus

Risikofaktoren für letale COVID-19-Verläufe in China

Zhou F. et al.
Clinical course and risk factors for mortality of adult inpatients with COVID-19 in Wuhan, China: a retrospective cohort study.

Lancet 2020;
395: 1054-1062
DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30566-3.
Chen T. et al.
Clinical characteristics of 113 decreased patients with coronavirus disease 2019: retrospective study.

BMJ 2020;
368: m1091
DOI: 10.1136/bmj.m1091.
 

Seit Beginn der Pandemie mit dem SARS-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) wurden viele Fallserien und Einzelberichte veröffentlicht. Jetzt gibt es auch erste systematische Aufarbeitungen der Daten von stationär behandelten und mit der SARS-CoV-2-Infektion verstorbenen Patienten aus Wuhan. 2 Beiträge geben Aufschluss über Risikofaktoren für einen letalen Ausgang und Komorbiditäten der verstorbenen Patienten aus den ersten Wochen der Epidemie in China.


#

Die erste Auswertung von stationär behandelten Patienten mit der Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) aus Wuhan stammt von Fei Zhou von der Abteilung für Pneumologie und Beatmungsmedizin der Universität in Peking und Kollegen vom Jinyintan-Krankenhaus und der Wuhan-Lungenklinik, beides Einrichtungen aus der stark von der SARS-CoV-2-Epidemie betroffenen Region Wuhan. Die Autoren betonen, dass dies die erste Auswertung von Patienten ist, für die ein definitiver Ausgang bekannt ist – entweder eine Entlassung bei Infektionsremission oder Tod. Kriterien für eine Entlassung aus dem Krankenhaus waren Fieberfreiheit seit mindestens 3 Tagen, deutliche Verbesserung der computertomografischen Befunde in beiden Lungenflügeln, eine klinische Remission der Atemwegssymptome und 2 negative Rachenabstriche im Abstand von 24 Stunden.

Charakteristiken und Verläufe

Bis zum 31. Januar 2020 waren 137 Patienten mit gesicherter SARS-CoV-2-Infektion, die im Jinyintan-Krankenhaus oder der Wuhan-Lungenklinik stationär behandelt worden waren, entlassen worden. 54 Patienten waren während des stationären Aufenthalts verstorben. Das mediane Alter der insgesamt 191 Patienten lag bei 56,0 Jahren (maximal 87 Jahre), 60 % der Patienten waren männlich. 48 % der Patienten wiesen Komorbiditäten auf, am häufigsten Bluthochdruck, Diabetes, koronare Herzkrankheit (KHK) und chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD). Der Anteil aller dieser Komorbiditäten war bei den verstorbenen Patienten deutlich höher als bei denen, die entlassen werden konnten.


#

Risikofaktoren für letalen Ausgang

Die mediane Zeit von Krankheitsbeginn bis zur Entlassung lag bei 22,0 Tagen, von Krankheitsbeginn bis zum Tod bei 18,5 Tagen. 32 Patienten wurden mechanisch beatmet, 31 von ihnen verstarben. Eine extrakorporale Membranoxygenierung erhielten 3 Patienten, keiner von ihnen überlebte. Die häufigste Komplikation – in der Gruppe der Verstorbenen deutlich häufiger als bei den zuletzt Gesundeten – war eine Sepsis, gefolgt von Lungenversagen, akutem respiratorischem Distress-Syndrom (ARDS), Herzversagen und septischem Schock.

In einer multivariaten Analyse waren ein höheres Alter, ein größeres Ausmaß der Organschädigung nach dem Sepsis-related Organ Failure Assessment (SOFA) und ein D-Dimer-Wert > 1 μg/ml bei Einweisung ins Krankenhaus mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert. Bei schwerer COVID-19-Erkrankung wurden auch häufiger erhöhte Blutspiegel von Interleukin-6, hochsensitivem kardialem Troponin-I und Laktatdehydrogenase sowie eine Lymphopenie beobachtet.

Bei den entlassenen Patienten war im Mittel über 20 Tage seit Einsetzen der Erkrankung eine Virusausscheidung nachweisbar. Am kürzesten wurde bei 1 Patienten nur 8 Tage, am längsten bei einem anderen über 37 Tage eine Virusausscheidung nachgewiesen. Bei den Verstorbenen war das Virus durchgehend bis zum Tod nachweisbar. Die lange Virusausscheidung weist auf die Notwendigkeit hin, neue antivirale Therapieoptionen zu etablieren, betonen die Autoren.


#

Parallele Untersuchung bestätigt Risikofaktoren

Eine weitere retrospektive Studie von Tao Chen von der infektiologischen Abteilung des Tongji-Hospitals in Wuhan und Kollegen derselben Klinik untersuchte ebenfalls die COVID-19-Fälle mit tödlichem Ausgang imTongji-Hospital in Wuhan und verglich sie mit den als genesen Entlassenen. Hier waren bis zum Stichtag 28. Februar 2020 161 Patienten nach stationärer Behandlung wegen einer gesicherten COVID-19-Erkrankung entlassen worden, 113 waren verstorben. Das mediane Alter der verstorbenen Patienten lag bei 68 Jahren, das der entlassenen Patienten bei 51 Jahren. Von den Verstorbenen waren 73 % Männer, von den Gesundeten 55 %.

Der Anteil an komorbiden Patienten war in der Gruppe der Verstorbenen höher. Einen chronischen Bluthochdruck wiesen 48 % der Verstorbenen und 24 % der Genesenen auf, die entsprechenden Anteile lagen bei anderen kardiovaskulären Komorbiditäten bei 14 % vs. 4 %, bei Dyspnoe bei 62 % vs. 31 %, bei Brustenge bei 49 % vs. 30 % und bei Bewusstseinstrübung bei 22 % vs. 1 %. Die Patienten waren im Mittel 16 Tage nach Beginn der Erkrankung verstorben. Bei jedem zweiten war eine Leukozytose (entlassene Patienten: 4 %), bei 91 % eine Lymphopenie feststellt worden (Entlassene: 47 %). Die Verstorbenen hatten auch höhere Werte von Leberenzymen, Kreatinin, kardialem Troponin-I und D-Dimeren als die entlassenen Patienten gezeigt. Komplikationen waren bei den Verstorbenen häufiger, besonders ARDS (100 %), Typ-1-Lungenversagen (51 %), Sepsis (100 %), akute Herzschädigung (77 %), Herzinsuffizienz (49 %), Alkalose (40 %), Hyperkaliämie (37 %), akute Nierenschädigung (25 %) und hypoxische Enzephalopathie (20 %).

Fazit

Beide retrospektiven Kohortenstudien belegen, dass das SARS-CoV-2-Virus sowohl eine Lungenentzündung als auch eine systemische Inflammation auslösen kann und bei Hochrisikopatienten zu einem Multiorganversagen führt. Ein höheres Alter und Komorbiditäten – allen voran eine Hypertonie – sind bei Einlieferung ins Krankenhaus Risikofaktoren für einen letalen Verlauf. Wichtig seien gerade bei diesen Patienten das frühe kardiale Monitoring und eine frühe supportive Therapie, betonen Chen et al.

Friederike Klein, München


#
#

Publication History

Article published online:
17 June 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York