Aktuelle Dermatologie 2020; 46(11): 475-477
DOI: 10.1055/a-1163-7530
Übersicht

Rehabilitation bei dermato-onkologischen Erkrankungen

Rehabilitation in Dermato-Oncology
K. Veltmaat
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Fachklinik Bad Bentheim, Bad Bentheim
,
A. Tsianakas
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Fachklinik Bad Bentheim, Bad Bentheim
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Durch die in den letzten Jahren zunehmende Professionalisierung auf dem Gebiet der Dermato-Onkologie im Rahmen der Zertifizierung der Hauttumorzenten ist auch das Thema der Rehabilitation zunehmend in den Vordergrund gerückt. Im folgenden Artikel lernt der Leser, wie ein Rehabilitationsantrag zu stellen ist und was die Patienten während eines Rehabilitationsaufenthalts erwartet. Die Inhalte einer spezifisch dermato-onkologischen Rehabilitation reichen von einem breiten physiotherapeutischen Angebot mit Einzel- und Gruppensitzungen über die Lymphdrainage bis zu Entspannungsübungen und Massage. Dazu kommen wichtige Aspekte wie die Ernährungsberatung, aber auch die sozialmedizinische Beratung mit den Themen Wiedereinstieg ins Berufsleben oder auch die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises. Besondere Aufmerksamkeit erfährt auch die psycho-onkologische Betreuung mit Einzel- und Gruppensitzungen. Hinzu kommen Patientenschulungsprogramme, in denen die Patienten Hintergründe zu ihrer onkologischen Erkrankung wie Genese, Risikofaktoren und Therapiemöglichkeiten in Patienten-gerechter Sprache erlernen. Zusammenfassend versucht eine spezifisch dermato-onkologische Rehabilitation, den betroffenen Patienten sowohl psychisch als auch physisch bestmöglich zu stärken und ihm dadurch beim Wiedereinstieg ins berufliche und soziale Leben zu helfen.


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Abstract

During the last years dermato-oncology has been significantly professionalized and as a part of it the option of rehabilitation has been focused. The following article tries to help the reader to understand how to apply for rehabilitation and to learn about the main topics of a specific dermato-oncological rehabilitation program. A specific dermato-oncological rehabilitation program comprises an intensive physiotherapeutic treatment (single and group sessions), lymphatic drainage and manual massage applications. In addition, the patients are offered individual nutritional counselling and a social medical consultation which covers topics such as reintegration into work and the application for a disabled personʼs pass. Psychooncology is an important part during a dermato-oncological rehabilitation, both in single and in group sessions. Furthermore, the patients take part in educational lessons where they learn about the origin, risk factors, treatment and further handling with their oncological diagnosis. In summary, a specific dermato-oncological rehabilitation program offers the patient a sophisticated program to help him to reintegrate into life and work both on a physical and psychological level.


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Einleitung

Nicht zuletzt durch die Zertifizierung zahlreicher Hauttumorzentren in den letzten Jahren ist das Thema Rehabilitation im Rahmen der Versorgung dermato-onkologischer Erkrankungen in den Fokus der behandelnden Dermatologen gerückt. Denn im Rahmen der Behandlung in Hauttumorzentren ist es vorgeschriebener fester Bestandteil, alle Patienten darauf hinzuweisen, dass sie Anspruch auf eine Rehabilitationsmaßnahme haben, und sie entsprechend zu beraten. Während eines stationären Aufenthaltes erfolgt die Beratung (und ggf. Beantragung) i. d. R. durch den Sozialdienst des Hauses, im ambulanten Bereich hingegen durch den Arzt selbst. Wie der Antragsweg vor sich geht und was die Inhalte einer spezifisch dermato-onkologischen Rehabilitationsmaßnahme sind, erfahren Sie im folgenden Artikel.


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Beantragung einer Rehabilitationsmaßnahme

Bei Erwerbstätigen (sofern diese gesetzlich rentenversichert sind) erfolgt die Beantragung einer Rehabilitationsmaßnahme gemäß SGB VI § 15 und § 31 bei der Deutschen Rentenversicherung (je nach Versicherung entweder bei der DRV Bund oder der DRV eines Regionalverbandes wie z. B. der DRV Nord oder DRV Hessen, bei Rentnern bei der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse [festgelegt im SGB V § 27]). Die DRV-Antragsformulare sind im Internet verfügbar (je ein Formular für den Arzt und den Patienten, gemeinsam einzureichen, Details siehe Homepage der jeweiligen DRV, Übersichtsseite http://www.deutsche-rentenversicherung.de). Für Krankenkassenanträge ist das Antragsformular 61 zu verwenden (bei Beamten formloser Antrag bei der Beihilfestelle). Eine gesonderte Vorgehensweise betrifft Patienten mit Wohnsitz im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es die Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung (ARGE Krebs), welche im Auftrag der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherungen die medizinische Rehabilitation nach einer Krebserkrankung für Versicherte in NRW organisieren (Antragsformulare Arzt/Patient online https://www.argekrebsnw.de/service/formulare). In den Anträgen kann auch gemäß des gesetzlich festgeschriebenen Wunsch- und Wahlrechts Einfluss auf die zugewiesene Rehabilitationsklinik genommen werden, indem bereits im Rehabilitationsantrag eine Wunschklinik genannt wird (bei Nichtzuweisung kann mittels Widerspruch in vielen Fällen doch die Wunschklinik erwirkt werden).

Erfolgt der Rehabilitationsaufenthalt direkt aus einem stationären Aufenthalt heraus, wird dies Anschlussheilbehandlung (AHB) genannt. Diese muss dann auch spätestens 14 Tage nach Entlassung angetreten werden. Die Antragsformulare sind dieselben wie beim regulären Rehabilitationsantrag.


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Inhalte der dermato-onkologischen Rehabilitation

Während der Rehabilitationsmaßnahme sollte die Fortführung der bereits eingeleiteten Therapie erfolgen. Handelt es sich bei dieser Therapie um eine spezifische und damit häufig hochpreisige Tumortherapie (z. B. zielgerichtete Therapie mit BRAF- und MEK-Inhibitoren, eine adjuvante Immuntherapie mit den Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab oder Pembrolizumab), sollte idealerweise bereits vor Aufnahme in die Rehaklinik mit dieser eine enge Abstimmung erfolgen, damit die Kostenübernahme geklärt werden kann.

Ein wichtiger Aspekt während eines Rehabilitationsaufenthaltes ist die Stärkung der physischen Ressourcen. Hierzu erfolgt die Durchführung eines individuell auf den Patienten zugeschnittenen Trainingsprogramms. Die Anleitung hierzu erfolgt durch speziell geschulte Physio-, Ergo- und Sporttherapeuten sowohl in Einzeltherapien als auch in Gruppen ([Abb. 1]). Neben der Förderung der allgemeinen Fitness hat aber auch z. B. die Reduktion funktioneller Einschränkungen einen großen Stellenwert. Insgesamt hat die Förderung der Mobilität in verschiedenen Studien positive Auswirkungen auf die Überlebensrate onkologischer Erkrankungen zeigen können [1] [2] und besserte zudem eine mögliche Fatigue-Symptomatik [3].

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Abb. 1 Die physiotherapeutische Betreuung der Patienten in Gruppen und Einzelsitzungen stärkt die allgemeine körperliche Belastbarkeit und geht individuell auf mögliche Bewegungseinschränkungen wie Kontrakturen bei Narbenzug etc. ein (Quelle: Nikolai Wolff).

Besonders wichtig sind auch entstauende Maßnahmen (z. B. manuelle Lymphdrainage) bei chronischen Lymphödemen. Zu ausgeprägten Lymphödemen im betroffenen Lymphabflussgebiet kommt es insbesondere nach totaler Lymphadenektomie (TLND). Aber auch nach der Entfernung von nur wenigen Lymphknoten im Rahmen der Sentinel-Lymphknoten-Entfernung (SLND) können Lymphödeme, wenn auch meist weniger ausgeprägt, die Folge sein. Als obligate Ergänzung bei Lymphödemen gehört auch die Anpassung vorhandener oder die (Erst-)Verordnung von Kompressionssystemen (z. B. Kompressionsstrumpfhose oder -strümpfe) zu den Elementen einer dermato-onkologischen Rehabilitationsbehandlung.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil ist die psycho-onkologische Betreuung. Diese erfolgt in Form von Einzelgesprächen mit speziell geschulten Psychologen und/oder Psychotherapeuten. Neben dem Screening auf Depressivität und psychische Komorbiditäten sind die Themen Krankheitsverarbeitung, emotionale Entlastung aber auch berufliche oder private Probleme essenzielle Bestandteile dieser Gespräche. Bekanntermaßen können sich depressive Stimmungslagen als negativer Prädiktor sowohl auf die Krankheitsprogression als auch auf die Mortalität auswirken [4]. Als Ergänzung erhalten die Patienten Entspannungsprogramme wie die progressive Muskelrelaxation oder bspw. Pilates oder Qigong.

Ferner erfolgt bei den Patienten eine individuelle Ernährungsberatung. Auch können in strukturierten Programmen bspw. Komorbiditäten wie die Adipositas oder ein Nikotinabusus angegangen werden.

Des Weiteren erfolgt die Vorstellung aller Patienten beim sozialmedizinischen Dienst ([Abb. 2]). In Einzelgesprächen aber auch im Rahmen von Gruppenschulungen werden soziale, berufliche und sozialrechtliche Themen bearbeitet. Bei beruflichen Problemen werden bei Bedarf auch konkrete Hilfen beantragt oder die (schrittweise) Rückkehr ins Berufsleben geplant. Insbesondere die Beantragung eines Grades der Behinderung (GdB) bzw. eines Schwerbehindertenausweises ist für Patienten, die von einer onkologischen Erkrankung betroffen sind, häufig von Bedeutung (berufliche, steuerrechtliche Vorteile). Sowohl im Rahmen der Gespräche mit den Sozialarbeitern als auch im Zuge der psycho-onkologischen Betreuung können auf Wunsch Kontakte zu Selbsthilfegruppen in der Umgebung des Patienten vermittelt werden.

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Abb. 2 Im Rahmen der Beratung beim sozialmedizinischen Dienst werden Themen wie die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises, aber auch konkrete z. B. berufliche Probleme angesprochen und bei Bedarf konkrete Hilfen eingeleitet (Quelle: Nikolai Wolff).

Aus Berichten von Patienten, die bei Vorliegen einer Hauttumorerkrankung eine Rehabilitationsmaßnahme in einer internistisch-onkologisch ausgerichteten Klinik durchgeführt haben, ist bekannt, dass dort insbesondere ärztlicherseits die spezifischen Kenntnisse zu dermato-onkologischen Krankheitsbildern fehlen. Daher sollte gemäß der Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft dermatologische Onkologie (ADO) die Rehabilitation bei einem dermato-onkologischen Krankheitsbild auch in einer dermato-onkologisch ausgerichteten Klinik mit entsprechendem Konzept erfolgen [5]. Neben den bereits genannten Elementen werden dort auch spezifische Patientenschulungen zu den Krankheitsbildern wie dem malignen Melanom, den verschiedenen Formen epithelialer kutaner Tumore, aber auch kutanen Lymphomen oder seltenerer dermato-onkologischer Erkrankungen wie dem Merkelzellkarzinom oder dem Dermatofibrosarcoma protuberans abgehalten. Speziell bei kutanen Lymphomen ist für die Patienten eine klare Abgrenzung zu den sonstigen Lymphomen nicht zuletzt aufgrund der vollkommen anderen Prognose von großer Bedeutung.

Als erste Evidenz für eine derart spezifisch dermato-onkologische Rehabilitationsmaßnahme konnten Ergebnisse aus Versorgungsforschungsstudien zu den Themen „Stellenwert einer dermato-onkologischen Rehabilitationsmaßnahme bei Patienten mit kutanem T-Zelllymphom“ sowie „Rehabilitation in der Dermato-Onkologie“ auf den Jahrestagungen der ADO in den Jahren 2017 und 2019 präsentiert werden [6] [7]. Im Rahmen der Untersuchungen wurden Rehabilitationspatienten mit dermato-onkologischen Erkrankungen zu den Themen Depressivität (PHQ-9), Ängstlichkeit (GAD-7), Einschränkungen der Lebensqualität (EQ-5 D, EORTC QLQ-C30, SF-36) und zur Zufriedenheit mit der Rehabilitationsmaßnahme befragt und zeigten deutlich positive Ergebnisse auf.


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Fazit

Eine spezifisch dermato-onkologische Rehabilitationsmaßnahme mit ihren verschiedenen Elementen zur physischen und psychischen Stärkung unter besonderer Einbeziehung der Aspekte Psycho-Onkologie und Patientenschulung dermato-onkologischer Krankheitsbilder kann i. d. R. deutlich intensiver als im ambulanten Bereich auf die Einschränkungen physischer und psychischer Art eingehen. Weitere Vorteile für den Patienten sind in einer dermato-onkologisch ausgerichteten Rehabilitationsklinik zudem die folgenden Punkte: fachspezifische Kenntnisse der Erkrankungen und Therapien insbesondere des ärztlichen Personals, spezielle dermato-onkologische Patientenschulungen sowie das Kennenlernen von gleichartig betroffenen Patienten und der daraufhin mögliche interindividuelle Austausch.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Friedenreich CM, Wang Q, Neilson HK. et al. Physical Activity and Survival After Prostate Cancer. Eur Urol 2016; 70: 576-585
  • 2 Meyerhardt JA, Giovannucci EL, Holmes MD. et al. Physical activity and survival after colorectal cancer diagnosis. J Clin Oncol 2006; 24: 3527-3534
  • 3 Taaffee DR, Newton RU, Spry N. et al. Effects of Different Exercise Modalities on Fatigue in Prostate Cancer Patients Undergoing Androgen Deprivation Therapy: A Year-long Randomised Controlled Trial. Eur Urol 2017; 72: 293-299
  • 4 Satin JR, Linden W, Phillips MJ. Depression as a predictor of disease progression and mortality in cancer patients: a meta-analysis. Cancer 2009; 115: 5349-5361
  • 5 Langfassung der Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“. AWMF; 2020 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-024OLl_S3_Melanom-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2020-01.pdf Zugegriffen: 13.04.2020
  • 6 Tsianakas A. Stellenwert der Rehabilitation beim kutanen T-Zelllymphom. Vortragspräsentation beim 27. Deutschen Hautkrebskongress 2017. Mainz:
  • 7 Tsianakas A. Rehabilitation in der Dermato-Onkologie. Vortragspräsentation beim 29. Deutschen Hautkrebskongress 2019. Ludwigshafen:

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Athanasios Tsianakas
Fachklinik Bad Bentheim
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Am Bade 1
48455 Bad Bentheim
Deutschland   

Publication History

Article published online:
17 June 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Friedenreich CM, Wang Q, Neilson HK. et al. Physical Activity and Survival After Prostate Cancer. Eur Urol 2016; 70: 576-585
  • 2 Meyerhardt JA, Giovannucci EL, Holmes MD. et al. Physical activity and survival after colorectal cancer diagnosis. J Clin Oncol 2006; 24: 3527-3534
  • 3 Taaffee DR, Newton RU, Spry N. et al. Effects of Different Exercise Modalities on Fatigue in Prostate Cancer Patients Undergoing Androgen Deprivation Therapy: A Year-long Randomised Controlled Trial. Eur Urol 2017; 72: 293-299
  • 4 Satin JR, Linden W, Phillips MJ. Depression as a predictor of disease progression and mortality in cancer patients: a meta-analysis. Cancer 2009; 115: 5349-5361
  • 5 Langfassung der Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“. AWMF; 2020 https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-024OLl_S3_Melanom-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2020-01.pdf Zugegriffen: 13.04.2020
  • 6 Tsianakas A. Stellenwert der Rehabilitation beim kutanen T-Zelllymphom. Vortragspräsentation beim 27. Deutschen Hautkrebskongress 2017. Mainz:
  • 7 Tsianakas A. Rehabilitation in der Dermato-Onkologie. Vortragspräsentation beim 29. Deutschen Hautkrebskongress 2019. Ludwigshafen:

Zoom Image
Abb. 1 Die physiotherapeutische Betreuung der Patienten in Gruppen und Einzelsitzungen stärkt die allgemeine körperliche Belastbarkeit und geht individuell auf mögliche Bewegungseinschränkungen wie Kontrakturen bei Narbenzug etc. ein (Quelle: Nikolai Wolff).
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Abb. 2 Im Rahmen der Beratung beim sozialmedizinischen Dienst werden Themen wie die Beantragung eines Schwerbehindertenausweises, aber auch konkrete z. B. berufliche Probleme angesprochen und bei Bedarf konkrete Hilfen eingeleitet (Quelle: Nikolai Wolff).