Einleitung
Die OSA stellt unter den schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) mit einer Prävalenz
von 1 – 2 % in der Gesamtbevölkerung das häufigste Krankheitsbild dar und ist mit
kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert [1]
[2]. Wenn Schnarchen als Symptom der OSA betrachtet wird, weisen 70 – 80 % der Patienten,
die schnarchen, eine OSA auf. Wiederum 95 % der Patienten mit einer OSA schnarchen
[3]
[4]. Zum diagnostischen Standard der OSA zählen Polygrafie und Polysomnografie. Bei
diesen Verfahren wird Schnarchen als Hilfssignal in der Beurteilung von Schlafapnoe
genutzt. Die separate Bewertung der Schnarchereignisse findet in der routinemäßigen
Auswertung der Polysomnografie keine obligate Verwendung [5]. Es bestehen auch keine standardisierten Bewertungskriterien für Schnarchen [6]. Anhand der Langzeitregistrierung der Atem- und Atemnebengeräusche mittels LEOSound
besteht auch die Möglichkeit des akustischen Monitorings von Schnarchen. Zwei Fragestellungen
sind in dieser Arbeit von besonderem Interesse:
-
Wie häufig gehen obstruktive Apnoen mit Schnarchen einher?
-
Wie unterscheiden sich die diagnostischen Messverfahren zur Objektivierung von Schnarchen?
Methodik
Parallel zur polysomnografischen Messung wurde bei 40 Patienten mit OSA (AHI > 15/h)
eine Atem- und Atemnebengeräuschaufzeichnung mit dem LEOSound Rekorder (Firma Löwenstein
Medical) durchgeführt. Die Aufzeichnungen erfolgten zwischen 22.00 – 06.00 Uhr. 12
der 40 Aufzeichnungen mussten aufgrund qualitativ unzureichender Messqualität, vornehmlich
durch Mikrofondislokation, von der Bewertung ausgeschlossen werden. Die audiovisuell
detektierten Schnarchereignisse aus dem LEOSound wurden mit denen der ausschließlich
visuell erfassten der PSG verglichen.
Polysomnografie
Die Polysomnografien wurden nach den standardisierten Kriterien der AASM ausgewertet.
Schnarchen wurde mithilfe von 2 unabhängigen Messverfahren erfasst und analysiert:
-
Aus dem Rohsignal der nasalen Staudruckmessung wurde der Surrogatparameter „Schnarchen“
mithilfe eines Bandpassfilters (Durchgangsbereich: 35 – 70 Hz) isoliert. Das Signal
bildet dabei die durch Schnarchen bedingten Schwingungen des Atemdrucks an der Nasenöffnung
ab.
-
Weiterhin wurde ein piezoelektrischer Schnarchsensor verwendet, der auf der Vorderseite
des Halses angebracht wurde. Das eingesetzte Messverfahren überträgt die mechanischen
Schwingungen im Frequenzbereich des Schnarchens in ein elektrisches Signal. Schnarchereignisse
wurden in einem Zeitfenster von jeweils 30 Sekunden epochenweise visuell identifiziert
und markiert (siehe [Abb. 1]).
Abb. 1 Ereignisscoring in der Polysomnografie. Dargestellt ist die Benutzeroberfläche im
5-Minuten-Zeitfenster zur Auswertung der polysomnografischen Messung mit abgebildeter
obstruktiver Apnoe. Die Atmung sistiert (1. Kanal von oben). Der Effort des Thorax-
und Abdomengurtes (2. und 3. Kanal von oben) ist reduziert, aber vorhanden. Das Ende
der obstruktiven Apnoe ist von einem erhöhten Signalausschlag im Schnarchkanal im
Sinne der typischen Hyperventilationphase (4. Kanal) gekennzeichnet. Im Rahmen des
obstruktiven Geschehens kommt es phasenweise zu einem Abfall der Sauerstoffsättigung
(5. Kanal). Die roten Kästen verdeutlichen beispielhaft das Markieren von Schnarchereignissen
anhand der visuellen Bewertung des Schnarchsignals durch die MTA.
Akustische Langzeitregistrierung der Atem- und Atemnebengeräusche – LEOSound
Akustische Langzeitregistrierung der Atem- und Atemnebengeräusche – LEOSound
Der LEOSound-Monitor der Firma Löwenstein Medical ist ein Atemgeräuschaufzeichnungsgerät
und findet Verwendung als „Langzeitstethoskop“. Atem- und Atemnebengeräusche können
über 3 bioakustische Sensoren bis zu 24 h aufgezeichnet und automatisch analysiert
werden [7]. Ein Atemnebengeräusch wurde als Schnarchen bewertet, wenn es atemsynchron auftrat,
von den Hintergrundgeräuschen akustisch eindeutig differenzierbar war und die visuelle
Komponente der Frequenzspektren zum Schnarchen passte ([Abb. 2] und [Abb. 3]). Die Aufzeichnungsdaten wurden in einem Zeitfenster von jeweils 30 Sekunden epochenweise
audiovisuell pro Atemzug ausgewertet. Die Synchronisation der beiden Messverfahren
(PSG und LEOSound) erfolgte anhand eines identischen Startsignals zum Messbeginn.
Die Weiterverarbeitung und der Vergleich der Daten wurde mit dem Programm EDFTrace
(Schlafmedizinisches Zentrum der Universitätsklinik Marburg, Dr. rer. nat. Karl Kesper)
durchgeführt.
Abb. 2 Inspiratorisches Schnarchen beim Erwachsenen. Dargestellt ist oben die Amplitude
(Maß für die Lautstärke) und darunter das Frequenzspektrum. Die sehr lauten Ereignisse
sind deutlich in der Amplituden- und Spektraldarstellung sichtbar.
[
Abb. 3
] Grafische Benutzeroberfläche der LSARate-Software (Frequenzspektogramm des Trachealkanals).
Im dargestellten 30-sekündigen Zeitfenster zeigt sich zunächst ein reguläres Atemmuster
(Kreis). Hiernach kommt es zu Schnarchen während der Inspiration im Vergleich zum
normalen Atemgeräusch. Dieses wird anhand der hohen Frequenzbänder in der Spektraldarstellung
sichtbar. Auditiv sind diese Geräusche sehr laut wahrzunehmen. Zeitexakte Markierung
der Schnarchereignisse (Pfeile) nach audiovisueller Bewertung und die Einsicht der
gesetzten Markierung im Kommentarfenster (A).
Statistik
Die Variablen wurden zunächst mit dem Kolmogorow-Smirnow-Anpassungstest auf Normalverteilung
geprüft. Da bei vielen Werten eine bedeutsame Abweichung zur Normalverteilung festgestellt
wurde, wurde entschieden, zur Beschreibung solcher Daten sowohl die parametrischen
Kennwerte Mittelwert und Standardabweichung als auch die nichtparametrischen Maße
1. Quartil, Median und 3. Quartil zu berechnen.
Ergebnisse
Von den 28 Patienten waren 21 männlich und 7 weiblich. Das durchschnittliche Alter
lag bei 56,9 ± 11,3 Jahren (Mittelwert ± Standardabweichung). Das durchschnittliche
Körpergewicht betrug 100,1 ± 18,8 kg bei einem mittleren Body-Mass-Index (BMI) von
32,8 ± 6,5 kg/m². Eine arterielle Hypertonie lag bei 21 Patienten vor, 6 Patienten
hatten eine koronare Herzkrankheit. Jeweils 4 Patienten litten an einem Asthma bronchiale
bzw. einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). 8 Patienten waren Raucher
(28,6 %) mit durchschnittlich 14,5 Packyears ([Tab. 1]).
Tab. 1
Übersicht der klinischen und anthropometrischen Daten.
Kollektiv n = 28
|
Geschlecht (m)
|
21 (78,1 %)
|
|
Geschlecht (w)
|
7 (21,9 %)
|
|
MW
|
±
|
SD
|
Median
|
Q1
|
Q3
|
Alter (Jahre)
|
56,9
|
±
|
11,3
|
54,5
|
49,2
|
67,0
|
Größe (cm)
|
175,1
|
±
|
10,0
|
176,0
|
170,0
|
181,0
|
Gewicht (kg)
|
100,1
|
±
|
18,8
|
99,0
|
84,2
|
112,7
|
BMI (kg/m²)
|
32,8
|
±
|
6,5
|
31,9
|
27,4
|
36,9
|
Packyears
|
14,4
|
±
|
22,0
|
0,0
|
0,0
|
24,0
|
ESS
|
9,9
|
±
|
4,5
|
9,5
|
7,0
|
13,0
|
Messergebnisse der Polysomnografie
Messergebnisse der Polysomnografie
Der mittlere Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) lag bei 34,4 ± 26,9 pro Stunde. Die durchschnittliche
Schlafzeit (TST) lag bei 339,4 ± 78,2 Minuten, dies entspricht etwa 5,6 Stunden. Hiervon
wurden 470,6 ± 52,4 Minuten (etwa 7,8 Stunden) im Bett verbracht (TIB). Im Wachzustand
(TWT) wurden 131,2 ± 66,3 Minuten (etwa 2,2 Stunden) verbracht. Während der Sleep
Period Time (SPT) waren die Patienten im Mittel 102,9 ± 61,3 Minuten wach. Der Anteil
der Schlafstadien ergab im Durchschnitt die folgenden Werte: Stadium N1 = 13,0 ± 11,9 %,
Stadium N2 = 42,5 ± 9,6 %, Stadium N3 = 28,2 ± 13,8 %. Der Durchschnitt der arteriellen
Sauerstoffsättigung betrug 91,3 ± 2,9 %. Einen Überblick über die Schlafergebnisse
der Polysomnografie zeigt die [Tab. 2].
Tab. 2
Überblick über die Schlafanalyse der Polysomnografie.
|
Kollektiv n = 28
|
MW
|
±
|
SD
|
Median
|
Q1
|
Q3
|
AHI (/h)
|
34,4
|
±
|
26,9
|
24,0
|
13,4
|
51,7
|
TST (min)
|
339,4
|
±
|
78,2
|
339,9
|
272,6
|
403,3
|
TIB (min)
|
470,6
|
±
|
52,4
|
478,0
|
427,3
|
498,6
|
TWT (min)
|
131,2
|
±
|
66,3
|
137,8
|
66,4
|
179,4
|
Anteil N1 (%)
|
13,0
|
±
|
11,9
|
9,6
|
3,9
|
15,3
|
Anteil N2 (%)
|
42,5
|
±
|
9,6
|
41,8
|
35,0
|
48,4
|
Anteil N3 (%)
|
28,2
|
±
|
13,8
|
29,2
|
18,0
|
38,8
|
Anteil REM (%)
|
16,5
|
±
|
7,3
|
16,2
|
11,6
|
21,9
|
Schlaflatenz (min)
|
28,2
|
±
|
23,8
|
22,6
|
7,1
|
47,0
|
REM-Latenz (min)
|
96,4
|
±
|
56,3
|
84,2
|
63,8
|
111,3
|
Arousalindex (/h)
|
33,8
|
±
|
13,6
|
34,2
|
24,3
|
39,2
|
Wach in SPT (min)
|
102,9
|
±
|
61,3
|
92,8
|
54,5
|
145,4
|
Übergang nach Wach (n)
|
39,1
|
±
|
20,8
|
34,5
|
24,0
|
50,5
|
Mittlere SaO2 (%)
|
91,3
|
±
|
2,9
|
92,1
|
89,3
|
93,7
|
Ergebnisse des Schnarchscorings in der PSG und im LEOSound
Ergebnisse des Schnarchscorings in der PSG und im LEOSound
Bei den 28 OSA-Patienten konnten insgesamt 3778 obstruktive Apnoen registriert werden.
In der Polysomnografie gingen 2229 (58,8 %) Apnoephasen mit Schnarchen einher, in
der akustischen Messung 1921 (51,0 %). Nur bei einem der Patienten war eine ausgeprägtere
Abweichung der Schnarchereignisse von PSG und LEOSound nachweisbar (falsch positiv
in der Polysomnografie).
Diskussion
Die obstruktive Schlafapnoe ist gekennzeichnet durch einen Wechsel von Apnoe und Hyperpnoe,
wobei die einsetzende postapnoeische Hyperpnoe i. d. R. mit einem Schnarchgeräusch
einhergeht [8]. In dieser Studie konnten wir anhand von 2 Verfahren das Geräuschphänomen Schnarchen
bei nur annähernd 60 % der obstruktiven Apnoephasen nachweisen.
Schnarchgeräusche entstehen durch Vibrationen des Weichteilgewebes der oberen Atemwege.
Die obstruktive Schlafapnoe wird als kontinuierliche Entwicklung vom Schnarchen zum
Flattening bis hin zum inkompletten und kompletten pharyngalen Atemwegsverschluss
verstanden [9]. Männliches Geschlecht, Alter und Adipositas stellen dabei signifikante Risikofaktoren
für das Auftreten einer obstruktiven Schlafapnoe dar [10]. Bei der kompletten oberen Atemwegsobstruktion findet kein oder nur ein marginaler
Luftfluss statt, sodass auch kein Atemfluss und keine Atemgeräuschgenerierung mehr
möglich sind. Pathophysiologisch sind eine anatomische Enge, ein pharyngaler Kollaps
des Weichteilgewebes, ein Zurückfallen der Zunge in den Pharynx sowie eine veränderte
Chemorezeption bedeutsam [11]
[12].
Eine Apnoephase lässt sich akustisch und visuell anhand eines nicht vorliegenden Atemgeräusches
bzw. Frequenzspektums erkennen und bewerten. Am Ende einer obstruktiven Apnoe kommt
es, durch unterschiedliche Triggermechanismen bedingt, zum Einsetzen der Atmung, die,
so die Mutmaßung, i. d. R. von Schnarchen begleitet werden müsste. Warum mit der apnoeterminierenden
Hyperpnoe in vielen Fällen kein Schnarchen einhergeht, ist unklar. Eine Geräuschentstehung
setzt eine turbulente Strömung voraus. Im Falle der plötzlichen Atemwegsöffnung sollte
die Generierung eines turbulenten Luftstroms und die Vibration des Weichteilgewebes
ein Geräuschphänomen wie Schnarchen erwarten lassen. Warum dies jedoch bei der Hälfte
der Apnoephasen nicht der Fall ist, bedarf der weiteren Klärung. Es stellt sich die
Frage, ob die Abfolge des Öffnungsvorgangs des kollabierten oberen Atemwegs möglicherweise
bedeutsam ist. Geht der Atemweg abrupt oder in mehreren Phasen auf? Es ist sicherlich
auch sinnvoll, den ersten postapnoeischen Atemzug zu analysieren. Akustisch kann man
in Einzelfällen ein Klickphänomen am Ende der Apnoe wahrnehmen, das vermutlich im
Sinne des Öffnens des Atemwegs zu interpretieren ist.
In einem nächsten Schritt sollen die obstruktiven Apnoen, die nicht mit einem Schnarchen
bei Hyperpnoe einhergehen, noch einmal akustisch und frequenzanalytisch beurteilt
werden. Die computergestützte Atemgeräuschanalyse eröffnet völlig neue Möglichkeiten
der Feinanalyse. Studien, die sich mit der Bewertung von Schnarchgeräuschen befassen,
zeigen, dass durchaus auch eine Differenzierung der Art des Schnarchens sowie der
Lokalisation der Geräuschentstehung möglich ist [13].
Anmerkung
Die Daten zu dieser Publikation wurden im Rahmen der Promotion von Herrn Dr. Schahab
Moaeri analysiert.