Aktuelle Dermatologie 2020; 46(06): 245
DOI: 10.1055/a-1153-2589
Editorial

Provokationstestung bei Medikamentenallergie

Oral Provocation Test in Drug Allergy
C. Bayerl
 
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Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

In der Corona-Zeit kam die Diskussion auf, welche Patienten dürfen/müssen in dermatologischen/allergologische Betten liegen und wer darf, aufgrund der Einschätzung ein elektiver Fall zu sein, auf später verschoben werden.

Einfach ist die Entscheidung bei den sehr schweren Medikamentenallergien, die ein Stevens-Johnson-Syndrom oder eine toxische epidermale Nekrolyse ausgelöst haben, wie Allopurinol, die aromatischen Antikonvulsiva oder Lamotrigin. Von einer Provokationstestung der verdächtigen Substanz wird man aufgrund des Risikos eines erneuten Krankheitsschubes absehen [1]. Das akute Ereignis ist ein Notfall für die Intenstivstation. Die Abklärung mit der auslösenden Substanz in einer Provokationstestung findet nicht statt.

Ganz anders ist die Situation bei einer fraglichen Penicillinallergie, die anamnestisch angegeben wird und beim Ereignis in der Vergangenheit nicht zu stationären Maßnahmen geführt hatte. Nur 1 – 10 % der Erwachsenen und 14 % der Kinder haben eine „wirkliche“ Penicillinallergie [2] [3]. Es liegt eine Überdiagnose vor, wie es auch sinnvollerweise beim Antibiotic Stewardship-Programm formuliert wurde. Die fehlende Abklärung einer Penicillinallergie führt zu hohen Kosten, da Antibiotika aus anderen Gruppen eingesetzt werden. Ein erhöhtes Nebenwirkungsrisiko ist die Folge. Die Hauttestung hat einen hohen Stellenwert bei der Abklärung einer Medikamentenallergie. Die Provokationstestung, die dann folgt, sollte mit Betalaktamantibiotika durchgeführt werden. Nur bei akuter Behandlungsindikation mit makulopapulösen Exanthemen in der Vorgeschichte oder bei fraglicher Anamnese darf aufgrund der Eile von dieser Regel abgewichen werden. Eine schrittweise Arzneimittelprovokationstestung ohne vorherige Hauttestung ist in diesen akuten Fällen erlaubt – so die neue Leitlinie [4]. Selten reagieren Personen auf alle Betalaktamantibiotika allergisch, eine Alternative aus dieser Gruppe lässt sich finden [4].

Unsere allergologische Expertise ist gefragt. Eine Herausforderung ist das Bereitstellen der Zeitfenster für Hauttestungen in den ambulanten Sprechstunden. Unsere dermatologischen/allergologischen Betten werden weiterhin und besonders in der aktuellen Corona-Zeit auch für die stationären Provokations- und Ausweichtestungen benötigt. Gerade in Zeiten viraler Infektionen wird es notwendig, schnell zu wissen, welches Antibiotikum bei einer aufgepfropften Infektion aus allergologischer Sicht möglich ist und auch welches Schmerzmittel oder fiebersenkendes Medikament vertragen wird.


Ihre

Christiane Bayerl, Wiesbaden


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie Wiesbaden
Helios, Dr. Horst Schmidt Kliniken
Hauttumorzentrum Wiesbaden
Ludwig-Erhard-Straße 100
65199 Wiesbaden

Publication History

Article published online:
16 June 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


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Prof. Dr. med. Christiane Bayerl