Rofo 2020; 192(05): 418-421
DOI: 10.1055/a-1149-3625
Stellungnahme DRG, DGNR, GPR, DeGIR, BDNR, BDR

SARS-CoV-2/COVID-19: Empfehlungen für die Radiologische Versorgung - Eine Stellungnahme der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR), der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR), des Berufsverbands der Neuroradiologen (BDNR) und des Berufsverbands der Radiologen (BDR)

Gerald Antoch
1   Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Düsseldorf
2   Präsident, Deutsche Röntgengesellschaft, Berlin
,
Horst Urbach
3   Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Neuroradiologie, Freiburg
4   Präsident, Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie, Berlin
,
Hans-Joachim Mentzel
5   Universitätsklinikum Jena, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Kinderradiologie, Jena
6   Präsident, Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie, Berlin
,
Peter Reimer
7   Klinikum Karlsruhe, Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Karlsruhe
8   Vorsitzender, Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie, Berlin
,
Werner Weber
9   Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin, Bochum
10   Präsident, Berufsverband Deutscher Neuroradiologen, Berlin
,
Detlef Wujciak
11   Radiologische Gemeinschaftspraxis Halle, Halle
12   Präsident, Berufsverband der Radiologen, München
› Author Affiliations
 

Einleitung

Die WHO hat am 11.03.20 die Verbreitung des SARS-CoV-2 als weltweite Pandemie eingestuft [1]. Eine hohe Basisreproduktionszahl ermöglicht in einer globalisierten Welt die schnelle Verbreitung des Virus. Die Basisreproduktionszahl liegt bei SARS-CoV-2 bei 2–3.3, d. h. dass jede infizierte Person 2–3.3 weitere Personen infizieren wird, sofern keine Schutzmaßnahmen ergriffen werden [2]. Diese Basisreproduktionszahl liegt höher als bei der klassischen Influenza und ist bei COVID-19, der durch das SARS-CoV-2 verursachten Lungenerkrankung, gekoppelt mit einer substanziellen Zahl an schweren Verläufen, die eine stationäre oder intensivmedizinisch-stationäre Betreuung der Patienten erfordern [3]. Auch weisen erste Daten darauf hin, dass die Zahl an Langzeitbeatmungen unter den beatmungspflichtigen Patienten möglicherweise hoch ist [4]. Die Kombination aus hoher Ansteckungsrate, einer substanziellen Zahl schwerer Verläufe sowie längerfristiger Beatmungspflichtigkeit birgt das Risiko einer bislang nicht erlebten Belastung der Gesundheitssysteme weltweit.


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Die Radiologie, Neuro- und Kinderadiologie sind über die Diagnostik und die interventionellen Verfahren sowohl im ambulanten, als auch im stationären Sektor bei der Versorgung faktisch aller Krankheitsbilder zentral beteiligt. In der aktuellen SARS-CoV-2 Pandemie kommt der Radiologie zusätzlich eine zentrale Bedeutung bei der Diagnose und der Verlaufskontrolle der Patienten mit COVID-19 zu. Ambulante und stationäre radiologische Abteilungen müssen daher auf die Versorgung von COVID-19 Patienten vorbereitet sein [5]. In der folgenden Zusammenfassung geben die beteiligten Fachgesellschaften Empfehlungen für die radiologische Versorgung während der SARS-Cov-2 Pandemie.

Schutz von Patienten und Personal

Der Schutz der Gesundheit von Patienten und Personal ist von elementarer Bedeutung. Folgende Maßnahmen werden empfohlen:

  1. Geplante, elektive Untersuchungen nur bei Patienten ohne Symptome für eine Atemwegserkrankung. Abfrage möglicher Symptome (Husten, Fieber, Erkältung) sowie eines möglichen Kontakts zu infizierten Personen telefonisch am Vortag der Untersuchung (optimal), alternativ am Empfang bei Ankunft in der Radiologie. Bei bestehenden Symptomen oder Kontakt innerhalb der letzten 2 Wochen Neuterminierung der Untersuchung.

  2. Dringende Untersuchungen ohne COVID-19 Verdacht:

    • Chirurgischer Mund-Nasen-Schutz bei medizinischem Personal sinnvoll und aktuell bereits in verschiedenen Institutionen vorgeschrieben

    • Sonst keine besonderen Vorkehrungen, wenn ausreichend großer Abstand zum Patienten gewahrt werden kann

    • ggf. chirurgischer Mund-Nasen-Schutz für den Patienten, sofern Abstand von 2 m zum Patienten nicht gewahrt wird

    • bei Untersuchungen mit engem Patientenkontakt, z. B. Ultraschalluntersuchungen, ist ein chirurgischer Mund-Nasen-Schutz des Patienten und des Untersuchers zu empfehlen. Ferner kann für Untersuchungen von Kindern wg. möglicherweise fehlender Tolerierung eines Mund-Nasen-Schutzes sowie oft asymptomatischer Verläufe der SARS-CoV-2 Infektion die Verwendung einer FFP2 Maske, eines Augenschutzes sowie Kittel und Handschuhen durch den Untersucher empfohlen werden

  3. Alle Untersuchungen bei COVID-19 Verdacht oder nachgewiesener COVID-19 Erkrankung

    • Sofern möglich vollständige Trennung der Untersuchungen vom normalen radiologischen Betrieb.

      • Konventionelle Röntgendiagnostik mit mobilen Systemen auf den Stationen

      • Reservierung eines CTs nur für COVID-19 Patienten

    • Sicherstellen aller Hygienemaßnahmen, Flächendesinfektion. Sicherstellung, dass lokale Hygienevorschriften und zentral empfohlene Hygienevorschriften (z. B. Robert Koch Institut) eingehalten werden

    • Vorhalten der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) für das Personal sowie Schulung in der korrekten Verwendung der PSA. Aufgrund der aktuell entstehenden Engpässe bei Einmalproduktion ist davon auszugehen, dass zunehmend wiederverwendbare PSA genutzt werden muss

    • Zur persönlichen Schutzausrüstung gehörten nach aktuellem Stand mindestens Schutzkittel, doppelt Handschuhe, FFP-2 oder -3 Maske, Haube, Schutzbrille


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Mitarbeiterschutz und Sicherstellung des Betriebs

Für den Schutz der Mitarbeiter innerhalb der Abteilung sowie die Sicherstellung des Betriebs der radiologischen Einrichtungen muss eine Verbreitung des Virus unter den Mitarbeitern für den Fall einer (möglicherweise asymptomatischen) Infektion eines oder mehrere Mitarbeiter vermieden werden. Folgende Maßnahmen sind sinnvoll:

  1. Allgemeine Verhaltensregeln für alle Mitarbeiter:

    • Tragen eines chirurgischen Mund-Nasen-Schutzes durch alle Mitarbeiter kann die Gefahr einer Infektion unter Mitarbeitern reduzieren, sofern nicht erkannte oder asymptomatische Krankheitsfälle innerhalb der Abteilung vorliegen. Auch hier kann ggf. auf wiederverwendbare (waschbare) Produkte zurückgegriffen werden

    • Abstand von 2 m zwischen Mitarbeitern einhalten

    • Kontakte untereinander möglichst vermeiden, keine gemeinsamen Pausen oder Pausen nur in Kleingruppen mit entsprechender Distanz, Mitarbeiter gehen nach dem Umkleiden zu Arbeitsbeginn direkt an ihren Arbeitsplatz, Aufenthaltsraum vor Dienstbeginn nicht mehr gemeinsam nutzen

    • Über das übliche Maß hinausgehende Desinfektionsmaßnahmen an den Arbeitsplätzen

  2. Arbeitsorganisation:

    • MTRA Einzel- oder maximal Doppelbesetzung an den Geräten

    • Minimierung der Rotationen der Mitarbeiter an den Geräten. Ziel ist die Zahl der Kontakte der Mitarbeiter untereinander zu reduzieren

    • Nutzung aller Befundarbeitsplätze der Einrichtung mit dem Ziel die ärztlichen Mitarbeiter möglichst zu distanzieren

    • Ermöglichung der Nutzung eines Heimarbeitsplatzes durch Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes. Diese Möglichkeit ist meist durch die geringe Verfügbarkeit zugelassener Befundarbeitsplätze im Home-Office nur eingeschränkt nutzbar

    • Ggf. Aufteilung der Mitarbeiter in Teams, die z. B. wochenweise abwechselnd arbeiten. Kontaktaufnahme zwischen den Teams nur telefonisch oder über Videokonferenz

    • Vermeidung zusätzlicher externer Personen innerhalb der Abteilung: Hospitationen, Famulaturen, Industrievertreter

    • Verzicht auf alle abteilungsinternen Präsenzveranstaltungen. Besprechungen bevorzugt telefonisch oder per Videokonferenz

    • Fallbesprechungen, Tumorboards etc. als Telefon- oder Videokonferenz. Alternativ Präsenzveranstaltung unter Beteiligung nur der Entscheidungsträger in entsprechend großen Räumen um Sicherheitsabstand zu gewährleisten

    • Befundbesprechungen mit Patienten nur mit entsprechendem Sicherheitsabstand. Besser: Vermeiden der direkten Besprechungen und ggf. nachfolgende telefonische Information anbieten

  3. Verhalten bei symptomatischen oder nachweislich infizierten Mitarbeitern:

    • Symptomatische Mitarbeiter beenden umgehend ihren Dienst und begeben sich in häusliche Quarantäne. Nachfolgend – abhängig von lokalen Gegebenheiten – Information des Betriebsarztes oder der lokalen Gesundheitsbehörden und Absprache der Testung auf SARS-CoV-2 sowie des weiteren Prozederes

    • Im Fall eines infizierten Mitarbeiters sollte über Gespräche mit den lokalen Gesundheitsbehörden eine Lösung gefunden werden, die den Betrieb der Einheit sicherstellt. Von einer strikten Quarantäne aller Kontaktpersonen wird im Gesundheitswesen inzwischen zunehmend abgesehen um den fortlaufenden Betrieb nicht zu gefährden [6]. Oft wird durch die lokalen Gesundheitsbehörden ermöglicht, dass Kontaktpersonen mit chirurgischem Mund-Nasen-Schutz weiterarbeiten, solange sie symptomfrei sind und nicht positiv getestet wurden. Erst im Falle von Symptomen erfolgt dann die sofortige Quarantäne und erneute Testung der symptomatischen Mitarbeiter. Vor einer Umsetzung ist die Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden zwingend erforderlich


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Welche Untersuchungen/Therapien sollten durchgeführt werden

Es gibt aktuell verschiedene Empfehlungen der jeweiligen Institutionen, lokaler Behörden und auch der Landes- und Bundespolitik, dass auf elektive Untersuchungen und Therapien – wenn medizinisch vertretbar – verzichtet werden sollte, bzw. diese auf einen späteren Termin verlegt werden sollten. Diese Entscheidung ist mitunter schwer, da aktuell vollkommen unklar ist, wie lange die Einschränkungen im täglichen Leben aufrechterhalten werden und wie sich die Situation mit Blick auf die Belastung unseres Gesundheitssystems entwickelt. Patienten mit beispielsweise Tumorerkrankungen, schweren kardiovaskulären oder neurologischen Erkrankung können aber nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden. In der aktuellen Situation ist es daher wichtig, Patienten mit elektiven, aber dringlichen diagnostischen oder therapeutischen radiologischen Maßnahmen zu versorgen. Dies betrifft alle Teile der Radiologie und der Schwerpunkte und sollte in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Zuweiser geschehen. Ambulante und stationäre radiologische Einheiten sind angehalten die Ressourcen für dringliche elektive Eingriffe weiterhin vorzuhalten und diese Eingriffe auch unter den aktuellen Bedingungen anzubieten. So ist sichergestellt, dass dringende elektive Diagnostik und interventionelle Eingriffe durchgeführt werden und Patienten durch COVID-19-bedingte Terminverschiebungen nicht zu Schaden kommen [7].


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CT bei V. a. COVID-19 sowie nachgewiesener Erkrankung

Die AG Thoraxdiagnostik der DRG hat in Rücksprache mit dem Vorstand der DRG folgende Empfehlungen für den Einsatz der low-dose CT bei COVID-19 herausgegeben [8] [9]:

  • Der primäre Test für die Diagnose von SARS-CoV-2 ist die PCR

  • Bei negativem PCR Test und Verdacht auf COVID-19 sind serielle PCR Tests die Methode der Wahl

  • LDCT Zeichen sind nicht spezifisch für COVID-19 und können auch bei anderen Viruspneumonien vorkommen. Jedoch gibt es Berichte aus China [10] [11], dass in der Situation: 1. passende klinische Symptome, 2. negativer PCR Test, 3. hohe lokale Prävalenz von SARS-CoV-2 und 4. klinische Konsequenz (d. h. bei Patienten mit ausgeprägter Symptomatik, die eine Hospitalisierung erfordern), eine native LDCT die Verdachtsdiagnose stellen kann, welche dann durch serielle PCR Tests bestätigt werden muss

  • Eine negative LDCT schließt COVID-19 nicht aus

  • Natives LDCT oder Röntgen Thorax können zur Einschätzung des Schweregrades und zur Verlaufskontrolle bei klinischer Indikation in schweren Fällen hilfreich sein

  • Der Radiologe muss mit den typischen LDCT Befunden von COVID-19 vertraut sein, um die Erkrankung als Zufallsbefund bei CTs mit einer anderen Indikation (z. B. Ausschluss Lungenarterienembolie) zu erkennen

Unabhängig von den hier genannten Empfehlungen ist eine CT bei unmittelbarer klinischer Konsequenz, d. h. klinisch kritischem Patienten, auch unabhängig vom Testergebnis indiziert. Typische CT-Befunde für COVID-19 sind Milchglastrübungen, Konsolidierungen oder (im späteren Verlauf) ein crazy-paving-Muster. Die Veränderungen treten meist bilateral auf, bevorzugen die Unterlappen sowie den Mittellappen und finden sich meist in der Peripherie der Lunge [12] [13]. Pleuraergüsse und Lymphadenopathie finden sich nur selten. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass die Befunde im CT nicht spezifisch für COVID-19 sind, sondern auch bei anderen viralen Pneumonien vorliegen können.


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Hinweis und weitere Informationsquellen

Dieses Dokument soll eine Orientierungshilfe für ambulante und stationäre radiologische Einrichtungen im Rahmen der aktuellen SARS-CoV-2 Pandemie bieten. Die Empfehlungen stellen den aktuellen Wissensstand zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung dar. Die beteiligten Fachgesellschaften übernehmen keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Daten. Diesen Empfehlungen möglicherweise entgegenstehende institutsspezifische, landes- oder bundesspezifische Vorgaben sind durch den Leser zu beachten.

Weitere, aktuelle Informationen finden Sie u. a. hier:

  1. Robert Koch Institut:
    https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html

  2. Bundesministerium für Gesundheit:
    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus.html

  3. Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung:
    https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/


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Interessenkonflikt

Antoch: Keine
Mentzel: Keine
Urbach: Honorare für Vorträge Fa. Bayer, Bracco, Eisai, Stryker, UCB Pharma; Gesellschafter der Veobrain GmbH
Weber: Keine
Reimer: Keine
Wujciak: Keine


Korrespondenzadresse

Prof. Gerald Antoch
Universitätsklinikum Düsseldorf
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Phone: +49/2 11/8 11 77 52   
Fax: +49/2 11/8 11 61 45   

Publication History

Article published online:
01 April 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York