Tran TN.
et al.
Oral Corticosteroid Prescription Patterns for Asthma in France, Germany, Italy, and
the United Kingdom.
Eur Resp J 2020; PMID: 32165402.
DOI:
10.1183/13993003.02363-2019
Die Therapie mit oralen Kortikosteroiden (OCS) geht einher mit akuten Komplikationen,
wie gehäuften Infektionen, und chronischen Problemen, wie kardiovaskulären und metabolischen
Erkrankungen. In jüngster Zeit ließ sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung in Bezug auf
die Nebenwirkungen nachweisen; manche systemischen Komplikationen werden dabei ab
einer kumulativen Dosis von 0,5 bis maximal 1 g signifikant häufiger. Während die
Global Initiative for Asthma (GINA) bis vor kurzem noch eine Add-on-Therapie mit OCS
bei unkontrollierbarem Asthma unter der höchsten Dosis inhalativer Steroide empfahl,
wurden diese Richtlinien nun geändert: OCS als add-on sollen nun sehr vorsichtig eingesetzt
werden.
Obwohl nun zunehmend mehr Daten zu den Risiken der OCS bekannt werden, gibt es kaum
Daten zu Verordnungszahlen in Europa. Diese Lücke wollten die Autoren schließen, um
damit auch eine Umsetzung der neuen Empfehlungen in der Praxis zu erleichtern. In
die Studie gingen retrospektiv die Zahlen aus medizinischen Datenbanken zwischen Juli
2011 und Februar 2018 aus Italien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ein.
Die Autoren achteten bei der Erhebung sorgfältig darauf, für die ambulante Versorgung
repräsentative Daten auswerten zu können, die auch Angaben zur genauen Diagnose sowie
Dosierung und Verordnungszeitraum der Medikamente umfassten. Für Großbritannien standen
z. B. Daten von etwa 5 % der Bevölkerung zur Verfügung. Auch die für die Analyse berücksichtigten
Ärzte waren repräsentativ in Bezug auf Alter, Geschlecht und Region, da diese Faktoren
die Verordnungspraxis beeinflussen.
In die Studie gingen Patienten mit Asthma ≥ 12 Jahre mit mindestens einem verordneten
Medikament (Nicht-OCS) innerhalb von 6 Monaten nach Diagnosestellung ein. Zudem sollten
von den Patienten Daten für einen Zeitraum von mindestens 6 Monate vor Beginn und
90 Tage nach Beendigung der Studie vorliegen. Die Teilnehmer wurden in Bezug auf Prednisonäquivalente
in 3 Gruppen eingeteilt: hohe Dosis OCS, mittlere Dosis und ohne OCS-Verordnung. Als
hoher Gebrauch von OCS wurde eine Verordnung von ≥ 450 mg Prednisonäquivalent innerhalb
von 90 Tagen (also täglich ≥ 5 mg) definiert.
Von den analysierten 702 685 Asthmatikern nahmen 14 – 44 % OCS; 6 – 9 % nutzten OCS
in hoher Dosis zu irgendeinem Zeitpunkt im Follow-up (33 – 55 Monate). Geschätzt war
in allen Ländern jedes Jahr 3 % der Patienten eine hohe OCS-Dosis verordnet worden;
diese Patienten nahmen OCS in einer durchschnittlichen Dosis von 1,3 – 2,2 mg/Tag
ein. Wer über längere Zeit die Indikation für eine hohe OCS-Dosis erfüllte, erhielt
im Allgemeinen mindestens 2 Jahre lang eine Dosierung mit 5,5 – 7,5 mg Prednisonäquivalent
täglich. Auch einige Patienten mit leichtgradigem Asthma nahmen OCS in hoher Dosis
ein.
Jedes Jahr erhalten etwa 3 % der Asthma-Patienten in Europa OCS in hoher Dosis. Diese
Zahl blieb seit 2012 unverändert, obwohl in jüngerer Zeit steroidsparende Therapien
eingeführt wurden. Die tägliche Menge von ≥ 5 mg Prednisonäquivalent (also eine hohe
Dosis) erhöht insbesondere bei langfristiger Gabe das Risiko für unerwünschte Wirkungen
deutlich. Für alle untersuchten Länder konstatieren die Autoren ein suboptimales Management
bei Asthma bronchiale, dessen Ursachen genauer geklärt werden sollten.
Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen