Einleitung
Die Inzidenz der Schädel-Hirn-Verletzungen in Deutschland beträgt ca. 300 000/Jahr,
wovon etwa 10 000 als schwere SHT zu klassifizieren sind. Von diesen versterben trotz
guten Traumamanagements und hochentwickelter apparativ-technischer Infrastruktur ca.
2750 Patienten.
Die Behandlung des SHT zielt auf die Minimierung der Sekundärschäden des verletzten
Hirns ab, wofür die Weichen schon am Unfallort und im Schockraum gestellt werden.
Daher kommt einem standardisierten Management im präklinischen und klinischen Bereich
entscheidende Bedeutung zu.
Präoperative Diagnostik und Klassifikation
Präoperative Diagnostik und Klassifikation
Klinische Symptomatik
Hauptsymptom des SHT ist die Bewusstseinsstörung, diese kann von kurzer, leichter
Benommenheit über eine retrograde Amnesie bis hin zum anhaltenden Koma reichen. Das
Spektrum der Symptome ist groß und beinhaltet alle möglichen neurologischen Defizite
sowie epileptische Anfälle.
Zur Einteilung der SHT nach dem Schweregrad hat sich in den letzten Jahrzehnten die
Glasgow Coma Scale [Tab. 1]) [26] weltweit durchgesetzt, da hierdurch eine rasche orientierende neurologische Einschätzung
des Schädel-Hirn-Verletzten und bei dynamischem Verlauf eine gewisse prognostische
Risikoabschätzung möglich sind Das schwere SHT ist mit einem GCS 3 – 8 definiert,
das mittlere SHT mit 9 – 13 Punkten, von einem leichten SHT spricht man bei einer
Punktesumme von 14 – 15. Bei der Punktzuordnung sind der Einfluss von Intoxikationen
(Alkoholintoxikationen oder Drogeneinfluss) oder Medikamenten, aber auch andere konkurrierende
Komaursachen zu berücksichtigen.
Tab. 1 Glasgow Coma Scale (GCS).
Kriterium
|
beobachtete Reaktion
|
Punkte
|
Augenöffnen
|
spontan
|
4
|
auf Ansprache
|
3
|
auf Schmerzreiz
|
2
|
keine/ohne
|
1
|
beste sprachliche Antwort
|
voll orientiert
|
5
|
desorientiert
|
4
|
inadäquate Äußerung
|
3
|
unverständliche Laute
|
2
|
keine
|
1
|
beste motorische Reaktion
|
adäquat auf Aufforderung
|
6
|
gezielte Abwehr auf Schmerz
|
5
|
ungezielte Abwehr auf Schmerz
|
4
|
Beugesynergismen
|
3
|
Strecksynergismen
|
2
|
keine
|
1
|
Im Vordergrund der Therapie steht die Senkung des erhöhten intrakraniellen Druckes,
entweder operativ oder durch konservative Maßnahmen.
Merke
Zeichen des erhöhten intrakraniellen Druckes:
-
Bewusstseinstrübung
-
Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen
-
neurologisches Defizit, insbesondere Anisokorie
-
Cushing-Trias: Bradykardie, Hypertonie, pathologisches Atemmuster
Schockraummanagement
Die Aufgabe des eingespielten Schockraumteams besteht in der schnellstmöglichen Stabilisierung
der Vitalfunktionen und der Erkennung der relevanten Verletzungen sowie der Einleitung
einer entsprechenden Behandlung. Die Abläufe müssen standardisiert und darauf ausgerichtet
sein, frühzeitig lebensbedrohliche Blutungen oder Hypoxie-Ursachen zu erkennen und
eine Akut-cCT-Diagnostik oder eine Trauma-Spirale durchzuführen.
Nach Übergabe durch das Rettungsteam erfolgt die Schockraumdiagnostik und -therapie
nach dem ATLS-Konzept einschließlich einer überblickenden neurologischen Untersuchung
(Ansprache, Extremitätenbewegungen, Blick in die Pupillen mit Lichtreaktion, Untersuchung
des Kopfes bezüglich Wunden, Austritt von Flüssigkeit aus Nase oder Gehörgang).
Blutungen aus Rissquetschwunden des Skalps sollten zunächst durch einen Kompressionsverband
provisorisch gestillt werden. Blutungen aus Ohren oder Nase werden tamponiert.
Eine Entfernung von Fremdkörpern aus dem Schädel sollte in jedem Fall unterlassen
und nur im Rahmen einer neurochirurgischen Operation vorgenommen werden.
Praxis
Absolute Indikation zum cCT
[2]:
-
Koma
-
Bewusstseinstrübung
-
Amnesie
-
andere neurologische Störungen
-
Erbrechen, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Gewalteinwirkung besteht
-
Krampfanfall
-
klinische Zeichen oder röntgenologischer Nachweis einer Schädelfraktur
-
Verdacht auf Impressionsfraktur und/oder penetrierende Verletzungen
-
Verdacht auf Liquorfistel
-
bei Hinweisen auf eine Gerinnungsstörung
Relative Indikation zum cCT
[3]:
-
unklare Angaben über die Unfallanamnese
-
starke Kopfschmerzen
-
Intoxikation mit Alkohol oder Drogen
-
Hinweise auf ein Hochenergietrauma*
* Fahrzeuggeschwindigkeit > 60 km/h, erhebliche Deformation des Fahrzeugs, Eindringen
von > 30 cm in die Passagierkabine, Bergungsdauer aus dem Fahrzeug > 20 min, Sturz
> 6 m, Überrolltrauma, Fußgänger- oder Motorradkollision mit > 30 km/h, Trennung des
Fahrers vom Motorrad [3]
Traumabedingte Ursachen und Pathophysiologie der intrakraniellen Drucksteigerung
Traumabedingte Ursachen und Pathophysiologie der intrakraniellen Drucksteigerung
Praxis
Schockraummaßnahmen
-
Reevaluation der Vitalparameter und des GCS
-
Normotonie, Normoxämie!
-
Diagnostik nach ATLS-Richtlinien (Rö-Thorax, Rö-Becken, CT-Traumaspirale (CT-Kopf
vor KM-Gabe!) oder cCT + CT-HWS
-
Neurochirurg im Schockraum!
-
Entscheidung über Notoperation oder konservative intensivmedizinische Weiterbehandlung
-
Minuten entscheiden! Zeit von Eintreffen bis OP möglichst 20 Minuten
Ursachen einer intrakraniellen Drucksteigerung ([Abb. 1]) sind beim schweren SHT intrazerebrale Blutungen (Kontusionsblutungen) oder extrazerebrale
Blutungen (Epiduralhämatome, Subduralhämatome). Daneben kommt es, je nach Grad der
Hirnverletzung, begleitend zu einer Hirnschwellung, die zu einer intrakraniellen Drucksteigerung
führen kann, wenn die Reserveräume (Blutkompartiment, Liquorkompartiment) ausgeschöpft
sind. Die Hirnschwellung führt zu einer Minderperfusion und kann bei Überschreiten
eines kritischen Grenzwerts zu einer transienten oder permanenten Ischämie und somit
zu Hirninfarkten führen, die ihrerseits wieder den Hirndruck erhöhen ([Abb. 1]).
Abb. 1 Schädel-Hirn-Trauma. Mögliche Ursachen einer intrakraniellen Hirndrucksteigerung: lokal oder generalisiert
raumfordernde intrakranielle Läsionen. Notfall-OP oder nach klinischer Verschlechterung:
1: ASH; 2: Hirnödem; 3: Kontusionsblutung; 4: EDH.
Dauer und Ausmaß der Hirndrucksteigerung über 20 mmHg sind unabhängige Prädiktoren
eines schlechten Outcomes [15]. Werden die Ursachen der intrakraniellen Drucksteigerung nicht frühzeitig behandelt,
können bleibende neurologische Funktionsstörungen unterschiedlicher Schweregrade oder
sogar Einklemmungssyndrome des Mittelhirns oder des Hirnstamms mit akuter Lebensbedrohung
oder mit schwerwiegenden bleibenden Funktionsstörungen hervorgerufen werden [4].
Beim Mittelhirnsyndrom kommt es durch Scherung des Uncus am mesialen Temporallappen
zu einer Kompression des Mesenzephalons und – bedingt durch seine räumliche Nähe –
des N. oculomotorius. Deswegen ist die resultierende Pupillendilatation ein Epiphänomen
des Mittelhirnsyndroms, welches sich durch Koma und Beugesynergismen auszeichnet.
Beim Bulbärhirnsyndrom werden die Kleinhirntonsillen durch das Foramen magnum nach
kaudal gegen das Bulbärhirn gepresst, was zu Koma und Strecksynergismen führt.
Operative Therapie des schweren SHT
Operative Therapie des schweren SHT
Praxis
Allgemeine Indikationen für ein operatives Vorgehen nach SHT
-
intrakraniell raumfordernde Blutung, mit Einschränkungen bei tiefen und multifokalen
Kontusionsblutungen
-
geschlossene Impressionsfrakturen über Kalottenbreite
-
offene Impressionsfrakturen, mit Einschränkungen im Sinusbereich
-
konservativ nicht zu beherrschender, intrakranieller Druckanstieg > 20 mmHg
-
frontobasale Frakturen mit Liquorrhö (aufgeschoben dringlich)
-
penetrierende SHT (mit Einschränkungen)
Akutes Subduralhämatom
Das akute Subduralhämatom (ASH) ist die häufigste, akut operativ zu behandelnde Folge
eines schweren SHT. Hierbei kommt es zur Zerreißung von Brückenvenen oder kortikalen
Arterien, aus denen es in den Subduralraum einblutet, was eine raumfordernde Druckwirkung
auf das daruntergelegene Hirn ausübt ([Abb. 2 a]). Diese Verletzungsform ist häufig assoziiert mit diffusen Hirnkontusionen. Die
Hirnkompression führt zu einer oftmals ausgeprägten progredienten Ödembildung. Die
Sterblichkeit liegt bei 50 – 70%.
Abb. 2 Schädel-Hirn-Trauma. Akutes Subduralhämatom rechts.
a Vor operativer Dekompression.
b Nach operativer Dekompression.
Es besteht eine Indikation zu einer sofortigen operativen Entlastung bei
-
festzustellenden Hirndruckzeichen,
-
einer Hämatombreite > 10 mm,
-
einer Mittellinienverlagerung > 5 mm, unabhängig vom GCS,
-
einem Abfall des GCS um 2 Punkte oder
-
einem konservativ nicht zu beeinflussenden ICP > 20 mmHg.
Hierbei sollten unmittelbar nach Indikationsstellung eine großflächige Trepanation
frontotemporoparietal mit kompletter Hämatomausräumung sowie ggf. eine Duraerweiterungsplastik
erfolgen, um dem nachschwellenden Hirngewebe den entsprechenden Schwellraum zu gewähren
([Abb. 2 b]). Ein Wiedereinbringen des Kraniotomiedeckels sollte in aller Regel nicht im Rahmen
der Akutintervention erfolgen. Der Kalottendeckel kann zur späteren Reimplantation
kryokonserviert oder in eine subkutane abdominale Tasche implantiert werden. Die Schädeldachplastik
erfolgt in der Regel nach 3 – 6 Wochen, wenn das Hirngewebe klinisch und computertomografisch
sichtbar abgeschwollen ist und das Kalottenniveau nicht mehr überragt.
Epiduralhämatom
Epiduralhämatome (EDH) sind in der Regel die Folge lokalisierter Krafteinwirkungen
auf den Kopf und zu 90% mit einer Schädelfraktur assoziiert. Ursachen sind eine Zerreißung
von Ästen der Meningealarterien oder Blutungen aus Frakturspalten. Das EDH weist im
cCT eine typische bikonvexe Form auf, die Lokalisation ist zu ca. 75% temporal. EDH
betreffen eher jüngere Verletzte, jenseits des 65. Lebensjahrs ist es durch die großflächige
Verklebung der Dura mit der Kortikalis interna der Schädelkalotte selten zu finden.
Bei einem Volumen von über 30 ml und einer Hämatombreite von über 15 mm sowie einer
Mittellinienverlagerung von mehr als 5 mm, unabhängig vom GCS, sollten Epiduralhämatome
notfallmäßig operativ entlastet werden. Diese CT-Kriterien besitzen nach Bullock [5] einen prädiktiven Wert für das Outcome.
Bei der operativen Versorgung ist auf eine akribische Blutstillung zu achten, insbesondere,
wenn die A. meningea media Blutungsquelle ist. Die Kraniotomie sollte idealerweise
der Ausdehnung des Epiduralhämatoms entsprechen. Der Kalottendeckel kann am Ende der
OP meist wieder replantiert werden ([Abb. 3]).
Abb. 3 Schädel-Hirn-Trauma. Epiduralhämatom (EDH) rechts frontal.
a Vor der Dekompression.
b Nach der Dekompression.
Bei wachen Patienten, welche die oben genannten Kriterien nicht erfüllen, kann eine
konservative Behandlung mit klinischer Überwachung und cCT-Verlaufskontrolle nach
6 – 8 Stunden erfolgen.
Intrazerebrale Kontusionen
Intrazerebrale Kontusionen sind Folgen eines schweren SHT und häufig zusammen mit
traumatischen Subarachnoidalblutungen und akuten Subduralhämatomen anzutreffen. In
etwa 60% aller schweren SHT sind Kontusionen nachzuweisen. In Parenchymzonen mit gestörter
Blut-Hirn-Schranke kann es bei gleichzeitiger Zerreißung kleiner parenchymaler Gefäße
zur Formierung von Hämatomen, bevorzugt frontal und temporal, in der Nähe der direkten
Krafteinwirkung sowie auf der Gegenseite (contre coup) kommen. Diese können nach Stunden
oder Tagen zu größeren Hämatomen konfluieren, was durch die Zunahme der raumfordernden
Wirkung häufig mit einer klinischen Verschlechterung einhergeht. Daher ist neben einer
engmaschigen neurologischen Beobachtung ein Kontroll-cCT nach 6 – 12 Stunden oder
unmittelbar bei Verschlechterung durchzuführen.
Bei großen raumfordernden Blutungen mit drohender Einklemmung ist eine Blutungsausräumung,
ggf. auch im Sinne einer dekompressiven Hemikraniektomie, häufig lebensrettend. Eine
Indikation zur Blutungsausräumung wird im Allgemeinen ab einem Blutungsvolumen von
20 ml und einer Mittellinienverlagerung (MLV) von mehr als 5 mm gesehen.
In ca. 15% der schweren SHT sind intraventrikuläre Blutungen zu finden, die zu einem
Hydrozephalus führen können. Bei CT-gesichertem Liquoraufstau ist eine externe Ventrikeldrainage
(EVD) anzulegen.
Dekompressive (Hemi-)Kraniektomie
Dekompressive (Hemi-)Kraniektomie
Wenn nach Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen zur Hirndrucksenkung weiterhin
pathologisch erhöhte Hirndrücke (ICP > 20 mmHg) kontinuierlich bestehen, ist die Durchführung
einer dekompressiven (Hemi-) Kraniektomie ein- oder beidseitig bzw. subokzipital eine
effektive Maßnahme [20]. Hierdurch wird dem nachschwellenden Hirn Raum zum Ausweichen gegeben, und die zerebrale
Mikrozirkulation kann verbessert werden. Die drohende und lebenslimitierende transtentorielle
bzw. Foramen-magnum-Herniation kann hierdurch häufig abgewendet werden ([Abb. 4]).
Abb. 4 Schädel-Hirn-Trauma. Bilaterale Kraniektomie.
Während besonders bei Kindern und Jugendlichen die Indikation zur dekompressiven Kraniektomie
großzügig gestellt wird, sollte sie bei Patienten über 55 Jahren und bei Hinweisen
auf ausgedehnte irreversible Hirnschäden mit Zurückhaltung erfolgen [12], [14].
Der Durchmesser der Kraniektomie sollte mindestens 10 – 12 cm betragen, um einen Volumengewinn
von etwa 30 cm3 zu erreichen. Bei einer maximalen Kraniektomie ist ein Volumengewinn von 100 cm3 möglich [25]. Bei der dekompressiven (Hemi-)Kraniektomie ist die Durchführung einer über die
gesamte Trepanationsfläche ausgedehnten Duraeröffnung essenziell.
Schädelbasisfrakturen
Rhino-/Otoliquorrhö
Während eine geringe Liquorrhö in aller Regel spontan sistiert, muss eine anhaltende
oder kräftige Liquorrhö oder eine Verletzung mit Austritt von Hirnparenchym operativ
plastisch gedeckt und so in eine geschlossene Verletzung umgewandelt werden. Eine
prophylaktische Antibiotikagabe wird im Allgemeinen nicht empfohlen.
Bei Felsenbeinfrakturen sollte eine HNO-Evaluation erfolgen, ggf. kann durch Rheologika
eine Hypakusis oder eine Commotio labyrinthi positiv beeinflusst werden.
Bei knöcherner Beteiligung der Orbita oder des Optikuskanals, bei Auffinden eines
Retrobulbärhämatoms oder bei Symptomen wie Doppelbildern oder Visusminderung bei wachen
Patienten sollten augenärztliche Untersuchungen vorgenommen werden.
Traumatische Subarachnoidalblutung
Die traumatische Subarachnoidalblutung (SAB) ist bei schwerem SHT häufig. Sie stellt
an sich keine Operationsindikation dar, geht aber oft mit einem traumatischen Hirnödem
einher und kann zu einem Vasospasmus der hirnversorgenden Arterien und damit zu Ischämien
führen. Eine SAB ohne Traumaanamnese muss angiografisch weiter abgeklärt werden, um
eine Gefäßmalformation als Blutungsursache auszuschließen.
Konservative und postoperative Therapie des schweren SHT
Konservative und postoperative Therapie des schweren SHT
Ziele der konservativen und postoperativen Behandlung sind die Vermeidung einer zerebralen
Perfusionsstörung und die effektive Senkung eines erhöhten intrakraniellen Druckes
(ICP).
Die zerebrale Perfusion muss durch einen zerebralen Perfusionsdruck (CPP = MAP – ICP)
von 60 – 70 mmHg aufrecht erhalten werden [10]. Trotz ausreichenden zerebralen Perfusionsdruckes kann es durch pulmonale Einschränkungen
zu einer zerebralen Hypoxie kommen, weshalb ein PEEP bis 10 mmHg erlaubt ist und zusätzlich
die periphere Sauerstoffsättigung zwingend beobachtet werden muss. Zudem kann der
Sauerstoffpartialdruck im Hirnparenchym durch spezielle Messsonden fortlaufend erfasst
werden.
Störungen der zerebralen Autoregulation und Vasospasmen infolge traumatischer Subarachnoidalblutungen
können mithilfe regelmäßiger transkranieller Doppler-Sonografien detektiert werden.
Das Management des CPP und der Hydratation (Normovolämie) ist den dabei gewonnenen
Befunden anzupassen [9].
Bei bewusstlosen bzw. analgosedierten Patienten ist die fortlaufende Messung des intrakraniellen
Druckes obligat [8], [17]. Sie ist Voraussetzung für eine zeitnahe therapeutische Intervention. Der ICP kann
über intraparenchymatöse Sonden reliabel erfasst werden. Bei hinreichend weiten Ventrikeln
ermöglicht eine intraventrikulär platzierte externe Drainage (EVD) gleichzeitig die
Senkung des ICP.
Praxis
Maßnahmen zur Senkung des intrakraniellen Druckes
-
Liquorableitung über EVD
-
Analgosedierung (Midazolam, Propofol, Fentanyl, Sufentanil) [1], [14], [21]
-
30°-Oberkörperhochlagerung, Sicherstellung eines ungehinderten venösen Abstroms über
die Jugularvenen
-
Mannitol 20% (Serum-Osmolalität < 320 mosmol/l), Furosemid, THAM (Tris-Hydroxymethyl-Aminomethan)
[22], [23]
-
Barbiturate [19]
-
Normothermie, ggf. moderate Hypothermie (34 – 35 °C), aber: erhöhtes Pneumonierisiko!
[2], [6], [11]
-
kurze, leichte Hyperventilation (paCO2 30 – 35 mmHg, < 1 h); Cave: zerebrale Ischämie durch Vasokonstriktion!
Die parenterale Ernährung muss dem nach einem SHT um 20 – 50% erhöhten zerebralen
Energieumsatz [18] frühzeitig angepasst werden. Normoglykämie kann die Prognose hirnverletzter Patienten
signifikant verbessern [27].
Der Einsatz von Antikonvulsiva ist auf die symptomatische Therapie von früh auftretenden
epileptischen Anfällen beschränkt. Eine frühe prophylaktische Gabe hat keinen Einfluss
auf das Auftreten von Spätepilepsien [5], [24].
Prognose
Trotz aller intensivmedizinischen Maßnahmen ist die Prognose des schweren SHT weiterhin
schlecht. Bei optimaler medizinischer Versorgung liegt heute die Letalität des schweren
SHT (GCS < 9) bei 24% [18]. 10 – 30% sind schwer und 17 – 20% mittelgradig behindert. Nur ca. 7 – 27% der Patienten
erholen sich gut.
Aufklärung und Komplikationen
Aufklärung und Komplikationen
In der Notfallsituation entfällt die Notwendigkeit der Aufklärung. Angehörige sollten
dennoch über die Verletzung und die Erfordernis von Operationen informiert werden.
Wache, aufklärungsfähige Patienten werden über das Verletzungsmuster, die Indikation
zur Operation und die inhärenten Risiken und Komplikationsgefahren aufgeklärt:
Praxis
Checkliste zur Patientenaufklärung
-
Verbleiben oder Verschlechterung einer neurologischen Symptomatik (Paresen, Sensibilitätsstörungen,
Seh-/Hör-/Geruchs-/Schmeckstörungen, Bewusstseinsstörungen, Vigilanzminderung bis
zum Koma, Konzentrations-/Gedächtnisstörungen, Sprachstörungen, Wesensänderung, neuropsychologische
Symptome)
-
Nachblutung
-
Entzündungen (intrakranieller Abszess, epi-/subdurales Empyem), Wundheilungsstörung
-
Entwicklung eines Hirnödems mit Notwendigkeit intensivmedizinischer konservativer
oder operativer Maßnahmen
-
Krampfanfälle
-
Liquorfistel mit Notwendigkeit zur Revision
-
Entwicklung eines Hydrozephalus mit Notwendigkeit einer temporären oder dauerhaften
Liquorableitung (Shunt)
-
bei dekompressiver Kraniektomie: spätere Schädeldachplastik
-
Lagerungsschäden
-
postoperative Thrombose, Embolie
Präoperative Checkliste
Vor dem Eingriff müssen vorhanden sein:
-
aktuelle cCT-Bildgebung zur Seitenverifikation sowie Größen- und Lagebestimmung der
anzugehenden Pathologie, darauf basierend Festlegung des operativen Zugangswegs [7], [13]
-
Labor, ggf. Ausgleich einer Gerinnungsstörung beginnen!
-
Erythrozytenkonzentrate nach erwarteter Blutungsmenge kreuzen (i. d. R. mindestens
zwei Konzentrate)
-
Reevaluation des Pupillenstatus unmittelbar präoperativ
Perioperative Maßnahmen
-
Lagerung des Kopfes auf der Kopfschale oder in der Mayfield-Klemme, bei einseitiger
Kraniotomie Lage der ipsilateralen Schulter erhöht mit untergeschobenem Tuch, leichte
Anti-Trendelenburg-Lagerung, Vermeiden einer Kompression der Jugularvenen
-
Haarrasur entsprechend der Größe des geplanten Eingriffs
-
Kraniotomiesieb, High-Speed-Drill, Sauger, Hirnwatten, Knochenwachs, Hämostyptika
(z. B. Gelitta, Tabotamp), Kopfschwartenclips (z. B. Scalpfix), Duraersatzplastik-Materialien
(z. B. Tissudura, Neuropatch), monopolarer und bipolarer Kauter, ggf. Miniplates oder
Craniofix zur Refixierung des Knochendeckels
-
Kryokonservierung (− 70 °C) oder Implantation des entnommenen Knochendeckels in abdominaler
Subkutantasche bei dekompressiver Kraniektomie
-
intraoperativ ggf. Mannitolgabe, ggf. Anlage einer intraparenchymatösen Hirndrucksonde
oder einer externen Ventrikeldrainage zur Messung und Kontrolle des ICP
-
unmittelbar postoperativ: Kontrolle des Pupillenstatus
Postoperative Maßnahmen und Nachsorge
Postoperative Maßnahmen und Nachsorge
Postoperative Anordnungen:
-
Darf Analgosedierung beendet werden?
-
weitere hirndrucksenkende Maßnahmen (Oberkörperhochlagerung, Mannitol, Auswahl geeigneter
Sedativa, Analgetika)
-
keine Antikoagulation
-
Zeitpunkt des postoperativen Kontroll-cCTs festlegen
Bei (zu erwartendem) Hirnödem ist die fortgesetzte Analgosedierung mit spezifischer
hirndrucksenkender Therapie obligat. Ein Kontroll-cCT wird dann regelmäßig spätestens
nach 24 Stunden durchgeführt, um Nachblutungen oder eine Größenzunahme von Kontusionen
auszuschließen. Nach Einnahme von Gerinnungsinhibitoren (speziell Kumarinen) sind
regelmäßige Kontrollen der Gerinnungsparameter notwendig, um einem erneuten Abfall
frühzeitig entgegenzuwirken.
Merke
Im postoperativen Verlauf ist auf einen ausreichenden CPP zwischen 60 und 70 mmHg
zu achten. Ein entsprechendes Blutdruckmanagement ist essenziell.
Bei großflächigen Kraniektomiedefekten muss eine Lagerung auf der Defektzone unbedingt
vermieden werden. Selbstredend sind Kompressionsverbände kontraindiziert.
Der Zeitpunkt des postoperativen Weanings ist vom Ausmaß der Hirnverletzung abhängig
zu gestalten. Kontroll-cCTs sind hier nach Maßgabe der klinischen Entwicklung zu terminieren,
wobei mindestens eine postoperative cCT-Untersuchung zur Dokumentation des Behandlungsergebnisses
notwendig ist.
Merke
Die Unterbringung der Patienten mit SHT sollte generell auf der Intensivstation erfolgen,
da nur hier ein hinreichendes und der individuellen Situation der Patienten angepasstes
Monitoring der klinischen Befunde möglich ist.
Zitierweise für diesen Artikel
Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2021; 16: 11–18. Pingel A, Hoffmann CH. Schädel-Hirn-Trauma
(SHT). In: Günther KP, Hoffmann R, Hrsg. SOPs in der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Stuttgart: Thieme; 2017: 73–80.