Levin J, Maaß S, Schuberth M et al. Safety and efficacy of epigallocatechin gallate
               in multiple system atrophy (PROMESA): a randomised, doubleblind, placebo-controlled
               trial. Lancet Neurol 2019; 18: 724–735. doi:10.1016/S1474-4422(19) 30141–3
            Die Multisystematrophie (MSA) ist eine sporadisch auftretende neurodegenerative Erkrankung
               des mittleren Erwachsenenalters, die klinisch durch die Kombination von autonomen
               Störungen mit Parkinsonsymptomatik oder zerebellärer Ataxie gekennzeichnet ist. Ähnlich
               wie die Parkinson-Krankheit ist die MSA in der Hirngewebeuntersuchung durch Ablagerungen
               von Aggregaten aus dem Eiweiß Alpha-Synuclein gekennzeichnet. Daher nennt man diese
               Krankheiten auch Synucleinopathien. Umfangreiche Daten legen nahe, dass eine toxische
               Wirkung dieser Aggregate eine wesentliche Rolle in der Krankheitsentstehung spielt.
               Da insbesondere kleine Proteinaggregate, sogenannte Oligomere, toxische Wirkung auf
               Nervenzellen haben, ergibt sich aus diesen Beobachtungen ein interessanter Ansatz
               zur Verlaufsmodifikation. Eine zumindest verlaufsmodifizierende Therapie wird dringend
               benötigt, da die genannten Krankheiten durch fortschreitenden Nervenzellverlust unweigerlich
               zur Pflegebedürftigkeit führen.
            Epidemiologische Beobachtungen deuten auf eine mögliche präventive Wirkung von Teekonsum
               bezüglich des Risikos, an MSA zu erkranken. EGCG hemmt die Oligomerbildung von Alpha-Synuclein
               in vitro, was u. a. an der Ludwig-Maximilians Universität München in einer Kollaboration
               zwischen der Neuropathologie und der Neurologie untersucht wurde. In diesem Arbeitsprogramm
               wurden weitere speziell als Medikament geeignete Oligomer-Modulatoren entwickelt,
               z. B. die Substanz anle138b, welche eine exzellente Bioverfügbarkeit im Hirngewebe
               zeigt. Andere Wissenschaftler konnten zeigen, dass EGCG in verschiedenen Tiermodellen
               der Parkinson-Krankheit wirksam ist. Da EGCG in Europa als Nahrungsergänzungsmittel
               zugelassen ist, war mit dieser Substanz die direkte Weiterentwicklung in Form einer
               translationalen industrieunabhängigen Studie zur Prüfung der Wirksamkeit am Menschen
               möglich.
          
         
         12 Zentren involviert
            Da die MSA eine sehr seltene Erkrankung ist, war die Studie nur mit einem Rekrutierungsnetzwerk
               aus 12 Zentren in ganz Deutschland durchführbar. Insgesamt 92 Patienten konnten so
               im Rahmen der Studie behandelt werden. In der Verumgruppe erhielten die Teilnehmer
               über 4 Wochen 400 mg / d EGCG, für weitere 4 Wochen 2 x 400 mg / d und dann für 40
               Wochen 3 x 400 mg / d. Die Analyse der Studiendaten hat gezeigt, dass die Qualität
               der erhobenen Daten sehr gut ist und daher valide Schlussfolgerungen erlaubt, trotz
               hoher Drop-out-Rate.
         Ergebnisse
            Eine signifikante Wirksamkeit von EGCG als verlaufsmodifizierendes Medikament bei
               MSA konnte die Studie nicht belegen. Daher kann auch die Einnahme der Wirksubstanz
               nicht pauschal empfohlen werden. Dies gilt insbesondere, da EGCG in den eingesetzten
               (hohen) Dosen bei 2 von initial 47 Patienten zu einer deutlichen Leberschädigung geführt
               hat. Dieses Ergebnis unterstreicht die vorher schon angenommene dosisabhängige hepatotoxische
               Wirkung von EGCG, in dem PROMESA-Datensatz bei Dosen > 800 mg / Tag.
               
               
                  
                     Auch die EFSA bewertet eine EGCG-Dosis von 800 mg/Tag als Grenzwert. Er kann mit Nahrungsergänzungsmitteln
                        erreicht werden, mit Grüntee-Aufgüssen über den Tag jedoch praktisch nicht. Geschätzt
                        wird hieraus eine Aufnahmemenge an Gesamtcatechinen von 90–300 mg/Tag.
                   
                
             
            Trotz des negativen klinischen Endpunktes zeigte sich in einer Subgruppe der Patienten,
               die systematisch mittels Bildgebung untersucht wurde, eine signifikante Reduktion
               der Atrophie beteiligter Hirnregionen im MRT. Dieser Biomarker sollte also in zukünftigen
               Studien berücksichtigt werden.
            MSA eignet sich gut, um möglicherweise verlaufsmodifizierende Medikamente auf ihre
               Wirksamkeit beim Menschen zu untersuchen. Daher kann die MSA als Modellerkrankung
               angesehen werden. Diese Studie hat wichtige Verlaufsdaten geliefert, um in Zukunft
               noch bessere Studien bei Patienten mit MSA durchführen zu können.
            Laut Studienautor Günter Höglinger, TU München, erlauben die Daten der PROMESA-Studie
               trotz des formal negativen Studienergebnisses interessante Beobachtungen aus Subgruppen-
               und Biomarker-Analysen. „Diese Daten deuten darauf hin, dass der Wirkmechanismus von
               EGCG prinzipiell Erfolg versprechend ist, wenn Oligomer-Modulatoren eingesetzt werden,
               die ein günstigeres Verhältnis von Wirkung zu Nebenwirkung haben und höhere Wirkspiegel
               im Gehirn erreichen. Solche Substanzen gibt es bereits.
            Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V.