Schlüsselwörter
Brustaugmentation - Ästhetisch-Plastische Chirurgie - Implantatregister - Brustimplantate
- BIA-ALCL
Key words
Breast implant - breast augmentation - central registry - breast implant-associated
anaplastic large cell lymphoma
Einleitung
Die Brustvergrößerung zählt zu den am häufigsten durchgeführten plastisch-chirurgischen
Operationen weltweit. Jährlich werden etwa 1,5 Millionen Brustimplantate zur Brustvergrößerung
eingesetzt [1], davon über 300 000 in den USA [2] und 60 000 in Deutschland [3]. Seit Einführung der Silikonimplantate haben mehrere Ereignisse, wie z. B. der PIP
Skandal 2010, zu einer nachvollziehbaren Verunsicherung von Patientinnen, der Öffentlichkeit
und Anwendern geführt. 2019 veröffentlichten Coroneos et al. die Langzeitergebnisse
aus Nachuntersuchungen von 99 993 Patienten, die mit Brustimplantaten versorgt wurden.
Dazu wurden die Daten der U. S. Food and Drug Administration (FDA) post approval studies Datenbank ausgewertet, die zum Monitoring der Langzeitfolgen von Mentor und Allergan
Implantaten initiiert wurde. Die Autoren stellten dabei ein fünf- bis achtfach höheres
Auftreten von Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Sklerodermie oder Sjögren
Syndrom fest [4]. Zeitgleich mehren sich Fälle von der systemischen breast implant illness (BII) [5], [6], [7] oder vom Brustimplantat-assoziierten anaplastisch-großzelligen Lymphom (engl: breast implant-associated anaplastic large cell lymphoma; BIA-ALCL) [8], [9], [10].
Bei elektiven Operationen gilt es ein höchstes Maß an Sicherheit zu gewährleisten
und Patienten ausführlich über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken zu informieren.
Insbesondere bei ästhetischen Eingriffen in der Plastischen Chirurgie ist es die Pflicht
des Chirurgen eine ganzheitliche, umfassende und schonungslose Aufklärung auch über
mögliche Langzeitfolgen durchzuführen. Behandelnde Plastische Chirurgen können sich
dabei an den kürzlich durch die FDA angepassten Anforderungen bezüglich der Brustimplantat-Herstellerangaben
orientieren. Hierin sollen fortan auch Warnhinweise zur Haltbarkeit der Brustimplantate,
zum BIA-ALCL, zur BII und auch zur chemischen Zusammenstellung der Implantate vorhanden
sein [11], [12].
Das BIA-ALCL ist ein Lymphom, bei dem ein Zusammenhang zum Vorhandensein eines Brustimplantats
nachgewiesen werden konnte und das histologisch immer in direkter Angrenzung zum Implantat
auftritt [13], [14]. Seit 2016 wird das BIA-ALCL von der Weltgesundheitsorganisation als lymphatische
Neoplasie klassifiziert [15]. Da die Früherkennung der Erkrankung und das rasche Einleiten therapeutischer Maßnahmen
wesentlich zur Überlebenszeit der Betroffenen beiträgt [10], ist das systematische und einheitliche Vorgehen zur Diagnostik und Therapie bei
klinischem Verdacht entscheidend. Dazu ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im
Brustzentrum zwischen Plastischen Chirurgen, Gynäkologen, Haematoonkologen, Pathologen,
Radiologen und Strahlentherapeuten notwendig. Noch sind die bisherigen wissenschaftlichen
Erkenntnisse zum BIA-ALCL bedauerlicherweise selbst an vielen Brustzentren nicht vollständig
bekannt. In diesem Manuskript soll die aktuelle wissenschaftliche Datenlage, sowie
der an unserem Klinikum angewandte Algorithmus zur Diagnostik und Therapie zusammengefasst
werden.
Prävalenz und aktuelle Fallzahlen
Prävalenz und aktuelle Fallzahlen
Nachdem erstmalig 1997 ein Fall von BIA-ALCL veröffentlicht wurde [16], konnten mittlerweile knapp 520 Fälle aus 25 Ländern in der PROFILE Datenbank der
American Society of Plastic Surgeons (ASPS) registriert werden [17]. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) meldet im April
2019 weltweit ca. 800 Fälle bei etwa 35 Millionen Patientinnen mit Brustimplantaten
[18]. Derzeit ist die Prävalenz, aufgrund der noch nicht erfolgten Umsetzung eines zentralen
Implantatregisters in vielen Ländern [19] – so auch in Deutschland – nicht sicher abzuschätzen. Aus diesem Grund steht die
Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen
(DGPRÄC) im engen Dialog mit dem Gesundheitsministerium und erarbeitet ein Konzept
zur Etablierung eines einheitlichen und verpflichtenden zentralen Registers für Brustimplantate
[19], zur Qualitätssicherung und Verbesserung der Patientensicherheit. Je nach Studienlage
und Alter werden 1 bis 82 Fälle pro Millionen Brustimplantatträger beschrieben [9], [20], wobei von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen ist und die epidemiologischen
Daten sich noch in stetiger Veränderung befinden. So untersuchten beispielsweise Ghione
et al. kürzlich in einer prospektiven klinischen Studie 3546 Patientinnen, die eine
Brustrekonstruktion mit texturierten Implantaten erhielten und stellten in dieser
Patientenpopulation eine Prävalenz von 1 Fall pro 443 Implantatträgerinnen fest [21].
Die folgenden Fallzahlen beruhen jeweils auf Informationen des BfArM. Im Juni 2019
betrug die Gesamtzahl der BIA-ALCL Fälle 741 weltweit. Davon waren 717 Fälle bei Patientinnen
mit texturierten Implantaten und 24 Fälle bei Patientinnen mit glatten Implantaten
aufgetreten, wobei aus dieser Zahl nicht hervorgeht, ob Patientinnen in der Vorgeschichte
bereits texturierte Implantate hatten (siehe [
Abb. 1a
]). In Deutschland sind zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung demnach 20 Fälle beschrieben,
wie in [
Abb. 1b
] gezeigt. In den Fällen mit bekannten Herstellerangaben waren 17 Patientinnen Implantatträger
der Firma Allergan, zwei Patientinnen Implantatträger der Firma Polytech und eine
Patientin Implantatträger der Firma Mentor ([
Abb. 1c
]). Soweit bekannt waren alle genannten Implantate texturierte Implantate. Ein Fall
von BIA-ALCL in Deutschland trat bei einer schwangeren Patientin mit laktierender
Mamma auf [22]. Bis Juli 2019 liegen der FDA 33 Todesfälle durch BIA-ALCL weltweit vor [23]. Aktuell ist in Deutschland kein Todesfall beschrieben. Vor dem Hintergrund, dass
in Deutschland ca. 60 000 Implantataugmentationen jährlich durchgeführt werden [3], vorwiegend mit texturierten Implantaten, erscheinen die Fallzahlen hier recht gering.
Dies ist am ehesten auf das sogenannte „under reporting“ durch aktuell noch fehlende
zentrale Register zurückzuführen.
Abb. 1 Schematische Darstellung der aktuell gemeldeten BIA-ALCL Fallzahlen. a) Fallzahlen weltweit seit 2011. b) Fallzahlen in Deutschland seit 2007. c) Aufgliederung der Fallzahlen in Deutschland nach Implantathersteller, bei allen
Implantaten handelt es sich um texturierte Implantate. Alle Fallzahlen basieren auf
Angaben des BfArM nach schriftlicher Anfrage durch die DGPRÄC.
In einer weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind texturierte Implantate mit BIA-ALCL
assoziiert [23]. Im Gegensatz zu den in den USA in über 90 % der Fälle verwendeten glattwandigen
Implantaten, werden in Europa und Deutschland überwiegend Implantate mit texturierter
Oberfläche genutzt [3], [24]. Nach einer Häufung von Erkrankungsfällen bei Patientinnen mit texturierten Implantaten
der Firma Allergan, kam es im Dezember 2018 zu einem europaweiten Marktrückzug bestimmter
texturierter Allergan Brustimplantate, welcher im Juli 2019 zu einem weltweiten Marktrückzug
ausgeweitet wurde [18]. Ein expliziter Rückruf mit Austausch der Implantate erfolgte jedoch nicht. Derzeit
sind entsprechend der Empfehlungen der DGPRÄC bei Allergan Implantat-Trägerinnen regelmäßige
Kontrollen und nur bei klinischem Verdacht auf BIA-ALCL Diagnostik und Therapie einzuleiten
[25]. Die DGPRÄC informiert Patientinnen seit vielen Jahren in einer speziellen Rubrik
über das Krankheitsbild (https://www.dgpraec.de/patienten/sonderthemen/alcl/).
Pathogenese
Das BIA-ALCL ist ein non-Hodgkin Lymphom der T-Zellreihe. Charakteristisch ist die
monoklonale CD-30 positive anaplastische Zellpopulation, welche ALK (anaplastic lymphoma kinase) negativ ist und eine variable Expression T-Zell spezifischer Marker zeigt [26]. Die Pathogenese ist bis heute weitestgehend ungeklärt. Diskutiert wird, dass die
Oberflächenbeschaffenheit und die chemische Zusammensetzung des Implantats eine chronische
Inflammation induzieren, welche die Lymphomentstehung fördert [27], [28], [29]. Des Weiteren wird vermutet, dass ein bakterieller Biofilm die chronische Inflammation
aufrechterhält. Die Oberflächenbeschaffenheit der Implantate steht dabei in direktem
Bezug zur bakteriellen Besiedelung des Implantats. Studien konnten eine vermehrte
bakterielle Besiedlung auf texturierten, im Vergleich zu glattwandigen Implantaten
nachweisen [30], [31]. Aktueller Literatur zufolge, sind sogar alle bisherigen BIA-ALCL Fälle nur bei
den Patientinnen aufgetreten, die zumindest einmal texturierte Implantate implantiert
hatten [24], [32], [33], [34]. Auch zwischen texturierten Implantaten unterscheidet sich die Ausprägung der Texturierung
und somit die Rauheit der Oberfläche [30], [35], was als Erklärung für die unterschiedlichen herstellerspezifischen Fallzahlen dienen
könnte. Mittlerweile sind auch zwei Fälle von ALCL nach Glutealaugmentation mit texturierten
Silikonimplantaten beschrieben [36], [37], sodass möglicherweise von einer implantatinduzierten Neoplasie auszugehen ist,
die unabhängig von der Lokalisation des Implantats auftreten kann.
Algorithmus zur Diagnostik
Algorithmus zur Diagnostik
Patientinnen stellen sich typischerweise 8–10 Jahre, aber mindestens 1 Jahr nach Brustimplantatversorgung
mit meist ein- oder auch beidseitigem Serom und einhergehender Schwellung, Asymmetrie
und Schmerzen vor, die nicht durch eine Infektion oder ein Trauma zu erklären sind.
Seltener kann sich das BIA-ALCL auch als tastbare Tumorzellmasse oder axilläre Lymphadenopathie
präsentieren [8], [34], [38]. Bei klinischem Verdacht sollte zunächst eine sonographische Untersuchung der Brust
oder Bildgebung mittels MRT erfolgen: Klar zu unterscheiden sind Fälle mit einem Flüssigkeitssaum
(> 5–10 ml) um das Implantat von solchen mit einer Tumormasse. Sonographisch wird
auch nach vergrößerten Lymphknoten gesucht. Besteht sonographisch ein Flüssigkeitssaum
um das Implantat erfolgt eine sonographisch kontrollierte Feinnadelaspirationszytologie
(engl. Fine-needle aspiration cytology; FNAC) von bestenfalls zumindest 50 ml pro Biopsie. Bei soliden Tumoren erfolgt je
nach Tumorgröße eine Feinnadelbiopsie oder Exzisionsbiopsie. Anschließend werden die
Präparate pathologisch aufbereitet. Zunächst werden Standardfärbung wie H & E, Papanicolaou
oder May-Grünwald-Giemsa im Ausstrichpräparat und Zytoblock angewandt und die Zellmorphologie
beurteilt. Morphologisch zeichnen sich die neoplastischen Zellen beim BIA-ALCL durch
mittelgroße bis große atypische Zellen mit reichlich eosinophilem Zytoplasma, unregelmäßigen
Zellkernen mit prominenten Nukleoli aus. Die Zellen können exzentrische, nierenförmige
Kerne aufweisen oder mehrkernig sein und Reed-Sternberg-Zellen ähneln [39], [40]. In der Regel machen die neoplastischen Zellen bis zu 70 % der Gesamtzellzahl der
Seromflüssigkeit aus [26]. Anders als in vielen Publikationen beschrieben erfolgt bei Verdacht nicht automatisch
die immunohistochemische Färbung von CD30, da dies kein spezifischer BIA-ALCL Marker
ist und zu falsch-positiven Ergebnissen führen kann. Unser Vorgehen entspricht in
dieser Hinsicht einer kürzlich publizierten histopathologischen Übersichtsarbeit zum
BIA-ALCL von Jones et al. [26]. Nur wenn morphologisch auffällige und atypische Zellen erkannt werden, folgt zunächst
die immunhistochemische Abklärung, zuerst mit CD30 und bei Bedarf mit CD68 oder CD163.
Erst bei weiterbestehendem Verdacht sollten im Rahmen der Diagnosesicherung immunhistochemische
Marker wie ALK, CD 2, CD 3, CD 4, CD 5, CD 7, CD 8, CD 45 untersucht und letztlich
eine T-Zell Klonalitätsanalyse durchgeführt werden. Sofern ein BIA-ALCL diagnostiziert
wird, erfolgt durch den behandelnden Arzt die Meldung an das BfArM, den Hersteller,
die FDA, das PROFILE Register der ASPS und die DGPRÄC.
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im Brustzentrum zwischen Plastischen Chirurgen,
Gynäkologen, Haematoonkologen, Pathologen, Radiologen und Strahlentherapeuten ist
fortan immanent wichtig, um das weitere Vorgehen für die individuelle Patientin zu
planen. Die Ausbreitungsdiagnostik wird mittels PET-CT durchgeführt [41], um beispielsweise eine Infiltration in Lymphknoten oder Thoraxwand zu erkennen.
Ebenfalls erfolgen laborchemische Untersuchungen, die Bestimmung von Blutbild und
Differenzialblutbild sowie ggf. eine Knochenmarkspunktion bei V. a. systemische ALCL,
oder bei Patienten mit aggressivem Lokalbefund und Lymphknotenmetastasierung. [
Abb. 2
] fasst schematisch das relevante diagnostische und therapeutische Vorgehen zusammen.
Abb. 2 Schematische Vorgehensweise bezüglich Diagnostik und Therapie bei Verdacht auf BIA-ALCL.
(basierend auf Daten aus [34], [43])
Eine Stadieneinteilung erfolgt nach dem Tumorausmaß, der Lymphknoteninfiltration und
Fernmetastasierung, entsprechend der erstmalig 2016 vom MD Anderson Cancer Center
vorgeschlagenen TNM-Klassifizierung [10]. Entscheidend ist dabei vor allem die Infiltration der Kapsel um das Implantat und
das Vorliegen von Zellaggregaten [42], [43]. [
Abb. 3
] zeigt die schematische TNM-Einteilung inklusive Staging. Wichtig ist, dass die Erkrankung
bis T3 auf die Kapsel begrenzt ist und bei Infiltration über die Kapsel hinaus bereits
ein T4 Tumor klassifiziert wird.
Abb. 3 TNM Tumorklassifikation und Staging bei BIA-ALCL. (basierend auf Daten aus [34] und [10])
Therapeutisches Vorgehen
Die Therapie erfolgt bei uns ausgehend von den 2019 erschienenen NCCN Consensus Guidelines
zum BIA-ALCL von Mark W. Clemens et al. [34]. Im Vordergrund steht die radikale chirurgische Therapie mit Implantatentfernung
und vollständiger Kapsulektomie, sowie Exzision ggf. vorhandener Tumorzellmassen.
Hierbei ist penibel darauf zu achten, die Kapsel nicht zu verletzen. Je nach Ausmaß
des Tumors (in den Stadien T4), muss eine Ausweitung der Resektionsgrenzen erfolgen.
Hierbei sollte das Vorgehen mit der Patientin und den vorhandenen operativen Ressourcen
abgestimmt werden. Wenn aufgrund einer Infiltration der Thoraxwand, oder großer kutaner
Anteile, eine ausgedehnte Resektion notwendig ist, wird die Anbindung an eine große
plastisch-rekonstruktive Klinik dringend empfohlen. Eine Fadenmarkierung ist für die
im Anschluss erfolgende histopathologische Untersuchung und mögliche Nachresektionen
zwingend erforderlich. Kapsel und Implantat sollten der Pathologie unversehrt übergeben
werden. Solide Tumoren sollten zusätzlich falls vorhanden entfernt und mit Orientierungsfäden
versehen werden. Aktuell wird keine klare Aussage bezüglich Sicherheitsabständen oder
der Empfehlung zur Sentinel-Lymphknotenbiopsie ausgesprochen [34]. Da in 2–4 % der Fälle ein bilaterales BIA-ALCL beschrieben ist, sollte mit der
Patientin der prophylaktische Implantatwechsel inklusive Kapsulektomie auf der Gegenseite
im gleichen Eingriff diskutiert werden [34].
Aus den Arbeiten von Clemens et al. (2016, 2019) geht hervor, dass die Rezidivrate
nach vollständiger chirurgischer Resektion stadienabhängig in den Stadien T1–3 bei
0 %, im Stadium T4 jedoch bei 14,3 % liegt [10], [34]. Lokalrezidive treten dabei am häufigsten nach unvollständiger Resektion oder partieller
Kapsulektomie auf.
Für fortgeschrittene Stadien und disseminierten Lymphknotenbefall fehlen klinische
Studien im Hinblick auf die Wirksamkeit von adjuvanter Therapie. Diese richtet sich
beim BIA-ALCL an den Therapieprotokollen von primär kutanem oder systemischem ALCL.
Als adjuvante Therapie wird in fortgeschrittenen Stadien mit Lymphknotenbefall eine
systemische Chemotherapie entsprechend der ECHELON II Studie mit Anthrazyklinen und
Brentuximab Vedotin empfohlen [34]. Eine Radiotherapie mit 24 bis 36 Gray wird bei Lokalrezidiven, nicht-resektablem
Tumor oder nicht-tumorfreien Resektionsrändern empfohlen [34]. Follow-Up Untersuchungen erfolgen alle 3 bis 6 Monate für die ersten 2 Jahre, danach
entsprechend des klinischen Befunds. Eine Kontrastmittel-CT oder PET-CT Untersuchung
sollte alle 6 Monate für 2 Jahre erfolgen [34].
Die durchschnittliche 5-Jahres-Überlebensrate beträgt unterschiedlichen Studie zufolge
über 90 % [10], [34], [44]. Das systemische ALK-negative ALCL, welches 2 % bis 3 % aller Non-Hodgkin-Lymphome
ausmacht, hat im Gegensatz dazu eine wesentlich schlechtere Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate
von etwa 20 % bis 50 % [45], [46], [47]. Das BIA-ALCL kann zwar disseminieren, bleibt jedoch in der Regel indolent, so dass
die Unterscheidung vom de-novo-systemischem ALK-negativem ALCL wesentliche prognostische
Implikationen hat.
Bislang fehlen gerichtliche Präzedenzfälle, die die Kostenfrage von Diagnostik und
Behandlung bei Auftreten von BIA-ALCL nach ästhetischer Brustaugmentation als Selbstzahler
abschließend klären. Wie bei allen ästhetischen Eingriffen gilt nach aktueller Gesetzeslage,
dass wenn sich gemäß Paragraph 52 Absatz (2) Sozialgesetzbuch V „[…] Versicherte eine
Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation […] zugezogen
[haben], hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten
zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise
zu versagen oder zurückzufordern“ [48].
Fallbeispiel: Vorgehen bei klinischem Verdacht auf BIA-ALCL
Fallbeispiel: Vorgehen bei klinischem Verdacht auf BIA-ALCL
Eine 47-jährige Patientin stellte sich 10 Jahre nach ästhetischer Mammaugmentation
alio loco mit texturierten Implantaten der Firma Allergan in unserer plastisch-chirurgischen
Sprechstunde vor. Sie klagte über einseitige Schmerzen in der rechten Brust. In der
klinischen Untersuchung fiel eine Kapselfibrose im Baker Stadium III auf. Die Brust
tastete sich verhärtet und eine beginnende Verformung war sichtbar. Sonographisch
zeigte sich ein Flüssigkeitssaum um das Brustimplantat. In der FNAC konnten 50 ml
Serom zur histopathologischen Untersuchung gewonnen werden. Die Kollegen der Pathologie
wurden bezüglich des Verdachts auf BIA-ALCL informiert. In der histopathologischen
Untersuchung konnte der Verdacht auf BIA-ALCL jedoch aufgrund der Zellmorphologie
nicht bestätigt werden. In dem Serom wurden Lymphozyten, Makrophagen und polymorphe
neutrophile Granulozyten dargestellt, sodass am ehesten von einem reaktiven Serom,
ohne atypische Zellen, im Rahmen der Kapselfibrose auszugehen war. Aufgrund des schmerzhaften
Lokalbefunds empfahlen wir der Patientin dennoch einen Implantatwechsel mit Kapsulektomie.
[
Abb. 4
] zeigt das vollständig und in toto entfernte Brustimplantat inklusive der umhüllenden
Kapsel. Das Implantat lässt sich vollständig aus der Kapsel schälen, intrakapsulär
zeigen sich dabei Ansammlungen von verdächtigen Zellnestern ([
Abb. 4c
]). Die histopathologische Untersuchung und immunhistochemische Färbung (CD30, ALK)
konnte jedoch ein BIA-ALCL endgültig ausschließen.
Abb. 4 Fallbeispiel einer Patientin mit Verdacht auf BIA-ALCL. a) Befund nach en bloc Resektion von Implantat und Kapsel. b) Eröffnen der Kapsel und herauslösen des Implantats. c) Vereinzelte auffällige Zellnester im Bereich der Kapsel sichtbar. d) Komplette Entfernung der Kapsel vom Implantat vor Einsendung zur histopathologischen
Untersuchung.
Schlussfolgerung
Bei Verdacht auf das Vorliegen eines BIA-ALCL gilt es strukturiert und organisiert
vorzugehen. Der in diesem Manuskript beschriebene Algorithmus zur Diagnostik und Therapie
fasst unsere Vorgehensweise entsprechend der aktuellen Literaturlage zusammen. Wichtig
ist, dass alle relevanten Fachabteilungen frühzeitig informiert und involviert werden
und ein interdisziplinäres Diagnose- und Behandlungskonzept vorliegt. Die plastisch-chirurgische
totale Resektion von Kapsel, Implantat und ggf. vorhandenen Tumorzellmassen steht
bei der Therapie im Vordergrund. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das BIA-ALCL
zwar weiterhin als sehr seltene Erkrankung anzusehen ist, aber auf Grund der Verantwortung
für die Patientensicherheit ein kompetentes Aufklärungs-, Diagnose und Behandlungskonzept
vorliegen sollte.