Die 8 Kohortenstudien stammten aus den Jahren 1886 – 2011 und schlossen insgesamt
5 726 692 Patienten mit einer atopischen Dermatitis im Alter von 15 – 58 Jahren ein.
Die Beobachtungszeit lag zwischen 5 und 42 Jahren. An den Fall-Kontroll-Studien nahmen
114 136 Erkrankte teil (Studienperiode 1956 – 2014, Patientenalter 3 – 69 Jahre).
Die meisten Autoren untersuchten den Zusammenhang zwischen zentralnervösen Tumoren
und hämatologischen Neoplasien. 7 Untersuchungen enthielten ausschließlich pädiatrische
Fälle. Die gepoolten Resultate der Kohortenstudien ohne substanzielle Heterogenität
ergaben Risikosteigerungen für
-
keratinozytäre Karzinome (SIR 1,46; 95 %-KI 1,20 – 1,77),
-
Nierenzellkarzinome (SIR 1,86; 95 %-KI 1,14 – 3,04),
-
Tumoren des zentralen Nervensystems (SIR 1,81; 95 %-KI 1,22 – 2,70) und
-
Pankreaskarzinome (SIR 1,90; 95 %-KI 1,03 – 3,50).
In den Fall-Kontroll-Studien bestanden davon abweichende Risikowerte. Für definierte
Tumorentitäten ergab sich bei Patienten mit einer atopischen Dermatitis eine geringere
Erkrankungswahrscheinlichkeit für
-
Tumoren des zentralen Nervensystems (OR 0,76, 95 %-KI 0,70 – 0,82),
-
Pankreaskarzinome (OR 0,81; 95 %-KI 0,66 – 0,98) und
-
Karzinome von Lunge und Atemwegen (OR 0,61; 95 %-KI 0,45 – 0,82).
In den Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien bestätigten sich weitere Assoziationen
nicht. Gepoolte Risikoschätzungen lagen für Mamma- und kolorektale Karzinome, Kopf-Hals-Tumoren,
urogenitale Karzinome bei Männern, multiple Myelome und Melanome vor. Bei 3 Kohorten-Studien
und 10 Fall-Kontroll-Studien bestand ein hohes Risiko für eine Datenverzerrung. Die
Assoziation von atopischer Dermatitis und keratinozytären Karzinomen führte u. a.
zu 3 pathophysiologischen Überlegungen. 1. Patienten mit einer atopischen Dermatitis
können einen Verlust des Filaggrin-Gens aufweisen. Auffälligkeiten von Filaggrin steigern
die Sensitivität für UV-induzierte Hautschädigungen, und Patienten mit Filaggrin-Mutationen
erkranken häufiger an einer aktinischen Keratose. 2. Ein dysfunktionelles Immunsystems
als Ursache der Assoziation kann durch die atopische Dermatitis selbst bedingt sein,
aber auch in Zusammenhang mit einer immunologisch aktiven Therapie stehen. 3. Diskutiert
wird auch ein gesteigerter Zellumsatz durch die chronische Entzündung mit einem erhöhten
Entartungsrisiko.
Bei der atopischen Dermatitis bestanden Risikosteigerungen für keratinozytäre und
Nierenzellkarzinome. Für einige Entitäten ergaben sich protektive Effekte. Die Autoren
erwähnen hyperreaktive T2-Helferzellen bei einer Atopie, die möglicherweise die Identifizierung
und Clearance von Karzinomzellen begünstigen. Auch IgE könnte als Trigger für antionkogene
Immunantworten bedeutsam sein. Studien mit definierten Kriterien für die Diagnose
atopische Dermatitis, der Adjustierung von Einflussvariablen und dem Einschluss der
Therapie sind erforderlich, so die Autoren.
Dr. med. Susanne Krome, Melle