Aktuelle Dermatologie 2020; 46(04): 134-135
DOI: 10.1055/a-1104-2670
Derma-Fokus

Atopische Dermatitis: gesteigertes und reduziertes Tumorrisiko in Abhängigkeit vom Karzinomtyp

Wang L. et al.
Noncutaneous and Cutaneous Cancer Risk in Patients With Atopic Dermatitis.

JAMA Dermatol 2019;
DOI: 10.1001/jamadermatol.2019.3786.
 

    Bei der atopischen Dermatitis könnte die permanente Immunstimulation eine Karzinomentwicklung begünstigen. Gleichzeitig ist eine gesteigerte körpereigene Tumorabwehr denkbar. Bisherige Studien kamen zu konfliktiven Ergebnissen. Das Review mit 8 Kohorten- und 48 Fall-Kontroll-Studien ergab unterschiedliche Risikokonstellationen für kutane und nicht kutane Karzinome.


    #

    Die 8 Kohortenstudien stammten aus den Jahren 1886 – 2011 und schlossen insgesamt 5 726 692 Patienten mit einer atopischen Dermatitis im Alter von 15 – 58 Jahren ein. Die Beobachtungszeit lag zwischen 5 und 42 Jahren. An den Fall-Kontroll-Studien nahmen 114 136 Erkrankte teil (Studienperiode 1956 – 2014, Patientenalter 3 – 69 Jahre). Die meisten Autoren untersuchten den Zusammenhang zwischen zentralnervösen Tumoren und hämatologischen Neoplasien. 7 Untersuchungen enthielten ausschließlich pädiatrische Fälle. Die gepoolten Resultate der Kohortenstudien ohne substanzielle Heterogenität ergaben Risikosteigerungen für

    • keratinozytäre Karzinome (SIR 1,46; 95 %-KI 1,20 – 1,77),

    • Nierenzellkarzinome (SIR 1,86; 95 %-KI 1,14 – 3,04),

    • Tumoren des zentralen Nervensystems (SIR 1,81; 95 %-KI 1,22 – 2,70) und

    • Pankreaskarzinome (SIR 1,90; 95 %-KI 1,03 – 3,50).

    In den Fall-Kontroll-Studien bestanden davon abweichende Risikowerte. Für definierte Tumorentitäten ergab sich bei Patienten mit einer atopischen Dermatitis eine geringere Erkrankungswahrscheinlichkeit für

    • Tumoren des zentralen Nervensystems (OR 0,76, 95 %-KI 0,70 – 0,82),

    • Pankreaskarzinome (OR 0,81; 95 %-KI 0,66 – 0,98) und

    • Karzinome von Lunge und Atemwegen (OR 0,61; 95 %-KI 0,45 – 0,82).

    In den Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien bestätigten sich weitere Assoziationen nicht. Gepoolte Risikoschätzungen lagen für Mamma- und kolorektale Karzinome, Kopf-Hals-Tumoren, urogenitale Karzinome bei Männern, multiple Myelome und Melanome vor. Bei 3 Kohorten-Studien und 10 Fall-Kontroll-Studien bestand ein hohes Risiko für eine Datenverzerrung. Die Assoziation von atopischer Dermatitis und keratinozytären Karzinomen führte u. a. zu 3 pathophysiologischen Überlegungen. 1. Patienten mit einer atopischen Dermatitis können einen Verlust des Filaggrin-Gens aufweisen. Auffälligkeiten von Filaggrin steigern die Sensitivität für UV-induzierte Hautschädigungen, und Patienten mit Filaggrin-Mutationen erkranken häufiger an einer aktinischen Keratose. 2. Ein dysfunktionelles Immunsystems als Ursache der Assoziation kann durch die atopische Dermatitis selbst bedingt sein, aber auch in Zusammenhang mit einer immunologisch aktiven Therapie stehen. 3. Diskutiert wird auch ein gesteigerter Zellumsatz durch die chronische Entzündung mit einem erhöhten Entartungsrisiko.

    Fazit

    Bei der atopischen Dermatitis bestanden Risikosteigerungen für keratinozytäre und Nierenzellkarzinome. Für einige Entitäten ergaben sich protektive Effekte. Die Autoren erwähnen hyperreaktive T2-Helferzellen bei einer Atopie, die möglicherweise die Identifizierung und Clearance von Karzinomzellen begünstigen. Auch IgE könnte als Trigger für antionkogene Immunantworten bedeutsam sein. Studien mit definierten Kriterien für die Diagnose atopische Dermatitis, der Adjustierung von Einflussvariablen und dem Einschluss der Therapie sind erforderlich, so die Autoren.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


    #

    Publication History

    Article published online:
    06 April 2020

    © Georg Thieme Verlag KG
    Stuttgart · New York