„Damit können wir die Auswirkungen nosokomialer Infektionen auf die Gesundheit der
Bevölkerung genauer abbilden und verlässlichere evidenzbasierte Grundlagen für Maßnahmen
bereitstellen“, betont Lothar H. Wieler, Präsident des RKI. Die Studie entstand in
Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von
Krankheiten und dem Nationalen Referenzzentrum für die Surveillance nosokomialer Infektionen
an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift
Eurosurveillance (46/2019) erschienen.
Die in der neuen Studie geschätzte Zahl der nosokomialen Infektionen in Deutschland
liegt bei 400 000 bis 600 000 pro Jahr und damit im Bereich vorheriger Hochrechnungen.
Die Zahl der Todesfälle kann durch die weiterentwickelte Methodik verlässlicher erfasst
werden und liegt jetzt bei 10 000 bis 20 000.
Der Anteil der Patienten, die während eines Krankenhaus-Aufenthaltes eine Infektion
bekommen, ist in Deutschland mit rund 3,6 % niedriger als im EU-Durchschnitt (5,5 %).
Betrachtet man aus Public-Health-Sicht die Krankheitslast auf Bevölkerungsebene, ergibt
sich ein anderes Bild. Bezogen auf die Bevölkerung liegt Deutschland bei der Zahl
der Infektionen und Todesfälle sowie der Krankheitslast (DALY) über dem europäischen
Schnitt. So erkranken hierzulande jährlich 500 bis 650 Patienten pro 100 000 Einwohner
an einer nosokomialen Infektion, im EU Durchschnitt sind es 450 bis 500 Erkrankte
pro 100 000 Einwohner. Derartige Zahlen können nicht isoliert betrachtet werden, bei
einem Vergleich müssen die unterschiedlichen Gesundheitssysteme in den europäischen
Ländern mitberücksichtigt werden.
Eine wesentliche Ursache für die höhere Krankheitslast in Deutschland ist die größere
Zahl an stationär behandelten Patienten und Krankenhausbetten. Deutschland hat in
Europa die höchste Anzahl an Krankenhausbetten und die zweithöchste Anzahl an Krankenhauspatienten
pro 1 000 Einwohner und Jahr. „Eine Reduktion vermeidbarer Krankenhausaufenthalte
sind daher zusammen mit einer effektiven Infektionskontrolle und -prävention wichtige
Schritte, um die Krankheitslast zu verringern“, unterstreicht Lothar Wieler.
Die Wissenschaftler haben für die neue Studie 5 Infektionen betrachtet, die fast 80 %
der im Krankenhaus erworbenen Infektionen ausmachen, Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen,
Wundinfektionen, Clostridium difficile-Infektionen und Blutstrominfektionen. Die Daten
stammen aus der sogenannten Punktprävalenzstudie 2011/2012 des Nationalen Referenzzentrums.
[1] Benedikt Zacher et al: Application of a new methodology and R package reveals
a high burden of healthcare-associated infections (HAI) in Germany compared to the
average in the European Union/European Economic Area, 2011 to 2012 www.eurosurveillance.org (Ausgabe 46 vom 14.11.2019)
Nach einer Mitteilung des Robert Koch-Instituts