Unter inzwischen altbewährter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie
fand am Freitag, dem 11. Oktober 2019, von 11:00 bis 15:00 Uhr in der Deutschen Parlamentarischen
Gesellschaft, Berlin, der Welt-Thrombose-Tag statt.
Zentrales Thema dieses Jahr war die ambulante Behandlung der Lungenembolie.
Alte Zöpfe abschneiden – Lungenembolie ambulant behandeln?
Alte Zöpfe abschneiden – Lungenembolie ambulant behandeln?
Lungenembolie-Patienten können heute unter bestimmten Voraussetzungen ambulant behandelt
werden. Damit das klappt, muss die Kommunikation zwischen den Sektoren reibungslos
und rasch funktionieren, z. B. mithilfe eines intersektoralen Behandlungspfades.
Berlin, 28. Oktober 2019 – es geht nur um 3 oder 4 Tage, aber die sorgten für reichlich
Diskussion. Vertreter des Aktionsbündnisses Thrombose trafen sich mit Experten anlässlich
des 6. Welt-Thrombose-Tages am 11. Oktober 2019 in Berlin, um sich darüber auszutauschen,
wie eine qualitätsgesicherte ambulante Behandlung von Patienten mit Lungenembolie
und einem geringen Letalitätsrisiko aussehen könnte.
Der Hintergrund: Durch moderne Antikoagulationsschemata können Patienten frühzeitig
aus dem Krankenhaus entlassen werden oder sogar primär ambulant behandelt werden –
vorausgesetzt, das Risiko eines Patienten wird bereits in der Frühphase zuverlässig
abgeschätzt. Eine kürzlich erschienene Studie belegt, dass bis zu 30 % der Patienten
von diesen neuen Erkenntnissen – die inzwischen auch Eingang in die Leitlinien der
Europäischen Kardiologischen Fachgesellschaft (ESC) und der Europäischen Pneumologischen
Fachgesellschaft gefunden haben – profitieren könnten.
Lungenembolien: steigende Fallzahlen und geringes Problembewusstsein
Lungenembolien: steigende Fallzahlen und geringes Problembewusstsein
Für die Patienten sind das gute Nachrichten. Obwohl die Zahl der Lungenembolien insgesamt
zunimmt, ist nicht jede Lungenembolie so schwerwiegend, dass sie über mehrere Tage
im Krankenhaus behandelt werden muss. Diese Patienten können früh nach Hause entlassen
werden. „Zwischen 20 und 40 % mehr Lungenembolien werden heute europaweit diagnostiziert
im Vergleich zum Jahr 2000“, berichtete Professor Stavros Konstantinides, Professor
für Klinische Studien und Ärztlicher Direktor am Centrum für Thrombose und Hämostase
der Universitätsmedizin Mainz. „Dies ist unter anderem der Alterung der Gesellschaft
geschuldet. Die frühe Letalitätsrate, d. h. das Risiko, innerhalb der ersten Tage
an einer Lungenembolie zu versterben, nimmt aber insgesamt erfreulicherweise ab.“
Dennoch wird die venöse Thromboembolie in der Bevölkerung unterschätzt. Professor
Rupert Bauersachs, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Thrombose und Direktor für Gefäßmedizin
am Klinikum Darmstadt: „Das Aktionsbündnis Thrombose ist auch deswegen gegründet worden,
weil sich insgesamt immer noch mehr Menschen davor fürchten, an Brust- oder Prostatakrebs,
HIV oder an den Folgen eines Verkehrsunfalls zu sterben als an einer venösen Thromboembolie.
Dabei ist in der EU 1 von 10 Todesfällen einer Thrombose geschuldet. Der Aufklärungsbedarf
ist immens hoch.“
Doch wie muss die ambulante Weiterbehandlung für diese Patienten aussehen? Dr. Franziska
Diel, Dezernentin Versorgungsqualität, Kassenärztliche Bundesvereinigung, stellte
heraus: „Es handelt sich hierbei nicht um eine explizit neue Leistung. Die ambulante
Versorgung nach einer Lungenembolie ist klassische Nachsorge, bei der es um eine Überwachungs-
und Kontrollfunktion geht.“ Im Übrigen wird die Lungenembolie in der Nachsorge bereits
heute zu rund 50 % von Hausärzten, Allgemeinmedizinern und hausärztlichen Internisten
und zu 30 % von Fachärzten behandelt.
Dr. Diel betonte aber auch, dass es darum gehe, wie die ambulante Weiterbehandlung
„in guter Kooperation erfolgen könne.“ Auch Prof. Dr. Hans Martin Hoffmeister, Präsident
des Berufsverbandes Deutscher Internisten, betrachtet die Sektorengrenzen als Hindernis
in der Versorgung von ambulanten Lungenembolien, „und weniger die Kenntnis der entsprechenden
Leitlinien“.
Wasser in den Wein goss Prof. Dr. Bertram Häussler, Vorsitzender der Geschäftsführung
des IGES-Instituts. Er sehe viele Arztpraxen noch nicht vorbereitet auf die ambulante
Weiterbehandlung von Lungenembolien. „Die Arztpraxen müssen im Rahmen dieser vorgezogenen
Therapie sehr flexibel agieren. Ein Teil dieser Praxen ist organisationstechnisch
und auch von den Managementabläufen darauf nicht vorbereitet.“
Intersektorale Kommunikation ist Grundvoraussetzung
Intersektorale Kommunikation ist Grundvoraussetzung
Dagegen sieht Professor Konstantinides stärker die Krankenhäuser in der Pflicht. Kernpunkt
der ambulanten Behandlung sei das Entlassmanagement. Beispielsweise müsse der Arztbrief
unmittelbar an den niedergelassenen Arzt geschickt werden und nicht mit einer Verzögerung
von mehreren Tagen oder gar Wochen. Auch die elektronische Patientenakte (ePA) verspricht
keine Lösung für eine rasche Übermittlung der Krankheitsdaten. „Allein auf die ePA
können sich die behandelnden Ärzte derzeit nicht verlassen, weil die Patienten entscheiden,
was in ihr abgelegt wird. Wir brauchen eine Fallakte für die innerärztliche Kommunikation,
in der alles enthalten ist“, so Dr. Diel. „Voraussetzung bei der ambulanten Behandlung
der Lungenembolie ist sicherlich ein intersektoraler Behandlungspfad.“
Professor Häussler setzt ebenfalls auf digitales Management. Dies sei gerade bei den
Antikoagulantien besonders wichtig. Ein reibungsloser Datenabfluss helfe dabei, dass
die Patienten ihre Medikamente rasch erhalten.
Die Preisträgerin des diesjährigen Rudolf-Virchow-Preises, Dr. Mareike Lankeit von
der Charité-Universitätsmedizin Berlin, gibt zu bedenken, dass das Entlassmanagement
nicht alles leisten könne. Bei der akuten Lungenembolie handele es sich um ein heterogenes
Patientenkollektiv und auch die Risikoabschätzung, wie lange ein Patient stationär
bleiben müsse, sei komplexer Natur. Insgesamt komme auf die niedergelassenen Kollegen
bei der ambulanten Nachsorge von Lungenembolien mehr Arbeitsbelastung zu; auch hier
müsse man abwarten, ob sie die Kapazitäten hätten, das zu leisten, resümiert Professor
Konstantinides.
Wie kann die ambulante Behandlung von Lungenembolie qualitätsgesichert gelingen?
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Entwicklung eines intersektoralen Behandlungspfades
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digitaler Datentransfer
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Veröffentlichung von Patienteninformationen
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Peer-Reviews in Qualitätszirkeln
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Awareness des Themas durch Berichterstattung im Deutschen Ärzteblatt
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Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten von Krankenkassen zur Entwicklung
ambulanter Qualitätsindikatoren
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Versorgungsforschung
Verantwortlich für Mitteilungen der DGP:
Dr. med. Erika Mendoza