Epidemiologie
Der Riesenzelltumor des Knochens ist ein intermediär maligner, d. h. lokal aggressiver,
aber selten metastasierender Tumor (ICD-O: 9250 / 1) [1], [2]. Der Anteil des RZTK an der Gesamtheit der primären Knochentumoren liegt bei etwa
4–10 %, zugleich macht er ca. 20 % aller benignen Knochentumoren aus [3]. Sein Inzidenzmaximum findet sich zwischen 20. und 55. Lebensjahr. Bei einem Verhältnis
im Bereich von 1 : 1,1 bis 1 : 1,5 ist die Wahrscheinlichkeit, einen RZTK zu entwickeln,
für Frauen etwas höher als für Männer. In der globalen Verteilung der Tumorentität
zeigen sich besonders in China und Südindien erhöhte Prävalenzen (bis zu 30 %), wofür
bisher keine Kausalität ausgemacht werden kann. Der RZTK tritt vornehmlich in meta-epiphysären
Regionen der langen Röhrenknochen (75–90 %) auf. Mit den Manifestationen von 23–30 %
aller RZTK-Fälle am distalen Femur und 20–25 % an der proximalen Tibia ist die häufigste
Lokalisation eines RZTK der Bereich des Kniegelenks (50–65 %). Weitere Prädilektionsstellen
sind das distale Ende des Radius (10–12 %), das Sakrum (4–9 %) und der proximale Humerus
(4–8 %). Von Metastasen ist zumeist die Lunge betroffen (2–5 % der RZTK-Fälle), wobei
in der Regel Metastasen allein nicht mit einem malignen Verlauf gleichgesetzt werden
können. Aufgrund des langsamen Wachstums und guter chirurgischen Zugangsmöglichkeiten
sind Lungenmetastasen in bis zu 70 % der Fälle mit einer guten Prognose verbunden
[4]. Sehr selten ist eine primäre Malignität des RZTK, wohingegen sekundär maligne RZTK
häufiger sind und zumeist nach einer Strahlentherapie beschrieben wurden [5]–[7].
Symptomatik
Die Symptomatik des RZTK erweist sich als unspezifisch und lokalisationsabhängig.
Daher ist das Tumorwachstum zum Diagnosezeitpunkt häufig lokal fortgeschritten [2]. Die Erkrankung kann sich durch Schmerzen, lokale Schwellungen oder Beweglichkeitseinschränkungen
von betroffenen Gelenken äußern. Etwaige Schmerzen charakterisieren sich durch lange
zeitliche Persistenz, langsamen Progress sowie Abnahme in Ruhe. Ein akuter Schmerzbeginn
kann die Konsequenz einer pathologischen Fraktur sein. Diese ist bei etwa 10–12 %
der Patienten die primäre Erscheinung der Erkrankung [3], [4].
Diagnostik
Besteht der klinische Verdacht auf einen RZTK, eignen sich zunächst bildgebende Methoden
wie das konventionelle Röntgenbild oder zur weiterführenden Bildgebung die Magnetresonanztomographie.
Zur Beurteilung von kortikalen Ausdünnungen und pathologischen Frakturen wird die
native Computertomographie herangezogen. Im Röntgenbild kennzeichnet sich der RZTK
durch eine geschlossene, osteolytische Läsion in exzentrischer Lage mit einem gut
definierten nichtsklerotischen Randsaum [4], [8].
Das diagnostische Mittel der Wahl ist die Biopsie zur Histologiegewinnung. Diese wird
in der Regel durch Inzision oder minimalinvasiv durchgeführt, mit Unterstützung von
radiologischen Verfahren wie Ultraschall oder Computertomographie [9]. Das so gewonnene Gewebe zeigt histologisch üblicherweise folgende Zellpopulationen
[1], [6]: zum einen die multinukleären, osteoklastären Riesenzellen, zum anderen monozytenartige
runde Zellen sowie die neoplastischen, H3F3A-mutierten, spindelförmigen Stromazellen und deren Vorläuferzellen [2], [10], [11]. Die H3F3A-Mutation ist pathognomonisch für den RZTK und wird zu diagnostischen Zwecken mittels
Gensequenz-Analyse oder, heute gleichwertig, durch den Einsatz eines mutationsspezifischen
Antikörpers RM263 (der Firma RevMab Biosciences, San Francisco, CA, USA) auch an formalin-fixiertem
Material detektiert [12], [13]. Der Nachweis der H3F3A-Mutation ist hochcharakteristisch für diesen Tumor. Ausnahmen sind einzelne, ebenfalls
H3F3A-mutierte Osteosarkome, bei welchen in einer groß angelegten Studie in 6 von 106 Osteosarkomen
diese Mutation nachgewiesen werden konnte. Möglicherweise handelt es sich bei diesen
Osteosarkomen um eine besondere Subgruppe in Patienten über 30 Jahren, die in dieser
Studie ein differentes Methylierungsprofil im Vergleich mit H3F3A-Wildtyp Osteosarkomen zeigten. In dieser Studie konnte jedoch nicht mit letzter Sicherheit
geklärt werden, ob es sich möglicherweise um transformierte RZTK handelt, zumal diese
Sarkome häufiger epiphysär lokalisiert waren [14].
Therapie
Sofern eine Operabilität gegeben ist, gilt die chirurgische Entfernung des Tumors
als aktueller Goldstandard [15]. Abhängig von der Lokalisation und Größenausdehnung des RZTK sollte eine Kürettage
und Auffüllung des Defektes mit Polymethylmethacrylat (PMMA) oder eine totale Resektion,
bei Gelenkeinbruch kombiniert mit einem Gelenkersatz, durchgeführt werden. Hierbei
sind Resektionen, im Vergleich zur Kürettage, mit einem geringeren Rezidivrisiko bei
gleichzeitig schlechterem funktionellen Resultat und gesteigerter Morbidität vergesellschaftet
[2]. Aus diesem Grund bleiben Resektionen im Regelfall Tumoren mit aggressiven, extraossär
lokalisierten oder mehrfach rezidivierenden Verläufen vorbehalten [4]. Die häufigste chirurgische Intervention bei einem RZTK ist die Kürettage. Die Rezidivwahrscheinlichkeit
bei dieser Methode beträgt ca. 12–65 % [4]. Eine Senkung dieses hohen Rezidivrisikos kann durch Verwendung von Hochgeschwindigkeitsbohrern,
Wasserstoffperoxid-Instillation und PMMA-Zementierung erzielt werden [4], [16], [17]. Die PMMA-Auffüllung der Läsion im Rahmen einer Kürettage verbessert durch die mechanische
Unterstützung die frühe Mobilisierung des Patienten und erleichtert zudem die Früherkennung
von Lokalrezidiven in der Bildgebung [16], [18].
Indikationen für systemische Behandlungsverfahren ergeben sich sowohl bei Inoperabilität
als auch in Kombination mit chirurgischen Verfahren. Im Sinne eines neoadjuvanten
Ansatzes dienen sie dem präoperativen Down-Staging eines Befundes oder zur Unterstützung
des postoperativen Verlaufes [2]. Weiterhin sind in der systemischen Behandlung des RZTK Bisphosphonate und Interferon-α
(IFN-α) etabliert [2], [19]. Eine Strahlentherapie gilt aufgrund des beschriebenen erhöhten Risikos für Sekundärmalignome
als nicht mehr leitliniengerecht [4], [7], [20].
Pathophysiologie
Physiologischerweise werden Knochenresorption (durch Osteoklasten) und -formation
(durch Osteoblasten) grundsätzlich feinjustiert und überwacht. Die Osteoblasten regulieren
mittels der sezernierten Mediatoren Receptor-Activator-of-Nuclear-Factor-κappa-b-
(RANK-) Ligand und Osteoprotegerin (OPG) die Osteoklastentätigkeit. RANKL stimuliert
osteoklastäre Vorläuferzellen und reife Osteoklasten über deren membranständigen Rezeptor
RANK. Diese Stimulation führt zur Rekrutierung von Vorläuferzellen und zur Knochenresorption
durch Osteoklasten. Wichtig für einen regelhaften Knochenstoffwechsel ist das ausgewogene
Verhältnis von RANKL-bindenden Decoyreceptor (i. e. Köderrezeptor) OPG zu RANKL [21]. Kürzlich konnte zudem gezeigt werden, dass Osteoklasten über exosomen-ähnliche
Vesikel, mit auf der Oberfläche gebundenem RANK-Rezeptor an membranständigen RANKL
auf der Oberfläche von Osteoblasten binden können und so ein Feedback-Mechanismus
von Osteoklasten zu Osteoblasten möglich ist [22].
Im RZTK entwickelt sich durch eine paraneoplastische Überexpression von RANKL, verursacht
von neoplastischen, H3F3A-mutierten Stromazellen, ein pathologisches Ungleichgewicht in der RANK-RANKL-Achse
[23]. Die Wirkung von RANKL beschränkt sich nicht nur auf die Induktion von Osteolysen,
sondern ist möglicherweise auch ein entscheidender Faktor bei der Invasion und Migration
von Tumorzellen in dieser und anderen Entitäten [24]. Neben der oben beschriebenen Achse spielen weitere (hier beispielhaft aufgeführte)
Rezeptoren wie die Familie der Matrixmetalloproteinasen (MMPs) und deren Inhibitoren,
bezeichnet als Tissue-inhibitor-of-metalloproteinasen (TIMP), der Vascular-endothelial-growth-factor-Receptor
1 (VEGFR-1) sowie der Parathormonrezeptor 1, aber auch TNF-related-apoptosis-inducing-ligand
(TRAIL) und CD40 (die Tumornekrosefaktorrezeptor-Superfamilie 5) auf der Seite der
neoplastischen Stromazellkomponente und der Transforming-growth-factor-β- (TGF-β-)
Rezeptor 2, CD45 (die Rezeptor-Typ Tyrosin-Proteinphosphatase C), Tartrate-resistant-acid-phosphatase
(TRAP) und der Integrinrezeptor αvβ3 sowie der Östrogenrezeptor auf der osteoklastären
Zelle eine Rolle in der komplexen Interaktion zwischen neoplastischer Zelle und dem
die Osteolyse ausführenden Osteoklasten [10].
Histon 3.3 und die Mutation G34W
Histone sind intranukleäre Oktamer-Proteine, die in der Zellarchitektur für die platzsparende
Anordnung der DNA-Helices notwendig sind. Hierbei lassen sich vier Subgruppen differenzieren:
H1, H2, H3 und H4. Wie alle Proteine weisen auch die Histon-Oktamere einen N-Terminus
auf. Dieser ragt aus dem Oktamerkonstrukt heraus, sodass sich für bestimmte Enzyme
Bindungs- und Modifikationsmöglichkeiten ergeben. Zu diesen Modifikationen zählen
beispielsweise Methylierungen oder Acetylierungen, die in ihrer Komplexität zur Entstehung
eines sogenannten Histoncodes beitragen [25], [26]. Histone können von mehreren Genen kodiert werden, im Falle des Histons 3 sind das
die Gene H3F3A und H3F3B.
Die Charakterisierung einer für den RZTK pathognomonischen Mutation im H3F3A-Gen durch Flanagan et al. im Jahre 2013 ist von herausragender Bedeutung für eine
zuverlässige RZTK-Diagnostik. Mit einer Prävalenz von 92 % konnten Flanagan et al.
in 49 von 53 RZTK-Fällen diese Histonmutation nachweisen [11].
Die H3F3A-Mutation ist dem Wesen nach eine Punktmutation: Der Basenaustausch von Guanin durch
Thymin führt posttranslational zu einem Protein, in welchem an der 34. Stelle der
Aminosäuresequenz des Histons Tryptophan (W) anstatt Glycin (G) eingefügt wurde [11]. Besondere Bedeutung kommt dem Nachweis der Mutation zur differenzialdiagnostischen
Abgrenzung von anderen riesenzellhaltigen Läsionen, wie dem Chondroblastom, dem nicht
ossifizierenden Fibrom, der aneurysmatischen Knochenzyste und auch dem braunen Tumor
bei Hyperparathyreodismus, zu. Die Auswirkungen dieser Histonmutation sind zum aktuellen
Zeitpunkt nicht vollständig bekannt und werden nachfolgend diskutiert.
Lewis et al. weisen auf eine Rolle dieser Mutation bezüglich des Methylierungsgrades
der nächstgelegenen Aminosäurereste hin [27]. Diskutiert wird die Beeinflussung der Aminosäure Lysin an Position 36 im Histon
3. Dabei wird eine Dreifach-Methylierung des Lysins an Position 36 (H3K36me3) mit
DNA-mismatch-repair und Mikrosatelliteninstabilität in Verbindung gebracht [26], [28]. In diesem Zusammenhang konnten eine gehemmte Methyltransferase und nachfolgende
Modifikation des Genexpressionsmusters nachgewiesen werden [25]. In dieser konzeptionellen Fluchtlinie stehen Ergebnisse einer Expressionsstudie,
supplementiert mit einer Massenspektrometrie, in der auf eine Rolle von H3.3 in der
RNA-Prozessierung und der Chromatinmodulation hingewiesen wurde. Diese Prozesse erscheinen
durch die Mutation inhibiert [29]. In einem RNA-basierten Knock-down-Assay von H3F3A konnte eine Inhibition der Zellproliferation, der Migration und der Fähigkeit, Kolonien
zu bilden, in vitro nachgewiesen werden [30]. Durch eine genomweite Analyse der Tumorzellen, im Vergleich zu mesenchymalen Stammzellen
(MSC), wurde eine Gruppe von 174 differenziell exprimierten Genen identifiziert. Als
ein Zielgen konnte SPP1 (Osteopontin) bestimmt werden. Ein Knock-down dieses Gens induzierte in Zelllinien
des RZTK, im Gegensatz zu MSC, RUNX2 und Osteoprotegerin [31].
Denosumab
Nach einer Zulassung für die Therapie der Osteoporose erhielt die Firma Amgen im Jahre
2013 in den USA die Zulassung von Denosumab (Handelsname: XGEVA®) zur Behandlung von inoperablen RZTK [2], [19]. Die Dosierungsempfehlung rät zur Verabreichung von 120 mg Denosumab alle vier Wochen
(in den ersten drei Behandlungswochen wöchentlich) subkutan. Die Dosis für die Therapie
des RZTK ist damit um das bis zu 16-Fache höher als die entsprechenden Dosen für die
Therapie der Osteoporose. Denosumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG2-Antikörper
mit einem Molekulargewicht von 147 kDa. Die Halbwertszeit liegt bei 26 Tagen. Durch
die spezifische Bindung von RANKL, ähnlich der Funktion von OPG in einer physiologischen
Situation, ermöglicht Denosumab die Antagonisierung des pathologisch hohen RANKL im
RZTK und der übermäßigen Knochenresorption [24]. Unter der Denosumab-Therapie kommt es in RZTK zu einer Pathomorphose: Schon nach
wenigen Zyklen Denosumab sind die osteoklastären Riesenzellen sowie die neoplastischen
Stromazellen zahlenmäßig reduziert [12]. Es kommt zu einer Sklerosierung und Umstrukturierung des Knochens, die in einer
ausgeprägten Neubildung von Knochen mit vermehrten, jeweils H3F3A-negativen Osteoblasten und fibroblastoiden Zellen mündet [32].
Die präoperative Behandlung mit der daraus folgenden fortschreitenden Verknöcherung
des Tumors erschwert intraoperativ die makroskopische Abgrenzung zwischen physiologischem
Gewebe und Tumor. Das Risiko von in situ verbleibenden Tumorzellen scheint im Vergleich
zur Kürettage an nicht vorbehandelten RZTK mit einer erhöhten Rezidivrate einherzugehen
[33], [34]. Mögliche Nebenwirkungen, die durch Denosumab auftreten können, sind Rücken- und
Gliederschmerzen, Kieferosteonekrosen, Hypokalzämie, Hypophosphatämie sowie Anämien
[2], [19]. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität belegt, sodass von
einem Einsatz während der Schwangerschaft dringend abgeraten wird [35]. Schwere symptomatische Hypokalzämien, teils mit Todesfolge, hatten im Jahre 2012
einen Rote-Hand-Brief zur Folge [36]. Im Jahr 2015 wies ein Roter-Hand-Brief auf das Risiko von Kieferosteonekrosen hin
[37].
Nach der Zulassung von Denosumab zur Behandlung des RZTK in den USA wurden ab 2013
erste Fallberichte bekannt, die Malignome unter XGEVA® beschreiben. Dies führte zu einem Informationsschreiben des Herstellers im Jahre
2018. In diesem wurde eine gepoolte Analyse von vier Phase-III-Studien mit über 3600
Patienten je Behandlungsgruppe bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen vorgestellt.
Unter einmal monatlicher Gabe von 120 mg Denosumab traten bei 1,5 % der Patienten
Malignome auf, während in einer Patientengruppe, die mit einer Therapie mit dem Osteoklasten-hemmenden
Bisphosphonat Zoledronsäure behandelt worden war, in 0,9 % maligne Tumoren nachgewiesen
wurden [38]. Es gibt zusätzlich weitere Fallberichte, in denen RZTK-Patienten unter einer Denosumab-Therapie
ohne vorangegangene Strahlentherapie (Osteo-)Sarkome bildeten, wobei der Nachweis
des Sarkoms zwischen drei und 30 Monaten nach Denosumab-Therapie des RZTK lag [5], [39]–[41]. Dabei bleibt unklar, ob das Sarkom weiter die H3F3A-Mutation trägt oder ob es zu einer Malignisierung einer nicht H3F3A-mutierten Population in dem RZTK kommt. In eigenen Fällen konnten beide Möglichkeiten
beobachtet werden. Folglich ist es weiter ungeklärt, ob Denosumab einen promovierenden
Einfluss auf die Transformation der H3F3A-positiven neoplastischen Zelle hat oder ob sich ein Milieu ausbildet, das eine sekundäre
Malignisierung einer H3F3A-negativen Stromazelle begünstigt. RANKL stimuliert B- und T-Lymphozyten sowie dendritische
Zellen. Der Stimulationsverlust unter Denosumab-Therapie kann Immunsuppression und
maligne Transformation begünstigen [34], [42]. Mittels vergleichender Proteom-Analysen vor und nach Denosumab-Therapie konnten
mindestens 13 konsistent hochregulierte und 19 konsistent herabregulierte Proteine
identifiziert werden. Ein Teil dieser Proteine ist indirekt in dem RANK-RANKL-, aber
auch dem Matrixproteinase-Signalweg involviert. Die Aktivität der Metalloproteinase-9
im Gewebe war nach Denosumab-Therapie in dieser Studie signifikant herunterreguliert,
wobei In-situ-Analysen zeigen konnten, dass die residuellen Stromazellen weiter MMP-9
exprimierten. Ob es sich dabei um residuelle H3F3A-mutierte, neoplastische Zellen handelt, wurde nicht geklärt [43]. In einer weiteren In-vitro-Analyse von H3F3A-mutierten Stromazellen konnte gezeigt werden, dass die neoplastischen Zellen in Kurzzeitkulturen
kontinuierlich, wenn auch verlangsamt, weiter proliferieren. Zudem wurde belegt, dass
die neoplastischen Zellen unter der Denosumab-Behandlung deutlich weniger RANKL sezernierten.
Die Autoren weisen darauf hin, dass bei einem Zustand nach Denosumab-Therapie durch
die Knochenneubildung H3F3A-mutierte Tumorzellen in situ zurückbleiben, die sich nach Beendigung der Therapie
reaktivieren können [44]. Diese Befunde sind Argumente dafür, dass eine Denosumab-Gabe
letztlich als symptomatische Therapie zu sehen ist, deren Dauer bislang nicht klar
definiert wurde. Als Fazit wird jeweils gezogen, dass die Indikation zum Einsatz von
Denosumab beim RZTK kritisch gestellt werden sollte und eine engmaschige Überwachung
der Behandlung auch nach Therapieende essenziell ist [40]. Aus diesen Gründen erscheinen neue Therapieansätze wesentlich, die direkt die neoplastische
Stromazelle betreffen. Lübbehüsen et al. konnten zeigen, dass in vitro der WEE-1-Signalweg
in H3F3A-mutierten RZTK-Zelllinien konstitutiv aktiv ist und dass dieser spezifisch durch
den WEE-1-Kinaseinhibitor MK-1775 inhibiert werden kann. Der Effekt konnte in der
Kombination mit Gemcitabin verstärkt werden. Die Bestandteile des Signalweges waren
auch in situ nachweisbar und sind folglich als Biomarker für einen potenziellen Einsatz
der Inhibitoren vor Therapiebeginn im Gewebe überprüfbar [13].
Abb. 1 Bildgebung: Typisches Bild eines unbehandelten RZT als rein osteolytische Läsion
in der Metaepiphyse des distalen Femurs einer 28-jährigen Frau im CT ohne Kontrastmittel
(A) und MRT in der T1-Wichtung ohne Kontrastmittel (B). Röntgenkontrolle nach Kürettage
und Auffüllung mit Pallacos (C).Morphologie des RZT vor (D) und nach (E) Denosumab-Therapie.
Vor der Therapie stellt sich der RZT mit typischen Riesenzellen in einem spindelzelligen
Hintergrund dar; die Tumorzellen sind in einer Färbung mit dem H3F3A-mutationsspezifischen Antikörper RM263 nukleär positiv, die osteoklastären Riesenzellen
sind negativ (Insert). Diese stromalen Zellen sind die neoplastische Population des
RZT, die durch die erhöhte Sekretion von RANK-Ligand die Riesenzellen induzieren.
Unter Denosumab kommt es zu einem dramatischen Verlust der Riesenzellen und einer
Neoinduktion von Osteoid, während die H3F3A-mutierten Tumorzellen in diesem Fall an
den neugebildeten Osteoid persistieren (Insert; Maßstab = 50 µm).
Fazit und Ausblick
Der RZTK ist charakterisiert durch eine gesteigerte paraneoplastische Sekretion von
RANK-Ligand, die konsekutiv zu einer Verschiebung der Knochenhomöostase in Richtung
Knochenabbau durch induzierte, nicht neoplastische Osteoklasten führt. Er zeigt nahezu
exklusiv die Histonmutation G34 W im Histon 3.3; der Nachweis der Mutation hat die
Wertigkeit eines diagnostischen Markers. Erste Analysen der Mutation weisen auf eine
Rolle in der Chromatinmodulation hin, die durch diese Treibermutation gestört ist.
Ein zielgerichteter Therapieansatz ist der Einsatz von Denosumab, einem humanisierten
Antikörper, der den RANK-Ligand antagonisiert. Durch den Einsatz kommt es zu einer
Pathomorphose des Tumors mit gesteigerter Knochenneubildung. Nachgewiesene Sarkome
im Rahmen einer Denosumab-Therapie weisen auf eine mögliche promovierende Wirkung
auf die H3F3A-mutierten Stromazellen im Rahmen einer Transformation hin. Andere Untersuchungen
zeigen jedoch, dass möglicherweise auch die H3F3A- (G34W-) negativen Stromazellen transformieren können. Folglich sind weitere systematische
vergleichende Analysen des RZTK vor und nach Denosumab-Therapie, inklusive der nachgewiesenen
Sarkome, zwingend notwendig, um diese Biologie zu klären. So könnte ein Profil erstellt
werden, das erlaubt, eine mögliche Risikogruppe von Patienten zu identifizieren, die
potenziell unter Denosumab-Therapie ein Sarkom entwickeln.