Diel R.
et al.
Accuracy of whole-genome sequencing to determine recent tuberculosis transmission:
an 11-year population-based study in Hamburg, Germany.
Eur Respir J 2019;
54: 1901154
DOI:
10.1183/13993003.01154-2019
Dazu analysierten die Forscher Proben von 1175 Patienten mit TB, die in Hamburg leben
und in den Jahren 2005 – 2015 erfasst worden waren – das entspricht 92,3 % aller in
Kultur positiven Fälle in Hamburg in diesem Zeitraum. 904 Patienten hatten eine Lungen-TB,
267 eine extrapulmonale Erkrankung. Für alle Patienten standen mit Fragebögen erhobene
Daten zur Verfügung, die auch Rückschlüsse auf Übertragungsketten und Patientencluster
zuließen. Für die Genanalyse der Mycobacterium tuberculosis-Stämme setzten die Autoren
neben der klassischen Genotypisierung (IS6110 DNA-Fingerprint und 24-Lokus-MIRU–VNTR-Typisierung)
auch eine WGS ein. Die Clusterung der Patienten anhand der Bakterienstämme erfolgte
auf der Basis gleicher Genotypisierungsmuster und bei der WGS anhand der Gendistanzen
von 5 Einzelnukleotid-Polymorphismen (d5WGS). Die so gewonnenen Cluster wurden mit
den epidemiologisch bekannten Clustern abgeglichen.
Als Sensitivität der genetischen Methoden definierten die Wissenschaftler den Anteil
der geclusterten TB-Patienten, die auch epidemiologisch eine Verbindung aufwiesen.
Die Spezifität wurde definiert als der Anteil der nicht geclusterten Patienten, die
auch epidemiologisch keine Verbindung aufwiesen. Der positive prädiktive Wert (PPV)
bezeichnete den Prozentsatz der geclusterten Patienten, die eine epidemiologisch gesicherte
Transmission aufwiesen, der negative prädiktive Wert (NPV) den Prozentsatz der nicht
geclusterten Patienten unter denjenigen mit epidemiologisch bekannter Transmission.
Ergebnisse
Epidemiologisch belegte Übertragungswege waren für 135 der 1171 Patienten (11,5 %)
gesichert. Das WGS gruppierte 351 Patienten (31,9 %) in 87 Cluster mit 2 – 25 Patienten.
In 35 dieser WGS-Cluster (40,2 %) fanden sich keine erkennbaren Übertragungswege zwischen
den Patienten, in 52 WGS-Clustern (59,8 %) aber zumindest zwischen 2 Cluster-Personen.
Diese 52 Cluster umfassten auch 134 der 135 Individuen mit bekannter epidemiologischer
Verbindung, sodass nur einer dieser Patienten nicht erkannt wurde. Damit ergab sich
eine Sensitivität des d5WGS von 99,3 %, während die Spezifität aufgrund fehlender
epidemiologischer Hinweise auf eine Transmission bei 217 vom WGS sehr wohl geclusterten
Patienten und 819 korrekt nicht geclusterten Patienten bei 79,1 % lag. Der PPV des
d5WGS betrug 38,2 %, der NPV bei 99,9 %.
Der IS6110 DNA-Fingerprint und die MIRU–VNTR-Typisierung erfassten 131 der epidemiologisch
zusammenhängenden Patienten, was einer Sensitivität von 97,0 % entspricht. Die Spezifität
des MIRU-Tests lag allerdings nur bei 67,2 %, also um 11,9 % niedriger als bei WGS.
Der PPV des MIRU-Tests betrug nur 27,8 %, der NPV 99,4 %. Die IS6110-Genotypisierung
schnitt etwas besser ab mit einer Spezifität von 72,4 %, einem PPV von 31,4 % und
einem NPV von 99,5 %.
Der d5WGS kann Übertragungswege mit hoher Präzision aufdecken und ermöglicht auch
die Identifikation von hoch aufgelösten Resistenzmustern, die klinische Relevanz haben.
Gerade in Ballungsräumen kann diese Form der Genotypisierung helfen, die öffentlichen
Bemühungen um ein Durchbrechen von Übertragungsketten zu verbessern und Betroffene
früh zu erkennen. Für die Autoren ist daher klar, dass das WGS routinemäßig in die
nationalen TB-Programme integriert werden muss.
Friederike Klein, München