Schlüsselwörter
Implantatversagen - Pseudarthrose - Reosteosynthese - Revisionsprothese
Key words
implant failure - nonunion - revision osteosynthesis - revision endoprosthesis
Einleitung
Fehlschläge nach Osteosynthesen können mannigfaltige Ursachen haben und stellen meist
eine große Herausforderung an das weiterbehandelnde Team dar. So können neben der
Komplexität der Verletzung auch Fehleinschätzungen bei der Erstbehandlung, falsche
Implantat- oder Verfahrenswahl oder mangelhafte chirurgisch-technische Ausführung,
aber auch patientenspezifische Ursachen wie schlechte Knochenqualität oder mangelnde
Compliance und Mitarbeit der Patientin bzw. des Patienten ursächlich für ein Fehlschlagen
der Erstoperation sein. Demzufolge ist es zur erfolgreichen Behandlung unbedingt notwendig,
die Ursache des Fehlschlagens gründlich zu analysieren und danach Behandlungskonzepte
zu erarbeiten.
Das weitere Vorgehen ist ausführlich mit den Patienten zu diskutieren und auf die
persönlichen Bedürfnisse der Person abzustimmen. Es reicht vom Akzeptieren eines verbleibenden
Defizits über die Reosteosynthese mit und ohne zusätzliche unterstützende Maßnahmen
(knochenheilungsfördernde Maßnahmen, Augmentation, die Stabilität fördernde Zusatzmaßnahmen)
bis hin zum endoprothetischen Ersatz.
Schlüsselbein
Frakturen des Schlüsselbeines kommen mit einer jährlichen Inzidenz von ca. 30 pro
100 000 Personen pro Jahr vor [1]. Die Tendenz ist im Alpenraum durch die stark zunehmende Popularität des Radfahrens
und Mountainbikens deutlich steigend. Meist ist das mittlere Drittel des Schlüsselbeines
betroffen (ca. 80%), gefolgt von ca. 15% im lateralen Drittel, wobei die komplexeren
Frakturformen (mehrfragmentär und/oder mit zusätzlichen Bandverletzungen) deutlich
zunehmen. Dies und die steigende Evidenz, dass die konservative Therapie insbesondere
bei hochenergetischen Frakturen häufig zu einer Heilung in Verkürzung des Schlüsselbeines
und einer doch beträchtlichen funktionellen Einschränkung und Komplikationsrate führt
[2], hat zu einer deutlichen Zunahme der operativen Versorgungen nach Schlüsselbeinfrakturen
geführt. Obwohl prospektive randomisierte Vergleichsstudien ein deutlich besseres
Outcome und eine geringere
Komplikationsrate für die operative Versorgung im Vergleich zur konservativen
Versorgung gezeigt haben, liegt die Komplikationsrate bei der operativen Therapie
dennoch bei 37% und ist damit doch beträchtlich [3]. Die Tatsache, dass das Schlüsselbein praktisch keine intramedulläre, sondern nur
eine periostale Blutversorgung aufweist [4], [5] könnte neben einer zu stark traumatisierenden Operationstechnik und einer Missachtung
operationstechnischer Grundregeln ein Grund von Heilungsproblemen sein. An primären
Osteosynthesetechniken sind Platten und Schraubentechniken von intramedullären Verfahren
zu unterscheiden, wobei allgemein die Plattenosteosynthese deutlich häufiger zur Anwendung
kommt. Bei der Plattenosteosynthese kommen heute häufig vorgeformte Klavikulaplatten
zum Einsatz, die meist superior oder gelegentlich auch anterior angelegt werden. Bei
Beachtung einer weichteil- und
periostschonenden Operationstechnik ist die Pseudarthroserate mit 1% gering [6]. Allerdings sind auch Studien mit Pseudarthroseraten bis zu 10,2% nach Plattenosteosynthesen
publiziert [7]. Sechs durch Schrauben gefasste Kortikales auf beiden Seiten der Fraktur sind empfohlen,
um ein Implantatversagen zu vermeiden. Insbesondere lateral ist auf eine gute Verankerung
der Schrauben zu achten, um ein Ausreißen zu vermeiden. Die Kombination von Kortikalisschrauben,
die zur Seite etwas gewinkelt eingebracht werden, mit winkelstabilen Kopfverriegelungsschrauben
wird von uns bevorzugt. Da die einwirkenden Kräfte am Schlüsselbein sehr groß sind,
ist möglichst eine interfragmentäre Kompression (entweder durch interfragmentäre Zugschrauben
oder über die Platte) und ein mechanisch robustes Implantat zu bevorzugen. Zusätzliche
Risikofaktoren für eine Reoperation nach Schlüsselbeinverplattung sind Drogen- oder
Alkoholmissbrauch, Diabetes mellitus und vorangegangene Schulteroperationen; ebenso
wurde ein Alter über 55 als prognostisch ungünstig beschrieben [8]. Weiterhin wurde auch eine schleichende Infektion mit Cutibacterium acnes (= Propionibakterium)
als Ursache bei einem hohen Prozentsatz (13 von 20 Patienten) von Schlüsselbeinpseudarthrosen
gefunden [9].
Bei den intramedullären Verfahren ist die Komplikationsrate bei komplexen Frakturformen
hoch und daher können diese Verfahren nur für einfache Frakturformen empfohlen werden.
In der Literatur werden Pseudarthroseraten von 0 bis 9,8% angegeben [7]. Auch Implantatbrüche kommen vor, weshalb ein Querschnitt der Pins bzw. Nägel von
mindestens 2,5 mm anzustreben ist. Problematisch ist bei den nicht verriegelbaren
Nägeln auch die mangelnde Rotationsstabilität, die auch zu einer Beeinträchtigung
der Heilung führen kann.
Laterale Schlüsselbeinfrakturen kommen seltener vor und weisen eine Pseudarthroserate
zwischen 28 und 44% auf, insbesondere nach konservativer Behandlung [10], wobei nur ein Teil davon symptomatisch ist. Die Ursache bei dislozierten Frakturen
ist meist die hohe Instabilität der Frakturen, bei denen auch der Bandapparat, insbesondere
die korakoklavikulären (CC) Bänder mitverletzt sind. In solchen Fällen führt die Plattenosteosynthese
kombiniert mit einer Sicherung der korakoklavikulären Bänder durch eine CC-Schraube
oder eine zusätzliche CC-Bandschlinge zu einer guten Heilung. Hierbei wurde gezeigt,
dass die Hakenplatte und die winkelstabile distale Klavikulaplatte zu gleich guten
klinischen Ergebnissen führen, mit einer etwas höheren Komplikationsrate bei Anwendung
der Hakenplatte [11]. Eine frühzeitige Versorgung ist anzustreben, da eine verzögerte Versorgung zu höheren
Komplikationsraten führt (7,4% in der
akut versorgten Gruppe vs. 36,4% in der verspätet versorgten Gruppe) [12]. Die häufigsten Komplikationen waren periimplantäre Frakturen, Infektionen und ein
Implantatversagen. In einer geringen Anzahl der operierten Fälle (2 von 38) kam es
zu einer Pseudarthrose.
Behandlung
Patienten mit Implantatversagen, Implantatbruch oder Ausriss bzw. Auslockern der Schrauben
nach Plattenosteosynthese werden, so es die Knochenqualität erlaubt, mit einer Reosteosynthese
mit einer neuen, längeren Platte versorgt ([Abb. 1]). Wir bevorzugen hier die Kombination von Kortikalisschrauben, die divergent eingebracht
werden, mit winkelstabilen Kopfverriegelungsschrauben. Gelegentlich ist ein Wechsel
der Plattenposition notwendig. Eine Infektion muss immer durch Entnahme von mehreren
Gewebeproben ausgeschlossen werden. Wenn eine lokale Durchblutungsproblematik vorliegt,
wird der Knochen zusätzlich angefrischt und eine autologe Spongiosa aus dem Beckenkamm
beigelegt ([Abb. 2]). Wachstumsfaktoren oder Stammzellen werden bei uns im Routinebetrieb lokal am Schlüsselbein
nicht angewandt. Wichtig ist es, eine ausreichende Stabilität zu erzielen. Problematisch
sind oft bei der Reoperation die
Nn. supraclaviculares, die manchmal im Narbengewebe nur schwer identifiziert
und geschont werden können.
Abb. 1 43-jähriger Patient mit einer Schlüsselbeinfraktur links. a, b Primäre Röntgenbilder. c, d Verplattung. e, f Redislokation mit Ausriss der Schrauben. g, h Reosteosynthese mit einer längeren Platte.
Abb. 2 Plattenosteosynthese mit Spongiosaplastik.
Bei peripheren Schlüsselbeinfrakturen, bei denen eine Plattenosteosynthese versagt,
kann bei ausreichend vorhandenem Knochen eine Reosteosynthese entweder mit einer Hakenplatte,
einer winkelstabilen distalen Klavikulaplatte in Kombination mit einer vom Schlüsselbein
zum Korakoid geführten Bandaugmentation oder durch eine Doppelplattenosteosynthese
(superior und anterior) durchgeführt werden. Bei Knochendefekten nach Trümmerzonen
kann eine Spongiosaplastik beigefügt werden [13] ([Abb. 3]). Bei unzureichender Knochenqualität und weit lateral gelegenen Frakturen kann auf
eine modifizierte Weaver-Dunn-Operation mit Resektion des peripheren Fragmentes und
Stabilisierung des Schlüsselbeines mit dem eingeschwenkten Lig. coracoacromiale zurückgegriffen
werden. Diese Technik hat in der Behandlung der Akromioklavikulargelenkverrenkung
gute Ergebnisse gezeigt [14].
Abb. 3 Periphere Klavikulafraktur. a, b Primäre Röntgenbilder. c, d Verplattung der Fraktur mit einer winkelstabilen Platte. e, f Pseudarthrose mit Knochenresorption. g, h Reoperation mit interponiertem Spongiosablock. i, j Röntgenbilder nach Implantatentfernung.
Beim Versagen einer Osteosynthese nach intramedullärer Versorgung mit ausgelockertem
Implantat ist ein Verfahrenswechsel mit Umstieg auf eine Plattenosteosynthese zu bevorzugen.
Es sollte versucht werden, interfragmentäre Kompression zu erzeugen, und bei schlechter
lokaler Biologie wird der Knochen angefrischt und autologe Spongiosa beigelegt. Bei
abgebrochenem intramedullären Pin (ESIN – elastisch-stabiler intramedullärer Nagel)
kann es schwierig sein, den peripheren Anteil aus dem Markraum zu entfernen, insbesondere
wenn Titannägel länger in situ waren und eingewachsen sind. Ein Versuch, diesen Anteil
vom nicht geheilten Frakturspalt aus zu entfernen, ist gerechtfertigt. Ansonsten kann
versucht werden, bei liegenden Implantatrest dennoch eine Plattenosteosynthese durchzuführen
und die Schrauben am Draht vorbei zu platzieren.
Bei Pseudarthrosen mit Knochendefekt ist unabhängig von der Erstbehandlung (Platte,
intramedulläre Stabilisierung oder konservative Behandlung) ein Eröffnen des Markraumes
und Anfrischung des Knochens bzw. eine Resektion der abgedeckelten Knochenenden durchzuführen.
Der entstandene Knochendefekt ist dann mit einem kortikospongiösen Knochenblock, bevorzugt
aus dem Beckenkamm, zu überbrücken [15], [16]. Auch freie gefäßgestielte Knochentransplantate aus der Femurkondyle oder alternativ
eine freie Fibula sind beschrieben [17], [18] ([Abb. 4]). Neben der stabilen Plattenosteosynthese ist eine interfragmentäre Kompression
an den Kontaktflächen vorteilhaft, weshalb wir trapezartig geformte Knochenblöcke
bevorzugen. Die ursprüngliche Länge und Form des Schlüsselbeines muss möglichst wiederhergestellt
werden [19]. Daher ist eine genaue präoperative Planung unumgänglich, wobei meist die gesunde
Gegenseite als Template herangezogen wird. Die Planung erfolgt heute meist CT-basiert
bzw. in spezialisierten Zentren computerunterstützt ([Abb. 5]). Bei schlechter Weichteildeckung muss ein plastisch-rekonstruktiver Eingriff erwogen
werden. Ein lateraler Teil des klavikulären Anteils des M. pectoralis kann über den
Pseudarthrosebereich eingeschwenkt werden.
Abb. 4 Gefäßgestielter Knochenspan aus der Femurkondyle.
Abb. 5 73-jähriger Patient mit Pseudarthrose nach Erstversorgung. a Röntgenbild. b Intraoperativer Situs – Resektion der Pseudarthrose und Eröffnen des Markkanals.
c, d Intraoperative Bildwandlerbilder. e, f Verplattung mit interponiertem kortikospongiösen Knochenblock. g, h Röntgenbild nach Implantatentfernung.
Abb. 5 i, j Funktionelles Ergebnis nach Resektion der Pseudarthrose, kortikospongiösem Knochenblock
und Verplattung an der linken Klavikula.
Ergebnisse
Bei korrekter Analyse der Gründe des Fehlschlagens der Erstbehandlung und unter Beachtung
der technischen Details kann nach Reosteosynthese am Schlüsselbein mit und ohne Knochenbeilage
dennoch mit einem guten Ergebnis gerechnet werden. Die verlängerten Heilungszeiten
nach Knochenaufbau bzw. auch nach Infektionen sind zu beachten. Die Angaben in der
Literatur zu diesem Thema sind sehr spärlich [13], [16], sodass auf keine ausreichende Evidenz zurückgegriffen werden kann; allerdings ist
im Vergleich zur operativen Versorgung von frischen Frakturen bei Pseudarthrosen mit
einem mehr als doppelt so hohen Risiko einer frühen postoperativen Komplikation zu
rechnen [20].
Merke
Ein Versagen einer operativen Versorgung von Schlüsselbeinfrakturen ist selten und
meist auf eine fehlerhafte Einschätzung der Verletzung, eine mangelhafte Operationstechnik
und/oder patientenspezifische Faktoren wie mangelnde Compliance oder schlechte Knochenqualität
sowie eine schleichende Infektion zurückzuführen. Bei exakter Analyse der Ursache
und sachgemäßer operativer Sanierung i. d. R. durch Reosteosynthese und autologe Knochentransplantation
ist mit einer guten Heilung und einem guten funktionellen Ergebnis zu rechnen.
Schulterblatt
Schulterblattfrakturen sind meist das Resultat von hochenergetischen Traumen und betreffen
ca. 1% aller Frakturen und ca. 3% aller Verletzungen des Schultergürtels. Circa 70%
betreffen den Schulterblattkörper, Schulterblatthals und die Spina und ca. 10% die
Fossa glenoidalis [21]. Sie können in einem hohen Prozentsatz konservativ behandelt werden. Eine relevante
mediolaterale Verschiebung zwischen Glenoid und dem Margo lateralis der Skapula von
mehr als 2 cm, eine Abknickung der Skapula in der Outlet-Projektion von mehr als 45°,
ein glenopolarer Winkel von 20° oder weniger sowie Stufenbildungen an der glenoidalen
Gelenkfläche werden heute als Operationsindikationen angesehen. Am Glenoid steht die
Verschraubung im Vordergrund, während bei kleineren ventralen Pfannenabbrüchen auch
mehr und mehr arthroskopische Techniken zur Anwendung kommen. Bei dislozierten Frakturen
des Schulterblattkörpers wird eine offene Reposition über limitierte Zugänge
von dorsal favorisiert und eine Abstützung mit Platten zwischen Skapulahals und
Margo lateralis, an der Spina selbst sowie am Übergang der Spina zum Margo medialis
angestrebt. Ein Versagen der Osteosynthese ist weder im eigenen Patientenkollektiv
beobachtet worden, noch in der Literatur in relevanter Anzahl beschrieben. Sollte
im Einzelfall eine relevante Redislokation eintreten, kann diese nur durch neuerliche
Reposition und Reosteosynthese adressiert werden. Häufig führt ein Implantatversagen,
z. B. Plattenbruch, dennoch zur knöchernen Heilung und nur gelegentlich ist die Implantatentfernung
angezeigt [22]. Somit scheint die Osteosynthese der Skapulafrakturen bei korrekter Indikationsstellung
und exakter technischer Durchführung in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu einer
guten Heilung und zu guten funktionellen Ergebnissen zu führen [23], [24], [25], [26], [27]. Reosteosynthesen sind kaum nötig. Gelegentlich kann im Langzeitverlauf nach intraartikulären
Frakturen durch fortschreitende Arthrose die Implantation einer Schultergelenktotalendoprothese
notwendig sein.
Merke
Osteosynthesen im Bereich des Schulterblattes führen selten zum Implantatversagen
oder zu Fehlschlägen, die eine Revisionsoperation erfordern. Bei guter Reposition
und Schrauben- sowie Plattenosteosynthese heilen diese i. d. R. mit guten funktionellen
Ergebnissen. Selten kann im Langzeitverlauf bei progredienter Arthrose nach intraartikulären
Frakturen eine Schultergelenkendoprothese sinnvoll sein.
Proximaler Humerus
Frakturen am proximalen Humerus, insbesondere am Humeruskopf, sind mit ca. 5% aller
Frakturen häufige Verletzungen und ihre Häufigkeit nimmt aufgrund der Verschiebung
der Alterspyramide stetig zu. Sie gelten als sog. Indikatorfrakturen für Osteoporose
und betreffen häufiger Frauen im fortgeschrittenen Lebensalter als Männer. Ihre Inzidenz
wird in europäischen Ländern mit 392 Frakturen auf 100 000 Einwohner/Jahr für Frauen
älter als 65 und mit 520 Frakturen auf 100 000 Einwohner/Jahr für Frauen älter als
80 angegeben [28]. Bezüglich der Behandlung besteht noch immer beträchtliche Uneinigkeit. Neben der
konservativen Therapie kommen perkutane, minimalinvasive operative Verfahren, die
Marknagelung, die offene Rekonstruktion und Plattenosteosynthese sowie die Endoprothetik
als Frakturprothese oder inverse Schulterendoprothese infrage [29], [30], [31], [32], [33], [34], [35], [36], [37].
Das Ziel jeder Osteosynthese am proximalen Humerus ist die möglichst anatomische Reposition,
ohne zusätzliche Schädigung der Fragmentdurchblutung und die Stabilisierung bis zur
knöchernen Heilung. Die verschiedenen zur Verfügung stehenden Verfahren haben jeweils
unterschiedliche Vor- und Nachteile und wenngleich mit allen Verfahren über gute Ergebnissen
berichtet wird, so gibt es doch Unterschiede in der Art und Häufigkeit von Komplikationen.
Diese sind außerdem zusätzlich von der Frakturform und der Knochenqualität abhängig.
Eine Indikation zur Revisionsoperation ist generell abhängig von Art und Ausmaß einer
Redislokation, von der Knochenqualität und etwaigen Defekten, dem Weichteilstatus
sowie dem funktionellen Anspruch des Patienten, seinem Gesundheitsstatus und seinen
Komorbiditäten sowie von der Schmerzintensität.
Die perkutanen Verfahren, insbesondere die gedeckte Reposition und die Stabilisierung
mit perkutan eingebrachten Pins und kanülierten Schrauben, stellen hohe Anforderungen
an das Verständnis der Fraktur. Daher ist es oft technisch schwierig, eine ausreichend
gute Reposition zu erzielen und die wichtigen Fragmente auch ausreichend stabil zu
fassen. Das Auswandern der Bohrdrähte kann durch zusätzliche Implantate wie den Humerusblock
verhindert werden. Dies führt aber bei vielen Fällen durch das Sintern der Fraktur
zur sekundären Perforation der Drahtspitzen in das Gelenk. In einem solchen Fall ist
das Zurückziehen der Drähte ausreichend, um die Situation zu lösen. Schwieriger ist
es, wenn es zur Redislokation oder zum Abkippen der Fragmente kommt oder bei der Erstoperation
keine ausreichende Reposition erzielt werden konnte. Hier ist in unseren Händen oft
die offene Revisionsoperation, Reposition und Reosteosynthese die einzige Möglichkeit,
noch ein gutes Ergebnis zu erzielen
([Abb. 6]). Natürlich spielt die Art und das Ausmaß der Redislokation eine Rolle für die Indikation
zu einem weiteren Eingriff. Eine Stufenbildung an der Gelenkfläche ist in jedem Fall
zu vermeiden und über 2 mm inakzeptabel. Hier streben wir eine offene anatomische
Reposition an, wobei oft das Eröffnen des Rotatorenintervalls zur digitalen Kontrolle
der Gelenkfläche notwendig ist.
Abb. 6 61-jährige sportliche Patientin nach Skisturz – perkutane Versorgung einer proximalen
Humerusfraktur auswärts. a, b Röntgen nach Erstversorgung. c – e CT nach Erstversorgung. f, g Röntgen postoperativ nach Reosteosynthese offen. h – j Röntgen nach 2 Jahren. k – n Funktionelles Ergebnis.
Ist es zu einer Redislokation des Tuberculum majus gekommen, so hängt das Vorgehen
vom Ausmaß der Verschiebung und vom Alter des Patienten ab. Bei aktiven Patienten
stellt für uns das Höherwandern des Tuberculum majus von 5 mm oder mehr eine Indikation
zur Reoperation dar. Die gelockerten Schrauben lassen sich i. d. R. leicht ohne weiteren
Schaden entfernen, wir passen dann das Fragment an anatomischer Stelle wieder ein
und fixieren es je nach Größe mit einer winkelstabilen Platte und zusätzlichen Zuggurtungsschlingen
oder kanülierten Schrauben mit zusätzlicher Zuggurtung. Bei kleinen Fragmenten, die
wie ein knöcherner Rotatorenmanschettenausriss zu werten sind, bevorzugen wir eine
2-reihige Nahttechnik mit transossären Nähten und einer medialen Ankerreihe und Verspannung
der Fäden im Sinne einer Bridge-Technik. Wir streben eine Korrekturoperation bei gegebener
Indikation so rasch wie möglich an, da bei chronischer Dislokation des Tuberculums
durch die Weichteilkontraktur
eine Reposition schwierig bis unmöglich wird.
Ein Absinken des Kopffragmentes in Varusposition ist beim aktiven Patienten nur in
geringem Ausmaß tolerabel. Eine Varusfehlstellung von mehr als 45° und ein entsprechender
Funktionsanspruch des Patienten stellt für uns eine Indikation zur Korrektur dar.
Die Varusstellung führt zu Schmerzen und Bewegungseinschränkung sowie zu einem Impingement.
Bei veralteten Fällen kommt eine Akromioplastik mit zusätzlicher Tuberculoplastik
infrage; bei ausgeprägten Fällen die Korrekturosteotomie und Plattenosteosynthese.
Bei rezenten Fällen und vitalem Kopffragment wird eine offene Reposition und Stabilisierung
mit einer winkelstabilen Plattenosteosynthese angestrebt. Bei Defekten im Kalkarbereich
stellen wir durch ein zusätzlich zur Platte eingebrachtes Knochentransplantat (bevorzugt
Fibula-Allograft) die mediale Abstützung wieder her. Beim betagten Patienten und fraglich
vitalem oder avitalem Kopffragment bevorzugen wir in der Revisionssituation die inverse
Schulterprothese, wenngleich
die Ergebnisse der Endoprothetik nach fehlgeschlagener Osteosynthese schlechter
vorhersehbar sind als die der primären Frakturendoprothese [38], [39].
Intramedulläre Stabilisierungen proximaler Humerusfrakturen mit speziellen proximalen
Humerusnägeln können insbesondere bei metaphysären Trümmerzonen und intaktem Kopffragment
(A3-Frakturen) gute Ergebnisse erzielen. Sekundäre Dislokationen und Durchschneiden
der Verriegelungsschrauben durch das Kopffragment treten bei osteoporotischem Knochen
auf. Auch kann es in solchen Fällen zu einem langsamen Höherwandern des Nagelendes
und einem sekundären Implantatimpingement kommen. In Abhängigkeit vom Aktivitätsgrad
des Patienten und seinem Gesundheitszustand sollte frühzeitig ein Implantatwechsel
oder die Entscheidung zum Umstieg auf eine inverse Schulterprothese getroffen werden.
Wenn Verriegelungsschrauben durch die Kopfkalotte perforieren, sollte rasch revidiert
werden, da es sehr schnell zu einem beträchtlichen Pfannendefekt kommen kann, der
dann die prothetische Versorgung sehr erschwert. Bei Redislokation, z. B. durch Lockern
des Nagels und der Bolzen, kann bei ausreichender
Knochenqualität auch eine Reosteosynthese mit einer winkelstabilen Platte, in
manchen Fällen mit einem zusätzlichen Knochengraft, durchgeführt werden ([Abb. 7]).
Abb. 7 67-jährige Patientin mit proximaler Humerusfraktur. a Primäres Röntgenbild. b, c Primäres CT. d, e Stabilisierung mit einem Verriegelungsmarknagel (PHN). f, g Redislokation der Fraktur bei Implantatlockerung. h, i Reoperation mit Fibulagraft und winkelstabiler Humerusplatte.
Auch bei der winkelstabilen Plattenosteosynthese sind in der Literatur hohe Komplikationsraten
beschrieben [40]. Viele dieser Komplikationen sind auf mangelnde Operationstechnik oder insuffiziente
Reposition zurückzuführen. Sekundär dislozierte Tubercula, insbesondere Tuberculum-majus-Fragmente,
müssen frühzeitig revidiert und refixiert werden, um ein schlechtes funktionelles
Ergebnis abzuwenden. Bei länger verzögerter Reoperation ist es durch die rasche Retraktion
der Muskulatur und die rasche Kontraktur dann oft nicht mehr möglich, das Fragment
an der ursprünglichen Stelle zu fixieren und hier zur Heilung zu bringen. Zur Fixierung
verwenden wir i. d. R. kräftige Tapes, die am Sehnen-Knochen-Übergang in einer hinterstochenen
Nahtweise fixiert werden. Lateral werden diese an der Platte fixiert. Bei größeren
Fragmenten kann zusätzlich eine Schraubenosteosynthese erfolgen.
Eine Missachtung der medialen Abstützung führt am proximalen Humerus häufig bei zusätzlich
schlechter Knochenqualität zu einer frühen Redislokation und sekundären Schraubenperforation
ins Gelenk ([Abb. 8]). Bei perforierten Schraubenspitzen ist eine frühe Revisonsoperation angezeigt,
da auch hier sehr rasch ein beträchtlicher Schaden am Glenoid mit erheblichen Pfannendefekten
resultiert. Bei weitgehend korrekter Position der Fragmente kann dies eine reine Schraubenentfernung
oder ein Schraubenwechsel über Stichinzisionen sein. Bei Dislokation des Kopffragmentes
und fehlender medialer Abstützung ist, je nach Durchblutung und Knochenbeschaffenheit
des Kopffragmentes und je nach Funktionsanspruch des Patienten, die Entscheidung zur
Reosteosynthese mit Fibulagraft [41] oder zum Umstieg auf eine Prothese zu treffen.
Abb. 8 70-jährige Patientin nach häuslichem Sturz. a Primäres Röntgenbild. b – d Primäres CT. e, f Stabilisierung mit PHILOS-Platte und intramedullärem Fibulaspan. g, h Redislokation und Perforation der winkelstabilen Schrauben. i, j Implantation einer inversen Schultergelenkendoprothese.
Auch hier sind die funktionellen Ergebnisse der Endoprothese weniger vorhersehbar
und im Durchschnitt etwas schlechter als nach der primären Frakturendoprothetik, wenngleich
gute Schmerzreduktion erreicht werden kann, weshalb bei geriatrischen Patienten die
primäre Entscheidung zwischen konservativer, operativ rekonstruktiver und primär endoprothetischer
Versorgung sehr bewusst getroffen werden muss [42], [43]. Die inverse Schulterendoprothetik stellt jedoch insbesondere bei älteren Patienten
eine sehr gute Revisionsoption dar, um nach fehlgeschlagenen Osteosynthesen ein noch
gutes Ergebnis für den Patienten erzielen zu können, wenngleich ein etwas höheres
Komplikationsrisiko besteht [44].
Ergebnisse
Frühzeitig revidierte sekundäre Redislokationen führen bei geeigneter Technik i. d. R.
zu guten Ergebnissen und guten Heilungsraten. Im eigenen Patientenkollektiv inverser
Frakturendoprothesen konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den primär und
den sekundär implantierten Prothesen gefunden werden. Lediglich die Beweglichkeit
war, obwohl zufriedenstellend, bei den sekundären Prothesen minimal geringer. Auch
die Komplikationsrate war in beiden Gruppen mit 2 bzw. 3% nicht signifikant unterschiedlich.
Mit der inversen Schulterendoprothese konnte im Revisionsfall nach fehlgeschlagener
Osteosynthese in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein sehr zufriedenstellendes
Ergebnis erzielt werden.
Merke
Bei fehlgeschlagenen Osteosynthesen am proximalen Humerus kommt es auf den Grad der
Dislokation, das betroffene Fragment (Tuberculum majus, minus oder Kopffragment) und
die Knochenqualität bzw. die Durchblutung an, ob ein kopferhaltendes Verfahren sinnvoll
ist oder der Umstieg auf eine Endoprothese (bevorzugt heute eine inverse Schulterendoprothese)
gewählt wird.
Schlussfolgerung
Fehlschläge nach Osteosynthesen an Schultergelenk und Schultergürtel bedürfen einer
exakten Analyse und eines patientenspezifischen Vorgehens, das immer die funktionellen
Bedürfnisse des Patienten im Auge haben muss. Es sind stets Einzelfallentscheidungen,
ob nochmals eine Reosteosynthese mit oder ohne Augmentation und Spongiosaplastik sinnvoll
erscheint oder ein befriedigendes Therapieziel besser durch den Umstieg auf eine Schulterendoprothese
zu erzielen ist. Bei geeigneter Therapiewahl kann i. d. R. ein für den Patienten befriedigendes
Endergebnis erzielt werden.