Bhatt SP.
et al.
Discriminative Accuracy of FEV
1:FVC Thresholds for COPD-Related Hospitalization and Mortality.
JAMA 2019;
321: 2438-2447
Die großen Gesellschaften für Atemwegskrankheiten empfehlen, die Diagnose pulmonale
Obstruktion zu stellen, wenn das Verhältnis zwischen exspiratorischer Einsekundenkapazität
und forcierter Vitalkapazität (also FEV1:FVC) < 0,7 beträgt. Ein solches Vorgehen entspricht den diagnostischen Methoden bei
Hypertonie oder Diabetes mellitus, bei denen mithilfe genauer Grenzwerte für die Diagnose
die Therapie deutlich verbessert werden konnte. Für die COPD allerdings entspricht
der Wert von < 0,7 „nur“ einer Expertenmeinung zur Definition einer klinisch relevanten
Obstruktion; eine Evidenz aus populationsbasierten Studien hierfür fehlt. Da je nach
Höhe eines solchen Grenzwerts die tatsächliche Prävalenz um bis zu 30 % abweichen
kann und um demografische Faktoren zu berücksichtigen, wurde zusätzlich der „lower
limit of normal“ (LLN) eingeführt. Auch der LLN birgt jedoch Unsicherheiten, insbesondere
bei Menschen nichtweißer Herkunft, Frauen und Älteren.
Vor diesem Hintergrund analysierten die Autoren in dieser Studie die gepoolten Daten
von 4 populationsbasierten US-Studien unter folgender Fragestellung: Mit welcher Genauigkeit
lässt sich mithilfe verschiedener fester FEV1/FVC-Grenzwerte vorhersagen, wie hoch die COPD-bedingte Hospitalisation und Mortalität
sein wird? Für die Auswertung lagen die Daten von 45- bis 102-Jährigen vor, die zwischen
1987 und 2000 in große Studien rekrutiert und bis 2016 nachbeobachtet worden waren.
Alle Daten wurden in der „National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) Pooled
Cohorts Study“ harmonisiert und gepoolt.
Der primäre Endpunkt der hier dargestellten Studie war ein Kompositum aus Hospitalisation
und Mortalität aufgrund von COPD. Für die 24 407 Erwachsenen in einem Durchschnittsalter
von 63 Jahren, davon 63 % (frühere) Raucher und 54 % Frauen, lagen per Spirometrie
erhobene Lungenfunktionswerte vor. Die Diagnose COPD war anhand 11 verschiedener fixer
Grenzwerte für die FEV1:FVC-Ratio (0,75 bis 0,65) oder anhand des LLN gestellt worden. Die Autoren definierten
den optimalen fixen Grenzwert als denjenigen, der mit den COPD-bedingten Ereignissen
am genausten assoziiert war. Vollständige Daten über das Follow-up über 15 Jahre lagen
für 77 % der Probanden vor (340 757 Personenjahre). Im Verlauf kam es zu 3563 COPD-bedingten
stationären Einweisungen und zu 447 Todesfällen durch COPD.
Als optimaler Grenzwert zur Vorhersage dieser Ereignisse ergab sich ein Grenzwert
von 0,71. Damit unterschied dieser Wert sich also nicht signifikant von dem bekannten
FEV1:FVC-Wert von 0,7, erwies sich jedoch als genauer im Vergleich zum LLN. Für den FEV1:FVC-Grenzwert von 0,7 ergab sich eine Sensitivität von 66 % und eine Spezifität von
79 % für die Vorhersage von COPD-bedingten Ereignissen.
Legt man den Grenzwert von 0,7 für die FEV1:FVC-Ratio zugrunde, lässt sich im Vergleich zu anderen Grenzwerten eine relevante
COPD fast genauso gut oder deutlich genauer diagnostizieren. Dieser übliche Grenzwert
ließ sich nun auch an umfangreichen populationsbezogenen Daten bestätigen. Zu berücksichtigen
sei jedoch unter anderem, dass die Spirometrie nur zu Studienbeginn und vor Einsatz
von Bronchodilatatoren erfolgte und verordnete Medikamente nicht berücksichtigt wurden,
so die Autoren.
Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen