Schlüsselwörter
Klinische Allergologie - Allergiediagnostik - Qualitätsmanagement - Allergiezentrum
- allergologische Weiterbildung - Clinical allergology - allergy diagnostics - quality
management - allergy center - allergy training
1. Einleitung und Einführung
1. Einleitung und Einführung
Allergische Erkrankungen sind für jeden HNO-Arzt relevant. Denn jeder Dritte
Deutsche leidet im Laufe seines Lebens an einer allergischen Erkrankung [1]. Zudem sind Allergien bei sehr vielen
Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen auch von klinischer Bedeutung, als Co-Faktoren oder
sogar deren Grundlage.
Daher ist es erforderlich, dass die Prävention, Diagnostik und Therapie
allergischer Erkrankungen von Hals-Nasen-Ohrenärzten mit hoher
Qualität geleistet werden kann. Eine wesentliche Grundlage, um dies zu
gewährleisten besteht in der Ausbildung. Die Diagnostik und Therapie
allergischer Erkrankungen wird konsequenterweise bereits in der
Facharztweiterbildung der HNO-Heilkunde berücksichtigt. Nach der
Facharztweiterbildung ist die Erlangung der Zusatzbezeichnung Allergologie
für HNO-Ärzte möglich.
Das gleichzeitige oder sequentielle Auftreten atopischer Erkrankungen – die
allergische Multimorbidität – ist extrem häufig [2]
[3]. Oft
handelt es sich hier um Erkrankungen, die typischerweise unterschiedlichen
Fachrichtungen zugeordnet werden, wie z. B. das allergische Asthma
bronchiale und die allergische Rhinitis, sich nichtdestotrotz aber gegenseitig
triggern können. Interdisziplinäre Pfade zur Diagnostik und Therapie
aber auch die fachübergreifende Aus- und Weiterbildung sind daher von
großer Relevanz.
Im klinischen Alltag und in der Struktur von HNO-Kliniken und -Praxen ist die
Allergologie in sehr unterschiedlichem Ausmaß etabliert. In Bezug auf die
Qualität der allergologischen Versorgung und -Ausbildung kann zwischen einer
Basisstruktur, die überall vorhanden sein sollte und einer spezialisierten
Struktur, die in Kliniken und Praxen, die sich intensiver mit der Diagnostik und
Therapie allergischer Erkrankungen befassen und hochspezialisierten Allergiezentren
unterschieden werden.
Qualitätsunterschiede waren seit jeher vorhanden. Heutzutage besteht immer
mehr das Bedürfnis, die Aufforderung und nicht zuletzt der politische Wille,
Qualität zu objektivieren, darzustellen und transparent zu sichern. Hierzu
wird das Qualitätsmanagement zu Rate gezogen, das auch grundlegend bei der
Etablierung von Zentren, so auch Allergiezentren gefordert wird. Ein grundlegendes
Prinzip ist der der sogenannte PDCA-Zyklus [4]:
„Plan, Do Check, Act“. Hierbei werden primär
Zustände, Handlungsweisen und Versorgungspfade dargestellt und sichtbar
gemacht. Durch die Generierung von definierten Patientenpfaden,
Verfahrensanweisungen und ggf. weiteren Zusatzdokumenten wie z. B.
Checklisten oder anderen Formblättern werden die klinischen Wege und ihre
Grundlagen stratifiziert und verbindlich in der Institution geplant, hinterlegt
(„plan“) und implementiert. Diese Vorgaben stellen die derzeitigen
Ist-Zustände dar, nach denen agiert wird und werden soll
(„do“). Um das Outcome in verschiedenen Richtungen zu
überprüfen (Patientenoutcome, finanzielle Effektivität,
zeitliche Effektivität, Ressourcenverbrauch, usw.) werden in der Regel
repräsentative Kennzahlen zu Rate gezogen, um dies zu
überprüfen. Des weiteren werden Mängel und Fehler sowie
potentielle Fehler im logistischen und praktischen Ablauf hinterfragt
(„check“) und nicht zuletzt Innovationen und Wissensgewinn
implementiert. Um diese zu verbessern, erfolgt eine Revision und Ergänzung
der vorhandenen Pfade und Verfahrensanweisungen sowie weiteren Dokumente, die dann
wiederum in den praktischen Alltag implementiert werden, um so erneut einer
Prüfung unterzogen zu werden. Ziel dieses sich wiederholenden Vorgangs
(„Zyklus“) ist es, mit jeder „Runde“ eine erneute
Verbesserung und somit Qualitätssteigerung zu erzielen. Auch aus diesem
Grund werden häufig aussagekräftig Kennzahlen bei Zertifizierungen
abgefragt. Sie sollen zur Transparenz und Qualitätssicherung beitragen. Die
Wahl dieser sollte allerdings sehr bedacht getroffen werden. Kennzahlen nutzen nur,
wenn sie auch wirklich sinnvoll Qualität darstellen können und
sinnvoll erhoben werden. Audits wiederum sind in diesem Zusammenhang Werkzeuge der
Qualitätstestung und sollten gleichzeitig Anregungen für
Verbesserungen geben, deren Reevaluation im Folgeaudit dann zeigen kann, ob zum
einen die Kennzahlen verbessert werden konnten und zum anderen die implementierten
Anregungen das richtige Mittel hierzu waren.
Aus diesem Grund müssen zertifizierte Einrichtungen eine gewisse
Grundqualität bieten, um überhaupt zertifiziert zu werden und
zertifiziert zu bleiben. Im Vergleich zu nicht-zertifizierten Einrichtungen, die
potentiell auch qualitativ hochwertig agieren können, ist die
Qualität in zertifizierten Einrichtungen in der Regel standardisierter und
dadurch konstanter aber v. a. transparenter.
Die Einrichtung zertifizierter Allergiezentren zum einen, sowie eine strukturierte
Ausbildung von allergologisch tätigen Ärzten, die auch in
entsprechenden Prüfungen und Zusatzbezeichnungen transparent darstellbar ist
und einer genormten Grundanforderung unterliegt, ist deshalb für die kurz-
und langfristige Wahrung der Qualität im Feld der allergologische
tätigen Ärzte und Einrichtungen unabdingbar.
Ein weiteres Mittel der Qualitätssicherung in Diagnostik und Behandlung sind
Leitlinien auf die im Folgenden eingegangen wird und die in ihrem Grundprinzip
ebenfalls einem PDCA-Zyklus unterlegen sind.
2. Allergologische Leitlinien
2. Allergologische Leitlinien
Leitlinien gelten als eines der wichtigsten Werkzeuge im ärztlichen
Qualitätsmanagement. In Deutschland wird die Erstellung von medizinischen
Leitlinien seit 1992 über die Arbeitsgemeinschaft für medizinische
Fachgesellschaften (AWMF) koordiniert. Die AWMF definiert sie folgendermaßen
[5]:
„Leitlinien sind systematisch entwickelte Aussagen, die den
gegenwärtigen Erkenntnisstand wiedergeben, um die Entscheidungsfindung
von Ärzten und Patienten für eine angemessene Versorgung bei
spezifischen Gesundheitsproblemen zu unterstützen. Leitlinien sind
wichtige und effektive Instrumente der Qualitätsentwicklung im
Gesundheitswesen. Ihr vorrangiges Ziel ist die Verbesserung der medizinischen
Versorgung durch die Vermittlung von aktuellem Wissen. Leitlinien unterscheiden
sich von anderen Quellen aufbereiteten Wissens (Evidenzberichte, Systematic
Reviews, Health Technology Assessments mit oder ohne Metaanalysen) durch die
Formulierung von klaren Handlungsempfehlungen, in die auch eine klinische
Wertung der Aussagekraft und Anwendbarkeit von Studienergebnissen eingeht.
Leitlinien sind als „Handlungs- und Entscheidungskorridore“ zu
verstehen, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden
kann oder sogar muss. Die Anwendbarkeit einer Leitlinie oder einzelner
Leitlinienempfehlungen muss in der individuellen Situation geprüft
werden nach dem Prinzip der Indikationsstellung, Beratung,
Präferenzermittlung und partizipativen Entscheidungsfindung“
Leitlinien setzen Qualitätsstandards, da sie von Experten in einer
Leitliniengruppe (Entwicklergruppe) in einem definierten Regelwerk erstellt werden
[5]. Sie sind zielorientiert und werden
deshalb von Anwendern und von Vertretern der Patientenzielgruppe gemeinsam
gestaltet. Eine Leitlinie soll den nach derzeitigem Wissenstand
bestmöglichen Qualitätsstandard darstellen, der objektivierbar und
nachvollziehbar ist und sich nicht nach Individualinteressen der Beteiligten
richtet. Leitlinien können sich auf Diagnostik, Therapie, Methodik oder alle
diese Themen beziehen.
Um den Qualitätsstandard der einzelnen Leitlinie auch nach außen
transparent darzustellen, werden sie nach ihrer Methodik in Entwicklungsstufen
eingeordnet. In dieser Kategorisierung sind wichtige Kriterien, ob ein Konsens
stattgefunden hat, ob eine Evidenz-Recherche stattgefunden hat und ob alle
systematischen Entwicklungsstufen durchlaufen wurden ([Abb. 1]). Hieraus ergeben sich dann folgende Kategorien: S3, S2k, S2e,
S1.
Abb. 1 Klassifikation der methodische Qualität von Leitlinien
nach AWMF (modifiziert nach AWMF-Regelwerk „Leitlinien“
[5])
Leitlinien sollen dauerhaft auf einem hohen Qualitätsstandard gehalten
werden. Hierzu bedarf es regelmäßiger Überprüfung
und Überarbeitung. Auch diese erfolgt standardisiert. Fünf Jahre
nach der Erstellung werden sie von der AWMF aus dem Publikationssystem entfernt,
wenn sie nicht aktualisiert wurden.
Zusammengefasst gibt eine Leitlinie dem Anwender eine Hilfe bei der
Entscheidungsfindung in Diagnostik, Methodik und Therapie aber auch dem Patienten
die Möglichkeit, Qualitätsstandards einzufordern. Eine
Nicht-Einhaltung dieser Standards kann im Einzelfall sinnvoll oder sogar notwendig
sein, sollte aber immer gut begründet werden. Leitlinien sind Instrumente,
um Qualitätsstandards zu setzen und transparent und objektiv darzustellen.
Ihre Berücksichtigung ist ein Fundament der derzeitigen
Qualitätssicherung in der Medizin und so auch in der Allergologie.
Im Bereich der Allergologie existieren viele Leitlinien unterschiedlicher
Entwicklungsstufen (S1–S3) und unterschiedlicher Aktualität. Die
AWMF-Leitlinien sind im Internet abrufbar
(https://www.awmf.org/leitlinien/leitlinien-suche.html).
Sie finden sich auch auf den Webseiten der DGAKI, hier lassen sich zudem auch die
Volltexte bereits abgelaufener Leitlinien finden
(https://dgaki.de/leitlinien/).
3. Klinische Allergologie
3. Klinische Allergologie
Die klinische Allergologie fußt auf einer allgemeinen und fokussierten
allergologischen Anamnese, auf deren Basis einer zielgerichtete, stufenweise
Diagnostik geplant und durchgeführt wird und die das Fundament für
eine effektive und möglichst spezifische Therapie bildet.
Neben der allgemeinen Anamnese, bei der Erkrankungen, Medikamente, allgemeine
Beschwerden aber auch bereits bekannte Allergien und Unverträglichkeiten
erfragt werden, kann die spezifische allergologische Anamnese stratifizierter
gestaltet werden, indem z. B. standardisierte Fragbögen verwendet
werden. Diese sollten auf die Art und Stärke der Beschwerden sowie
Zeitpunkte und Gegebenheiten (örtlich, kausal) des Auftretens eingehen.
Hierbei können Punktesysteme oder visuelle Analogskalen zur besseren
Einschätzung der individuellen Ausprägung und des Leidensdrucks
verwendet werden [6].
Bei wiederholter Abfrage zu unterschiedlichen Zeitpunkten (z. B. saisonal) im
Verlauf oder auch nach oder während einer Therapie kann ein strukturierter
Fragebogen dazu beitragen, den Krankheitsverlauf besser zu objektivieren oder die
Wirkung einer Therapie zu verifizieren und damit auch die
Behandlungsqualität zu beurteilen. Fragebögen unterschiedlicher
Institutionen sind mit verschiedenen Schwerpunkten z. B. im Internet
abzurufen. Die Verwendung standardisierter Fragebögen trägt gerade
beim fachlichen Austausch zwischen Kollegen und bei multidisziplinären
Patientenvorstellungen zur Sicherung der Anamnesequalität, zur
fachübergreifenden Vergleichbarkeit und zum unverfälschten
Informationsaustausch bei. Zumal sie bei entsprechender Kategorisierung eine
statistische Auswertung erlauben, sind sie für Studien bereits seit Jahren
unabdingbar.
Je nach Beschwerden und betroffenem Organ sollten zusätzliche klinische
Untersuchungen durch fachspezifische Kollegen durchgeführt werden. Im
engeren Sinne handelt es sich hier meistens um Dermatologen, Pneumologen,
Kinderärzte und ggf. Gastroenterologen oder Augenärzte. Zur
suffizienten interdisziplinären Abdeckung ist deshalb eine Zentren- und
Netzwerkbildung sinnvoll. Hier können Allergiepatienten über
definierte Behandlungspfade idealerweise mit einem Minimum an Zeit- und
Informationsverlust diagnostiziert und eine Therapie eingeleitet und begleitet
werden. Die Bindung an gut organsierte Zentren kann nicht nur die diagnostische und
therapeutische Qualität, sondern auch die Patientenadhärenz und
somit das Outcome verbessern.
3.1 Diagnostik
Selbstverständlich sollte auch die Diagnostik allergischer Erkrankungen
nach hohen Qualitätsstandards durchgeführt werden. Hierzu stehen
verschiedene gut etablierte und evaluierte Methoden zur Verfügung.
Grundsätzlich lassen sich auch für die allergologische
Diagnostik Basisuntersuchungen wie Pricktests und die Bestimmung von
spezifischem IgE mit den häufigsten Allergenen von einer
Spezialdiagnostik wie der Durchführung von Provokationstests und
aufwändigeren Laborverfahren unterscheiden.
Besonders im Bereich der molekularen Allergiediagnostik entwickeln sich die
Möglichkeiten rasch fort und ermöglichen in vielen
Fällen eine deutliche Verbesserung der diagnostischen
Trennschärfe.
3.1.1 Sensibilisierungstests
Zum Nachweis einer IgE-vermittelten allergischen Sensibilisierung bei
Allergien vom Soforttyp werden Hauttests durchgeführt oder die
Konzentration von spezifischem IgE im Serum gemessen.
Zellvermittelte allergische Reaktionen (Typ-IV) werden durch Hauttests
(Epikutantest) nachgewiesen. In speziellen Fällen werden auch
zellbasierte in-vitro Tests durchgeführt (z. B.
Basophilen-Aktivierungs-Test (BAT)).
31.1.1 Hauttests
Bei Hauttests werden (standardisierte) Allergenlösungen in
(kutane Tests) oder auf (epikutane Tests) die Haut aufgebracht, um eine
kontrollierte Allergen-spezifische Immunreaktion auszulösen, die
dann mit einer Positiv- und Negativkontrolle verglichen werden kann.
Genaue Hinweise zu Indikationen, Kontraindikationen und der
Durchführung von Hauttests finden sich in der AWMF-Leitlinie
„Hauttests zur Diagnostik von allergischen
Soforttypreaktionen“ [7]. Der
Prickest gilt als Methode der ersten Wahl und nur bei besonderen
Fragestellungen sollte eine Intrakutantestung durchgeführt
werden. Bei korrekter Durchführung und bei der Verwendung
standardisierter Allergenlösungen weist dieses Testverfahren
eine gute Reproduzierbarkeit, sowie eine gute Sensitivität und
hohe Spezifität auf [8]. Die
Testung unterliegt in der Durchführung und Beurteilung einer
potentiellen interindividuellen Variabilität der Untersucher und
sollte daher unter standardisierten Bedingungen und mit standardisierten
Testlösungen und standardisiertem Material (Lanzetten)
durchgeführt werden. Art und Größe der
entstehenden Quaddel (und des Erythems) werden als Maß zur
Beurteilung der Reaktion beim Prickest und beim Intrakutantest
verwendet. Die Dokumentation des Testergebnisses sollte ebenfalls
standardisiert durchgeführt werden. Als beste Methode hierzu
gilt die metrische Dokumentation des Quaddeldurchmessers [7]. Die häufig angewandte
semiquantitative Ablesung weist eine schlechtere Übereinstimmung
zwischen unterschiedlichen Untersuchern auf und wird nicht empfohlen
[9].
Die eingesetzten Testallergene sind nach europäischem und
deutschem Arzneimittelrecht zulassungspflichtig und alle in Deutschland
aktuell zugelassenen Testallergene wurden vom Paul-Ehrlich-Institut
zugelassen [10]. Wenn Allergene zur
Testung verwendet werden sollen, die nicht zugelassen oder
erhältlich sind, kann der Arzt solche Testmaterialien selber
herstellen. Diese Herstellung und auch die Anwendung an Patienten bedarf
zwar keiner Zulassung (§ 13 Abs. 2b Satz 1 AMG) aber
hierfür ist eine einmalige vorherige Anzeige
(gemäß § 67-Abs. 1 u. 2 AMG) bei der
zuständigen Überwachungsbehörde erforderlich
(z. B. bei der Bezirksregierung).
Bezüglich der Indikation, Durchführung und Interpretation
von Epikutantests wird auf die S3-Leitlinie
„Durchführung des Epikutantests mit Kontaktallergenen
und Arzneimitteln” verwiesen [11].
3.1.1.2 In-vitro Allergiediagnostik/Spezifisches
IgE
Wie bei jeder Labordiagnostik gelten auch für die Anwendung der
in-vitro Diagnostik allergischer Erkrankungen die allgemeinen
Standards der „Guten Laborpraxis (GLP)“ [12]. In Deutschland ist hierfür
das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zuständig.
Grundsätzlich sind auch für im allergologischen Bereich
ausschließlich geeignete, wissenschaftlich abgesicherte Methoden
zu verwenden.
In Bezug auf die konkrete Durchführung, Indikation und
Interpretation der in-vitro Allergiediagnostik wird auf die
entsprechende S1-Leitlinie [13]
verwiesen, deren Gültigkeit nach AWMF Standards allerdings
abgelaufen ist. Die Aktualisierung dieser Leitlinie (in der neuen
Version als S2k Leitlinie) befindet sich in der Endphase. In der
aktualisierten Version werden sich auch erstmals genaue Empfehlungen zur
molekularen Allergiediagnostik auf dem Niveau einer Leitlinie
finden.
Die allergologische in-vitro Verfahren können für
die Diagnostik und teilweise auch für die Auswahl und Steuerung
der Therapie relevante Biomarker messen. Als zentrales Prinzip kann
gelten, dass positive Testergebnisse eine allergische Sensibilisierung
– also die „Allergiebereitschaft“ nachweisen.
Die klinische Relevanz ergibt sich aber immer erst in Kombination mit
entsprechenden Symptomen oder nach einem positiven Provokationstest mit
Allergenen. Die klare Unterscheidung zwischen allergischer
Sensibilisierung und allergischer Erkrankung ist von erheblicher
Bedeutung für die Beratung und Behandlung der Patienten.
Die wichtigsten Anwendungen sind die Bestimmung von spezifischem IgE und
Gesamt-IgE. Die Messung von Entzündungsmediatoren (ECP,
Tryptase, Histamin), zelluläre Testsysteme für
Mastzellen, basophile und eosinophile Granulozyten sowie
zelluläre Testsysteme für T-Lymphozyten sind in
spezielleren Fällen relevant.
Die Messung von allergenspezifischem IgG und IgG4 ist zwar
methodisch standardisiert und grundsätzlich zuverlässig
und wird zur Diagnostik von nahrungsmittelassoziierten Beschwerden und
Nahrungsmittelallergien kommerziell angeboten. In einer speziell zu
diesem Thema verfassten Leitlinie wird der Einsatz dieser Methode jedoch
klar und strikt abgelehnt [14].
Die in-vitro Diagnostik bietet die Möglichkeit einer
hochgradig standardisierbaren Methodik, zumindest was die
Antikörper- und Mediatorbestimmungen betrifft und
ermöglicht daher eine Vergleichbarkeit der Diagnostik an
unterschiedlichen Standorten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
Hiermit kann sie wesentlich zur Qualitätsfestigung und zum
Benchmarking zwischen einzelnen Zentren beigetragen werden.
3.1.2 Provokationstestung
Der Nachweis einer allergischen Sensibilisierung ist nicht mit dem Vorliegen
einer allergischen Erkrankung gleichzusetzen. Eine alleinige
Sensibilisierung ohne klinische Symptome ist relativ häufig
– bei 48,6% der Deutschen ist eine allergische
Sensibilisierung nachweisbar [15] aber nur
ein Teil dieser Sensibilisierungen geht mit einer allergischen Erkrankung
einher [16]. Daher ist es entscheidend,
die klinische Relevanz der nachgewiesenen Sensibilisierung zu beurteilen. An
erster Stelle sollte hierzu die anamnestische Frage nach örtlichen
und zeitlichen Zusammenhängen zwischen Allergenexposition und
Symptomen stehen. In vielen Fällen findet sich hierbei jedoch keine
klare Korrelation. In diesen häufigen Situationen sollten
kontrollierte Provokationen mit Allergenen eingesetzt werden. Sie bieten die
höchste diagnostische Aussagekraft, um zwischen einer klinisch
irrelevanten Sensibilisierung und dem Vorliegen einer allergischen
Erkrankung differenzieren.
Bei Allergenprovokationen als diagnostischem Werkzeug ist ein
standardisiertes und kontrolliertes Vorgehen von besonderer Bedeutung, um
falsch positive Ergebnisse zu vermeiden, und um die potentielle
Gefährdung des Patienten zu minimieren. Das Prinzip beruht darauf,
dass die allergische Reaktion des Erfolgsorgans unter kontrollierten und
standardisierten Bedingungen reproduziert wird.
In der klinischen Routine spielen hier die nasale Allergenprovokation und die
doppelblinde, plazebokontrollierte Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC) [17] die wichtigsten Rollen.
Arzneimittelprovokationen sind ein wichtiges Werkzeug in der Diagnostik von
Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel [18]. Seltener kommen Provokationstestungen
bei allergischem Asthma als bronchiale Allergenprovokation, die
Stichprovokation bei Insektengiftallergien [19] und der Atopie-Patch-Test bei der atopischen Dermatitis [20] zum Einsatz.
Zur Indikation, Durchführung und Interpretation der nasalen
Allergenprovokation liegt eine aktuelle europäische Leitlinie der
EAACI vor [21]. Die Erstellung einer
deutschen Leitlinie zur nasalen Allergenprovokation ist bei der AWMF bereits
angemeldet.
Die Qualität der Untersuchung hängt auch hier von der
Schulung sowie Ausführung des Untersuchers, der Compliance des
Patienten, der Genauigkeit der Messmethoden (Rhinomanometrie) sowie der
Qualität der verwendeten Allergene ab. Nimmt man eine gewisse
Grauzone in der Interpretation der Ergebnisse durch den Untersucher an, ist
auch hier die Qualität und Vergleichbarkeit von Untersuchungen nur
durch streng regulierte interne Maßnahmen möglich. Hierzu
gehören einheitliche gute Schulungen des ausführenden
Personals, Verwendung hochwertiger regelmäßig gewarteter
Rhinomanometer, standardisierte Provokationslösungen, genaue
Instruktionen an den Patienten vor der Untersuchung, damit dieser die
Untersuchung so sachgerecht wie möglich mitgestalten kann und das
Verwerfen nicht regelrecht durchgeführter Untersuchungen. Als
Hilfestellung können Eingangskriterien für Untersucher und
Patient und der Untersuchungsvorgang in allen Details als
Verfahrensanweisung hinterlegt sein.
Zur Diagnostik der Analgetikaintoleranz (N-ERD: Nonsteroidal antiinflammatory
drug exacerbated respiratory disease) finden sich in einer EAACI Leitlinie
klare Hinweise [22]. Die orale Provokation
mit Aspirin stellt den Goldstandard dar. Nasale und inhalative Provokationen
können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls sinnvoll sein.
Auch diese Verfahren sollten standardisiert durchgeführt werden-
einerseits, um die Qualität der diagnostischen Aussagekraft zu
gewährleisten, andererseits aber auch um die Patientensicherheit zu
optimieren. Die in-vitro Diagnostik wird bei diesem Krankheitsbild
nicht empfohlen.
3.2 Therapie
Die Therapie allergischer Erkrankungen fußt im Allgemeinen auf den drei
Säulen der Allergenkarenz, der medikamentösen Therapie und der
allergenspezifischen Immuntherapie (SIT). Um ein optimales Outcome zu erreichen,
müssen alle verfügbaren Therapien aufeinander abgestimmt sein.
Außerdem sollte bei der Einschätzung des Outcomes nicht nur die
möglichst objektive Testung und Evaluation von Untersuchungsbefunden
berücksichtigt werden, sondern auch die subjektive Einschätzung
des Patienten. Diese kann wiederum durch die Verwendung von Fragebögen
stratifiziert und in einen Gesamtkontext gesetzt werden.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Einbeziehung der Patienten im Sinne einer
Information und Schulung aber auch Partizipation an der Therapieentscheidung
[23]
[24], wodurch die Therapiequalität verbessert werden kann.
Schulungen spielen bei der Einhaltung der Allergenkarenz eine entscheidende
Rolle. Allergene sind oft nicht offensichtlich, insofern müssen
Patienten lernen, wo und wie sie exponiert sind und wie dies vermieden werden
kann. Hierbei helfen heutzutage unterschiedliche Ansätze. Den Anfang
macht das Gespräch mit dem Arzt nach erfolgter Diagnose. Hierbei kann
Informationsmaterial übergeben werden und auf weitere
Informationsquellen hingewiesen werden. Dies sind Dienste im Internet oder
entsprechende Apps unterschiedlicher Anbieter, z. B. Pollenflugdienste
in Wetterportalen. Bei Patienten mit Nahrungsmittelallergien, wie z. B.
häufig schwer verlaufenden Erdnussallergien, ist die Allergenkarenz von
potentiell lebenswichtiger Bedeutung. Allerdings betrifft dies nicht nur die
Kenntnisse der Patienten selber, sondern auch die Familie der Patienten und ihr
weiteres Umfeld. Daher sind Informationen zu solchen Allergien und ihren
Auslösern auch für Gruppen, die weit über die
betroffenen Patienten selbst hinausgehen wichtig. In einer systematischen
Untersuchung an Mitarbeitern in Düsseldorfer Restaurants konnten nur
30% drei wichtige Nahrungsmittelallergene nennen und der Wissensstand zu
Nahrungsmittelallergien war sehr gering [25].
Bei anderen chronischen Erkrankungen, wie COPD [26] oder Diabetes mellitus [27]
konnte gezeigt werden, dass Schulungen zur „Selbstverwaltung“
der Krankheit, einen Benefit im Outcome zeigen. Beides trägt zur
Therapieindividualisierung und -compliance bei und somit zu deren
Qualität. Auch die Schulung über Wirkung, Nebenwirkungen, Nutzen
und Zweck einer Therapie, einzelner Medikamente und im Speziellen einer
Immuntherapie verbessern deren Akzeptanz und so die Therapieadhärenz und
natürlich das Outcome.
Je nach allergischer Erkrankung haben die 3 Therapiesäulen eine
unterschiedlich große Relevanz und bei einigen Erkrankungen sind
bestimmte Therapieformen auch gar nicht möglich oder empfehlenswert. So
sollte z. B. eine chronische Urtikaria nicht mit einer SIT behandelt
werden. Bei Insektengiftallergien ist dieser Therapieansatz jedoch zentral. Auch
hier ist die spezifische Information an den Patienten mit einem für ihn
geeigneten Medium essenziell.
Die Ergebnisqualität der medikamentösen Therapie allergischer
Erkrankungen wird am häufigsten in kontrollierten klinischen Studien
gemessen. Hierzu kommen objektive Parameter wie z. B. die Lungenfunktion
bei Asthma, Symptomscores wie z. B. nasale Symptome bei allergischer
Rhinitis, aber auch standardisierte Instrumente zur Messung der
krankheitsspezifischen (z. B. SNOT22 [28]) oder allgemeinen Lebensqualität (z. B. SF36) zum
Einsatz. In zunehmenden Maße wird aber auch die Qualität der
Interventionen außerhalb von Studien, im realen, alltäglichen
Einsatz („Real World Evidenz“) untersucht. Hierbei zeigen sich
oftmals weniger ausgeprägte positive Effekte und ein wichtiges Ziel
solcher Studien besteht auch darin, die Faktoren zu identifizieren, die
dafür verantwortlich sind. Hierzu werden oft Registerstudien,
z. B. an Verordnungsdatenbanken angewandt. Als Beispiel sei eine Studie
erwähnt, die untersuchte, wie häufig eine spezifische
Immuntherapie bei allergischer Rhinitis in Deutschland durchgeführt wird
[29]. Die Ergebnisse sind
ernüchternd, denn nur 7% der Patienten erhielten diese
leitliniengerechte Therapie. In der nahen Zukunft werden solche „Real
World Evidenz“-Daten erheblich an Bedeutung gewinnen, da digitale
Werkzeuge und die digitale Erfassung nicht nur die Menge, sondern auch die
Qualität und Granularität krankheitsrelevanter Daten verbessern
werden. In Kombination mit neuen Methoden zur Auswertung und Darstellung solcher
Informationen wird die Bedeutung klassischer klinischer kontrollierter Studien
im Vergleich zur Real Word Evidenz sinken [30].
Die spezifische Immuntherapie mit Allergenen ist bei vielen allergischen
Erkrankungen besonders wichtig, da sie die einzige Behandlungsmethode ist, die
nicht nur Symptome reduziert, sondern auch krankheitsmodifizierende Effekte hat.
Sie kann im Gegensatz zu medikamentösen Therapien die Entwicklung eines
Asthma bronchiale verhindern [31]
[32] und die Entwicklung neuer allergischer
Sensibilisierungen reduzieren [33]
[34]. Zur allergenspezifischen Immuntherapie
steht eine AWMF-Leitlinie (S2k) zur Verfügung [35]. Als besonderes Merkmal bietet diese
Leitlinie regelmäßig aktualisierte Tabellen, in denen eine
produktspezifische Bewertung der in Deutschland, der Schweiz und
Österreich verfügbaren Präparate beschrieben wird. Sie
basieren auf fünf Kriterien, die durch die verantwortliche AG der
AWMF-Leitlinienkommission festgelegt wurden. Dies gilt ausschließlich
für die sogenannten „TAV-Präparate“ (siehe
unten). Über die Frage, inwieweit sich hieraus evidenzbasierte Aussagen
über die Wirksamkeit der Präparate ableiten lassen und ob diese
Informationen relevant für die Auswahl der Präparate sein
sollten, wurden kontroverse Diskussionen geführt [36]
[37]
[38]
[39]. Die
Autoren der Leitlinie stellen klar, dass in der Tabelle, die
„publizierte Evidenz“ dargelegt wird, also ob zu den einzelnen
Präparaten Studien publiziert wurden, die den fünf Kriterien
entsprechen. Diese Leitlinie befindet sich aktuell in der Phase der
Aktualisierung und der Anhebung der Klassifikation auf das S3-Niveau nach
AWMF-Richtlinien.
Tab. 1 Auszug aus der MWBO 2018 für allergologische und
immunologische Erkrankungen für das Gebiet
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde [54].
Kognitive und Methodenkompetenz Kenntnisse
|
Handlungskompetenz Erfahrungen und Fertigkeiten
|
Richtzahl
|
Allergische und immunologische Erkrankungen sowie
Umweltmedizin
|
Grundlagen der Typ I - IV-Reaktionen allergischer
Erkrankungen
|
|
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Diagnostik allergischer und pseudoallergischer Erkrankungen,
insbesondere
|
|
|
- kutane (Prick-)Tests, ggf. auch epi- und intrakutane Tests,
unspezifische Tests, Provokationstests
|
200
|
|
- Interpretation von allergologischen in-vitro
Testverfahren
|
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Therapie allergischer und pseudoallergischer Erkrankungen
einschließlich Erstellung eines Therapieplans,
z. B. Karenz, medikamentöse Therapie,
spezifische Immuntherapie
|
25
|
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Therapie der Anaphylaxie gemäß Schweregrad
einschließlich des anaphylaktischen Schocks
|
|
Im Jahr 2008 trat in Deutschland die Therapieallergene Verordnung [40] „TAV“ in Kraft. Hierin
wurde ein rechtlicher Rahmen für die Zulassung von Therapieallergenen
für die wichtigsten Allergene (Birke, Erle, Hasel;
Süßgräser außer Mais; Hausstaubmilben; Bienen-
und Wespengift) geschaffen. Damit soll die Qualität, Sicherheit und
Wirksamkeit dieser Produkte, die bis dato nur als nicht zugelassene sogenannte
„Individualrezepturen“ auf dem Markt waren,
gewährleistet werden. Die Präparate müssen durch
Zulassungsverfahren, die vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) überwacht
werden, auf Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit geprüft werden.
Dieser strukturierte Prozess der Neuzulassung gestaltet sich langwierig und soll
2026 abgeschlossen sein.
Bei vielen allergischen Erkrankungen sind inzwischen auch Biologika, also
monoklonale Antikörper, zur Behandlung schwerer Fälle
zugelassen, die in den meisten Fällen zusätzlich zu den anderen
Medikamenten verabreicht werden. Dies gilt für die atopische Dermatitis
[41], das Asthma bronchiale [42]
[43] und
chronisch spontane Urtikaria [44]. Bei vielen
weiteren Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis werden Biologika in Studien
untersucht oder außerhalb der Zulassung erprobt [45]
[46].
Durch den Einsatz dieser neuen Medikamente konnte die Qualität der
Behandlung bei schweren Fällen deutlich gesteigert werden. Dies gilt
sowohl für die Verbesserung der Symptome wie z. B. bei der
atopischen Dermatitis [47] und der chronisch
spontanen Urtikaria [44] als auch für
die Vermeidung von Nebenwirkungen durch eine Reduktion der Anwendung
systemischer Glukokortikosteroide bei Asthma bronchiale [42].
Für die Therapie aller häufigen allergischen Erkrankungen finden
sich deutsche oder internationale Leitlinien, die überwiegend eine hohe
methodische Qualität aufweisen.
Die Orientierung der Therapie an Leitlinien erhöht die Qualität
der Behandlungsergebnisse. So untersuchten Bousquet et al in einer
randomisierten, kontrollierten Studie, ob eine nach Leitlinien standardisierte
Therapie bei allergischer Rhinitis zu besseren Ergebnissen führt. Dazu
wurden randomisiert 2 Gruppen von Allgemeinmedizinern gebildet und eine Gruppe
führte die Behandlung leitliniengerecht durch, während die
andere Gruppe eine freie Therapiewahl hatte. In der Tat erbrachte der
standardisierte und kategorisierte Ansatz bessere Behandlungsergebnisse [48].
Ausgehend vom Konzept der Multimorbidität – also der Tatsache,
dass mehrere allergische Erkrankungen sehr häufig gleichzeitig auftreten
– wurde die internationale ARIA-Initiative (Allergic Rhinitis and its
Impact on Asthma) inzwischen von der Beschränkung auf die Entwicklung
und Aktualisierung von Leitlinien zu einem Konzept integrierter Behandlungspfade
unter Anwendung medizinischer Apps auf Smartphones, die eine tägliche
Symptomeingabe durch die Patienten ermöglichen [6], sektorenübergreifend ausgeweitet
[24]. Sowohl das Prinzip der Verwendung
von medizinischen Apps zur Verbesserung der Symptomerfassung und
Therapiesteuerung [49] als auch die vermehrte
Integration von Patienteninteressen bei der Entwicklung von Behandlungspfaden
[50] werden in Zukunft an Bedeutung
gewinnen.
4. Struktur der allergologischen Versorgung
4. Struktur der allergologischen Versorgung
Die Diagnostik und Therapie allergischer Erkrankungen kann und sollte
grundsätzlich auf allen Stufen der ärztlichen Versorgung
stattfinden, wenn die hierzu notwendigen Qualitätsstandards in Bezug auf die
Ausbildung, die Struktur und die Durchführung vorhanden sind.
Man kann zwischen einer allergologischen Grundversorgung, der spezialisierten
allergologischen Versorgung und der hochspezialisierten allergologischen Versorgung
in Zentren unterscheiden. Die Grenzen zwischen diesen Bereichen sind
fließend und sehr von der Perspektive des Betrachters abhängig.
Dennoch gibt es keinen Zweifel daran, dass es komplexe, schwerwiegende oder
bedrohliche Fälle gibt, die nicht von allen allergologisch
tätigen Ärzten qualitativ hochwertig behandelt werden können
und sollen. Gleichzeitig gibt es aber auch relativ einfach zu diagnostizierende und
behandelnde allergische Erkrankungen. Sowohl im Interesse der betroffenen Patienten,
als auch im Interesse der Ärzte und des Gesundheitssystems erscheint es
daher sinnvoll, Kriterien zu etablieren, die eine möglichst transparente und
zuverlässige Einordnung der Qualität allergologischer Kompetenz
ermöglichen. Dies ist bisher nur sehr begrenzt möglich.
Auf die unterschiedlichen Stufen der allergologischen Ausbildung wird später
eingegangen. In Bezug auf die organisatorische Struktur ermöglicht die
Existenz einer speziellen allergologischen Sprechstunde oder allergologischer
Schwerpunkte oder Abteilungen an Kliniken bereits eine erste grobe Unterteilung. Das
Vorhandensein und die Durchführung eines Qualitätsmanagements
erlaubt in einem begrenzten Rahmen Rückschlüsse auf die
Qualität der Durchführung allergologischer Maßnahmen. Da
sich viele allergische Erkrankungen an unterschiedlichen Organsystemen gleichzeitig
oder sequentiell manifestieren, kann auch die Existenz und das Ausmaß
strukturierter interdisziplinärer Kooperationen Hinweise geben. Diese oder
vergleichbare Kriterien werden jedoch nicht systematisch für die
Allergologie erfasst. Eine gerade aus dieser Perspektive sehr wichtige Entwicklung
besteht in der Etablierung zertifizierter Allergiezentren auf Initiative der
Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie
(DGAKI).
4.1 Comprehensive Allergy Center
4.1.1 Definition
Das Netzwerk allergologischer Referenzzentren (Comprehensive Allergy Center
(CAC)) [51] wurde 2014 durch die
medizinischen Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für
Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI), Deutsche Dermatologische
Gesellschaft (DDG) und Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP)
initiiert. Die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNOKHC) hat sich bislang nicht beteiligt.
Das Ziel dieser Initiative ist eine fächerübergreifende, hoch
kompetente Versorgung der Patienten in allergologischen Referenzzentren. Die
Zentren sollen in einem Stufenkonzept mit geprüfter und
zertifizierter Qualität medizinische Versorgung auf höchstem
Niveau und orientiert am jeweils neuesten Forschungsstand
gewährleisten. Weiterhin sollen die klinische und experimentelle
Forschung sowie die Ausbildung gesichert sein. Dazu wurde entsprechend den
modernen Qualitätsmanagementansprüchen ein spezifischer
Zertifizierungsprozess entwickelt. Zurzeit sind in Deutschland 8
allergologische Zentren erfolgreich als CAC zertifiziert.
4.1.2 Modus der Zertifizierung
Die Kriterien und inhaltlichen Voraussetzungen für die Zertifizierung
sind in einer Checkliste festgehalten und bilden die Grundlage für
die erfolgreiche Zertifizierung [52].
4.1.2.1 Struktur eines CAC
Alle Abteilungen, Institute oder Fachrichtungen, die sich mit klinischer
Allergologie, allergischen Patienten und/ oder
Grundlagenforschung in diesem Bereich befassen, können
CAC-Mitglieder sein. Obligat für ein CAC sind mindestens 3
Mitglieder aus den Fachbereichen Dermatologie, HNO, Innere
Medizin/Pneumologie, Pädiatrie, Labormedizin. Weitere
Mitglieder können z. B. die Fachbereiche Arbeitsmedizin,
Physiotherapie, Psychosomatik oder Forschungslabore mit Schwerpunkt
Allergologie darstellen. Daneben können bei Bedarf auch externe
Experten und Kooperationspartner in das CAC integriert werden. Dies ist
insbesondere notwendig, wenn obligate Fachbereiche nicht im CAC direkt
eingeschlossen sind ([Abb. 2]). Die
interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen
Fachabteilungen und Einrichtungen des CAC ist essentiell für die
Behandlung von komplexen allergologischen Fällen. Das CAC soll
durch tägliche Verfügbarkeit der CAC Partner und
schnelle gegenseitige Konsultation ermöglichen, dass rasche
gemeinsame Entscheidungen bei diagnostischen und therapeutischen Fragen
getroffen werden können.
Abb. 2 Darstellung der Struktur eines Comprehensive
Allergy Centers nach den Vorgaben des Netzwerks allergologischer
Referenzzentren.
Innerhalb des CAC bedarf es eines Lenkungsgremiums mit Sprecher und
Stellvertreter des Zentrums. Dabei sollen der Sprecher und der
Stellvertreter Erfahrung sowohl in klinischer allergologischer
Diagnostik, Therapie und Schulung als auch in Forschung vorweisen
können. Das Lenkungsgremium entscheidet über Auswahl und
Benennung der Mitglieder und definiert die Zielsetzung, Ausrichtung und
Weiterentwicklung des Allergologischen Zentrums. Weiterhin soll dort die
Mitwirkung der Fachabteilungen und der zentralen
Qualitätsmanagement-Abteilung koordiniert werden. Zu den
weiteren Aufgaben des Lenkungsgremiums gehört auch die
Öffentlichkeitsarbeit, die Zusammenarbeit mit externen und
überregionalen Stellen wie z. B. wissenschaftlichen
Fachgesellschaften oder Patientenverbänden sowie die Erstellung
eines Finanzplans und des Jahresreviews.
4.1.2.2 Externe Kooperationen
Ein zentraler Punkt ist die Kooperation und Integration von Zuweisern und
die enge Anbindung der Patienten. Durch Bekanntgabe und
Veröffentlichung von Ansprechpartner des CAC und die Darstellung
der Behandlungsmöglichkeiten, Mitarbeiter und
Kooperationspartner auf einer CAC Homepage soll eine direkte Anbindung
an die Ein- und Zuweiser erreicht werden und den Patienten die direkte
Kontaktaufnahme zum CAC erleichtert werden. Die Zuweiser haben die
Möglichkeit, an den CAC Zirkeln teilzunehmen und dort Patienten
vorzustellen. Zusätzlich werden Veranstaltungen zum Austausch
von Erfahrungen und zur Fortbildung der Zuweiser sowie
Informationsveranstaltungen für Patienten mindestens einmal
jährlich vom CAC angeboten. Die Zuweiser-/
Einweiserzufriedenheit wird alle 3 Jahre und die Patientenzufriedenheit
jährlich durch eine Befragung erfasst. Auch eine Kooperation mit
lokalen Medien und Selbsthilfegruppen ist gewünscht.
4.1.2.3 Studien
Bei Teilnahme oder Durchführung der jeweiligen
Universität an allergologischen Studien sollten diese zur
Qualitätssicherung primär durch das CAC geleitet werden.
Dazu gehört das Führen und Pflegen einer Studienliste
und der Studienpläne, Qualifikation der Mitarbeiter und
Organisation der Studie mit der notwendigen Infrastruktur, z. B.
Betreuung der Studienpatienten und Aufgabenteilung zwischen den CAC
Partnern. Die Studien sollen auch auf der CAC Homepage dargestellt
werden, um Patienten zu informieren und den Kontakt für eine
Studienaufnahme zu ermöglichen.
4.1.2.4 Interne Qualitätssicherung
In Fallkonferenzen, die mindestens einmal pro Quartal stattfinden, sollen
Fälle mit komplexen allergologischen Problemstellungen
interdisziplinär diskutiert werden. Weiterhin sollen in
CAC-Zirkeln, die ebenfalls mindestens einmal pro Quartal stattfinden,
über wesentliche allergologische Themen interdisziplinär
fortgebildet werden.
Um eine leitliniengerechte Versorgung der Patienten sicherzustellen,
werden aktuellen Leitlinien z. B. der AWMF oder der EAACI als
Grundlage der Diagnostik und Therapie verwendet und die internen
Richtlinien und Vorgänge an die Empfehlungen der Leitlinien
angepasst. Dazu werden durch einen Leitlinienverantwortlichen die
aktuellen Leitlinien im CAC hinterlegt und auf Aktualität und
Weiterentwicklung überprüft. Änderungen werden
z. B. in Fortbildungen oder den CAC Zirkeln spätestens 4
Wochen nach Erscheinen vorgestellt.
Daneben ist der aktuelle Kenntnisstand von Ärzten und dem
Pflegepersonal zum Management von Notfallintervention durch Teilnahme an
einer Trainingseinheit oder Behandlung einer echten Notfallsituation
während der Dienstzeit pro Jahr nachzuweisen. Der Teamleiter
kontrolliert, dass die Ärzte den aktuellen Wissensstand in der
Allergologie durch CME-Punkte aus Kongressbesuchen und Fortbildungen
oder Lektüre nachweisen können.
Diagnostische und therapeutische Verfahren wie Haut-Prick-Test,
Haut-Patch-Test, Intrakutantest, Lungenfunktion, nasale Provokation, die
Anwendung der allergenspezifischen Immuntherapie, Nahrungsmittel- und
Medikamenten- Provokationstests müssen in Form von Protokollen,
Handbüchern und Handlungsanweisungen (SOPs) festgehalten werden
und dadurch im CAC standardisiert sein.
Zu beachten ist, dass nicht nur das ärztliche Personale eine
wichtige Rolle für ein erfolgreiches CAC spielt. Bereits bei der
Terminvergabe soll der Patient durch geschulte Mitarbeiter und gezielte
anamnestische Fragen an die optimale primäre Einrichtung
weitergeleitet werden. Die Pflege soll intensiv in das CAC eingebunden
werden, durch Schulung des Pflegepersonals im allergologischen Bereich
(ambulant und stationär) und in speziellen allergologischen
Krankheitsbildern sowie diagnostischen Techniken, z. B. im
Umgang mit Notfallsituationen. Dazu wird jeder Mitarbeiter
jährlich mit spezifischen Fort- und
Weiterbildungsmaßnahmen unterrichtet und auch die Teilnahme an
der CAC-Fallkonferenz angeregt. Dieses Konzept soll auch in einem
Einarbeitungskatalog zur Initiierung von neuen Mitarbeitern der Pflege
festgehalten werden. Eine eigene oder eine kooperierende Apotheke mit
allergologischem Knowhow und Herstellungserlaubnis sollte z. B.
für den Fall der Herstellung Patienten-spezifischer
Allergentestpräparate vorhanden sein.
Wesentlich sind auch eine offene Fehlerkultur und Erfassung von
Beschwerden im CAC. Im Critical Incidence Reporting System (CIRS) werden
schwerwiegende, Zwischenfälle und Fehler wie z. B.
Anaphylaxien, Verwechslung von Medikamenten oder Dosisfehler, gemeldet
und schriftlich festgehalten. Die Zwischenfälle werden kritisch
diskutiert, analysiert und nach Ursachen geforscht. Als Konsequenz
sollen Maßnahmen getroffen werden, um diese Fehler
künftig zu vermeiden. Im weiteren Beschwerde-Management werden
weitere Probleme wie z. B. in der Erfassung der Patienten- oder
Zuweiserzufriedenheit festgestellt, analysiert und Maßnahmen zur
Verbesserung der Qualität und Leistung festgelegt.
5. Allergologische Ausbildung
5. Allergologische Ausbildung
Die allergologische Ausbildung sollte ihr Fundament im Medizinstudium haben, in der
Facharztausbildung verankert sein und in der Weiterbildung zur Zusatzbezeichnung
Allergologie vertieft werden. Ein spezieller Facharzt für Allergologie
existiert in Deutschland bislang nicht.
In den Curricula der medizinischen Hochschulen in Deutschland wird die Allergologie
nicht systematisch gelehrt, sondern findet allenfalls im Rahmen fachspezifischer
Lehre Berücksichtigung. Aktuell existieren an den deutschen medizinischen
Fakultäten keine separaten und unabhängigen, vollwertigen
Lehrstühle für Allergologie. Grundkenntnisse zu allergologischen
Erkrankungen sollten aber schon aufgrund der enormen Prävalenz von Allergien
an alle Ärzte vermittelt werden. Daher ist eine systematische und bessere
Implementierung der Allergologie bereits im Medizinstudium unbedingt zu fordern.
Die Ausbildungskataloge für die Gebiete Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kinder-
und Jugendmedizin, Haut- und Geschlechtskrankheiten und Innere Medizin und
Pneumologie enthalten allergologische Inhalte. Damit gewährleisten die
Ausbildungen die Grundversorgung unkomplizierter allergologischer Erkrankungen.
Im Anschluss an die Anerkennung als Facharzt kann eine 18-monatige Weiterbildung
für die Zusatzbezeichnung Allergologie absolviert werden.
Diese Regelungen der bisherigen Weiterbildungsordnung gelten jedoch nicht mehr lange,
denn nach langer Vorbereitungszeit wurde vom Deutschen Ärztetag und der
Bundesärztekammer eine neue Muster-Weiterbildungsordnung (MWBO) beschlossen.
Bevor diese jedoch gültig wird, müssen die einzelnen
Landesärztekammern sie entweder übernehmen oder individuelle
Regelungen beschließen.
Die Bundesärztekammer definiert die ärztliche Weiterbildung in der
Präambel zur aktuellen MWBO folgendermaßen [53]: „Ärztliche Weiterbildung
beinhaltet das Erlernen spezieller ärztlicher Fähigkeiten und
Fertigkeiten nach abgeschlossenem Studium der Humanmedizin und Erteilung der
Erlaubnis zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. Im
Interesse der Patienten werden die in der Ausbildung geprägten
ärztlichen Kompetenzen und Haltungen während der Weiterbildung
vertieft. Kennzeichnend für die Weiterbildung ist die vertiefende
Anwendung ärztlicher Kenntnisse in der Berufsausübung.
Die Weiterbildung erfolgt in strukturierter Form, um in Gebieten die
Qualifikation als Facharzt, darauf aufbauend eine Spezialisierung in
Schwerpunkten oder in einer Zusatz-Weiterbildung zu erhalten.
Die vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte und Weiterbildungszeiten sind
Mindestanforderungen. Die Weiterbildungszeiten verlängern sich
individuell, wenn Weiterbildungsinhalte in der Mindestzeit nicht erlernt werden
können.
Die Weiterbildung wird in angemessen vergüteter hauptberuflicher
Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an zugelassenen
Weiterbildungsstätten durchgeführt. Sie erfolgt unter Anleitung
befugter Ärzte in praktischer Tätigkeit und theoretischer
Unterweisung sowie teilweise durch die erfolgreiche Teilnahme an anerkannten
Kursen.
Der Abschluss der zu dokumentierenden Weiterbildung wird auf Grund der von den
Weiterbildungsbefugten erstellten Zeugnisse und einer Prüfung beurteilt.
Der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung wird durch eine Anerkennungsurkunde
bestätigt.
Die Weiterbildungsbezeichnung ist der Nachweis für erworbene Kompetenz.
Sie dient der Qualitätssicherung der Patientenversorgung und der
Bürgerorientierung“.
5.1 Allergologie in der Facharztausbildung
In der 5-jährigen Weiterbildungszeit zum Facharzt für
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (24 Monate Basisweiterbildung und 36 Monate
Weiterbildung) sind bereits einige Inhalte aus dem Bereich der Allergologie
verankert.
In der neuen Fassung der MWBO wird unter dem Abschnitt HNO hier folgendes genannt
[54]: ([Tab.
1])
Aus dieser Aufstellung wird klar, dass in der Facharztausbildung zum
Hals-Nasen-Ohrenarzt nur ein kleiner Bruchteil der allergologischen Diagnostik
und Therapie erlernt werden muss, um den Anforderungen in dieser Tabelle zu
genügen.
Im Vergleich zur vorhergehenden MWBO aus dem Jahr 2003 lassen sich in Bezug auf
die Allergologie hier insgesamt keine wesentlichen Änderungen erkennen.
Allerdings wurde zuvor eine Richtzahl von 25 Hyposensibilisierungen gefordert,
in der neuen Version wird dieselbe Zahl sehr allgemein für die Therapie
allergischer und „pseudoallergischer“ Erkrankungen
angegeben.
Es muss an dieser Stelle aber kritisch angemerkt werden, dass nicht alle
Ausbildungsstätten für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Deutschland
die notwendigen strukturellen Voraussetzungen aufweisen, um diese grundlegenden
allergologischen Verfahren in der Diagnostik und Therapie durchzuführen
und damit lehren zu können.
Um derartigen Problemen entgegenzuwirken, wurde bereits vor vielen Jahren ein
2-stufiges Kurssystem für Assistenten in der Weiterbildung etabliert, in
dem Grundlagen und praktische Fähigkeiten der Allergologie vermittelt
werden sollen. Die Arbeitsgemeinschaft Klinische Immunologie, Allergologie und
Umweltmedizin der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie hat hierzu Richtlinien verfasst, die zuletzt im
November 2009 aktualisiert wurden und in denen Voraussetzungen zum Abhalten der
Kurse, zu den Teilnehmerzahlen, Ausbildungsinhalten und dem Kursprogramm
festgelegt wurden [55].
Der Vergleich mit weiteren Gebieten in der neuen Fassung der MWBO zeigt, dass
auch in den Facharztweiterbildungen Haut- und Geschlechtskrankheiten, Innere
Medizin und Pneumologie und Kinder- und Jugendmedizin keine höheren
Anforderungen an die allergologischen Inhalte gestellt werden [53].
Aus diesem Grund kommt einer Zusatzqualifikation für die kompetente und
qualitativ hochwertige Diagnostik und Behandlung allergischer Erkrankungen eine
besonders große Bedeutung zu.
5.2 Zusatzbezeichnung Allergologie
Um die fachliche Qualifikation in Allergologie weiter zu steigern, kann im
Anschluss an die Facharztweiterbildung die Zusatzbezeichnung Allergologie
erworben werden. In der MWBO wird dies so beschrieben: „Die
Zusatz-Weiterbildung Allergologie umfasst in Ergänzung zu einer
Facharztkompetenz die Vorbeugung, Erkennung und Behandlung der durch Allergene
und Pseudoallergene ausgelösten Erkrankungen verschiedener Organsysteme
einschließlich der immunologischen Aspekte“ [56].
Allergische Erkrankungen sind nicht nur sehr häufig, sondern oft auch
sehr komplex und sie können – z. B. als anaphylaktische
Reaktionen – lebensbedrohlich sein [57]. Solche komplizierten Fälle erfordern jedoch eine
fundierte und oft auch interdisziplinäre Versorgung durch allergologisch
hochqualifizierten Spezialisten. Aber auch nicht lebensbedrohliche allergische
Erkrankungen sind häufig durch eine ausgeprägte
Komplexität in der Diagnostik und Therapie gekennzeichnet und erfordern
entsprechend hochqualifizierte Betreuung, um die Patienten adäquat zu
behandeln. Dies erfordert eine qualitativ hochwertige, multidisziplinäre
und tiefgehende Ausbildung.
Nach der bisherigen Fassung der Weiterbildungsordnung für die
Allergologie dauert diese Ausbildung 18 Monate. Sie ist in Vollzeit und unter
der Anleitung durch einen Weiterbildungsermächtigten zu absolvieren.
Anschließend erfolgt eine Prüfung bei der zuständigen
Ärztekammer.
In den Gebieten Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten,
Innere Medizin und Kinder- und Jugendmedizin können von diesen 18
Monaten 6 Monate aus der Weiterbildung anerkannt werden, sodass 12 Monate
Mindestdauer verbleiben ([Abb. 3]).
Abb. 3 Schematische Darstellung der Weiterbildung Allergologie
(nach der bislang gültigen Weiterbildungsordnung (MWBO
2003)).
5.3 Geplante Änderungen der Weiterbildungsordnung
Allergologie
Beim 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt wurde die Novellierung der
(Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) beschlossen [58]. Die MWBO bildet die Grundlage für die
Weiterbildungsordnungen der einzelnen Landesärztekammern. Zur
praktischen Anwendung kommen die Neuerungen aber erst nach entsprechenden
Beschlüssen der Landesärztekammern, die diese Regelungen auch
für ihre Kammer ändern können, und der Umsetzung in die
Heilberufsgesetze der Länder. Hier wurden auch die Voraussetzungen und
Mindestzeiten für den Erwerb der Zusatzbezeichnungen neu festgelegt.
Der von den Weiterbildungsgremien eingebrachte Vorschlag für Allergologie
(mit einer 12-monatigen Weiterbildungszeit) wurde hier nicht beschlossen,
sondern stattdessen einem Änderungsantrag dreier Delegierter zugestimmt,
der nicht mit den Fachgesellschaften abgestimmt war und den Erwerb der
Zusatz-Weiterbildung Allergologie nur berufsbegleitend ohne die Ableistung von
Weiterbildungszeiten (oder vorgeschriebenen Kurszeiten) ermöglichen soll
[58].
Dies hat für erhebliche Diskussionen gesorgt [59]. Eine festgeschriebene Mindestdauer der Weiterbildung für
die Fachgruppen Pädiatrie, HNO-Kunde, Dermatologie und Pneumologie soll
es im Gegensatz zur noch gültigen Regelung von 18 Monaten damit nicht
mehr geben. Außerdem soll die Zusatzbezeichnung Allergologie in Zukunft
„berufsbegleitend“ erlangt werden können.
Die fachlichen Inhalte wurden beim Ärztetag nicht beschlossen, sondern
sollten in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften, Berufsverbänden und
Landesärztekammern erarbeitet werden. Letztendlich hat die
Bundesärztekammer in ihren Gremien hierzu einen Entwurf vorgelegt, der
nun vorliegt [56].
In einem Kommentar hat auch der Europäische Facharztverband UEMS zu den
geplanten Änderungen der allergologischen Weiterbildung mit der neuen
Musterweiterbildungsordnung Allergologie in Deutschland Stellung genommen [60]. Die UEMS ist für die
Harmonisierung und Festlegung von Mindestanforderungen der
fachärztlichen Weiterbildung in Europa verantwortlich und hat sich auch
mit der Allergologie befasst. In diesem offenen Brief wird dargelegt, dass
aktuell in 22 europäischen Ländern ein eigener Facharzt
für Allergologie besteht. In nur 5 europäischen Ländern
– inklusive Deutschland – ist die Allergologie eine
Subspezialisierung. Die geplante Verkürzung der allergologischen
Weiterbildung in Deutschland wird stark kritisiert und ausdrücklich
darauf verwiesen, dass damit nicht einmal die Mindestanforderungen für
die allergologische Ausbildung, die in einem europäischen
Positionspapier unter deutscher Beteiligung kürzlich fixiert wurden
[61] erreicht werden.
Mehrere deutsche wissenschaftliche Fachgesellschaften und Berufsverbände
(DGAKI, DGP, DDG, GPA, AeDA, BVDD) haben gegen diese Entscheidung in einem
Schreiben an die Bundesärztekammer Stellung bezogen, da sie
fürchten, dass diese Verschlechterung der Ausbildung auch zu einer
qualitativ schlechteren Versorgung der betroffenen Patientinnen und Patienten
führen wird.
Dies führte zu einer erneuten Beratung der MWBO Allergologie (2018) in
den Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer und es wurde ein
Änderungsantrag beim 122. Deutschen Ärztetag gestellt. Dieser
Antrag wurde als Vorstandsüberweisung an die Bundesärztekammer
zurücküberwiesen. Die Bundesärztekammer hat eine
Änderung der MWBO 2018 für Allergologie in einem Schreiben vom
30.9.2019 aber abgelehnt.
Die Umsetzung dieser neuen Regelungen obliegt nun den Landesärztekammern,
die entscheiden können, ob und wie sie diese Änderungen
übernehmen oder anpassen.
5.4 Internationale Situation
5.4.1 Zertifizierung durch EAACI
Seit 2008 bietet die Europäische Allergiegesellschaft (EAACI) in
Kooperation mit der UEMS (Union Européenne des médicins
spécialistes: https://www.uems.eu) eine
europäische Prüfung in Allergologie und klinischer
Immunologie an.
(https://www.eaaci.org/activities/eaaci-exam/upcoming-exam.html).
Diese Initiative beruht auf dem Bestreben der UEMS und der EAACI, die
Ausbildung zur Allergologie und klinischen Immunologie in Europa zu
harmonisieren [62] und den Standard in der
Allergologie in Europa zu verbessern. Die Prüfung soll einen Beitrag
zur Standardisierung der professionellen Prüfung zur Allergologie
und klinischen Immunologie für europäische
Fachgesellschaften liefern, diesen (allergologischen) Fachgesellschaften
helfen, indem sie eine schriftliche Prüfung auf einem international
einheitlichen Niveau bereitstellt und ärztliche Kollegen
identifizieren, die den Wissensstandard für eine kontinuierliche
professionelle Weiterentwicklung erfüllen.
Die Prüfungen werden jährlich beim Jahreskongress der EAACI
in Form einer 3-stündigen Multiple-Choice Prüfung mit 120
Fragen (in Englischer Sprache) abgehalten. 70% der Fragen sind
allergologischen Inhalten gewidmet und 30% befassen sich mit
immunologischen Grundlagen und klinischer Immunologie. Es wird eine
allgemeine Prüfung und seit 2018 auch eine Prüfung mit
pädiatrischem Schwerpunkt angeboten. Die Durchführung und
Bewertung der Prüfung erfolgen in Kooperation mit dem Institut
für Medizinische Lehre der Universität Bern
(https://www.iml.unibe.ch). Das IML bietet auch ein
Online-Modul zur Selbsteinschätzung in deutscher
(https://www.iml.unibe.ch/angebote/assessment/pruefungsdienstleistungen/self-assessment)
und englischer Sprache
(https://www.iml.unibe.ch/en/offers/assessment-en/exam-services/self-assessment)
an.
5.4.2 Allergologie in Europa
In den meisten europäischen Ländern ist ein Facharzt
für Allergologie (und klinische Immunologie) etabliert. Eine
systematische Erfassung in Europa durch die EAACI und die UEMS, in denen
Daten aus 37 Ländern gesammelt werden konnten [63], zeigte, dass in 23 Ländern
(62%) ein spezieller Facharzt für Allergologie (und
klinische Immunologie) existiert. In einigen Ländern wie Frankreich,
Estland und Slowenien wurde dies erst kürzlich etabliert. In 9
europäischen Ländern (24%) –
einschließlich Deutschland – gibt es eine Subspezialisierung
und 5 Länder (14%) bieten gar keine (Sub-) Spezialisierung
für Allergologie an ([Abb.
4]).
Abb. 4 Darstellung der Staaten in Europa mit einem Facharzt
für Allergologie (grün), einer Subspezialisierung
für Allergologie (gelb) und ohne (Sub-) Spezialisierung
für Allergologie. Modifiziert nach Fyhrquist N, et al. 2019
[63].
Die UEMS und die EAACI fordern die Einführung eines speziellen
Facharztes für Allergologie in allen europäischen
Ländern, um die Qualität der allergologischen Behandlung zu
verbessern und um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse innerhalb von
Europa zu erreichen [61].
6. Allergiegesellschaften
6. Allergiegesellschaften
Hier findet sich eine Auflistung allergologisch tätiger Gesellschaften:
Deutschland
-
Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie
(DGAKI)
-
Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA)
-
Gesellschaft Pädiatrischer Allergologen (GPA)
-
Dachverband der regionalen pädiatrischen
allergologisch/pneumologischen Arbeitsgemeinschaften,
assoziierte Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft
für Kinder- und Jugendmedizin
-
Weblink: https://www.gpau.de
International
-
European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI)
-
American Academy of Allergy, Asthma, and Immunology (AAAAI)
-
World Allergy Organization (WAO)
7. Schlussfolgerungen
Viele HNO-ärztliche Erkrankungen haben eine allergische Grundlage oder
Komponente. Gleichzeitig weisen auch viele Patienten mit Allergien außerhalb
des HNO-Gebiets relevante Manifestationen im unserem Fachbereich auf. Daher haben
die Qualität der allergologischen Ausbildung und die kompetente Diagnostik
und Therapie dieser Erkrankungen für Hals-Nasen-Ohren-Ärzte eine
besonders hohe Bedeutung.
Viele Daten sprechen dafür, dass Häufigkeit, Schweregrad und die
Komplexität von Allergien in den letzten Jahren zugenommen haben [64] und weiter zunehmen werden. Zur qualitativ
hochwertigen Betreuung dieser Patienten ist die Optimierung der Ausbildung, der
organisatorischen Strukturen, der Dokumentation der Qualität, aber auch der
Forschung in der Allergologie dringend erforderlich. Dies gilt besonders für
die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, denn die häufigsten allergischen Erkrankungen
manifestieren sich in unserem Fachgebiet [65].
Um diesen Anforderungen gewachsen zu sein, ist eine Verbesserung der allergologischen
Ausbildung auf allen Ebenen, nämlich vom Studium bis zur Weiterbildung,
notwendig.
Im Bereich der wissenschaftlich hochwertigen Forschung im allergologischen und
immunologischen Bereich ist die HNO immer noch unterrepräsentiert, obwohl
unsere Fachkompetenz uns z. B. aufgrund der guten Erreichbarkeit der
betroffenen Organe (wie der Nase) strategische Vorteile bietet. Hier gilt es im
Interesse unseres Fachs aber auch der Patienten, die von neuen Entwicklungen
profitieren können, die Lücken zu schließen und die Chancen
wahrzunehmen.
Die praktische Durchführung allergologischer Diagnostik und Therapie sollte
im Interesse der Patienten aber auch der Ausbildung auch an allen HNO-Kliniken
Standard sein. Um auch schwerwiegende und komplexe Fälle mit der notwendigen
Qualität behandeln zu können, sollte die Zahl der
hochspezialisierten und zertifizierten Allergiezentren unter Beteiligung und aktiver
Unterstützung der HNO erhöht werden.