Abb. 1 Doulas bieten den Frauen, die sie betreuen, kontinuierliche Begleitung während der
Schwangerschaft und unterstützen sie während und nach der Geburt. (Foto: stock.adobe.com
– Monkey Business, Symbolbild)
Steigende Geburtenzahlen, Stellenabbau als Einsparungspotenzial, zunehmende administrative
Aufgaben und umfassendere Dokumentationsaufgaben aufgrund forensischer Aspekte haben
in Deutschland zu einem Hebammenmangel in den Krankenhäusern, aber auch in der Freiberuflichkeit
geführt [10].
Frauen haben während ihrer Schwangerschaft, während der Geburt und post partum einen
gesetzlichen Anspruch auf Hebammenhilfe (§24d SGBV). Eine Präzisierung der geforderten
Betreuungszeit sub partu bleibt dabei jedoch aus [14].
Die Lücke zwischen benötigter und gewünschter Betreuung von den Frauen bzw. Paaren im Kreißsaal und der geleisteten Betreuung klafft weit
auseinander und wird immer größer. In einer Studie von Stengel und Borde berichteten
55 % der 567 befragten Mütter, die ihre Kinder in Berliner Kliniken geboren hatten,
dass die Hebamme unter 50 % der Zeit von der Aufnahme bis zum Verlassen des Kreißsaals
anwesend war. 41 % Prozent der befragten Frauen empfanden dabei den Betreuungsumfang
der Hebamme als zu gering [14].
Doulas können diese Lücke füllen. Sie werden von der Frau engagiert und lernen sie schon während der Schwangerschaft
kennen. Die Doulas begleiten die Frau zur Geburt und bieten so eine kontinuierliche
Betreuung, zeigen Strategien und Techniken zur Schmerzverarbeitung, ermutigen die
Gebärende und fördern die Kommunikation mit dem Fachpersonal [11].
Geschichte der Doulas
Die Geschichte der Doulas begann in den 1980er-Jahren in den USA. Aufgrund steigender
Kaiserschnittraten und Interventionen während der Geburt, begannen die Frauen sich
nach Unterstützerinnen umzusehen, die sie während der Geburt begleiten und vor unnötigen
Interventionen schützen. Die Rolle der Doula gewann so immer mehr Bekanntheit und
Ansehen [9].
Einflussfaktoren auf das Geburtsoutcome wurden vermehrt beforscht und die Studien
kamen zu dem Schluss, dass eine kontinuierliche Betreuung der Frauen während der Geburt
Interventionen sub partu deutlich reduzieren kann [9]. Seitdem steigt die Bedeutung der Doulas stetig, nicht nur in den USA, sondern zunehmend
auch international. Dabei sind jedoch die angebotenen Leistungen so verschieden wie
die Gesundheitssysteme der Länder. In Ländern, in denen eine postpartale Betreuung
durch Hebammen abgesichert ist, finden sich Doulas hauptsächlich in der Betreuung
sub partu wieder. Meist sind Doulas selbstständig. In den USA gibt es jedoch auch
bereits in Krankenhäusern angestellte Geburtsbegleiterinnen [5].
Genaue Zahlen zu arbeitenden Doulas gibt es weder für Deutschland noch für andere
Länder. Da Doula keine geschützte Berufsbezeichnung ist und es keine Registrierungspflicht gibt, kann die Zahl der arbeitenden Doulas
nur anhand der Mitgliederzahlen in den Vereinen und den Zahlen der Zertifizierungen
geschätzt werden.
So findet man beim Verein Doulas in Deutschland e. V., der 2008 gegründet wurde, 173
Doulas über ganz Deutschland verteilt [8]. 700 registrierte Doulas finden sich im Verein Doula UK, dem seit 2001 zertifizierte
Doulas beitreten können [7]. Der 1992 gegründete U.S. amerikanische Verein DONA International zählt hingegen
13000 durch ihn zertifizierte Doulas aus 56 Ländern [6].
Kontinuierliche Betreuung während der Geburt – egal durch wen?
Kontinuierliche Betreuung während der Geburt – egal durch wen?
Die kontinuierliche Betreuung wird in der Literatur recht heterogen definiert. Bohren et al. haben den Begriff
in ihrem Review zur kontinuierlichen Betreuung sub partu im Sinne der Eins-zu-Eins-Betreuung definiert. Das bedeutet, eine Betreuungsperson steht von der frühen Eröffnungsperiode
bis mindestens zur Geburt allein der Frau bzw. dem Paar zur Verfügung und bietet emotionale
Unterstützung, Komfortmaßnahmen sowie auch Informationen zum Geburtsfortschritt und
Beratung zu Bewältigungsstrategien [3].
Da weniger als 2 % der Geburten in Deutschland außerklinisch stattfinden (QUAQ), sieht
sich die Mehrheit der Frauen mit einem Setting konfrontiert, in dem eine solche kontinuierliche
Betreuung eher die Ausnahme als die Regel ist [3]
[14]. Und das obwohl positive Effekte einer Eins-zu-Eins-Betreuung mittlerweile in vielen
Studien bewiesen wurden [10].
Das Cochrane Review von Bohren et al. hat die Ergebnisse von 26 Studien aus 17 Ländern
(USA, Kanada, Australien, Finnland, Belgien, Frankreich etc.) mit Daten von insgesamt
15858 Frauen untersucht und Hinweise auf weniger Analgesien, niedrigere Sectioraten, seltener vaginal operative Geburten, verkürzte
Geburtsdauer und eine größere Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis aufdecken können. Ein Einfluss der Eins-zu-Eins-Betreuung auf andere geburtshilfliche
Interventionen, Komplikationen sowie auf das Stillen postpartum konnte nicht nachgewiesen
werden. Das Outcome zeigte sich beeinflusst durch das geburtshilfliche Setting und
Vorgehen, in dem die Eins-zu-Eins-Betreuung angeboten wurde sowie durch das Vertrauen
das zwischen Frau und Betreuungsperson vorherrschte [3].
Positive Effekte in Bezug auf das Geburtsoutcome zeigten sich vor allem, wenn die
Betreuungsperson keine weiteren Aufgaben hatte, nicht in der Geburtsklinik angestellt
war und nicht aus dem sozialen Umfeld der Frauen kam [3]. Die anwesenden Personen aus dem sozialen Umfeld der Frauen brachten sich häufiger
unterstützend in das Geburtsgeschehen ein, wenn eine Fachperson kontinuierlich anwesend
war. Insgesamt hatte die Anwesenheit von vertrauten Personen aus dem sozialen Umfeld einen
schützenden Effekt vor negativen Geburtserfahrungen
[3]
[4]. Auch wenn diesen Ergebnissen durch die Herausgeber des Reviews nur eine geringe
Evidenz zugesprochen wurde, zeigt dies die große Bedeutung der kontinuierlichen Betreuung,
auch in Hinblick darauf, dass keinerlei negative Konsequenzen für eine Eins-zu-Eins-
Betreuung gefunden wurden.
Damit ist deutlich geworden, dass eine kontinuierliche Betreuung durch Personen mit
Fachwissen einen positiven Effekt auf den Geburtsverlauf hat. Die Frage, wer genau
die kontinuierliche Betreuung anbieten soll, ist nur wenig untersucht worden und nicht
endgültig geklärt.
Die kontinuierliche Betreuung durch eine Doula bringt bestimmte Vorteile mit. Dazu
gehört, dass durch die Frauen engagierte Doulas keine weiteren Verpflichtungen haben
und sich Schwangere und Doula häufig im Vorfeld der Geburt kennenlernen und bereits
präpartal eine gute Vertrauensbasis aufbauen können. Für ausländische Frauen stellen
sie zudem einen großen Gewinn dar, indem sie helfen können, Sprachbarrieren zu überwinden
und kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen [1]
[2]. Insgesamt wurden bei einer kontinuierlichen Betreuung durch eine Doula eine kürzere
Geburtsdauer, weniger Interventionen und eine größere Zufriedenheit der Frauen mit
ihrem Geburtserlebnis festgestellt. Die meisten Studien zu diesem Thema kommen jedoch
aus den USA. Dort herrscht eine andere medizinische Versorgung, zudem wurden als Vergleichsgruppen
immer Gruppen ohne kontinuierliche Betreuung oder ohne Begleitpersonen herangezogen.
Daher kann nicht geklärt werden, ob die positiven Effekte der Doula-Betreuung oder
der kontinuierlichen Betreuung im Allgemeinen zuzuschreiben sind [10].
So haben Campbell und Kollegen in ihrer randomisiert kontrollierten Studie in den
USA eine kürzere Geburtsdauer auch bei Frauen gefunden, die Personen aus dem sozialen
Umfeld mitbrachten, denen vorher in zwei Stunden geburtshilfliches Wissen vermittelt
wurde. Die Betreuung der Kontrollgruppe wurde, wie in Nordamerika meist üblich, durch
geburtshilflich ausgerichtete Krankenschwestern übernommen und die Geburt ärztlich
geleitet [4]. Es wird vermutet, dass die eher medizinisch geprägte Versorgung das Outcome der
Studie verstärkt hat und dass gerade in Ländern mit einer medizinisch und technisch
geprägten Betreuung eine den Bedürfnissen und Wünschen der Frauen angepasste Geburt
nur mit einer ergänzenden psychosozialen Betreuungsperson ermöglicht werden kann [10].
Auch in Settings, in denen das Mitbringen einer Begleitperson nicht üblich ist, konnten
positive Effekte auf den Geburtsverlauf durch eine weibliche Angehörige festgestellt
werden [10].
Wird eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch Hebammen geleistet, welche die Frau im besten Fall bereits in der Schwangerschaft kennengelernt hat,
oder fand sich eine geringe Arbeitsbelastung der Hebamme, konnten dieselben positiven Effekte auf das Geburtsoutcome betrachtet werden, wie in der Studie von Bohren und Kollegen [10]
[13].
Konflikte und Potenziale der Zusammenarbeit von Doula und Hebamme
Konflikte und Potenziale der Zusammenarbeit von Doula und Hebamme
Derzeit stellt sich in Deutschland jedoch gar nicht die Frage, welche Berufsgruppe
die kontinuierliche Betreuung am besten gewährleisten soll. Das Fachpersonal wird
durch den Fachkräftemangel und das Eingebundensein in klinische Strukturen und Abläufe
an einer Eins-zu-Eins-Betreuung gehindert. Früher oder später wird somit eine Mehrheit
der in der Klinik tätigen Hebammen auf eine Frau oder ein Paar treffen, die sich für
eine individuell auf sie angepasste und kontinuierliche Betreuung eine Doula mit zur
Geburt bringen.
Dies birgt sowohl Konflikte als auch Potenziale für beide Berufsgruppen. In einer qualitativen Studie aus Australien von Stevens und Kollegen aus dem Jahre
2010 wurden 11 Hebammen und 6 Doulas interviewt, die jeweils schon mit der anderen
Berufsgruppe zusammengearbeitet haben. Dabei wurden beide Parteien zur empfundenen
Rolle einer Doula während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett befragt sowie Erfahrungswerte
zur interdisziplinären Zusammenarbeit und Einfluss einer Doula auf die Geburtserfahrung
der Frauen ermittelt [15].
Sicht der Hebammen
Die Hebammen sahen ihre Position bedroht und fühlten sich in die Rolle einer rein
medizinisch arbeitenden Fachkraft gedrängt, da die kontinuierliche und emotionale
Betreuung der Frauen von den Doulas gewährleistet wurde. Zudem schilderten die befragten
Hebammen das Gefühl, dass sie weniger Vertrauen der Frauen entgegengebracht bekamen,
wenn eine Doula anwesend war [15].
Aus Sicht der befragten Hebammen übertreten Doulas ihre Zuständigkeiten, indem sie
Informationen und Ratschläge zum weiteren Vorgehen während der Geburt geben, während
sie als Hebammen die volle Verantwortung für das Outcome der Geburt besitzen [15].
Sicht der Doulas
Die Doulas äußerten, häufig mit einer ablehnenden Haltung der Hebammen konfrontiert
worden zu sein und gaben an, dass sie keinesfalls den Hebammen den Rang ablaufen wollen,
sondern mit ihnen fühlen, weil sie an das schlechte Gesundheitssystem gebunden sind.
Sie wollen die Hebammen unterstützen, um gemeinsam eine frauenzentrierte Betreuung
zu gewährleisten [15].
Insgesamt kam die Unterstützung durch die Doulas bei den Hebammen gut an und sie unterstrichen
die Zurückhaltung der Doulas, wenn diese merkten, dass sie gerade nicht benötigt werden
[15]
In einer qualitativen Untersuchung aus Schweden wurden zehn Hebammen befragt, die
zugewanderte Frauen während der Geburt zusammen mit einer Doula betreuten. In diesem
Fall wurden Doulas als Unterstützung und Vermittlerin angesehen. Sie fungierten nicht
nur als Dolmetscherinnen, sondern gaben auch Hinweise auf und Erklärungen zu kulturellen
Unterschieden. Des Weiteren haben Doulas die Möglichkeit, die Befindlichkeiten und
Wünsche der Frauen im Vorfeld der Geburt kennenzulernen und so den Frauen zusammen
mit den Hebammen zu individuell angepassten positiven Geburtsverläufen zu verhelfen
[1].
Sicht der Gebärenden
Frauen, die eine Doula mit zur Geburt brachten und eine Abneigung der Fachperson gegenüber
dieser bemerkten, empfanden die Beziehung zur Fachperson als angespannt, konfrontativ
und gaben teilweise an, keinen Bezug zur Fachperson aufbauen zu können. Wenn die Frauen die Zusammenarbeit zwischen Doula und Fachperson als produktiv empfanden,
wurde von diesen auch ein positives und bestärkendes Geburtserlebnis geäußert. Im Gegenzug wurden von den Frauen Konflikte zwischen Fachperson und Doula mit einem
negativen Geburtserlebnis in Zusammenhang gebracht [11]. Auch wenn diese qualitative Studie nur ein recht kleines Sample von neun Frauen
aufweist, wird deutlich, dass ein Konflikt zwischen Doula und Hebamme oder anderweitiger
Fachperson, egal aus welchen Gründen, immer auf dem Rücken der zu betreuenden Frauen
ausgetragen wird.
Weiterer Forschungsbedarf
Weiterer Forschungsbedarf
In Deutschland muss die Effektivität der Eins-zu-Eins-Betreuung weiter beforscht werden,
da sich internationale Studien aufgrund der unterschiedlichen Gesundheitssysteme nur
bedingt auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen. Auch die Rolle der Doula ist
bisher in Deutschland wenig untersucht und beforscht worden. Literatur zur Wochenbettbetreuung
durch Doulas und Auswirkungen dieser ist nur wenig vorhanden und stammt meist aus
dem nordamerikanischen Raum, in dem keine umfassende Betreuung im Wochenbett angeboten
wird [5].
Die Entstehung des Berufszweiges der Doula und deren steigende Bedeutung sind das
Ergebnis eines mangelhaften Gesundheitssystems, welches den Frauen vor allem während
der Geburt nicht gerecht wird. Die steigenden Geburtenzahlen kollidieren mit offenen
Stellen in den deutschen Kreißsälen und überarbeiteten Hebammen, die anstatt eine
Eins-zu-Eins-Betreuung zu gewährleisten häufig für drei Frauen gleichzeitig verantwortlich
sind sind [14].
Die Studien belegen, wie wichtig eine kontinuierliche Betreuung während der Geburt
für die Frauen, aber auch für ihre Partner ist. Dabei konnten die größten Effekte
bei Frauen gefunden werden, die keine Begleitperson zur Geburt mitbrachten und in
den USA lebten [10]. In die Lücke der gewünschten und tatsächlich erbrachten Betreuung passen die Aufgaben
einer Doula perfekt, um eine optimale intrapartale Betreuung gewährleisten zu können.
Doulas und Hebammen verfolgen das gleiche Ziel: Sie möchten die optimale Versorgung
während der Geburt und die Zufriedenheit der Frauen mit ihren Geburtserlebnissen gewährleisten.
Daher ist es in Zeiten des Fachkräftemangels unumgänglich, dass beide Berufsgruppen
zusammenfinden, kooperieren und im Sinne der Frauen handeln. Es ist für beide Seiten wichtig, eine Beziehung zu entwickeln, die auf gegenseitigem
Respekt und Unterstützung der unterschiedlichen Rollen basiert. Es sollten Treffen mit Hebammen und Doulas veranstaltet werden, die in der gleichen
Region arbeiten. Denn die Studien zeigten, dass Hebammen und Doulas dieselben Ziele
verfolgen, es häufig aber an Kommunikation zwischen beiden Berufsgruppen mangelte
[11].