Aktuelle Dermatologie 2020; 46(01/02): 50-52
DOI: 10.1055/a-1015-4768
Eine Klinik im Blickpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erosive pustulöse Dermatose der Kopfhaut

Erosive Pustular Dermatosis of the Scalp
A. Vorobyev
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
,
D. Zillikens
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
,
B. Kahle
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
› Author Affiliations
Further Information

Korrepondenzadresse

Prof. Dr. Birgit Kahle
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Campus Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck

Publication History

Publication Date:
10 February 2020 (online)

 

Zusammenfassung

Ausgedehnte erosive Hautveränderungen an der Kopfhaut älterer Menschen können ein therapeutisches Problem darstellen. Auch die diagnostische Einordnung dieser Veränderungen kann eine Herausforderung darstellen. Wir berichten über den Fall eines 83-jährigen Patienten mit seit mehreren Jahren rezidivierenden Erosionen am Kapillitium. Unter dem Verdacht auf epitheliale Neoplasien waren bereits mehrere Hautbiopsien entnommen worden, die meist unspezifische Entzündungen zeigten. Nur bei einzelnen Läsionen waren oberflächliche, initial invasive epitheliale Tumore nachgewiesen worden. Unter lokalen antiseptischen Maßnahmen und einer photodynamischen Therapie heilten diese Läsionen ab.


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Abstract

Extensive erosions of the scalp in elderly patients may be a diagnostic and therapeutic challenge. We report on a 83-year old male patient with relapsing erosions on the scalp over a period of several years. Under the suspension of an epithelial skin cancer, multiple skin biopsies had been obtained in the past which, however, in most cases demonstrated an unspecific inflammatory response. In only a few lesions, superficial, initial invasive epithelial tumors had been detected. Under local antiseptics and a photodynamic therapy, we saw a complete clearance of skin lesions in this patient.


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Einleitung

Erosionen am Kapillitium älterer Patienten sind ein zunehmend häufiges Krankheitsbild in der operativen Sprechstunde. Zu den möglichen Ursachen zählen insbesondere Infektionen, spinozelluläres Karzinom, Brunsting-Perry-Pemphigoid, Lupus erythematodes und die erosive pustulöse Dermatose der Kopfhaut. Wir stellen hier einen Patienten mit einem typischen Verlauf dieser bisher wenig diagnostizierter Erkrankung vor.


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Kasuistik

Ein 83-jähriger männlicher Patient stellte sich in unserer operativen Sprechstunde mit bereits seit mehreren Jahren rezidivierend auftretenden entzündlichen Hautveränderungen sowie wiederholt gesicherten oberflächlichen epithelialen Tumoren am Kapillitium vor. Es waren bereits mehrere Exzisionen der epithelialen Tumoren, eine ablative Therapie mit Erbium:YAG-Laser und eine photodynamische Therapie (PDT) erfolgt. Wiederholt wurden auch topisch Imiquimod-haltige Creme und Diclofenac-haltiges Gel angewendet, was insgesamt zu keiner Besserung führte. Kurz vor der Erstvorstellung des Patienten war es erneut zur Verschlechterung des Hautbefundes und zum Auftreten multipler Erosionen am Kapillitium gekommen, sodass der Patient zur stationären Aufnahme mit chirurgischer Entfernung der Läsionen eingewiesen wurde. Bei der Untersuchung zeigte sich am Kapillitium eine großflächige Erosion, umgeben von multiplen, teils festhaftenden, schmerzhaften Hyperkeratosen, atrophen Arealen und Teleangiektasien. Es zeigten sich ferner 4 hyperkeratotische Knoten, der vordere Knoten war ulzeriert. Bei klinischem Verdacht auf eine Feldkanzerisierung mit invasiven spinozellulären Karzinomen wurden zur Ausbreitungsdiagnostik zunächst Mappingbiopsien entnommen ([Abb. 1]). Die histologischen Befunde zeigten jedoch jeweils keine invasiven Tumoren, sondern ein Ulkus ohne Anhalt für Malignität, Granulationsgewebe mit zahlreichen kleinen Gefäßen und eine aktinische Keratose. Wir entschlossen uns daher zur Durchführung einer photodynamischen Therapie und anschließender topischer antiseptischer Behandlung. Unter dieser konservativen Therapie kam es zur kontinuierlichen Besserung und schließlich Abheilung des Hautbefundes ([Abb. 2]).

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Abb. 1 Erosionen und Hyperkeratosen an der Kopfhaut bei Zustand nach mehreren Probebiopsien.
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Abb. 2 Weitgehende Abheilung nach lokalen antiseptischen Maßnahmen und photodynamischer Therapie.

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Diskussion

Erosionen in alopezischen Arealen am Kapillitium älterer Patienten sind ein zunehmend häufiges Krankheitsbild in der operativen Sprechstunde. An unserer Klinik beobachteten wir im Verlauf von 2 Jahren 7 Patienten (männlich und weiblich) mit malignomverdächtigen erosiven Veränderungen an der kahlen Kopfhaut, bei denen sich histologisch kein Anhalt für Malignität zeigte. Die Erosionen und Ulzerationen zeigen häufig eine verzögerte Heilungstendenz, teilweise sogar einen therapierefraktären Verlauf. Differenzialdiagnostisch ist bei diesen Veränderungen auch an eine erosive pustulöse Dermatose der Kopfhaut (EPDK) zu denken. Die Erkrankung verläuft mit intermittierender Besserung und anschließender Narbenbildung.

Die EPDK ist eine entzündliche Dermatose unbekannter Ätiologie, die bevorzugt die kahlen Areale der Kopfhaut älterer Patienten betrifft und bevorzugt bei Männern auftritt. Die Erkrankung wurde zuerst vom Burton [1] und Pye [2] beschrieben. Infolge der UV-Schädigung der alopezischen Areale entstehen häufig aktinische Keratosen, invasive spinozelluläre Karzinome und Basalzellkarzinome. Bei der EPDK werden meist vorangegangene chirurgische Eingriffe [3] [4], Traumata [5], Verbrennungen [6] sowie Therapie mit Imiquimod [7] und photodynamische Therapie [8] beschrieben, die als zusätzliche Auslöser der Erkrankung diskutiert werden. Relativ spontan entwickeln sich Erosionen, die großflächig konfluieren können und klinisch spinozelluläre Karzinome, ein Brunsting-Perry-Pemphigoid, einen Lupus erythematodes, eine Folliculitis decalvans oder Infektionen imitieren können. Am häufigsten wurde die EPDK infolge chirurgischer Eingriffe wegen epithelialer Malignome [9] oder nach Lokaltherapie mit Imiquimod oder Kryotherapie [10] beschrieben. Auch in unserem Fall war der Patient zuvor wiederholt wegen epithelialen Tumoren chirurgisch behandelt worden. Die genaue Ursache der EPDK ist jedoch weiterhin unklar. Neben wiederholten chirurgischen Traumen werden eine Beeinträchtigung der Immunkompetenz der meist älteren Patienten, hormonelle Veränderungen und die kumulative UV-Exposition diskutiert.

Da die EPDK ein Basalzellkarzinom oder ein spinozelluläres Karzinom imitieren kann, ist die Histopathologie für die Diagnosestellung notwendig. Die repräsentative Probebiopsie sollte großzügig entnommen werden, weil die Veränderungen das tiefe und mittlere Korium betreffen können. Shave-Biopsien sind in diesen Fällen nicht zielführend. Häufig sieht man Plasmazellen im entzündlichen Infiltrat, die aber auch bei anderen entzündlichen Hauterkrankungen nachgewiesen werden können. Im Zweifelsfall sollten mehrere Biopsien, auch aus der unmittelbaren Umgebung entnommen werden.

Für die EPDK gibt es derzeit keine allgemeinen Therapieempfehlungen. Als mögliche Therapieoptionen werden orale und topische Steroide [12], Tacrolimus [13], PDT [14] sowie einfache Wundverbände mit antiseptischen Maßnahmen aufgeführt.

Bei unserem Patienten handelt es sich um einen typischen Fall dieser Erkrankung, der seit mehreren Jahren unter epithelialen Tumoren litt und rezidivierende erosive Hautveränderungen an der kahlen Kopfhaut aufwies. Diese Veränderungen besserten sich unter Lokaltherapie. Eine Zunahme dieser Patienten wurde kürzlich auch von den anderen Zentren berichtet [15] [16] [17]. Es ist zu vermuten, dass die EPDK deutlich häufiger auftritt als bislangt diagnostiziert.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Burton JL. Case for diagnosis. Pustular dermatosis of scalp. Br J Dermatol 1977; 97 (Suppl. 15) 67-69
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  • 3 Mervak JE, Gan SD, Smith EH. et al. Facial erosive pustular dermatosis after cosmetic resurfacing. JAMA Dermatol 2017; 153: 1021-1025
  • 4 Layton AM, Cunliffe WJ. Erosive pustular dermatosis of the scalp following surgery. Br J Dermatol 1995; 132: 472-473
  • 5 Siegel DH, Holland K, Phillips RJ. et al. Erosive pustular dermatosis of the scalp after perinatal scalp injury. Pediatr Dermatol 2006; 23: 533-536
  • 6 Mizutani H, Suehiro M, Okuzawa Y. et al. Erosive pustular dermatosis of the arm following burn injury. Acta Derm Venereol 2013; 93: 757-758
  • 7 Giuffrida R, Borgia F, Cannavo SP. Two cases of erosive pustular dermatosis of the scalp occurring after topical 3.75 % imiquimod for actinic keratoses. Dermatol Ther 2019; 32: e12770
  • 8 Lopez V, Lopez I, Ramos V. et al. Erosive pustular dermatosis of the scalp after photodynamic therapy. Dermatol Online J 2012; 18: 13
  • 9 Mehmi M, Abdullah A. Erosive pustular dermatosis of the scalp occurring after partial thickness skin graft for squamous cell carcinoma. Br J Plast Surg 2004; 57: 806-807
  • 10 Rongioletti F, Delmonte S, Rossi ME. et al. Erosive pustular dermatosis of the scalp following cryotherapy and topical tretinoin for actinic keratoses. Clin Exp Dermatol 1999; 24: 499-500
  • 11 Thuraisingam T, Mirmirani P. Erosive Pustular Dermatosis: A Manifestation of Immunosenescence A Report of 8 Cases. Skin Appendage Disord 2018; 4: 180-186
  • 12 Jankowski M, Skrzeczko-Kwela E, Czajkowski R. Erosive pustular dermatosis of the scalp treated with 0.1 % mometasone furoate cream. Acta Dermatovenerol Croat 2014; 22: 67-69
  • 13 Tardio NB, Daly TJ. Erosive pustular dermatosis and associated alopecia successfully treated with topical tacrolimus. J Am Acad Dermatol 2011; 65: e93-e94
  • 14 Cunha PR, Tsoukas MM, Kroumpouzos G. Erosive Pustular Dermatosis of the Scalp Treated With Aminolevulinic Acid Photodynamic Therapy and Postprocedure Silicone Gel. Dermatol Surg 2019; 45: 740-743
  • 15 Tomasini C, Michelerio A. Erosive pustular dermatosis of the scalp: A neutrophilic folliculitis within the spectrum of neutrophilic dermatoses: A clinicopathologic study of 30 cases. J Am Acad Dermatol 2019; 81: 527-533
  • 16 Piccolo V, Russo T, Bianco S. et al. Erosive Pustular Dermatosis of the Scalp: Why Do We Miss It?. Dermatology 2019; 235: 390-395
  • 17 Wilk M, Zelger BG, Hauser U. et al. Erosive pustulöse Dermatose der Kopfhaut: Neubewertung einer zu wenig beachteten Entitat. J Dtsch Dermatol Ges 2018; 16: 15-20

Korrepondenzadresse

Prof. Dr. Birgit Kahle
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie
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Campus Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck

  • Literatur

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Abb. 1 Erosionen und Hyperkeratosen an der Kopfhaut bei Zustand nach mehreren Probebiopsien.
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Abb. 2 Weitgehende Abheilung nach lokalen antiseptischen Maßnahmen und photodynamischer Therapie.