Einleitung
Pemphigoid-Erkrankungen sind eine Gruppe blasenbildender Autoimmundermatosen. Ihnen
gemeinsam ist die Bildung von Autoantikörpern gegen Proteine der dermo-epidermalen
Junktionszone [1]. Derzeit werden 7 unterschiedliche Pemphigoid-Erkrankungen voneinander abgegrenzt.
Diese unterscheiden sich teilweise in dem jeweils zugrundeliegenden Autoantigen sowie
im klinischen Bild und im Krankheitsverlauf. Über die letzten Jahrzehnte konnten die
den Pemphigoid-Erkrankungen jeweils zugrundeliegenden Autoantigene identifiziert werden.
Eine Ausnahme stellt jedoch das erst 1996 beschriebene Anti-p200-Pemphigoid dar [2]
[3].
Das Anti-p200-Pemphigoid ähnelt in seiner klinischen Präsentation dem bullösen Pemphigoid
und der entzündlichen Variante der Epidermolysis bullosa acquisita. Es ist von diesen
Erkrankungen klinisch daher oft nur schwer zu differenzieren. Die typische Krankheitspräsentation
umfasst starken Pruritus am gesamten Integument sowie erythematöse Plaques, Blasen
und Erosionen [4]
[5]
[6].
Die immunpathologische Diagnostik und die Differenzierung des Anti-p200-Pemphigoids
von anderen Pemphigoid-Erkrankungen ist komplex und daher nur in speziellen Autoimmundiagnostiklaboren
möglich. Die für das Anti-p200-Pemphigoid diagnostische Ergebniskonstellation immunpathologischer
Befunde umfasst den Nachweis gewebsgebundener IgG-Autoantikörper mit n-gezacktem Muster
an der dermo-epidermalen Junktionszone in der direkten Immunofluoreszenz (DIF), die
Ablagerung von IgG-Autoantikörpern auf der dermalen Seite salzgespaltener Humanhaut
in der indirekten Immunfluoreszenz (IIF) sowie den Nachweis von zirkulierenden IgG-Autoantikörpern
gegen ein Protein mit einer molekularen Masse von 200 kDa im Immunoblot [4]. Letzterer erfordert die aufwendige Herstellung eines Proteinextraktes der humanen
Dermis, sodass dieses Verfahren Speziallaboren vorbehalten ist. Zusätzlich lassen
sich im Immunoblot oder ELISA bei ca. 90 % der Anti-p200-Pemphigoid-Patienten Autoantikörper
gegen das Protein Laminin γ1 nachweisen [4]
[7]. Die Anti-Laminin γ1-Reaktivität stellt somit ein diagnostisch ebenfalls nutzbares
Charakteristikum des Anti-p200-Pemphigoids dar, obwohl die gegen dieses Protein gerichteten
Autoantikörper nach heutigem Wissensstand keine pathologische Relevanz aufweisen.
Im Folgenden stellen wir exemplarisch den bisher 2-jährigen Verlauf eines Patienten
mit Anti-p200-Pemphigoid dar. Mit dieser Kasuistik möchten wir behandelnde Dermatologen
für das noch wenig bekannte und wahrscheinlich unterdiagnostizierte Krankheitsbild
sensibilisieren.
Kasuistik
Ein männlicher Patient, 61 Jahre, konsultierte unsere Klinik mit seit einigen Wochen
bestehenden, stark juckenden (VAS 6/10), ekzematösen Hautveränderungen. Diese hatten
sich zunächst nur an Händen und Rücken manifestiert, sich dann aber über das gesamte
Integument ausgebreitet. Der Patient war ambulant durch den niedergelassenen Dermatologen
mit Prednisolon- und Mometason-haltigen Cremes behandelt worden, jedoch mit nur geringer
Besserung. Als Begleiterkrankungen bestanden eine arterielle Hypertonie, ein langjähriger
Nikotin- und Alkoholabusus sowie eine Steatohepatitis.
Bei Erstaufnahme in unsere Klinik zeigten sich an Stamm, Axillen, Handgelenken und
den unteren Extremitäten pralle, z. T. hämorrhagische Blasen. Des Weiteren fanden
sich Erosionen auf erythematöser, feinschuppender Haut ([Abb. 1]).
Abb. 1 a Erythematöse Papeln und Plaques sowie krustig belegte Erosionen in der linken Axilla
bei Erstvorstellung des Patienten. b Erytheme, teils krustig belegte Erosionen und eine pralle Blase am linken, lateralen
Oberarm bei Exazerbation des Anti-p200-Pemphigoids.
Bei klinischem Verdacht auf eine Pemphigoid-Erkrankung erfolgte eine immun- sowie
eine histopathologische Untersuchung. In der Histopathologie läsionaler Haut fand
sich eine ausgedehnte subepidermale Spaltbildung mit einem perivaskulärem und interstitiellem,
eosinophilenreichen Infiltrat in der Dermis ([Abb. 2]). Die DIF-mikroskopische Untersuchung periläsionaler Haut wies eine lineare Ablagerung
von IgG an der dermo-epidermalen Junktionszone nach ([Abb. 3]). In der IIF des Patientenserums auf Affenösophagus zeigten sich lineare IgG-Ablagerungen
an der Basalmembran; auf NaCl-separierter humaner Spalthaut lineare IgG-Ablagerungen
auf der dermalen Seite ([Abb. 4]).
Abb. 2 Ausgedehnte subepidermale Spaltbildung mit einem perivaskulären und interstitiellen,
eosinophilenreichen Infiltrat der Dermis in der H&E-Färbung einer Probebiopsie läsionaler
Haut vom linken Oberarm.
Abb. 3 Lineare Ablagerung von IgG an der dermo-epidermalen Junktionszone in der direkten
Immunfluoreszenz-Mikroskopie einer Biopsie periläsionaler Haut.
Abb. 4 Lineare IgG-Ablagerungen auf der dermalen Seite NaCl-separierter humaner Spalthaut
in der indirekten immmunfluoreszenzmikroskopischen Untersuchung des Patientenserums.
Aufgrund dieser Laborergebnisse in Zusammenschau mit dem klinischen Bild diagnostizierten
wir eine Pemphigoid-Erkrankung. Diese wurde im Anschluss durch Charakterisierung des
Autoantigens weiter differenziert. Hierbei waren die per ELISA bestimmten Autoantikörper-Spiegel
für IgG-Antikörper gegen BP180, BP230 und Kollagen Typ VII negativ. Im Immunoblot
fanden sich ebenfalls keine Autoantikörper gegen die lösliche 120 kDa-schwere Ektodomäne
von BP180 (LAD-1) oder gegen Laminin332. Diese Ergebnisse sprachen gegen die Diagnose
eines bullösen Pemphigoids, eines Anti-Laminin332-Pemphigoids oder des entzündlichen
Typs der Epidermolysis bullosa acquisita. Wir vermuteten daher nun das Vorliegen eines
Anti-p200-Pemphigoids. Tatsächlich ließen sich im Immunoblot IgG4-Autoantikörper gegen p200 sowie gegen Laminin γ1 nachweisen ([Abb. 5]). Somit bestätigte sich unsere Verdachtsdiagnose eines Anti-p200-Pemphigoids.
Abb. 5. Im Immunoblot mit Extrakt humaner Dermis reagieren IgG4-Autoantikörper im Serum unseres
Patienten mit dem p200 Protein (1) sowie Laminin γ1 (1), als Negativkontrolle dient
normales humanes Serum (2).
Wir initiierten daraufhin eine Therapie mit Clobetasolpropionat-haltiger Salbe 20 g
am gesamten Integument 2-mal täglich sowie mit Doxycyclin 100 mg 2-mal täglich. Hierunter
kam es zunächst zu einer Besserung des Hautbefundes und des Pruritus, sodass der Patient
mit der genannten Medikation in die Häuslichkeit entlassen werden konnte. In den nächsten
8 Monaten erfolgte trotz schwieriger Compliance eine ambulante Behandlung durch das
Team unserer Autoimmunambulanz in Zusammenarbeit mit dem niedergelassenen Dermatologen
des Patienten. Die Erkrankung wurde in diesem Zeitraum durch topische Gaben von Mometason-
oder Clobetasolpropionat-haltiger Salbe, je nach aktueller Krankheitsaktivität, sowie
mit Doxycyclin 100 mg 2-mal täglich unter Kontrolle gehalten, ohne dass der Patient
jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt vollkommen erscheinungsfrei wurde. Des Weiteren wurde
in dieser Zeit ebenfalls kurzzeitig ein Therapieversuch mit 100 mg Dapson 1-mal täglich
durchgeführt. Dieser musste aber aufgrund subjektiver Nebenwirkungen in Form von Luftnot,
Übelkeit und Abgeschlagenheit abgebrochen werden. Nach 8 Monaten ambulanter Behandlung
kam es zu einer Exazerbation der Erkrankung und vermehrter Blasenbildung. Der Patient
stellte sich mit Pruritus (VAS 5/10) und multiplen Vesikeln, schlaffen Blasen und
Erosionen vor, die disseminiert unter Betonung der Extremitäten über das gesamte Integument
verteilt waren ([Abb. 1]). Wir entschieden uns daher zu einer Eskalation der Therapie und zur Einleitung
einer Dexamethason-Pulsgabe, d. h. pro Zyklus 100 mg Dexamethason i. v. an 3 aufeinanderfolgenden
Tagen. Die topische Therapie mit Clobetasolpropionat-haltiger Salbe 20 g 2-mal täglich
am gesamten Integument und die Therapie mit Doxycyclin 100 mg 2-mal täglich wurden
fortgeführt. Aufgrund des bestehenden Alkoholabusus sahen wir von einer klassischen
immunsuppressiven Therapie mit den potenziell hepatotoxischen Wirkstoffen Azathioprin,
Methotrexat oder Mycophenolatmofetil ab. Unter diesem intensiven Therapieregime kam
es rasch zu einer ersten Besserung des Hautbefundes. So zeigten sich bei der Vorstellung
zum 2. Dexamethason-Puls nach 4 Wochen lediglich noch Vesikel und Erosionen an den
Extremitäten. Die topische Therapie mit Clobetasolpropionat-haltiger Salbe wurde nach
3 Monaten auf läsionale, topische Gaben von Momentason-haltiger Salbe umgestellt.
Der Patient war nach einem Jahr dieser Therapie klinisch hautgesund. Die Dexamethason-Pulstherapie
wurde mit insgesamt 12 Pulsen über 18 Monate durchgeführt. Die Intervalle wurden hierbei
langsam bis auf 8 Wochen verlängert. Der Patient ist derzeit symptomfrei und erhält
lediglich noch 100 mg Doxycyclin 2-mal täglich.
Diskussion
Der vorliegende Fall beschreibt den Verlauf eines Anti-p200-Pemphigoids. Bisher sind
in der Literatur weltweit ca. 100 solcher Fälle beschrieben worden. Wir vermuten,
dass die Prävalenz dieser Erkrankung deutlich höher ist, als es diese geringe Zahl
an berichteten Fällen widerspiegelt. Die leitliniengerechte Diagnose des deutlich
häufigeren bullösen Pemphigoids erfordert lediglich ein passendes klinisches Bild
sowie den Nachweis von linearen IgG-Ablagerungen in der DIF periläsionaler Haut [8]. Da das klinische Bild sowie die lineare IgG-Ablagerung jedoch nicht spezifisch
für das bullöse Pemphigoid sind, sondern in praktisch identischer Form auch bei anderen
Pemphigoid-Erkrankungen vorkommen, kann dieses diagnostische Vorgehen zu einer Fehldiagnose
führen, was in der aktuellen Überarbeitung der Leitlinie Berücksichtigung findet.
Auch in dem hier vorgestellten Fall wurde das Vorliegen eines bullösen Pemphigoids
erst hinterfragt, als zusätzlich eine IIF-Mikroskopie auf NaCl-gespaltener Haut durchführt
wurde, die eine Bindung von IgG auf der dermalen Seite zeigte, was mit einem bullösen
Pemphigoid nicht vereinbar ist. Auch der negative Befund der Anti-BP180 IgG-Autoantikörper
im ELISA sprach gegen ein bullöses Pemphigoid, obwohl beim bullösen Pemphigoid in
selteneren Fällen der Nachweis zirkulierender Autoantikörper auch dauerhaft negativ
sein kann. Am Ende bedurfte es des gesamten verfügbaren Spektrums moderner Immunpathologie,
um bei unserem Patienten schließlich ein Anti-p200-Pemphigoid diagnostizieren zu können.
Wir vermuten, dass aufgrund der in vielen Zentren oftmals nicht vollständig erfolgenden
immunpathologischen Abklärung das Anti-p200-Pemphigoid deutlich häufiger vorkommt
als heute angenommen. So zeigte eine rezente Arbeit, dass es sich bei 70 % der Fälle
mit linearer Ablagerung von IgG auf der dermalen Seite NaCl-gespaltener Haut in der
IIF-Mikroskopie um ein Anti-p200-Pemphigoid und nur in jeweils 10 % um eine Epidermolysis
bullosa acquisita oder ein Anti-Laminin332-Pemphigoid handelte [9].
Die präzise Diagnostik der Pemphigoid-Erkrankungen ist für das Verständnis dieser
Erkrankung und die Entwicklung optimierter Therapieregime von Bedeutung. Wir empfehlen
daher, dass bei Verdacht auf ein bullöses Pemphigoid stets versucht werden sollte,
Anti-BP180 IgG nachzuweisen. Wenn dieser Nachweis nicht gelingt, sollte in Kollaboration
mit spezialisierten Zentren die gesamte Bandbreite der modernen Immunpathologie genutzt
werden, um andere Pemphigoid-Erkrankungen zu diagnostizieren oder auszuschließen.