Klinische Neurophysiologie 2019; 50(04): 239-240
DOI: 10.1055/a-1015-1011
Neuro-Quiz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

63-jährige Patientin mit progredienter Gangstörung, Blickrichtungsnystagmus und kalten Händen

Jan Heckelmann
1   Neurologische Klinik, Universitätsklinik der RWTH Aachen
,
Maike Dohrn
1   Neurologische Klinik, Universitätsklinik der RWTH Aachen
,
Manuel Dafotakis
1   Neurologische Klinik, Universitätsklinik der RWTH Aachen
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Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. M. Dafotakis
Neurologische Klinik
Universitätsklinik der RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen

Publication History

Publication Date:
03 December 2019 (online)

 

Die Vorstellung der 63-jährigen Patientin erfolgte aufgrund einer seit ca. zwei Jahren progredienten Gangstörung und Schwindel. Zudem berichtete sie über sehr „kalte Hände“. Kognitiv habe sie keine Einschränkungen bemerkt, was der begleitende Ehemann bestätigte. Auf Nachfragen gab die Patientin noch an, dass sie in den letzten Monaten vermehrt Schwierigkeiten habe, rechtzeitig die Toilette zu erreichen, so dass es schon einige Male „schief gegangen“ sei.

Klinisch fanden sich an auffälligen Befunden ein Blickrichtungsnystagmus horizontal und ein Kopfschüttelnystagmus. Die VOR-Supression war gestört bei normalem Halmagyi-Kopfimpulstest. Das Stehen war schwankend ohne relevante Veränderung bei Augenschluss, das Gehen ataktisch unsicher bei normalem Muskeltonus. Finger-Nase- und Knie-Hacke-Versuch waren beidseits gestört. Die Muskeleigenreflexe waren stgl. mittellebhaft auslösbar, und es ergaben sich keine Pyramidenbahnzeichen. Die Sensibilität war seitengleich, jedoch waren die Hände – wie von der Patientin bereits erwähnt – eiskalt, dabei aber eher dunkelviolett verfärbt. Im Rahmen der differenzialdiagnostischen Erwägungen wurde eine cMRT angefertigt ([Abb. 1]).

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Abb. 1 axiale Schnittführung einer cMRT in FLAIR-Wichtung.
Die cMRT Aufnahme zeigt einen typischen Befund ([Abb. 1])
  • Wie lautet dieser?

  • Welche (Verdachts-)Diagnose können Sie anhand der Klinik und der Bildgebung stellen?

  • Passen die kalten Hände zu Ihrer Verdachtsdiagnose und welchen weiteren klinischen Test würden Sie noch vorschlagen, um die Diagnose zu erhärten?

cMRT Befund

In der cMRT findet sich ein so genanntes „hot cross bun“- oder auch „Kreuzungszeichen“, welches als pathognomonisch für eine Multisystematrophie anzusehen ist. Die Bezeichnung „hot cross bun“ rührt daher, dass bei der englischen Variante der Osterbrötchen ein Kreuz eingekerbt wird, welches ähnlich dem Befund in der cMRT ist. Darüber hinaus kann in unserem Fall auch eine Pons- und Kleinhirnatrophie diagnostiziert werden ([Abb. 2]).

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Abb. 2 „Hot cruss bun“, Osterbrötchen aus Großbritannien.

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Verdachtsdiagnose

Anamnese, Klinik und Verlauf sowie die Bildgebung erlauben die Diagnose einer


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Multisystematrophie vom cerebellären Typ (MSAc)

Kalte Hände und weitere klinische Tests

An weiteren klinischen Tests ist in dieser Konstellation ein Schellong-Test (der eine schwere orthostatische Hypotonie zeigt) sinnvoll. Aufgrund der gestörten vasomotorischen Kopplung kommt es bei einer Vielzahl der Patienten mit MSA auch zu kalten Extremitäten, was diagnostisch genutzt werden kann [1].


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Klein C, Brown R, Wenning G. et al. The “cold hands sign” in multiple system atrophy. Mov Disord 1997; 12: 514-518

Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. M. Dafotakis
Neurologische Klinik
Universitätsklinik der RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen

  • Literatur

  • 1 Klein C, Brown R, Wenning G. et al. The “cold hands sign” in multiple system atrophy. Mov Disord 1997; 12: 514-518

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Abb. 1 axiale Schnittführung einer cMRT in FLAIR-Wichtung.
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Abb. 2 „Hot cruss bun“, Osterbrötchen aus Großbritannien.