Open Access
CC BY-NC-ND 4.0 · Laryngorhinootologie 2020; 99(S 01): S301-S335
DOI: 10.1055/a-1012-9420
Referat
Eigentümer und Copyright ©Georg Thieme Verlag KG 2019

Qualität der Therapie von Speicheldrüsenerkrankungen

Quality of Care for Salivary Gland Diseases Article in several languages: deutsch | English
Orlando Guntinas-Lichius
1   Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Jena
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Orlando Guntinas-Lichius
Univ. HNO-Klinik, Gebäude A1
Am Klinikum 1
D-07747 Jena
Phone: +49 (0) 3641/9329301   
Fax: +49 (0) 3641/9329302   

Publication History

Publication Date:
16 March 2020 (online)

 

Zusammenfassung

Die Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen stellt ein wichtiges Segment der HNO-Heilkunde dar. Von der Vielzahl von Speicheldrüsenerkrankungen sieht der einzelne HNO-Arzt allerdings möglicherweise nur wenige Fälle pro Jahr und chirurgische oder endoskopisch minimal-invasive Therapiekonzepte spielen eine wichtige Rolle. Daher kann der Erkenntnisgewinn nicht nur von prospektiven klinischen Studien getragen werden, sondern heute im Wesentlichen durch Meta-Analysen und potentiell auch von Registerdaten. Während eine Vielzahl guter Indikatoren vorhanden ist, um die Funktion der erkrankten Speicheldrüse und deren Besserung unter Therapie zu messen, sind Patient-reported outcome measures (PROMs) bislang nicht ausreichend entwickelt worden. Es ist zu fordern, dass diese Indikatoren auch konsequent in klinischen Studien eingesetzt werden. Perspektivisch könnten dieselben Indikatoren auch für Qualitätskontrollen in der ambulanten und stationären Routine angewandt werden. Die Rahmenbedingungen für einen qualitativ hochwertigen Wissenserwerb sind durch die HNO-Facharzt-Ausbildung, die Verpflichtung der Weiterbildung und durch zertifizierte Speicheldrüsen-Kurse prinzipiell sehr gut, die Vorgaben für spezifische Qualitätsstandards für die Behandlung von Patienten sind jedoch wenig ausgearbeitet. In Abgrenzung zu anderen Fachgebieten, die sich mit Speicheldrüsenerkrankungen beschäftigen, sollte die HNO-Heilkunde Standards mit hoher Qualitätsforderung für die Behandlung von Patienten mit Speicheldrüsenerkrankungen entwickeln.

Abstract

The treatment of salivary gland diseases represents an important segment of otorhinolaryngology. The individual otorhinolaryngologist might, however, see only a few cases per year from a large variety of salivary gland diseases. Surgical and endoscopic minimal-invasive therapy concepts play a key role. Therefore, gain of knowledge cannot only be provided by prospective clinical trials but also by meta-analyses and potentially also by registry data. Many reliable indicators are established to measure the function of a diseased salivary gland or the improvement of its function after therapy. In contrast, patient-reported outcome measures (PROMs) are not sufficiently developed. It has to be demanded that these indicators are consequently used in clinical trials. Perspectively, the same indicators could also be used for quality control for the outpatient and inpatient sector in clinical routine. The framework conditions for high-quality acquisition of knowledge are given by the otorhinolaryngology specialist medical training, the obligation of life-long continuous medical education, and certified salivary gland courses. Nevertheless, the specifications of quality standards for the treatment of patients with salivary gland diseases are not well formulated. In contrast to other disciplines also addressing salivary gland diseases, otorhinolaryngology ought to develop standards with high requirements of quality of care for salivary gland diseases.


Abkürzungen

AOK Allgemeine Ortskrankenkasse

AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

CODS Clinical Oral Dryness Scale

COSS Chronic Obstructive Sialadenitis Symptoms Score

DEGAM Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

DEGUM Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V.

DGHNO Deutsche Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie

DGMKG Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

DQ Drooling Quotient

DSFS Drooling Severity and Frequency Scale

EBM Evidenz-basierte Medizin

EORTC European Organization for Research and Treatment of Cancer

ESGS European Salivary Gland Society

ESSPRI European League Against Rheumatism SS Patient-Reported Index

EXPeRT European Cooperative Study Group for Pediatric Rare Tumors

G-BA Gemeinsamer Bundesausschluss

GBI Glasgow Benefit Inventory

HNO Hals-Nasen-Ohren

HRQoL 15D health-related quality of life instrument

ICER incremental cost-effectiveness ratio

ICF International Classification of Functioning, Disability and Health

IQWiG Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

KI 95% Konfidenzintervall

KTQ Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen

MSGS Multidisciplinary Salivary Gland Society

NSQIP National Surgical Quality Improvement Program

OR Odds Ratio

POI-8 Parotidectomy-outcome-inventory-8

PROM Patient-reported outcome measure

QALY quality-adjusted life year (qualitätskorrigiertes Lebensjahr)

QM Qualitätsmanagement

QM-RL Qualitätsmanagement-Richtlinie Krankenhäuser

QSR Qualitätssicherung mit Routinedaten

ROC Receiver-Operating-Characteristic

SF-8 Short-Form-8 Health Survey

SF-36 Short-Form-36 Health Survey

SGB Sozialgesetzbuch

SSI Sicca Symptoms Inventory

STEP Seltene Tumorerkrankungen in der Pädiatrie

UWQOL University of Washington Quality of Life

WIdO Wissenschaftliches Institut der AOK

XI Xerostomia Inventory

XQ Xerostomia Questionnaire

1. Einleitung

In seiner Einführung zum Motto des HNO-Jahreskongresses 2020 verweist Professor Andreas Dietz zum Qualitätsbegriff für die Behandlung von HNO-Erkrankungen auf ein Zitat des US-Amerikanischen Institute of Medicine, National Academy of Sciences, das Behandlungsqualität als das Maß definiert, „in dem die gesundheitliche Versorgung von Individuen oder Gruppen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass vom Patienten erwünschte, auf die Gesundheit bezogene Ergebnisse erzielt werden und zwar in Übereinstimmung mit dem aktuellen Wissen des Berufsstandes“. Hier werden drei wichtige Aspekte für eine qualitativ hochwertige Versorgung berührt: Da ist zunächst einmal die gesundheitliche Versorgung, also Handelnde im Gesundheitssystem wie HNO-Ärzte, Pflegekräfte, Logopäden, aber auch die Struktur des Gesundheitssystems selbst. Dann wird der Patient selbst angesprochen und seine Wünsche an seine Gesundung. Und als drittes wird das Wissen angesprochen, und zwar das Wissen auf dem neuesten Stand der Erkenntnis. Die Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen nimmt einen erheblichen Anteil an der HNO-ärztlichen Gesundheitsversorgung ein. Allein im stationären Sektor lagen zwischen 2007 und 2011 die Operationsraten für Resektionen z. B. bei gutartigen Speicheldrüsentumoren bei 10,1 pro 100 000 Einwohner und selbst bei der Sialolithiasis bei 2,1 pro 100 000 Einwohner [1]. Daher ist eine Betrachtung der Qualität der Versorgung auch in diesem Segment der HNO-Heilkunde hilfreich, um die Behandlung weiter zu verbessern. In Bezug auf Speicheldrüsenerkrankungen und die Qualität der Therapie müssen wir konkret fragen:

  • Welche Voraussetzungen und Kenntnisse müssen HNO-Ärzte, andere in die Behandlung eingebundene Fachkräfte, auch anderer Gesundheitsberufe, und HNO-Kliniken vorweisen, um eine optimale Versorgung von Patienten mit Speicheldrüsenerkrankungen gewährleisten zu können?

  • Was sind die Wünsche der Patienten an ihre Gesundung? Damit verbunden ist die Frage nach der Funktion der Speicheldrüsen, der Symptome von Speicheldrüsenerkrankungen sowie der Nebenwirkungen und Komplikationen der Behandlung. Der Patient wünscht sich allenthalben die Linderung oder das Verschwinden von Symptomen, möglicherweise eine Wiederherstellung der Funktion der Speicheldüsen, sicherlich wenig Nebenwirkungen und möglichst keine Komplikationen durch die Behandlung.

  • Welche Strukturen haben wir vorliegen, die Erkenntnisgewinn zu Speicheldrüsenerkrankungen ermöglichen? Wie gut ist der Erkenntnisgewinn? Sind die Erkenntnisse in Leitlinien abgebildet? Wo besteht vielleicht sogar ein erheblicher Mangel an Evidenz? Wie sehr werden die Wünsche der Patienten berücksichtigt? Und wie gut wird der Erkenntnisgewinn im Gesundheitssystem umgesetzt?

Zoom
Abb. 1 Instrumente zur Verbesserung der Behandlungsqualität von Speicheldrüsenerkrankungen. Die meisten Strukturen und Instrumente bestehen bereits unter interagieren untereinander. Es sind auch Ideen für zukünftige Elemente (z. B. Value-Based Purchasing Programme) oder Forderungen (z. B. standardisierte Qualitätsindikatoren) angebracht. AWMF=Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; CME=Continuous Medical Education; EBM=Evidenz-basierte Medizin ; MSGS=Multidisciplinary Salivary Gland Society; PROM=Patient-reported outcome measure

Um diese Fragen zu beantworten reicht es nicht aus die Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin (EBM) zu betrachten. EBM beleuchtet die Validität der Entscheidungsfindung und Therapie einzelner Speicheldrüsenerkrankungen. Daher betrachtet dieses Referat darüber hinaus zunächst auch die Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung einschließlich der Güte der Ausbildung ([Abb. 1]). Genauer beleuchtet wird der Funktionsverlust bei Speicheldrüsenerkrankungen, da sich die Qualität einer Behandlung auch an dem Grad der Wiederherstellung des möglichen Funktionsverlusts messen lassen muss. Daher werden auch validen Verfahren beschrieben, die es erlauben, diesen Funktionsverlust und die Folgen für die Lebensqualität des Patienten zu messen. Zu einer umfassenden Betrachtung gehören zum Schluss des Referats auch Analysen zur Kosteneffektivität; es sei vorweggeschickt, dass es hierzu bei Speicheldrüsenerkrankungen nur wenige Daten gibt.

2. Ausbildung und Weiterbildung

Instrumente der Qualitätssicherung in Aus- und Weiterbildung zu Speicheldrüsenerkrankungen sind in [Tab. 1] zusammengefasst. Die Weiterbildungsordnung ist ein Instrument, um die Qualität der Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen zu steuern. Die noch gültige Weiterbildungsordnung von 2011 fordert während der Basisweiterbildung eine Weiterbildung in der Erkennung und Behandlung von Erkrankungen der der Kopfspeicheldrüsen. Mindestens 25 Eingriffe an den Speicheldrüsen und deren Ausführungsgängen werden in der Ausbildung verlangt. Die Landesärztekammern machen keine spezifischeren Aussagen zu Art und Umfang der Operationen. Auch die in 2019 umzusetzende neue Weiterbildungsordnung wird nicht detaillierter vorgehen. Im Vergleich dazu beschreibt z. B. das englische HNO-Curriculum sehr detailliert das verlangte Wissen, bei den Operation sind hingegen keine Zahlen genannt, aber das Beherrschen einer Submandibulektomie und lateralen Parotidektomie wird verlangt (https://www.gmc-uk.org/). Das Logbuch für den Europäischen HNO-Facharzt fordert neben diesem Basiswissen explizit auch Wissen zum Komplikationsmanagement, Raumforderungen der Speicheldrüsen, zum Bezug zur Fazialisparese, zur europäischen Klassifikation der Speichelgangveränderungen und zur Einteilung der Parotischirurgie, immunologischer Erkrankungen, Infektionen, Speichelsteinen und gutartiger Tumoren. An operativer Erfahrung wird verlangt – ohne Zahlen zu nennen – die Durchführung unter fachärztlicher Aufsicht von Operationen an der Gl. submandibularis und an den Speicheldrüsenausführungsgängen, die interventionelle Sialendoskopie sowie die Assistenz bei Parotidektomien einschließlich Rekonstruktionstechniken (http://orluems.com/gestor/upload/LOGBOOK%20REVISED%20FINAL%202018.pdf).

Tab. 1 Möglichkeiten der Qualitätssicherung in der Ausbildung und Weiterbildung in der Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen.

Instrument

Kommentar

HNO-Facharzt-Ausbildung

Keine detaillierten Vorgaben. Es ist zu empfehlen, dass der Weiterbildungsverantwortliche intern Kompetenzen vorgibt, die erworben werden sollten.

HNO-Facharzt-Wissen Kurs

Die derzeit in Deutschland angebotenen Kurse handeln auch Speicheldrüsenerkrankungen ab; Vorgaben zu den Inhalten gibt es nicht.

HNO-Facharzt-Prüfung

Keine detaillierten Vorgaben. Es ist zu empfehlen, dass die Prüfer das Wissen zu Speicheldrüsenerkrankungen erfragen.

Speicheldrüsenkurse

Zertifizierung durch Landesärztekammer und durch die Akademie der DGHNO sollte vorhanden sein (oder äquivalente Zertifizierung bei Kursen im Ausland). Es ist zu empfehlen, dass bereits in der Weiterbildung ein zertifizierter Speicheldrüsenkurs besucht wird.

Ultraschallkurs Kopf-Hals

Zertifizierung durch die DEGUM, Landesärztekammer und durch die Akademie der DGHNO sollte vorhanden sein (oder äquivalente Zertifizierung bei Kursen im Ausland). Dann ist gesichert, dass auch die Ultraschalluntersuchung der großen Speicheldrüsen inkludiert ist.

Lehrbücher, Operationslehren

Hier gibt es bislang keine Vorgaben für die inhaltliche Qualität. In den aktuellen deutschsprachigen Lehrbüchern haben Experten das Wissen zu Speicheldrüsenerkrankungen aus ihrer Sicht zusammengestellt. Der jeweilige Herausgeber und ggf. externe Gutachter haben den Inhalt geprüft.

Fachliteratur

In Zeitschriften mit peer-review unterliegen die Beiträge einer Kontrolle durch ein Gutachter-Verfahren. Regelmäßig findet man in den deutsch- und englischsprachigen HNO-Fachzeitschriften Beiträge, auch Übersichtsbeiträge zu Speicheldrüsenerkrankungen.

Im Weiterbildungskatalog der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie wird nicht explizit auf Speicheldrüsenchirurgie eingegangen. Es werden 100 septische Operationen verlangt und als Beispiel die Entfernung von Speichelsteinen aufgelistet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Anforderungen in der HNO-Weiterbildungsordnung wenig detailliert sind, die Qualitätskontrolle obliegt dem weiterbildungsberechtigten HNO-Arzt, ohne dass Qualitätskriterien näher definiert sind. Dies gilt jedoch für die meisten Bereiche der Weiterbildungsordnung und ist kein Spezifikum der Weiterbildung für die Behandlung von Speicheldrüsen-Erkrankungen.

Neben der internen Facharztweiterbildung gibt es auch Kursangebote. So finden sich im Jahr 2019 im deutschsprachigen Raum mehrtägige Weiterbildungsangebote unter anderem in Erlangen, Jena, Köln, München oder Wien. Diese Kurse vermitteln aktuelles Wissen zu Speicheldrüsenerkrankungen, zumeist mit dem Schwerpunkt auf Chirurgie und auch mit Live-Operationsdemonstrationen und praktischen Übungen an Modellen oder Präparier-Möglichkeiten. Die Deutsche Akademie für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. bietet die Möglichkeit, einen Kurs zu zertifizieren. 2 Gutachter, Experten auf dem Gebiet, bewerten den Inhalt und schlagen dem Präsidium der Akademie eine Entscheidung vor. Auf der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO) bietet die Akademie der DGHNO darüber hinaus 2019 (und sicher auch 2020 mindestens wieder) 2 zentrale Kurse zu Speicheldrüsenerkrankungen. Die Qualität der Inhalte wird durch das Präsidium bewertet und die Zulassung ausgesprochen. Schriftliche Kriterien für die Bewertung bei Speicheldrüsenkursen gibt es nicht. Auf der Jahrestagung finden zudem immer Sessions zu neuem Wissen zu Speicheldrüsenerkrankungen statt, die zur kontinuierlichen Weiterbildung beitragen. International betrachtet organisiert die Multidisciplinary Salivary Gland Society (MSGS; 2019 hervorgegangen aus der European Salivary Gland Society [ESGS]) wissenschaftliche Sessions zu Speicheldrüsenerkrankungen auf internationalen Kongressen und organisiert auch den International Salivary Gland Congress mit, auf dem alle 5 Jahre die neuesten Erkenntnisse zu Speicheldrüsenerkrankungen ausgetauscht werden.

Mittlerweile gibt es 2 Kurse zur Vorbereitung auf die Deutsche HNO-Facharztprüfung, bei denen das Basiswissen zu Speicheldrüsenerkrankungen wiederholt wird. Die Inhalte werden frei von den Referenten bestimmt.

Die Sektion Kopf-Hals der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) hat Qualitätsstandards für die Ultraschalluntersuchung der Kopf-Hals-Region festgeschrieben (https://www.degum.de/sektionen/kopf-hals.html). Erlernt wird in den DEGUM-Kursen die Ultraschalluntersuchung der großen Kopf-Speicheldrüsen im Modul Speicheldrüsensonografie. Dieses umfasst nicht nur Untersuchungen bei Tumoren, sondern auch die Sonografie entzündlicher Erkrankungen und ultraschallkontrollierte Intervention an Speicheldrüsen. Kenntnisse zum Ultraschall von Speicheldrüsenerkrankungen werden in drei aufeinander aufbauenden Kursen vermittelt. Um auch die Abrechnungsgenehmigung bei der Kassenärztlichen Vereinigung zu erwerben, ist der Nachweis von 200 Sonografien der Gesichts- und Halsweichteile notwendig, ohne das Spezifika zur Untersuchung der Speicheldrüsen nachgewiesen werden müssen.

Eine weitere wichtige Quelle zur Ausbildung und Weiterbildung sind HNO-Lehrbücher. Experten entscheiden über die Inhalte zu Speicheldrüsenerkrankungen. So widmet z. B. die aktuelle HNO-Operationslehre von Rettinger et al. den Operationen an Speicheldrüsenerkrankungen ein eigenes Kapitel [2]. Qualitätsstandards zu den Inhalten gibt es nicht. Neben klassischer Fachliteratur, die in Zeitschriften mit peer-review einer Qualitätskontrolle durch ein Gutachter-Verfahren unterliegen, bieten deutsch- und englischsprachige HNO-Fachzeitschriften regelmäßig Übersichtsbeiträge zu Speicheldrüsenerkrankungen. Diese Übersichtsbeiträge werden zwar auch begutachtet, geben zumeist Expertenmeinung, aber kein höheres Evidenz-Niveau wieder.

Dies bedeutet zusammengefasst, dass die Qualität der Ausbildung und Weiterbildung zu Speicheldrüsenerkrankungen größtenteils der Verantwortung der Experten auf dem Gebiet unterliegt. Es gibt in diesem Sektor bislang nur wenige konsentierte Qualitätsanforderungen.


3. Strukturelle Voraussetzungen, Qualitätsmanagement und Zertifizierung

Jedes nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhaus muss gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB V ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement vorweisen. Dazu hat der Gemeinsame Bundesausschluss (G-BA) eine Richtlinie verfasst (Qualitätsmanagement-Richtlinie Krankenhäuser [QM-RL], veröffentlicht im Bundesanzeiger BAnz AT 16.04.2014 B4). Hier werden aber nur die grundlegenden Elemente des Qualitätsmanagements beschrieben. Auf einzelne Fachgebiete oder gar operative Eingriffe wird nicht eingegangen. Auch wenn keine Zertifizierungspflicht besteht, so lassen zahlreiche Kliniken ihr QM-System z. B. durch das speziell für das Gesundheitswesen zugeschnittene Regelwerk „Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen“ (KTQ) oder nach der branchenübergreifenden Qualitätsnorm ISO 9001 zertifizieren [3]. Inhalte für HNO-Kliniken oder HNO-Praxen sind nicht vorgegeben und somit auch nicht zu Speicheldrüsenerkrankungen. Die HNO-Klinik des Autors ist nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert. Das QM-System enthält detaillierte Beschreibungen nicht nur zur Organisation, z. B. zum Ablauf der Speicheldrüsen-Sprechstunde, sondern auch Arbeitsabläufe bei einzelnen Erkrankungen. So kann z. B. die eine abgestufte Diagnostik und Stufentherapie bei M. Sjögren von jedem Mitarbeiter an jedem Klinik-Rechner jederzeit abgerufen werden. Wenn auch keine regulatorischen Zwänge bestehen, kann eine HNO-Klinik auf diese Weise die (unvermeidliche) Zertifizierung nutzen, um die Behandlung von Speicheldrüsen-Erkrankungen im eigenen Haus transparent und jederzeit abrufbar zu standardisieren.

Ein weiteres interessantes Element ist die „Qualitätssicherung mit Routinedaten“ (QSR; http://qs-mit-routinedaten.de/). Bei diesem Projekt der AOK wird versucht, aus anonymisierten Abrechnungsdaten der Krankenhäuser und Stammdaten der AOK die Behandlungsqualität einer Klinik zu messen. So hat das wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) im QSR Verfahren unlängst 2015 ein Panelverfahren zur Neuentwicklung von Qualitätsindikatoren für den Leistungsbereich „Operation bei benigner Schilddrüsenerkrankung“ durchgeführt. Basierend auf Daten der Abrechnungsjahre 2008 bis 2010 und der dokumentierten Komplikationen bis 1 Jahr nach der Entlassung wurden Empfehlungen für Indikatoren für die klinikinterne Berichterstattung von Komplikationen entwickelt (http://www.qualitaetssicherung-mit-routinedaten.de/imperia/md/qsr/methoden/wido_qsr_abschlussbericht_schilddruesenoperation.pdf). Die QSR-Methodik könnte auch für häufige Speicheldrüsen-Operationsverfahren angewandt werden. Derartige Auswertungen zu den Komplikationen wurden bislang nicht vorgenommen.

Ende 2019 gibt es in Deutschland 57 zertifizierte Kopf-Hals-Tumor-Zentren nach den Zertifizierungsrichtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft. Im Erhebungsbogen wurden bis 2018 Malignome der Speicheldrüsen nicht explizit erfasst, aber nun in die Erfassung aufgenommen. Eine besondere Expertise für diese relativ seltenen Kopf-Hals-Tumoren ist für die Zertifizierung nicht gefordert. Darüber hinaus hat eine Reihe von HNO-Kliniken ein Speicheldrüsenzentrum etabliert. Dieser Begriff ist nicht definiert oder geschützt. In Regel verbirgt sich dahinter eine Sprechstunde für Speicheldrüsenerkrankungen. Mit der Bildung eines Zentrums ist auch der Gedanke verbunden, dem Patienten in einer auf Speicheldrüsenerkrankungen spezialisierten Klinik eine interdisziplinäre Behandlung zu ermöglichen, z. B. die interdisziplinäre Behandlung eines Patienten mit fortgeschrittenen M. Sjögren an einer Stelle gleichzeitig durch einen Rheumatologen und einen HNO-Arzt. Eine derartige Einrichtung ist derzeit in Deutschland nicht zu erkennen. Überhaupt ist eine strukturierte interdisziplinäre Zusammenarbeit allenfalls bei Speicheldrüsenmalignomen durch die Tumorboards und in der Leitlinienarbeit zu erkennen.

Auch die European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) möchte mehr QM-Programme für Kopf-Hals-Chirurgen, die an EORTC-Studien teilnehmen, auflegen. So werden in der in der laufenden EORTC Studie 1420 Mindestanforderungen an die Anzahl der Operationen pro Jahr und die Behandlungsergebnisse (R0 Resektion, Anzahl der entfernten Lymphknoten bei eine Neck dissection usw.) gestellt [4]. Für EORTC-Studien zu Speicheldrüsentumoren sind derzeit keine derartigen Qualitätsstandards festgelegt.

Bereits im Jahr 2008 hat das American College of Surgeons das National Surgical Quality Improvement Program (NSQIP) gestartet [5]. Basierend auf den gewonnenen Daten wurde der NSQIP Risiko-Kalkulator entwickelt [6]. Der Kalkulator berechnet nach Eingabe diverser Risiko-assoziierter Variablen das Risiko für postoperative Komplikationen aus (https://riskcalculator.facs.org/RiskCalculator/). Gibt man hier z. B. eine laterale Parotidektomie bei einer sonst gesunden Patientin unter 65 Jahren ein, so liegt das Risiko für schwere Komplikationen bei 1,2% in den ersten 30 Tagen nach Operation. Bei einer komorbiden Patientin mit insulinpflichtigem Diabetes steigt das Risiko auf 5,5%. Der sonst gesunde Patient hat bei einer totalen Parotidektomie mit Neck dissection ein Risiko von 11,1%. Auf diese Weise können Ergebnisse des eigenen Krankenhauses mit den Risikokalkulationen verglichen werden, und bezogen auf diese Parameter die eigene Behandlungsqualität bewertet werden.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass es für eine deutsche HNO-Klinik oder Praxis keine speziellen regulatorischen Vorgaben für die Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen gibt; anderseits eine Zertifizierung prinzipiell einen guten Gestaltungspielraum für eine Standardisierung der Behandlung und die Einführung von Qualitätsindikatoren zur erfolgreichen Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen ermöglichen würde. So wäre es bereits förderlich, wenn in den zertifizierten Kopf-Hals-Tumor-Zentren die Speicheldrüsenmalignome und Kenngrößen wie Ausdehnung der Operation, Resektionsstatus und Umfang der Neck dissection erfasst würden.


4. Veränderte Speichelproduktion bei Speicheldrüsenerkrankungen

Ein basaler Parameter für die Behandlungsqualität ist der Funktionserhalt bzw. die Wiederherstellung der Speicheldrüsenfunktion durch die Behandlung. Die Speicheldrüsen produzieren etwa einen halben Liter Speichel pro Tag [7]. Die funktionellen Folgen eines verminderten Speichelflusses sind Schluckstörung, Schmeckstörung, Anfälligkeit für orale Infektionen und Karies. Die Auswirkungen eines verminderten Speichelflusses auf die immunologische Funktion des Speichels sind bisher nicht grundlegend untersucht.

Die Folge von zu wenig Speichelproduktion ist Mundtrockenheit. Davon abzugrenzen sind die Xerostomie, die das subjektive Gefühl des trockenen Mundes meint, und die Hyposalivation, die auf die verringerte Speichelflussrate abzielt [8] [9] [10] [11] [12]. Die zumeist empfohlene klinische Methode zur Untersuchung ist die Sialometrie, als quantitative Untersuchung der unstimulierten und stimulierten Gesamtflussrate [13]. Von einer Mundtrockenheit ist ab einer unstimulierten Flussrate von<0,1 ml/min oder einer stimulierten Flussrate von 0,7 ml/min auszugehen [14] [15]. Um den Speichel aufzufangen, wird eine Watterolle unter der Zunge (für die Gl. submandibularis) und je eine Watterolle pro Wangentasche (für die Gl. parotis) platziert und 5 min belassen. Anschließend werden die Rollen gewogen [16]. Die Korrelation zwischen einer verminderten Flussrate und dem subjektiven Empfinden einer Mundtrockenheit ist schlecht [8] [14] [17] [18]. Die Speichelflussrate zeigt selbst bei Gesunden eine hohe intra- als auch interindividuelle Variabilität [19]. Daher wird empfohlen, zusätzlich zur direkten Speichelflussmessung noch weitere Parameter zurate zu ziehen. Daher wundert es, dass es an Arbeiten fehlt, die systematisch Messungen der Speichelproduktion mit Messungen der Lebensqualität (siehe unten) vergleichen [13].

Obwohl die Speichelbildung also die wesentliche Funktion der Speicheldrüsen ist, gibt esnur wenige Arbeiten, die die Speichelbildung nach Therapie eine Speicheldrüsenerkrankung objektiv untersucht haben. Die meisten Daten liegen vor zur Evaluierung von Therapien bei M. Sjögren. So führt z. B. eine Pilocarpin Therapie bei Patienten mit M. Sjögren zu einer signifikanten Verbesserung der Speichelflussrate [20].

Ein aktuelles systematisches Review zur Speichelproduktion nach Operation an der Gl. parotis oder der Gl. submandibularis konnte überhaupt nur acht prospektive Studien (1993 bis 2016) identifizieren [21]. Sechs Studien untersuchten Patienten nach Operation an der Gl. submandibularis mit der Sputum Methode und zwei Studien die Funktion nach Operation an der Gl. parotis mit Lashley Cups, die über dem Stenon-Gang platziert werden und so nur den Speichel aus der Gl. parotis aufnehmen. Sechs Studien erreichten den Evidenz Level 4 und nur 2 Studien den Evidenz Level 2. Die Analysemethoden waren sehr inhomogen (Verwendeter Stimulus, Bewertung der Ergebnisse, Untersuchungszeitraum). Nur eine der acht Studien machte auch sialometrische Untersuchungen zur Speichelzusammensetzung: Natrium, Kalium und Amylase zeigten keine Unterschiede präoperativ im Vergleich zu postoperativ [22]. Drei Studien, die eine Speicheldrüsen-Szintigrafie zur objektiven Bewertung der Speicheldrüsenfunktion verwendeten, wurden aus methodischen Mängeln nicht in die systematischen Reviews aufgenommen [23] [24] [25]. Die Autoren der systematischen Reviews vertreten in der Diskussion die Ansicht, dass eine Speicheldrüsen-Szintigrafie zur Funktionsuntersuchung nicht empfohlen werden könne, da die Strahlenbelastung dem entgegenstehe [21].

Beim Drooling geht es umgekehrt um eine pathologische Hypersalivation. Neben der Messung der Speichelflussrate hat sich der Drooling Quotient (DQ) als semiquantitatives Verfahren etabliert [26]: Alle 15 Sekunden wird über 10 Min (also 40 Beobachtungen) registriert, ob sich auf den Lippen neuer Speichel angesammelt hat und als Quotient pro 40 Beobachtungen ausgedrückt. In Studien wird als Outcome measure häufig die Anzahl der Patienten mit einem Rückgang des DQ um 50% verwendet [16].

Klinische Speichelflussmessungen sind nicht schwierig durchzuführen und messen direkt die wichtigste Funktion der Speicheldrüsen. Daher wäre es aus Sicht einer besseren Evaluierung der Behandlungsqualität wünschenswert, wenn die quantitative Speichelflussrate häufiger als Outcome-Parameter nach Therapie von Speicheldrüsenerkrankung verwendet würde.


5. Weitere Symptome von Speicheldrüsenerkrankungen sowie Nebenwirkungen und Komplikationen der Therapie

Hinzu kommt noch, dass andere Symptome von Speicheldrüsenerkrankungen wie Schwellung, Entzündung oder Schmerz wesentlich unspezifischer und daher als Parameter der spezifischen Qualitätskontrolle weniger geeignet sind. Bei Erkrankungen der Speicheldrüsen, die mit Schmerz einhergehen, ist dieser Parameter wichtig und wird von allen gebräuchlichen Lebensqualitäts-Fragebögen erfasst (siehe unten). Auf eine Verminderung der Speichelproduktion als mögliche Nebenwirkung nicht nur der Erkrankung, sondern auch der Therapie wurde bereits eingegangen. Bei der medikamentösen Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen stehen die Nebenwirkungen der Medikamente im Vordergrund. Da dies in der Regel keine Speicheldrüsen-spezifischen Nebenwirkungen sind, werden diese hier nicht weiter behandelt. So kann z. B. eine Dysphagie als seltene Nebenwirkung bei der Botulinumtoxin-Behandlung eines Patienten mit Drooling auftreten, genauso wie bei jeder anderen Botulinumtoxin-Behandlung im Kopf-Hals-Bereich. Zur Qualitätsbewertung sind in derartigen Fällen Medikamenten-spezifische Assessment Instrumente zu Rate zu ziehen [27].

Die wesentlichen und seltenen Komplikationen der Sialendoskopie sind Gangverletzung (circa 0,5%), Fazialisparese (Einzelfall-Beschreibungen), Schädigung des N. lingualis/Sensibilitätsminderung (0,5–1%), postoperative Sialocele (0,5–1,7%), Fistelbildung (keine eindeutigen Angaben), Vernarbung bzw. Strikturen des Gangsystems (1–4%) sowie der fehlende Therapieerfolg (Speichelstein verbleibt, Stenose unzureichend erweitert) [28] [29]. Diese Komplikationen werden bereits jetzt regelhaft in Studien zum Erfolg der Sialendoskopie erfasst (siehe weiter unten).

Im Hinblick auf die Qualitätsbewertung sind v. a. die Komplikationen der Speicheldrüsenchirurgie relevant: Das Risiko einer passageren Fazialisparese beträgt bis 40% und einer permanenten Fazialisparese etwa 4% mit dem größeren Risiko bei großen Tumoren, chronischer Parotitis als Indikation und bei malignen Tumoren [30]. Weitere die Lebensqualität beeinflussende Komplikationen sind das gustatorische Schwitzen (Frey-Syndrom) in 3 bis 15% der Fälle abhängig von der Messmethode und Fistelbildung oder Sialocele in 1–25% [31] [32] [33] [34] [35] [36]. Andere Komplikation wie Schmerzen, Sensibilitätsstörungen im Operationsgebiet, verändertes Aussehen und Mundtrockenheit können auch die Lebensqualität erheblich beeinflussen, wurden aber bislang nur in wenigen Studien systematisch untersucht (siehe unten).


6. Wünsche der Patienten an die Behandlung einer Speicheldrüsenerkrankung

Untersuchungen zur Patientenperspektive in Bezug auf Speicheldrüsenerkrankungen oder Operationen an den Speicheldrüsen liegen nicht vor. Dafür sind diese Erkrankungen zu selten bzw. die Gruppe mit schwerwiegenden Folgen der Erkrankung für viele Krankheitsbilder erfreulicherweise gering. Die größte Gruppe sollte in Selbsthilfegruppen zum Sjögren-Syndrom vertreten sein (z. B. https://www.sjoegren-syndrom.de). Die Sjögren-Syndrom-Selbsthilfe stellt Wünsche an die Forschung: Verfahren zur Frühdiagnose des Sjögren-Syndroms und kausale Therapien sollten entwickelt werden. Patienten mit Speicheldrüsenmalignomen haben in Deutschland keine eigene Selbsthilfegruppe. Diese Patienten sind allenfalls in Selbsthilfenetzwerken wie Kopf-Hals-Tumorstiftung e.V. oder Kopf-Hals-Mund-Krebs e.V. vertreten. In Facebook gibt es englischsprachige Foren wie Parotid People, die sich an Patienten mit Speicheldrüsentumoren wenden. Ganz generell sind die Wünsche der Patienten mit HNO-Erkrankungen schlecht untersucht. Die Perspektiven der Patienten systematisch zu untersuchen ist ein recht neues wissenschaftliches Feld. Eigentlich gibt es bislang erst wenige systematische Untersuchungen zu den Wünschen und Präferenzen, und wenn, dann von Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren [37] [38] [39]. Es ist zu schlussfolgern, dass auf diesem Feld ein erhebliches Defizit besteht. Gute Versorgungsqualität soll die Wünsche von Patienten mit Speicheldrüsenerkrankungen berücksichtigen – dafür müssen die Wünsche bekannt sein.


7. Patient-reported outcome measures (PROMs)

Zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Speicheldrüsenerkrankungen wurden bislang zumeist allgemeine Fragebögen zur Lebensqualität in retrospektiven Kohortenstudien eingesetzt [40] [41] [42] [43] [44]. Eine Übersicht über die verwendeten PROMs gibt [Tab. 2].

Tab. 2 Beispiele für Patient-reported outcome measures (PROMs), die zur Beschreibung des Funktionserhalts und der Lebensqualität bei Speicheldrüsenerkrankungen und deren Therapie eingesetzt werden.

Instrument

Kommentar

Short-Form-36 Health Survey (SF-36)

Krankheits-unspezifisches Instrument. Dies erlaubt einen Vergleich mit anderen Erkrankungen und Normalbevölkerung. In Deutsch validiert.

Short-Form-8 Health Survey (SF-8)

Kurzform des SF-36. In Deutsch validiert.

15D health-related quality of life (HRQoL) instrument

allgemeines Instrument, geht mehr auf Sinnesfunktionen ein als der SF-36.

International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) Items

allgemeine Klassifikation der WHO zur Beschreibung der Funktionsfähigkeit des Patienten. Speichelfunktionsstörungen können erfasst werden (Funktionen b5104). In Deutsch validiert.

EORTC QLQ-C30

Dieser Fragebogen ist eigentlich zur allgemeinen Befragung von Krebspatienten gedacht. So lassen sich verschiedene Krebserkrankungen miteinander vergleichen. Fragen zur Speicheldrüsenfunktion sind weder direkt noch indirekt beinhaltet. In Deutsch validiert.

EORTC-QLQ-H&N35

Dieser Fragebogen ist für Patienten mit malignen Kopf-Hals-Tumoren gedacht. Fragen zum trockenen Mund und Folgen sind Inhalt. Macht es möglich Patienten mit Speicheldrüsen-Malignomen mit anderen Kopf-Hals-Malignomen zu vergleichen. Es liegt eine Überarbeitung vor als EORTC-QLQ-HN43. In Deutsch validiert.

University of Washington Quality of Life Questionnaire (UWQOL)

Ähnlich wie der EORTC-QLQ-H&N35. Speichel ist eine Domäne.

Glasgow Benefit Inventory (GBI)

Ist konzipiert für die einmalige Messung nach einer spezifischen chirurgischen oder konservativen Therapie. In Deutsch validiert

Chronic Obstructive Sialadenitis Symptoms (COSS) Score

COSS ist ein spezifischer Fragebogen zur Erfragung von Symptomen der Sialadenitis.

Xerostomia Questionnaire (XQ)

XQ erfasst Fragen zur Mundtrockenheit, Schmerz, Schmeckverlust und Schluckstörung.

Xerostomia Inventory (XI)

XI ähnelt dem XQ und scheint eine Abgrenzung zum Burning-Mouth-Syndrom zu ermöglichen.

Clinical Oral Dryness Scale (CODS)

Im eigentlichen Sinne kein PROM, da der Behandler einbezogen wird und standardisiert Untersuchungsbefunde klassifiziert werden.

Dryness domain des European League Against Rheumatism SS Patient-Reported Index (ESSPRI)

ESSPRI ist ein spezifisches Instrument zur Erfassung der Beschwerden bei Sjögren-Syndrom.

Sicca Symptoms Inventory (SSI)

COSS ist ein spezifischer Fragebogen zur Erfragung der Sicca-Symptomatik.

Drooling Severity and Frequency Scale (DSFS)

DSFS ist ein spezifisches Instrument zur Erfassung der Schwere und Häufigkeit des Drooling, gedacht für die Befragung von Eltern betroffener Kinder.

Parotidectomy Outcome Inventory 8 (POI-8)

POI-8 ist der einzige etablierte spezifische Fragebogen zur Erfragung von Beschwerden nach Operation an der Gl. parotis. In Deutsch validiert.

7.1. Lebensqualität nach Operation von Speicheldrüsentumoren

Zum Einsatz kamen dabei selbst entwickelte, nicht validierte Fragebögen [40] [41] [42], die für maligne Tumorerkrankungen entwickelten EORTC QLQ-C30 und EORTC-QLQ-H&N35 Fragebögen[43] [45] [46]. Bei Verwendung allgemeiner Fragebögen oder bei Instrumenten, die für maligne Tumoren entwickelt wurden, ergibt sich einheitlich, dass per se die Lebensqualität hoch ist (zumeist fehlen präoperative Daten). Verwendet man derartige Fragebögen, so lassen sich typischerweise spätestens 1 Jahr nach der Operation keine wesentlichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität mehr nachweisen, allenfalls durch ein klinisches relevantes Frey-Syndrom beobachten [45]. Patienten mit malignen Tumoren weisen nach chirurgischer Behandlung eine schlechtere Lebensqualität auf als Patienten mit gutartigen Speicheldrüsentumoren [47]. Das liegt aber nicht an der Operation selbst, sondern der radikaleren Therapie einschließlich adjuvanter Radiotherapie. Davon unterscheiden muss man Befragungen bei Patienten mit Speicheldrüsenmalignomen. Spezifische Instrumente für die Befragung von Patienten mit Speicheldrüsenmalignomen gibt es nicht. Verwendet man die oben genannten Fragebögen für maligne Tumorerkrankungen oder andere wie den University of Washington Quality of Life (UWQOL), so hat das Tumorleiden oder dessen Behandlung an sich, aber weniger der Umstand einer malignen Erkrankung an den Speicheldrüsen, wenn überhaupt dann eine assoziierte Fazialisparese, Einfluss auf die verminderte Lebensqualität [48].

Es gibt bislang nur ein einziges krankheitsspezifisches Messinstrument für Patienten mit Speicheldrüsentumoren. Dieses Instrument ist ausschließlich für die Erhebung der Lebensqualität nach Parotidektomie konzipiert worden. Das Messinstrument Parotidectomy Outcome Inventory 8 (POI-8) kann reliabel und valide die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Erwachsenen nach einer Parotidektomie bei benignen Erkrankungen der Ohrspeicheldrüse messen [49]. POI-8 stellt Fragen zu Schmerzen, Gefühlsstörungen und der Narbe im Operationsgebiet, zum Aussehen durch eine Fazialisparese, den Verlust an Drüsengewebe, Kauschwitzen, Mundtrockenheit und der Angst vor einer Nachoperation. Die Fragen basierten auf einer Befragung von Experten, die Symptome mit Bezug auf die Lebensqualität der Patienten definierte. Patienten wurden in die Entwicklung von POI-8 nicht einbezogen. Mit einer nicht validierten englischen Version des POI-8 wurden unlängst 30 indische Patienten mit einem gutartigen Speicheldrüsentumor 6 Monate nach Parotidektomie untersucht. Absolut war die Lebensqualität hoch mit ≥80 (von maximal 100 Punkten in allen Subskalen und gering besserer Lebensqualität nach lateraler im Vergleich zu totaler Parotidektomie [50]. Auch in einer deutschen Arbeit an 196 Patienten lagen alle POI-Subskalen nach verschiedenen Parotisoperationen immer bei>80 (bei sehr variablem postoperativen Untersuchungszeitraum postoperativ). Nach lateraler Parotidektomie lag die POI Subskala zur Sensibilitätsstörung niedriger als nach umschriebeneren Eingriffen an der Ohrspeicheldrüse, wohingegen unspezifischere Fragebögen wie der EORTC QLQ-C30 und der EORTC QLQ-H&N35 keine Unterschiede ergaben [51]. Unlängst wurde der POI-8 in einer deutschen multizentrischen prospektiven chirurgischen Studie zu Langzeitfolgen nach lateraler Parotidektomie eingesetzt [52]. Bei 130 Patienten konnte mit diesem Instrument gezeigt werden, dass 2 Jahre nach Operation die Narbenbildung, Xerostomie und auch die Angst vor einer erneuten Operation die Lebensqualität der Patienten verschlechtern.


7.2 Lebensqualität nach Sialendoskopie

Die Lebensqualität für 46 Patienten nach Sialendoskopie wurde mit dem allgemeinen Lebensqualitäts-Instrument Short-Form-36 Health Survey (SF-36) untersucht [53]. Absolutwerte werden nicht präsentiert, daher kann die Lebensqualität der Patienten schwer abgeschätzt werden; chronisch persistierende Symptome gingen mit schlechter Lebensqualität in der körperlichen Domäne einher. Unter Nutzung des Glasgow Benefit Inventory (GBI), eines Fragebogens zur allgemeinen Bewertung eines operativen Eingriffs [54], konnte nach interventioneller Sialendoskopie bei 54 Patienten eine mittlere Verbesserung des GBI von 31 Punkten beobachtet werden [55]. In einer weiteren Arbeit mit 130 dänische Patienten lag der mittlere GBI bei 13,4; es profitierten v. a. Patienten mit Sialolithiasis und bei Sialendoskopie der Gl. parotis [56]. Eine vergleichbare gute Verbesserung des GBI sieht man auch bei Wharton-Gang Rückverlagerungen bei Kindern mit Drooling. Eine aktuelle Studie die Lebensqualität nach Sialendoskopie 3 und 12 Monate nach Sialendoskopie bei 260 Patienten mit dem allgemeinen 15D HRQoL Fragebogen [57]. Zu 74 Patienten gab es auch präoperative Daten, was eine bemerkenswerte Besonderheit darstellt. Präoperativ weisen die Patienten in den Dimension „distress“ und v. a. bei „Discomfort and symptoms“ niedrigere Werte als ein Normalkollektiv auf, in den anderen Dimensionen nicht. Die Dimensionen „distress“ und „Discomfort and symptoms“ erholen sich binnen 3 Monaten auf ein normales Niveau.

Setzt man also allgemeine Fragebögen zur Messung der Lebensqualität ein, so ergibt sich zunächst einmal, dass die Lebensqualität nicht nennenswert eingeschränkt ist. Anders sieht es aus, wenn man versucht die krankheitsspezifische Lebensqualität zu messen. Unlängst wurde eine spezieller Fragebogen für die Evaluationen von Sialendoskopien entwickelt, der Chronic Obstructive Sialadenitis Symptoms (COSS) Score [58]. 66 Patienten füllten den Fragebogen mit 20 Fragen aus, die sich auf Sialadenitis-Beschwerden beziehen, wobei die Patienten retrospektiv auch zur Verbesserung der Beschwerden durch die Sialendoskopie befragt wurden. Es wurde also nicht eine Befragung vor und nach der Behandlung vorgenommen. Patienten mit obstruktiver Sialadenitis der Gl. parotis wiesen einen höheren COSS-Score (schlechtere Lebensqualität) auf als Patienten mit Erkrankung der Gl. submandibularis. Patienten mit Sialolithiasis hatten einen niedrigeren COSS-Score als Patienten mit einer Obstruktion ohne Steinleiden. 60% berichteten über eine Heilung durch die Sialendoskopie und hatten die niedrigsten COSS Scores. Parallel wurde auch der allgemeine Fragebogen SF-8 ausgefüllt. Hiermit ließen sich die Veränderungen im Unterschied zum COSS-Scores nicht diskriminieren. Der COSS Score wurde dann auch in einer prospektiven Studie eingesetzt bei 40 Patienten mit prä- und postoperativer Messung nach 3 Monaten [59]. Hier bestätigte sich, dass der Score nach Sialendoskopie signifikant zurückgeht, Patienten der Erkrankung der Gl. submandibularis und Steinleiden mehr profitieren. Und ebenfalls konnte der SF-8 die Änderung der Lebensqualität nach der Sialendoskopie nicht erfassen. Bei weiteren 19 Patienten mit reinen Gangstenosen und dann noch einmal bei 80 Patienten (29 mit Langzeitbeobachtung bis 1 Jahr) in einer prospektiven Studien waren die Verbesserung geringer, am wenigsten verbesserte sich die Lebensqualität bei proximalen Stenosen [60] [61] [62]. Zur Beurteilung der Behandlungsergebnisse nach Sialendoskopie bei Patienten mit einer Radioiodtherapie-induzierten Xerostomie wurden mit dem Xerostomia Questionnaire (XQ) und das Xerostomia Inventory (XI) prä- und 3 Monate posttherapeutisch 2 PROMs eingesetzt, die primär zur Bewertung einer Xerostomie entwickelt wurden [63] [64] [65]. 6 Patienten, die eine interventionelle Sialendoskopie erhielten, zeigten im Vergleich zu 6 Patienten ohne Sialendoskopie eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität; wobei der Befund der Speicheldrüsen-Szintigrafie nicht verbesserte [65].


7.3 Lebensqualität nach Behandlung einer Xerostomie

Xerostomie spielt v. a. eine Rolle beim Sjögren-Syndrom und anderen Autoimmun-Erkrankungen. Sehr einfach sind das bereits erwähnte Xerostomia Inventory (XI), die Clinical Oral Dryness Scale (CODS) oder die dryness domain des European League Against Rheumatism SS Patient-Reported Index (ESSPRI) [63] [66] [67] [68]. Der CODS und eingeschränkt der ESSPRI, aber anscheinend nicht der XI, scheinen gut mit der objektiv gemessenen Speichelflussrate zu korrelieren [69]. Das Sicca Symptoms Inventory (SSI) fokussiert auf die Sicca-Symptomatik und erlaubt eine gute Diskriminierung von Patienten mit primärem Sjögren-Syndrom von anderen Erkrankungen [70].


7.4 Lebensqualität nach Behandlung von Drooling

Zum konservativen Management von Speicheldrüsenerkrankungen liegen für das Drooling Untersuchungen mit The International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) Items zur Lebensqualität vor [16]. Mit diesem Instrument lässt sich eine maximale Besserung der Lebensqualität 8 Wochen nach Botulinumtoxin-Injektion in Gl. parotis und Gl. submandibularis feststellen. Da Drooling v. a. auch Kinder betreffen kann, sind die Fragebögen häufig so konzipiert, dass Angehörige befragt werden können, damit sind diese Instrumente dann eigentlich nicht „patient-reported“ sondern „caretaker-reported“. Bewährte spezifische Instrumente zur Messung der Drooling-assoziierten Lebensqualität sind, welche die Beeinträchtigung durch die Erkrankung besser zu erfassen scheinen als der Drooling Quotient (DQ; siehe oben), sind z. B. die Drooling Impact Scale oder die Drooling Severity and Frequency Scale (DSFS)[19] [26] [71] [72] [73].

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es mittlerweile bei der Bewertung von konservativen Verfahren z. B. der Behandlung des Sjögren-Syndroms oder des Drooling selbstverständlich ist spezifische PROMs einzusetzen. Für die Bewertung der Behandlungserfolge nach Sialendoskopie wurden erste Instrumente entwickelt, die nun auch eingesetzt werden sollten. Für die Speicheldrüsenchirurgie gibt es bislang nur ein Instrument, den POI-8 für die Bewertung von Operationen an der Gl. parotis. Es ist zu empfehlen, dass der POI-8 regelhaft in Studien zur Parotischirurgie eingesetzt wird.



8. Qualität des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns nach Evidenz-Kriterien

Zur Qualität des Erkenntnisgewinns sind die Kriterien der Evidence-basierten Medizin geeignet. Sucht man nach prospektiven klinischen Phase III Studien zu Speicheldrüsenerkrankungen in PubMed, so erhält man unter 20 Treffer. Eigentlich gibt es für HNO-Ärzte relevante Phase III Studien nur zur Auswirkung von verschiedenen Radiotherapie-Konzepten zur Speicheldrüsen-Protektion auf die Speicheldrüsenfunktion (z. B. [74]). Schließt man Phase I/II Studien mit ein, so liegt die Treffer-Anzahl immer noch unter 30. In den letzten Jahren wurden einige Phase I/II Studien mit Patientenzahlen um etwa 30–60 Patienten zur Behandlung von nicht-resektablen oder fernmetastasierten Speicheldrüsenmalignomen veröffentlicht, v. a. zum Einsatz neuer Medikamente für die zielgerichtete Antikörpertherapie bei aggressiven Speichdrüsenmalignomen (z. B. [75] [76] [77] [78]. Erfreulicherweise ist in den letzten Jahren auch die Anzahl an prospektiven Studien zu diagnostischen und chirurgischen Verfahren gestiegen und auch die Anzahl an Meta-Analysen. Cochrane Reviews gibt es dagegen nur sehr wenige. Wichtig ist es, sich der Limitationen von Meta-Analysen bewusst zu sein. So sind auch die hier zitierten Meta-Analysen von unterschiedlicher Güte im Hinblick z. B. auf einen Publikations-Bias, Studien-Heterogenität oder Sensitivitätsanalysen [79].

8.1 Evidenz-basierte Daten zur Diagnostik

Die Bedeutung der Feinnadelpunktionszytologie wird immer noch kontrovers diskutiert; und dies, obwohl mittlerweile eine ganze Reihe von Meta-Analysen vorliegt. In eine großen Analyse anhand von 71 Studien an 6964 Patienten (Prävalenz maligner Tumoren: 25%) lag die Area under the ROC curve für die Unterscheidung von gutartigen von bösartigen Tumoren bei 0,96 (95% Konfidenzintervall [KI]=0,94–0,97) [80]. Die summierte Sensitivität lag bei 0,80 (KI=0,76–0,83). Die Spezifität lag bei 0,97 (KI=0,96–0,98). Die positive Likelihood ratio lag bei 28,6 (KI=20,5–39,8). Die negative Likelihood ratio lag bei 0,21 (KI=0,17–0,25). Der positive prädiktive Wert lag bei 0,90 und der negative prädiktive Wert lag bei 0,94. Problematisch war die große Streuung der Ergebnisse zwischen den einzelnen Studien, d. h. die Genauigkeit der Feinnadelpunktionszytologie war an einigen Standorten hoch, dagegen an anderen Standorten unzureichend. Das wird durch 2 aktuelle Arbeit aus den Jahren 2016 und 2019 nochmals bestätigt und zusätzlich nochmals unterstrichen, dass die Ergebnisse unter Sonografie-Kontrolle besser sind [81] [82].

In letzter Zeit ist die Grobnadelbiopsie populärer geworden, insbesondere in Zentren, die keine Feinnadelpunktion vorhalten. Es liegen bislang nur wenige Beobachtungsstudien vor, aber bereits eine Meta-Analyse. In diese Meta-Analyse wurden 10 Studien mit insgesamt 1315 Grobnadel-Biopsien einbezogen. Die gepoolte Sensitivität lag bei 0,94 (KI=0,92–0,96). Die Spezifität lag bei 0,98 (KI=0,97–0,99). Die Area under the ROC curve für die Unterscheidung von gutartigen von bösartigen Tumoren lag bei 0,98 (KI=0,97–0,99) [83]. ). Die positive Likelihood ratio lag bei 43 (KI=10–191)). Die negative Likelihood ratio lag bei 0,08 (KI=0,05–0,12). Auch bei der Grobnadelbiopsie zeigte sich eine erhebliche Variabilität der Qualität der Ergebnisse zwischen den Studien und ein ultraschall-gestütztes Vorgehen verbessert auch hier die Qualität. Wichtig ist, dass nach Grobnadelbiopsie häufiger Hämatome und auch temporäre Fazialislähmungen beschrieben sind.


8.2 Evidenz-basierte Daten zur Sialendoskopie

Eine erste große Meta-Analyse zur interventionellen Sialendoskopie bei obstruktiver Sialadenitis mit Studieneinschluss bis Oktober 2010 mit 29 Studien und 1213 adulten Patienten zeigte bereits eine gepoolte Erfolgsrate für alle Patienten von 0,87 (KI=0,83–0,89) und von 0,93 (KI=0,89–0,96) für die Subgruppe von 374 Patienten mit kombinierten Eingriffen [84]. Eine weitere Meta-Analyse zur obstruktiven Sialadenitis schloss Patienten bis April 2014 ein. Die gepoolte Erfolgsrate beim alleinigen Einsatz der Sialendoskopie lag bei 0,76 (KI=0,71–0,82) für 40 Studien mit 2654 Patienten und bei 0,91 (KI=0,88–0,94) für 23 Studien mit 1480 Patienten mit kombinierten Eingriffen. Die Komplikationsrate wird mit 4,6% angegeben [85]. Eine Meta-Analyse unter Einschluss von Studien bis März 2015 konnte 10 Studien mit 148 Patienten mit kombiniert transfazialer-endoskopischer Operation von Speichelsteinen in der Gl. parotis einschließen [29]. Die gepoolte Rate der Steinbergung lag bei 0,99 (KI=0,97–1,00), bei 0,97 (KI=0,93–0,99) für die Symptomverbesserung, bei 1,00 (KI=0,99–1,00) für den Drüsenerhalt und bei 0,06 (KI=0,01–0,15) für Komplikationen. Auch zur Sialendoskopie bei Kindern liegen bereits Meta-Analysen vor. Bei der Behandlung der juvenilen rezidivierenden Parotitis lag die gepoolte Erfolgsrate für keine weitere Parotitis-Episode aus 7 Studien mit 120 Patienten bei 0,73 (KI=0,64–0,82). Die gepoolte Erfolgsrate für keine weitere Sialendoskopie lag bei 0,87 (KI=0,81–0,93). Schwerwiegende Komplikationen wurden nicht beobachtet [86]. Eine weitere Meta-Analyse betrachtete die Sialendoskopie bei 323 Kindern aus 17 Studien bei mehreren Erkrankungen (69% juvenile Parotitis, 15% Sialolithiasis). Eine Erfolgsrate wurde nicht berechnet. Bei einer mittleren gepoolten Follow-Up Zeit von 18 Monaten lag die Rate erneuter Beschwerden bei 14,5% [87]. Die Erfolgsraten sind also bei der Behandlung von Steinleiden, bei Erwachsenen und bei der Notwendigkeit von kombinierten Eingriffen am höchsten. Zu Kindern liegen wesentlich weniger Daten vor als zu Erwachsenen.


8.3 Evidenz-basierte Daten zur chirurgischen Therapie: Parotidektomie und extrakapsuläre Dissektion

Zur Vorbereitung der Patienten nach Indikationsstellung einer Speicheldrüsenoperation auf den Operationstermin, um perioperative Risiken zu minimieren, gibt es keine spezifischen Untersuchungen oder Empfehlungen für Speicheldrüsenoperationen. Wenn auch die perioperative Qualitätssicherung kein neues Forschungsfeld ist, so gibt es wenig HNO-spezifische Vorgaben. Nutzen kann man in der HNO-Heilkunde, und genauso für die Speicheldrüsenchirurgie, z. B. die britischen NICE Empfehlung zur perioperativen Risikoabschätzung und Patientenvorbereitung, die US-Amerikanischen Empfehlungen des National Surgical Quality Improvement Program (NSQIP) oder die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie [88] [89].

Obwohl die Parotidektomie eine lange etabliertes operatives Verfahren ist, gibt weniger als 20 publizierte prospektive klinische Studien zur Parotidektomie mit mehr als 50 eingeschlossenen Patienten (nur solche sollen hier näher betrachtet werden) und weniger als 10 Studien, die auch in anerkannten Studienregistern hinterlegt sind. Zur extrakapsulären Dissektion lag bis Ende April 2019 keine registrierte prospektive klinische Studie vor. Erfreulicherweise hat es sich die Arbeitsgemeinschaft Speicheldrüsen- und Schilddrüsenerkrankungen der DGHNO zur dringlichen Aufgabe gemacht, prospektive Studien zur Parotischirurgie zu unterstützen. So konnte in einer multizentrischen Studie mit 130 Patienten gezeigt werden, dass der M. sternocleidomastoideus-Lappen nicht geeignet ist ein Frey-Syndrom zu verringern [90]. In einer weiteren Studie konnte bestätigt werden, dass der Erhalt des R. posterior des N. auricularis magnus wesentlich zum Erhalt der Sensibilität in der Operationsregion beiträgt [91] [92]. Unlängst wurde gezeigt, dass auf lange Sicht 2 Jahre nach Operation dieser Gefühlsverlust die größte Beeinträchtigung aus Patientensicht darstellt [52]. Es sollte also eindeutiges Ziel der Operation sein, wenn möglich, zumindest des R. posterior des N. auricularis magnus zu erhalten. Inwieweit dies in der Fläche beachtet wird, ist unklar. Erste Ergebnisse einer zweiten prospektiven Multicenter Studie an 148 Patienten wurden danach veröffentlicht. Während das Ausmaß der Freilegung des N. facialis keine Auswirkung auf die perioperative Komplikationsrate hatte, konnte nachgewiesen werden, dass ein ausgedehnteres Freilegen mit einem höheren Risiko einer Fazialis-Dysfunktion 12 Monate später einhergeht [93].

Die extrakapsuläre Dissektion insbesondere bei pleomorphen Adenomen wurde in mehreren Meta-Analysen bewertet. Eine erste große Meta-Analyse aus dem Jahr 2012 an 1882 Patienten (9 Studien von 1979 bis 2011) zeigte eine geringere Rate an temporären Fazialisparesen im Vergleich zur lateralen Parotidektomie (Odds ratio [OR] 0,256; KI=0,174–0,377), aber keinen Unterschied in Bezug auf die bleibende Fazialisparese (OR 0,878; KI=0,282–2,730). Auch die Rezidivrate war gleich (OR 0,557; KI=0,271–1,1147)[94]. Eine weitere Meta-Analyse untersuchte dann bereits 3194 Patienten aus 14 Studien bis Anfang 2015 mit identischen Ergebnissen ebenso wir eine aktuelle Meta-Analyse mit Einschluss bis Ende 2018 mit 1641 Patienten[95] [96]. Eine weitere Meta-Analyse an 1152 Patienten – wobei unklar bleibt wie 123 Studien die Einschlusskriterien erfüllen konnten – ergab eine höhere Rezidivrate für die laterale Parotidektomie ohne eine direkten statischen Vergleich vorzunehmen [97]. Eine weitere Meta-Analyse untersuchte die Rezidivrate pleomorpher Adenome nach extrakapsulärer Dissektion nicht nur mit der lateralen Parotidektomie, sondern auch mit der totalen Parotidektomie. Die Rezidivraten lagen bei allen Verfahren bei 1–2% (KI=1,14%). Insgesamt war also die Rezidivrate bei allen Verfahren gering [98]. Leider wurden in den genannten Studien die Rezidivraten nicht in Bezug auf die Nachbeobachtungszeit gewichtet, die selten über 10 Jahre lag. Bei vielen der eingeschlossenen Studien blieb die mediane Nachuntersuchungszeit überhaupt unklar.


8.4 Evidenz-basierte Daten zum Fazialismanagement

Eine einzige größere randomisierte an Patienten wurde zur Technik der Fazialispräparation vorgenommen und konnte keinen Unterschied zwischen anterograder und retrograder Präparation feststellen [99]. Dies wird auch durch eine aktuelle Meta-Analyse an 8 Studien mit 770 Parotidektomien bestätigt [100]. Eine weitere von der Arbeitsgemeinschaft Speicheldrüsen- und Schilddrüsenerkrankungen unterstützte prospektive Studie an 100 Parotidektomien wies nach, dass Fazialismonitoring die Operationszeit in einer Ausbildungsklinik ohne Zunahme von Komplikation vermindert [101]. Eine Meta-Analyse hat darüber hinaus herausgearbeitet, dass das Fazialismonitoring bei Parotidektomie das Risiko zumindest von temporären Fazialisparesen verringert [102] Dies bestätigt auch noch einmal eine aktuelle randomisierte Studie (±Monitoring) [103]. Es wird dennoch sicher nicht flächendeckend in Deutschland mit Fazialismonitoring gearbeitet. Bereits lange gibt es den Nachweis, dass eine generelle postoperative Gabe von Prednisolon bei postoperativer Fazialisparese nach Parotidektomie mit Fazialiserhalt nicht effektiv ist [104]. Auch scheint eine perioperative Prophylaxe mit Dexamethason nicht geeignet zu sein, um die Rate von postoperativen Fazialisparesen nach Parotidektomie zu senken; so gezeigt in einer prospektiven randomisieren Studie von 49 Patienten [105]. In einer prospektiven Studie an 79 Patienten mit Fazialisparese nach lateraler Parotidektomie waren die Erholungsraten in einer Gruppe von Patienten mit typischer mimischer Übungsbehandlung zuhause genauso gut wie bei einer physiotherapeutisch überwachten Übungsbehandlung [106].


8.5 Evidenz-basierte Daten zu medikamentösen nicht-onkologischen Therapieverfahren

Interessanterweise hat das IQWiG im Jahr 2018 im Auftrag des G-BA eine Nutzenbewertung von Glycopyrroniumbromid zur Behandlung der Sialorrhoe bei Kindern und Jugendlichen ab 3 Jahren mit chronischen neurologischen Erkrankungen vorgenommen. Bis dato gab es kein zugelassenes Medikament für diese Symptomatik bei Kindern. Dies dürfte bislang die einzige Nutzenbewertung (Dossierbewertung A18–22) für Speicheldrüsenerkrankungen gewesen sein. Das IQWiG stellte fest, dass in keiner der einzigen drei Studien zur Thema die vom G-BA festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie als Best Supportive Care umgesetzt wurde. Daher ergäbe sich kein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen von Glycopyrroniumbromid gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie[107] [108] [109]. Letztendlich erkannte der G-BA dennoch einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen und damit die Zulassung an. Seit Mitte 2018 ist zudem IncobotulinumtoxinA basiert auf den Daten einer Phase III Studie für die Behandlung der Sialorrhoe bei Erwachsenen mit neurodegenerativen Erkrankungen zugelassen [110]. Die Zulassung in Deutschland ist im September 2019 erfolgt. Empfehlungen zur Behandlung Glycopyrroniumbromid und Botulinumtoxin finden sich auch in der HNO-Leitlinie zur Hypersalivation (siehe unten).

Es gibt überhaupt nur fünf Cochrane Reviews zur Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen, und diese beschäftigen sich alle mit medikamentösen Verfahren. Hiernach kann bislang keine medikamentöse Therapie zur Speicheldrüsenprotektion und Vorbeugung einer postradiogenen Xerostomie empfohlen werden [111]. Auch kann Pilocarpin nicht zur Behandlung einer bereits eingetretenen postradiogenen Xerostomie empfohlen werden [112]. Nach den Kriterien für Cochrane Reviews gibt es bislang mangels randomisierter Studien auch keine medikamentöse Therapie des Frey-Syndroms, die empfohlen werden kann [113]. Auch zur medikamentösen Behandlung des Drooling bei Kindern konnte noch 2012 keine Empfehlungen ausgesprochen werden [114], genauso wie für die symptomatische Behandlung der Hypersalivation bei amyotropher Lateralsklerose [115]; dies kann mittlerweile – wie weiter oben beschrieben – als überholt angesehen werden. In diesem Unterkapitel würde man eigentlich auch Studien zur antibiotischen Therapie der akuten bakteriellen Sialadenitis erwarten. Hierzu gibt es aber keine prospektiven Studien. Verwiesen werden muss hier auf die allgemeinen Empfehlungen in der AWMF-Leitlinie zur Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals-Bereich ([Tab. 3]).

Tab. 3 Wesentliche AMWF-Leitlinien, die sich mit Speicheldrüsenerkrankungen beschäftigen.[]

Leitlinie

Kommentar

Hypersalivation (S2k, Nr. 017–075)

Federführend durch DGHNO. Zuletzt im September 2018 aktualisiert. Mittlerweile können Empfehlungen zumindest zur medikamentösen Behandlung der Hypersalivation basierend auch Studien mit hohem Evidenz-Niveau abgegeben werden.

Obstruktive Sialadenitis (S2k, Nr. 017–025)

Federführend durch DGHNO. Überarbeitung wurde 2018 begonnen. Zentrales Thema sind hier chirurgische Verfahren und insbesondere die Sialendoskopie. Bei diesen Verfahren liegen mittlerweile zumindest hilfreiche Meta-Analysen vor, die in die Empfehlungen der Leitlinie eingehen.

Antibiotikatherapie der Infektionen an Kopf und Hals (S2, Nr. 017/066)

Federführend durch DGHNO. Überarbeitung wurde 2018 begonnen. Die hier beschriebenen Grundsätze gelten auch für die antibiotische Therapie der bakteriellen Speicheldrüsenentzündungen.

Diagnostik und Therapie von Speicheldrüsentumoren des Kopfes (S3, Nr. 007–102OL)

Federführend durch DGMKG und DGHNO. Die Arbeit an der Leitlinie wird 2019 begonnen.

Mundhöhlenkarzinom (S3, 007–100OL)

Federführend durch DGMKG. Hier wird zur Prävention von Radiatio-bedingter Schädigung der Speicheldrüsenfunktion, wenn möglich, die Gabe von Pilocarpin empfohlen.

Ohrenschmerzen (S2k, Nr. 053/009)

Federführend durch DEGAM. Hier wird auf die Differentialdiagnose der Sialolithiasis der Gl. parotis und Gl. submandibularis eingegangen.

Nicht-eitrige ZNS Infektionen von Gehirn und Rückenmark im Kindes- und Jugendalter (S1, Nr. 022/004)

Federführend durch Gesellschaft für Neuropädiatrie. Hier wird auf die Differentialdiagnose Mumps eingegangen.

Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen (S2k, Nr. 083/021)

Federführend durch Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung. Hier wird auf die prophylaktische Wirkung der Speichelstimulation gegen die Entstehung und Progression von Karies eingegangen.

Idiopathische Fazialisparese (S2k, Nr. 030–013)

Federführend durch Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Auf die Differentialdiagnose einer Fazialisparese durch einen Parotistumor wird eingegangen.

Diagnostik und Therapie der Essstörungen (S3, Nr. 051–026)

Federführend durch Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Bedeutung der typischen Hypertrophie der Speicheldrüsen wird beschrieben.



9. Untersuchungen zur Kosteneffektivität

Es gibt nur wenige detaillierte Studien zur Kosteneffektivität und gar keine, die auf Basis des deutschen DRG-Systems kalkuliert. Basierend auf einer Literaturrecherche zur Berechnung der Behandlungskosten einer Sialendoskopie bei Radioiod-induzierter Sialadenitis konnte eine US-amerikanische Studie zeigen, dass eine Sialendoskopie dann kosteneffektiv ist, wenn Sie als erstes Verfahren zur weiteren Therapieplanung, und zwar vor Ultraschall (durch Radiologen), MRT- oder CT-Sialografie eingesetzt wird, da die Sialendoskopie häufig sofort eine Therapieentscheidung ohne weitere Bildgebung erlaubt [116]. In einer prospektiven finnischen Studie an 270 Patienten, die zwischen 2014 und 2016 eine Sialendoskopie erhielten, waren die höheren Therapiekosten bei Sialolithiasis im Vergleich zu anderen Indikationen mit einem besseren Lebensqualitätsgewinn assoziiert; die Daten wurden aber nicht, wie z. B. zur Berechnung eines qualitätskorrigiertes Lebensjahrs (QALY) ins Verhältnis gesetzt [57]. Besonders kosteneffizient war in einer US-amerikanischen Studie die Sialendoskopie zur Entfernung intraparotidealer Steine bei einem transfazialen Vorgehen, wenn also der Stein über den Stenon-Gang nicht erreichbar ist, und alternativ nur eine Parotidektomie möglich wäre [117]. In einer retrospektiven US-amerikanischen Studien an 46 Patienten, die einem Zeitraum von 4 Jahren operiert wurden (also 11,5 Operationen pro Jahr, was die Limitationen der Studie deutlich macht), war die Operationszeit und die Aufenthaltsdauer nach extrakapsulärer Dissektion kürzer und damit die Kosten geringer als nach lateraler Parotidektomie [118]. Es gibt überhaupt nur eine einzige publizierte Studie, die die Kosten-Effektivität nicht monetär bewertet, sondern mit einem patientenrelevante Wirksamkeitsmaß, hier der Prävention eines Frey-Syndroms nach Parotidektomie. Die Implantation von Fett war hiernach kosteneffektiver als die Verwendung von azellulärer Dermis [119] [120]. Kosteneffektivitäts-Analysen gehören nicht zur hauptsächlichen Expertise von HNO-Ärzten. Dort, wo mehrere Behandlungsverfahren medizinisch gleichwertig erscheinen, würde man sich in Zusammenarbeit mit Wirtschaftswissenschaftlern mehr derartige Betrachtungen wünschen.


10. Umsetzung der aktuellen Erkenntnisse in Leitlinien

Derzeit gibt es nur 2 Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) direkt zum Thema Speicheldrüsenerkrankungen, die federführend von der Deutschen HNO-Gesellschaft erstellt wurden (Übersicht zu AWMF-Leitlinien mit Bezug zu Speicheldrüsenerkrankungen in [Tab. 3]). Die S2k-Leitlinie „Hypersalivation“ (AWMF-Nr. 017–075) wurde unlängst im September 2018 überarbeitet. Hier werden die Besonderheiten der häufig notwendigen interdisziplinären Behandlung mit Empfehlungen zum Vorgehen beschrieben. Es werden insbesondere Standards für die HNO-ärztliche Schluckprüfung gesetzt. Für den HNO-Arzt relevant sind die Empfehlungen zur eher seltenen chirurgischen Therapie, insbesondere aber der abgestuften medikamentösen Therapie der Hypersalivation, insbesondere mit Glycopyrrolaten und Botulinumtoxin [108] [121] [122] [123] [124] [125]. Noch in 2019 ist die Zulassung von IncobotulinumtoxinA für die Indikation zu erwarten, was eine weitere Standardisierung der Therapie für den HNO-Arzt ermöglichen wird. Überarbeitet wird 2018 bis 2019 die S2k-Leitlinie „Obstruktive Sialadenitis „(AWMF-Nr. 017–025). Diese Leitlinie war ein wichtiger Schritt, um mit zunehmender Verbreitung der Sialendoskopie Behandlungsstandards zur Therapie der Sialolithiasis und der Speichelgang-Obstruktion bei anderen Erkrankungen zu definieren. Algorithmen zur konservativen Therapie, enoralen Chirurgie und zum Einsatz der Sialendoskopie wurden entwickelt und auch die Bedeutung der Speicheldrüsen-Sonografie als wichtiges Instrument des HNO-Arztes hervorgehoben. Ein wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung stellt die Erstellung der S3 Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Speicheldrüsentumoren des Kopfes dar. Die Erstellung der Leitlinie wird federführend gemeinsam mit der Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie 2019 begonnen werden.

In Großbritannien wurde erstmals 2016 eine nationale multidisziplinäre Leitlinie zur Behandlung von Speicheldrüsentumoren vorgestellt [126]. Diese Leitlinie ist bislang die ausführlichste Leitlinie zur Behandlung von Speicheldrüsentumoren. Bei den Empfehlungen wird unterschieden zwischen evidenz-basierten Empfehlungen und Empfehlungen aufgrund klinischer Erfahrung. Details zur Evidenzgrad werden nicht angegeben. Die Kernpunkte der britischen Leitlinie sind in [Tab.4] zusammengefasst.

Tab. 4 Die wichtigsten Empfehlungen der britischen Leitlinie zur Behandlung von Speicheldrüsentumoren [126]. Einfache Expertenmeinungen sind extra markiert.

Ultraschall-gestützte Feinnadelpunktionszytologie wird zur Abklärung aller Speicheldrüsentumoren empfohlen. Die Zytologie sollte von einem erfahrenen Zytopathologen untersucht werden.

Chirurgische Resektion und postoperative adjuvante Radiotherapie ist für alle malignen Tumoren der Gl. submandibularis zu empfehlen. Ausnahme. Kleine, low-grade Tumoren, die vollständig resiziert wurden, benötigen keine Radiotherapie.

Bei gutartigen Tumoren ist die komplette Tumorresektion bei guten Heilungsraten Therapie der Wahl.

Kommt es zur intraoperativen Tumoraussaat, sollte der Patient regelmäßig über viele Jahre nachuntersucht werden. (Expertenmeinung: Im interdisziplinären Team sollten die Vorteile und Nachteile einer Radiotherapie diskutiert werden*).

Als Faustregel gilt: Ist die Funktion des N. facialis präoperativ normal, sollte alles unternommen werden, um die Funktion des Nervs während der Operation zu erhalten. Sollte ein Teil des Nervs reseziert werden müssen, so sollte eine sofortige mikrochirurgische Rekonstruktion bevorzugt werden.

Eine Neck dissection ist zu empfehlen bei allen Speicheldrüsentumoren mit Ausnahme von kleinen low-grade Tumoren.

Im Fall eines Mukoepidermoidkarzinoms ist das histologische Grading wichtig für die Prognose und sollte daher bei der Therapieplanung mit betrachtet werden.

Eine adjuvante Radiotherapie ist zu empfehlen für alle high-grade Tumoren, großen Tumoren, bei inkompletter Resektion oder knappen Tumorgrenzen.

Lag der maligne Parotistumor dem N. facialis nah an, so sollte dieser Bereich mit angepasster Strahlendosis in das Strahlenfeld einbezogen werden.

Bei der Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Radiotherapie sollte zusätzlich zur Histologie, Grading und Stadium auch weitere klinische und histologische Faktoren berücksichtigt werden wie: präoperative Fazialisschwäche, positive Tumorränder, perineurale Invasion und extrakapsuläre Aussaat.

* In Großbritannien wird anders als in Deutschland z. B. auch öfters eine Radiotherapie bei rezidivierenden pleomorphen Adenomen eingesetzt.

10.1 Möglichkeiten mit Krankheitsregistern

Eine Reihe von Speicheldrüsenerkrankungen ist nicht sehr häufig und die operative Therapie spielt anderseits bei vielen Speicheldrüsenerkrankungen eine große Rolle. Daher wird es in vielen Bereichen auch zukünftig keine randomisierte kontrollierten Studien geben. Neben dem Erkenntnisgewinn durch Meta-Analysen könnten Register eine größere Rolle spielen. So gibt es z. B. in den Niederlanden oder auch in Dänemark ein nationales Register für Pathologiebefunde. Dies hat unlängst eine niederländische Analyse von 3506 pleomorphen Adenomen erlaubt. So lag die 20-Jahre-Rezidivrate bei 6,7% mit einer medianen Zeit bis zum ersten Rezidiv von 7 Jahren. Eine maligne Transformation wurde in 0,15% der Fälle (3,2% bei den Rezidiven) beobachtet [127]. In Dänemark lag die Rezidivrate bei 5497 Patienten aus den Jahren 1985 bis 2010 bei 2,9% und eine maligne Transformation fand bei 3,3% der Tumoren statt [128]. Nur durch eine Register-Struktur ist es in Dänemark gelungen, die Inzidenz von Speichelsteine (7,3 pro 100 000) zu berechnen [129]. Daran erkennt man, welch mächtige Analysen auch mit einer Registerstruktur möglich sind. In Bezug auf die bösartigen Speicheldrüsentumoren ist die nationale Krebsregistrierung bei uns mehr als überfällig. Die DGHNO versucht gerade unter Federführung von Prof. Iro aus Erlangen das dortige klinische Speicheldrüsen-Register zu einem nationalen Register auszubauen. Für kindliche maligne Tumoren der Speicheldrüsen besteht bereits heute die Möglichkeit der Registrierung im STEP-Register der pädiatrischen Onkologen (http://www.seltene-tumoren.de/) und damit auch die europäische Registrierung im European Cooperative Study Group for Pediatric Rare Tumors (EXPeRT; https://www.raretumors-children.eu/). Nur so lassen sich epidemiologische Fragestellungen sinnvoll beantworten, wie z. B. um auszuschließen, wie dies an finnischen Daten gezeigt wurde, dass die Mobiltelefonnutzung keine Assoziation zur Entwicklung von Speicheldrüsentumoren hat [130]. Derartige Register müssen nicht unbedingt auf Deutschland begrenzt gedacht werden. Im Zeitalter von Big Data sind wie beim Sjögren Big Data Consortium multinationale Register zur molekularen Phänotypisierung notwendig [131] [132].[]

Tab. 5 Vorschläge für spezifische* Qualitätsindikatoren für die Güte der Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen oder als Zielkriterien in klinischen Studien und klinischen Registern.

Indikator

Kommentar

Funktion/Defizit

Speichelflussrate

Objektiver Parameter zur Speicheldrüsenfunktion für die Gl. parotis und die Gl. submandibularis. Bei allen Studien zu Erkrankungen dieser Drüsen sollte die unstimulierte und stimulierte Flussrate bestimmt werden.

Drooling Quotient

Semiquantitatives Verfahren zur Messung des Drooling

Schmerz-Skala

Zumindest bei Erkrankungen mit relevanten Schmerzen über Lebensqualitätsfragebogen oder Likert/Rating-Skala.

Ausmaß der Operation

Bei Parotis-Chirurgie, z. B. nach dem Vorschlag der European Salivary Gland Society [136].

Komplikationen

Standardisierte Erfassung der wichtigsten Komplikationen bei operativen Verfahren: Fazialisparese durch Grading, Frey-Syndrom durch Minor-Test; Aussehen und Sensibilitätsstörung zumindest durch Likert/Rating-Skala. Erfassung der Mortalität und bei stationären Behandlungen der 30-Tage Wiederaufnahme-Rate

Leitlinien-Adhärenz

Dort wo Leitlinien vorhanden sind, sollte auch die Adhärenz gemessen werden.

Patient-reported outcome measures (PROMs)**

Parotidectomy-outcome-inventory-8 (POI-8)

Spezifisches Instrument für die Parotischirurgie, sollte in klinischen Studie angewandt werden

Chronic Obstructive Sialadenitis Symptoms Score (COSS)

Verwendung bei obstruktiver Sialadenitis, Validierung einer Deutschen Version notwendig

Xerostomia Questionnaire (XQ) oder Xerostomia Inventory (XI)

Bei Xerostomie-assoziierten Erkrankungen; Validierung einer Deutschen Version notwendig

Sicca Symptoms Inventory

Bei Xerostomie-assoziierten Erkrankungen; Validierung einer Deutschen Version notwendig

Drooling Severity and Frequency Scale (DSFS)

Bei Drooling-assoziierten Erkrankungen; Validierung einer Deutschen Version notwendig

Noch zu entwickelnde Indikatoren

Weitere PROMs

Für die Erfassung von Patienten-bezogenen Outcomes für Erkrankungen der Gl. submandibularis/ Chirurgie an der Gl. submandibularis

*auf unspezifische Indikatoren (z. B. Schmerz, Operationszeit, Wiederaufnahme-Rate), die zu messen auch notwendig sein kann, wird hier nicht eingegangen. ** mehr zu den PROMs in [Tab. 2].


10.2 Ausblick

Dieses Referat zeigt, dass es noch ein weiter Weg ist, bis es sich lohnt bei Speicheldrüsenerkrankungen über Value-Based Purchasing Programme nachzudenken [133]. Derartige Finanzierungssysteme stecken Deutschland noch in den Kinderschuhen und sollten zunächst sicher in Bereichen getestet werden, in denen z. B. in den USA (z. B. in der Hüftendoprothetik) schon ausreichende Erfahrung besteht [134]. Derartige Vergütungskonzepte inklusive Public Reporting, Pay for Reporting, Pay for Performance ließen sich sicher z. B. auch für die Chirurgie von Speicheldrüsentumoren umsetzen. Konzepte dafür und Prozessindikatoren ([Tab. 5]) wären prinzipiell vorhanden [135].

Fazit

Wie lassen Sie sich nun die eingangs gestellten Fragen beantworten? HNO-Ärzte und Fachkräfte anderer Gesundheitsberufe, die Patienten mit Speicheldrüsenerkrankungen behandeln, müssen Fachwissen erworben haben; HNO-Ärzte weisen durch Erwerb der Facharzt-Bezeichnung und die Verpflichtung zur lebenslangen berufsbegleitenden Fortbildung ihre Qualifikation nach. Spezifisch festgelegte Anforderungen für die Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen werden im Wesentlichen nicht gestellt. Über die Wünsche der Patienten mit Speicheldrüsenerkrankungen in Bezug auf ihre Erkrankungen haben wir kein ausreichendes Wissen, um hieraus Qualitätsziele zu definieren. Die Funktion der Speicheldrüsen ist gut bekannt und die Speichelproduktion als wichtigste Funktion lässt sich gut messen. Die Symptome der verschiedenen Erkrankungen sind genauso wie die Folgen und möglichen Komplikation der Behandlung gut beschrieben. Hieraus ergibt sich eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Qualität der Behandlung von Speicheldrüsenerkrankungen weiter zu verbessern. Einige Vorschläge sind in zusammengefasst.





Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. med. Orlando Guntinas-Lichius
Univ. HNO-Klinik, Gebäude A1
Am Klinikum 1
D-07747 Jena
Phone: +49 (0) 3641/9329301   
Fax: +49 (0) 3641/9329302   


Zoom
Abb. 1 Instrumente zur Verbesserung der Behandlungsqualität von Speicheldrüsenerkrankungen. Die meisten Strukturen und Instrumente bestehen bereits unter interagieren untereinander. Es sind auch Ideen für zukünftige Elemente (z. B. Value-Based Purchasing Programme) oder Forderungen (z. B. standardisierte Qualitätsindikatoren) angebracht. AWMF=Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; CME=Continuous Medical Education; EBM=Evidenz-basierte Medizin ; MSGS=Multidisciplinary Salivary Gland Society; PROM=Patient-reported outcome measure
Zoom
Fig. 1 Instruments for improvement of the treatment quality of salivary gland diseases. Most structures and tools already exist and interact. There are also ideas for future elements (e.g. Value-based Purchasing programs) or requirements (e.g. standardized quality indicators). AWMF=Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; CME=Continuous Medical Education; EBM=Evidence-based medicine; MSGS=Multidisciplinary Salivary Gland Society; PROM=Patient-reported outcome measure.