Demografischer Wandel, rascher medizinischer Fortschritt, zunehmende Prozesse der
Ökonomisierung und Digitalisierung im Gesundheitswesen sowie die Veränderung gesellschaftlicher
Normen in Bezug auf die Arbeitsplatzgestaltung und das Verhältnis von Beruf und Familie
bzw. Freizeit wirken sich in unterschiedlicher Weise auf die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen
des ärztlichen Nachwuchses aus. Dem Wesen nach ist „der ärztliche Beruf (...) kein
Gewerbe; er ist (...) ein freier Beruf“ [1]. Diese Definition lässt sich im zweiten Satz der Bundesärzteordnung nachlesen, in
der durch den Bundesgesetzgeber der rechtliche Rahmen für die Ausübung des Arztberufs
geregelt wird. Als freier Beruf verwaltet sich die Ärzteschaft selbst. Nach abgeschlossener
ärztlicher Ausbildung, für die die medizinischen Fakultäten verantwortlich sind, wird
die ärztliche Weiterbildung in der jeweils angestrebten Fachdisziplin durch die Weiterbildungsordnung
(WBO) der zuständigen Landesärztekammern geregelt und findet zumindest in den ersten
Berufsjahren überwiegend noch im Krankenhaus statt. Van den Bussche et al. [2] beschreiben 2018 grundlegende konzeptionelle Probleme, die aus einer scharfen Trennung
von Aus- und Weiterbildung resultieren und sich im Wesentlichen in einem „Learning
by doing“ oder „Training on the job“ zeigen. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt
die ärztliche Qualifizierung mit Erlangen der Approbation als abgeschlossen. Über
die Jahrzehnte hat sich das medizinische Wissen und erforderliche Können immens vermehrt
und damit zu einer immer stärkeren Spezialisierung geführt mit der Folge, dass eine
adäquate Patientenversorgung ohne entsprechenden Facharztstandard nicht mehr garantiert
werden kann. Vor dem Gesetz ist der Facharzt aber kein besonderer Beruf im Sinne der
Artikels 12 des Grundgesetzes, sondern wird weiterhin als eine besondere Form der
Berufsausübung gesehen. Dies hat Konsequenzen für die eher lose und „theorieferne“
Ausgestaltung der Weiterbildung. Häufig wird ein Mangel an Struktur und Schwierigkeiten
bezüglich der Umsetzung der Weiterbildungsinhalte sowohl auf der Seite der in Weiterbildung
befindlichen Ärzte*innen als auch auf der Seite der Weiterbilder*innen wahrgenommen.
Aus Sicht der Weiterzubildenden sind Arbeitsverträge, die Planbarkeit bezüglich der
Durchführung der Weiterbildung geben (sog. Weiterbildungsverträge), häufig nicht vorhanden.
Ärzte ohne Weiterbildungsvertrag – dazu zählen alle an Universitätskliniken arbeitenden
jungen Ärzte, die in der Regel nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) [3] angestellt sind – können sich im Konfliktfall nur schlecht gegen unzureichende Weiterbildungsbedingungen
zur Wehr setzen. Die Abhängigkeitssituation wird dabei durch Forderungen der WBO erschwert,
in denen gewisse zeitliche Mindestanforderungen in einzelnen Bereichen definiert sind,
ohne deren Absolvierung die Weiterbildung letztlich nicht erfolgreich fortgeführt,
de facto sogar verzögert werden kann. Als Randbemerkung sei erwähnt, dass die Begründung
einer befristeten Beschäftigung nach WissZeitVG – nämlich das wissenschaftliche Arbeiten
– mitunter der Rechtfertigung entbehrt, wenn Forschung vorzugsweise in den Abendstunden
und am Wochenende stattfindet. Auf eine erfreulich positive Entwicklung deutet hingegen
ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg hin, das durch den 7. Senat
des Bundesarbeitsgerichts 2017 bestätigt wurde [4]. In diesen Urteilen wird klar formuliert, dass die Weiterbildung zum/zur Facharzt*ärztin
zeitlich und inhaltlich so strukturiert sein muss, dass sie das Beschäftigungsverhältnis
des/der Arztes*Ärztin „prägt“. Dieses Urteil könnte damit als Rechtsgrundlage genutzt
werden, um den Arbeitsalltag von Ärzten*innen in der Weiterbildung auch tatsächlich
auf selbige auszurichten. Inwiefern die Weiterbildungskataloge der Landesärztekammern
in ihrer derzeitigen Form und Fassung dabei hilfreich sind, eine hohe und am gegenwärtigen
Stand des medizinischen Wissens ausgerichtete Weiterbildungsqualität zu sichern, bleibt
allerdings von diesem Urteil unberührt.
Auch die Weiterbilder*innen stecken in einem Dilemma und finden sich häufig in einer
belastenden Doppelrolle wieder. Einerseits tragen sie aus standesorganisatorischer
Sicht aufgrund der durch die Ärztekammern übertragenen Befugnisse eine Verantwortung,
das Erlernen der in der WBO vorgeschriebenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse
zu ermöglichen. Andererseits verlangen die generellen Arbeitsabläufe im Krankenhaus
– und nicht zuletzt auch die Umsetzung ökonomisch orientierter Zielvorgaben von Seiten
der (kaufmännischen) Krankenhausführung – bereits einen Großteil ihrer zeitlichen
Kapazität. Der zeitliche Mehraufwand für die ärztliche Weiterbildung ist im DRG-System
finanziell unzureichend abgebildet und „lohnt“ sich deshalb für den jeweiligen Krankenhausbetreiber
– zumindest auf kurze Sicht gerechnet – nicht. Es wird zwar argumentiert, dass der
Aufwand für Weiterbildung in den Kalkulationshäusern pauschal berücksichtigt sei,
allerdings wird dieses Argument weder von einer strukturierten Erfassung der Weiterbildungsqualität
getragen noch werden die individuell unterschiedlichen Voraussetzungen der einzelnen
Kliniken in Bezug auf den Weiterbildungsanspruch ihrer Ärzteschaft berücksichtigt.
Unabhängig davon wird bei einer zeitlichen Priorisierung bezüglich der universitären
Trias von Klinik, Forschung und Lehre nicht selten die Lehre als Erstes geopfert, da hiervon für die berufliche Karriere
die geringsten Einbußen zu erwarten sind.
Für das Gesundheitswesen in Deutschland wird der demografische Wandel der Gesellschaft
eine der größten Herausforderungen in den kommenden Jahren werden. Alleine in den
Jahren 2020 – 2030 wird sich nach Berechnungen des statistischen Bundesamtes die Anzahl
der Menschen im erwerbstätigen Alter (20 – 67 Jahre) von derzeit 51,8 Millionen (Mio)
auf ca. 48,6 Mio verringern, während die Anzahl der Menschen im Alter von 67 oder
älter von derzeit 16,2 Mio auf 19 Mio steigt [5]. Diese Veränderungen betreffen den ärztlichen Beruf einerseits dadurch, dass einer
nur geringfügig steigenden Zahl an Ärzten*innen eine steigende Zahl an chronisch Kranken
und immer älter werdenden Patienten*innen gegenübersteht. In diesem Zusammenhang sei
zusätzlich auf die steigende Bedeutung pneumologischer Krankheitsbilder – insbesondere
COPD, Pneumonie und Lungenkarzinom – für das Überleben und die mit Einschränkung der
Lebensqualität verbrachten Lebensjahre (DALYs) hingewiesen [6]. Andererseits findet der demografische Wandel auch innerhalb der Ärzteschaft statt
und wird durch Abwanderung universitär ausgebildeter Ärztinnen und Ärzte in Berufsfelder
außerhalb der direkten Patientenversorgung verschärft. Auf den Prozess des demografischen
Wandels lässt sich nur wenig Einfluss nehmen. Umso wichtiger ist es, dass ein Maximum
der Ressource Arzt für eine dauerhafte Tätigkeit in der direkten Patientenversorgung
zur Verfügung steht und dort auch angesiedelt bleibt. Gute Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen
können verhindern, dass Ärzte in alternative Betätigungsfelder fern der Patientenversorgung
„verloren gehen“ oder Deutschland verlassen. Eine gute Vereinbarkeit von Familie und
Beruf scheint dabei ein elementarer Baustein zu sein, um dem weiter steigenden Anteil
an Frauen in der Medizin sowie den generell veränderten Familien- und Lebenskonzepten
zu begegnen. Hier sind uns z. B. die skandinavischen Länder längst überlegen.
In diesem Zusammenhang sollte gewissenhaft und kritisch evaluiert werden, ob die parallel
stattfindenden Prozesse der Digitalisierung des Gesundheitswesens und das Aufkommen
neuer Anbieter für Gesundheitsdienstleistungen aus der Technologiebranche die zukünftigen
Herausforderungen in der Patientenversorgung zu lösen in der Lage sind oder sogar
weiter verschärfen könnten. In einer zweiteiligen Serie im Deutschen Ärzteblatt zum
Thema Digitalisierung in der Medizin wurden neben den Chancen der Digitalisierung
auch deren Herausforderungen diskutiert und die Notwendigkeit der aktiven ärztlichen
Beteiligung in diesem Prozess betont [7]
[8]. Für die aktuell hohe Burnout-Prävalenz unter Ärzten in den USA und andernorts wird
nicht zuletzt mangelnde Unterstützung und mangelnde Souveränität im Umgang mit neuen
Technologien und Geräten gesehen, die schließlich die bereits bestehende Zeitnot am
Arbeitsplatz weiter verstärkt.
Der Gesundheitszustand von Ärzten*innen rückt seit einiger Zeit zunehmend in den Fokus
der Fachöffentlichkeit. Der letzte, 122. Deutsche Ärztetag in Münster hat dieses Thema
unter dem Titel „Wenn die Arbeit Ärzte krank macht“ als einen der Tagungsschwerpunkte
in das Hauptprogramm aufgenommen [9]. Die Erkenntnis, dass Ärzte*innen nur in einem gesunden Arbeitsumfeld dem Beruf
langfristig erhalten bleiben und eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung gewährleisten
können, setzt sich erfreulicherweise zunehmend durch. Thomas et al. nennen in einer
2018 publizierten „Charta für ärztliches Wohlergehen“ (engl. „Charter in Physician
Wellbeing“) Vorschläge, wie dieses Ziel erreicht werden kann [10].
Umfragen unter jungen Ärzten*innen in der Weiterbildung, die von der AG Junge Internisten der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) gemeinsam mit dem Berufsverband
Deutscher Internisten (BDI) 2014 und 2016 durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass
eine von Berufsbeginn an bestehende Tendenz zur Verausgabung sich im Lauf der Weiterbildung
noch verstärkt [11]
[12]. Besonders gefährdet von einer beruflichen Gratifikationskrise waren dabei die Teilnehmer*innen
der Studie, die auch die Qualität der Patientenversorgung als besonders gefährdet
eingestuft haben.
Eines der Ziele der neugegründeten AG YoungDGP der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie
und Beatmungsmedizin ist es, die Weiterbildungsqualität und -zufriedenheit der angehenden
Pneumologen*innen in Deutschland strukturiert zu erfassen und darauf aufbauend gemeinsam
mit den Weiterbildungsbefugten sowie Standesvertretern und Entscheidern im Gesundheitswesen
die Qualität zu verbessern beziehungsweise an die sich in Veränderung befindlichen
Rahmenbedingungen anzupassen. Mit Unterstützung der DGP und des Berufsverbands der
Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner in Deutschland (BdP) wurde eine Umfrage
erstellt, die sich insbesondere an Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt
für Innere Medizin, hier v. a. mit dem Schwerpunkt Pneumologie, richtet. Die Umfrage
erfolgt anonymisiert, internetbasiert und beleuchtet 5 übergeordnete Themenfelder:
Arbeitsbedingungen im Berufsalltag, Organisation der ärztlichen Fort- und Weiterbildung,
Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Freizeit, Einfluss ökonomischer Erwägungen
auf ärztliches Handeln sowie Vereinbarkeit von klinischem Arbeitsalltag mit Forschung
und Wissenschaft. Darüber hinaus wird mit dem „Modell beruflicher Gratifikationskrisen“
ein standardisiertes Messinstrument zur Erfassung der psychosozialen Arbeitsbelastung
verwendet. Die Umfrage wird zwischen 16. 09. 2019 und 17. 11. 2019 durchgeführt. Aktuell
ist nur ein geringer Teil der sich in Weiterbildung zum Pneumologen befindlichen Ärzte*innen
Mitglied in der DGP. Um die Reichweite der Umfrage zu erhöhen, wird die Einladung
zur Teilnahme an alle Mitglieder der DGP und des BdP verschickt, mit der Bitte um
Weiterleitung an junge Kollegen*innen, die sich aktuell in Weiterbildung befinden
oder ihre Weiterbildung erst kürzlich abgeschlossen haben. Ähnliche Umfragen wurden
bereits mit der Unterstützung anderer Fachgesellschaften durchgeführt und machen entsprechende
Vergleiche möglich.
Strukturierte, objektive Daten über die gegenwärtige Einschätzung der Arbeits- und
Weiterbildungsbedingungen aus Sicht der sich in Weiterbildung befindlichen Kollegen*innen
stellen eine wertvolle Grundlage für berufs- und standespolitische Diskussionen dar,
an denen sich die AG YoungDGP und die AG Nachwuchs des BdP zusammen aktiv beteiligen
möchten. Insbesondere können durch die strukturierte Auswertung der hier gewonnenen
Daten gesellschaftliche (i. e. demografischer Wandel), politische (i. e. Ökonomisierung
und Digitalisierung) sowie persönliche (i. e. „Work-Life-Balance“) Aspekte und deren
Einfluss auf die Umsetzbarkeit der Weiterbildungsanforderungen und Qualität der Weiterbildung
besser voneinander getrennt werden. Unterstützt werden die AG YoungDGP und die AG
Nachwuchs des BdP dabei sowohl von der wissenschaftlichen pneumologischen Fachgesellschaft
(DGP) als auch vom Berufsverband der Pneumologen (BdP). Eine lebendige Nachwuchsarbeit
ist für beide Organe von großer Wichtigkeit, um ihre prägenden Rollen in der deutschen
pneumologischen Landschaft zu wahren und junge Kollegen*innen auch weiterhin für unser
spannendes Fachgebiet zu interessieren und zu begeistern sowie attraktive berufliche
Perspektiven in allen Versorgungsformen aufzuzeigen.
In der (Muster-)Berufsordnung der Bundesärztekammer für die in Deutschland tätigen
Ärzte*innen heißt es in § 2 der Grundsätze, dass „Ärztinnen und Ärzte (...) hinsichtlich
ihrer ärztlichen Tätigkeit keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen (dürfen)“
[13]. Der ärztliche Beruf stellt einen wesentlichen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge
dar, der sich nur durch gut aus- und weitergebildete Ärzte*innen aufrechterhalten
lässt. Die eigenen ärztlichen Interessen gegenüber Politik und Markt zu vertreten
und eine hohe Qualität der ärztlichen Weiterbildung zu sichern, ist gleichzeitig Privileg
und Pflicht einer freien Berufsgruppe.