Schlüsselwörter
Arthrose - Endoprothese - Hüftgelenkersatz - Kniegelenkersatz
Key words
osteoarthritis - arthroplasty - hip replacement - knee replacement
Vorbemerkungen
Für die Behandlung der fortgeschrittenen Kox- und Gonarthrose ist bei erfolgloser
konservativer Therapie der endoprothetische Gelenkersatz ein sehr bewährtes Behandlungsverfahren
[7]
[15]
[33]
[47]. Patienten und Behandler stellen heutzutage hohe Ansprüche an das Behandlungskonzept
bezüglich der Kunstgelenkfunktion, Implantationstechnik, Lebensdauer der Implantate
und der postoperativen Lebensqualität. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Endoprothesendesigns,
der verwendeten Materialien und der Operationsmethoden haben dazu beigetragen, dass
der Kunstgelenkersatz zu einer verlässlichen und häufig sehr erfolgreichen chirurgischen
Behandlungsmethode geworden ist, die an vielen Kliniken als Standardeingriff durchgeführt
wird [33]
[41]. Im Sinne der Behandlungsoptimierung werden zunehmend auch in der Endoprothetik
interdisziplinäre, perioperative Behandlungskonzepte („Fast Track“, „Enhanced Recovery
After Surgery“) angewendet, mit dem Ziel einer rascheren postoperativen Genesung,
Reduktion von Komplikationen und Erhöhung der Patientenzufriedenheit [42]. Für etablierte Hüft- und Knietotalendoprothesen (TEP) wird seit mehreren Jahren
über Implantatstandzeiten von bis zu 95% nach 10 Jahren und 90% nach 15 Jahren berichtet
[2]
[29]. Eine aktuelle Metanalyse der Daten mehrerer Endoprothesenregister berichten von
25-Jahres-Implantatstandzeiten von 58% für die Hüft-TEP und 78% für die Knie-TEP ohne
jedoch eine patientenspezifische Risikoaussage treffen zu können [13]
[14].
Der Patient darf also von einer langen „Standzeit“ des Kunstgelenkes ausgehen. Somit
bemisst sich der individuelle Erfolg einer Kunstgelenkversorgung heutzutage nicht
mehr nur am Parameter „Standzeit“. Immer mehr rücken Qualitätsaspekte in den Vordergrund,
die sich auf Vermeidung von Komplikationen im Behandlungsprozess und auf den zunehmend
wichtigen Parameter „Patientenzufriedenheit“ beziehen. Sowohl in der von der Deutschen
Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) etablierten EndoCert©-Initiative, die Struktur- und Prozessmerkmale für die Zertifizierung von Endoprothetikzentren
definiert hat, als auch in den Gremien der externen Qualitätssicherung – die für die
Hüft- und Knie-Endoprothetik in Deutschland verpflichtend ist – wird an der Implementierung
Patienten-berichteter Ergebnisse (patient reported outcome measures – PROMs) in die
Dokumentation der Regelversorgung gearbeitet. Um die Vergleichbarkeit der Daten klinischer
Studien gewährleisten zu können, wurden sog. Core Outcome Sets (COS) konsentiert.
Ein COS definiert ein evidenzbasiertes und konsentiertes Minimum an zu erhebenden
Daten („Was?“) mit entsprechenden Messinstrumenten („Wie?“), welches in jeder klinischen
Studie mit vergleichbarer Fragestellung gemessen und berichtet werden sollte. Die
OMERACT-Initiative (Outcome Measures in Rheumatology) hat bereits 1997 ein COS für
die Gonarthrose entwickelt, welches kürzlich überarbeitet wurde [4]
[53]. Im Konsensprozess wurden bisher jedoch keine expliziten Messinstrumente abgeleitet.
Das 2012 gegründete International Consortium for Health Outcomes Measurement (ICHOM)
stellt einen Forschungsverbund dar, welcher standardisierte Erhebungen und Auswertungen
für die Gesundheitsversorgung konzipiert [56]. Für jedes Krankheitsbild werden sog. Standardsets erarbeitet, welche als Pendant
zum beschriebenen COS, jedoch in der Routineversorgung gesehen werden können. Für
die Cox- und Gonarthrose, respektive Hüft- und Knieendoprothetik werden neben der
Erfassung von Komplikationen und Re-Operationen/Revisionen, die Erhebung von Schmerz,
körperlicher Funktion, Arbeitsfähigkeit, gesundheitsbezogener Lebensqualität und der
Zufriedenheit mit dem OP-Ergebnis empfohlen [27].
Zum Gesamtergebnis nach endoprothetischer Versorgung tragen eine Vielzahl von Faktoren
bei, die sowohl im Behandlungsprozess verankert sind, als auch im Patienten selbst
liegen können. Wichtig für das Verständnis moderner Konzepte der Outcome-Beurteilung
im Gelenkersatz ist, dass sich neben peri- und postoperativen Maßnahmen sowie der
Qualität von Implantat und Operationstechnik gerade diese Patientengebundenen Einflussfaktoren
in besonderem Maß auf das Behandlungsergebnis auswirken. Dazu gehören u. a. Alter,
Geschlecht, prä-operative Funktion bzw. Zerstörungsgrad des zu ersetzenden Gelenkes,
Begleiterkrankungen (v. a. Adipositas, Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen),
Ausbildung und Einkommen, Erwartungshaltung, Familienstand und Persönlichkeitsfaktoren
[5]
[22]. Basierend auf dem Modell der „International Classification of Functioning, Disability
and Health (ICF)“ [11] haben Günther et al. diese Einflussfaktoren zusammengefasst [22] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Auswahl von Einflussfaktoren, die das Behandlungsergebnis nach endoprothetischen
Gelenkersatz beeinflussen.
Versorgungssituation
In den Medien wird seit vielen Jahren und wiederholt eine angebliche „Überversorgung“
mit Hüft- und Knie-Endoprothesen in Deutschland berichtet. Diesen Aussagen liegen
regelmäßig erhobene Versorgungsdaten aus dem OECD-Bereich zugrunde, die jedoch weder
Alters-adjustiert werden noch aufgrund unterschiedlcher Dokumentationsverfahren und
Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern gut vergleichbar sind. Mit Einbezug des
relativ hohen Altersdurchschnitts der hiesigen Bevölkerung im internationalen Vergleich
haben Finkenstaedt und Niehaus (2015) die OECD-Daten verschiedener operativer Eingriffe
für das Berichtsjahr 2012 nachberechnet und festgestellt, dass Deutschland hinsichtlich
der Implantationshäufigkeit für den künstlichen Hüft- und Kniegelenkersatz im mittleren
Bereich der vergleichbaren zentraleuropäischen Länder rangiert [16]. Nach erfolgter Alters-Standardisierung liegt Deutschland hinter Schweiz, Norwegen,
Österreich und Luxemburg auf dem 5. Platz in der Hüft-Endoprothetik bzw. auf dem 8.
Platz in der Knie-Endoprothetik. In den USA wurden, bezogen auf das tatsächliche Alter
der Bevölkerung, 48% mehr künstliche Kniegelenke eingesetzt als in Deutschland und
selbst bei unseren direkten Nachbarn Schweiz und Österreich waren es in 2012 noch
18% mehr als bei uns. Selbst wenn man zusätzliche methodische Aspekte außer Acht lässt,
die bei Länderrankings eigentlich einbezogen werden müssten, zeigen diese Ergebnisse
bereits, dass Deutschland zum damaligen Zeitpunkt einer gesundheitspolitisch sehr
intensiven Mengendiskussion im internationalen Vergleich nicht an der Spitze stand.
Dennoch besteht Grund, die Versorgungszahlen auch hierzulande kritisch zu beleuchten.
Eine gemeinsam von DGOOC und wissenschaftlichem Institut der AOK erarbeitete Analyse
zeigt erhebliche regionale Unterschiede in der Versorgungsdichte mit dem Kunstgelenkersatz
[50]. Während in 2009 die Altersstandardisierte Gesamtrate in Deutschland für den Hüftgelenkersatz
bei 148,9 (95% KI 147,6–151,1) und für den Kniegelenkersatz bei 132,5 (95% KI 131,3–133,6)
lag, zeigten sich in einzelnen Landkreisen Unterschiede in der Versorgungshäufigkeit
um das 2- bzw. 3,2-fache. Solche Unterschiede sind zwar aus anderen internationalen
Erhebungen (z. B. England, Spanien, USA) bekannt und dort sogar teilweise noch größer,
aber letztendlich ist unklar, was die Gründe dafür sind.
Betrachtet man die zeitliche Entwicklung der Versorgungsmengen beim künstlichen Gelenkersatz
zeigt sich in Deutschland wie in allen anderen entwickelten Ländern eine moderate
Zunahme. Der vom Statistischen Bundesamt jährlich veröffentlichten Fallpauschalenbezogenen
Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) können die Operationen und Prozeduren der vollstationären
Patienten in Krankenhäusern entnommen werden (www.destatis.de/kontakt). In [Abb. 2] sind die Fallzahlen von primären Hüft-Endoprothesen und Knie-Endoprothesen sowie
der Revisions-Endoprothetik von 2005 bis 2017 dargestellt.
Abb. 2 Entwicklung der Fallzahlen von primären Hüft-Endoprothesen (OPS 5–820) und Knie-Endoprothesen
(OPS 5–822) sowie der Revisions-Endoprothetik (OPS 5–821 Hüftgelenk und OPS 5–820
Kniegelenk) in Deutschland: Eigene Auswertung der Fallpauschalen-bezogenen Krankenhausstatistik
(DRG-Statistik, Statistisches Bundesamt Destatis) der Jahre 2005–2017.
Sowohl für das Hüft- wie auch das Kniegelenk zeigt sich nach einer Plateauphase zwischen
2009–2013 ein fortgesetzter Anstieg der Versorgungsmenge. Dieser ist beim Kniegelenkersatz
stärker ausgeprägt und es wird darüber diskutiert, ob dafür auch der GBA-Beschluss
zur Arthroskopie bei Gonarthrose aus 2015 eine Rolle spielt, der die Durchführung
einer Kniearthroskopie im Sinne einer Spülung oder sog. „Gelenktoilette“ bei Gonarthrose
als therapeutische Methode auf Kosten der GKV ausschließt [18]. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei gleichzeitig leider bestehender Budgetierung
physiotherapeutischer Behandlungen die Entscheidung zur Endoprothesenversorgung zeitiger
getroffen wird als früher.
In diesem Zusammenhang sind auch aktuell erhobene Daten zur Versorgungssituation bei
Kox- und Gonarthrosen insgesamt in Deutschland von Bedeutung: Im Proclair-Verbundprojekt,
das auf Routinedaten zur Analyse der Versorgung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen und Arthrose auf der Bevölkerungsebene basiert ([6] im Review), konnte gezeigt werden, dass insgesamt die Verordnungshäufigkeit von
Physiotherapie im letzten Jahr vor dem künstlichen Gelenkersatz begrenzt ist [32] und im sehr hohen Lebensalter die Entscheidung zur endoprothetischen Versorgung
zurückhaltend gestellt zu werden scheint [46].
Endoprothesen-Register Deutschland
Seit November 2012 existiert das „Endoprothesen-Register Deutschland“ (EPRD). Das
EPRD ist ein Gemeinschaftsprojekt von Fachgesellschaften, Krankenkassen und Industrie.
Im Rahmen des EPRD erfolgt eine freiwillige Erfassung von Eingriffen der Primär- und
Wechselendoprothetik des Hüft- und Kniegelenkes durch teilnehmende Kliniken. In diesem
Register werden patientenfallbezogen operative Eingriffe und hiermit verbundene Kenngrößen
(verwendete Implantate, implantatbezogene Häufigkeit von Eingriffen pro Krankenhaus,
usw.) erfasst. Der Patient wird im EPRD pseudonymisiert registriert, sodass ihm auch
Folgeoperationen zugeordnet werden können. Über die Kooperation mit den gesetzlichen
Krankenkassen werden zuverlässig alle Revisionsoperationen erfasst, auch wenn die
Klinik, die die Revision durchführt, keine Daten an das EPRD meldet. Diese Konstellation
ist einzigartig unter den weltweiten Endoprothesenregistern, woraus sich bei einmal
im EPRD gemeldeten Operationen eine sehr hohe Zuverlässigkeit der Erfassung von Folgeoperationen
ergibt. Damit besteht die Möglichkeit, nicht nur Standzeiten verschiedener Versorgungsformen
zu vergleichen, sondern auch den Einfluss der Erfahrung mit bestimmten Implantaten
und Versorgungsformen auf das Ergebnis zu analysieren. Die jährliche Registerauswertung
bietet v. a. auch die Möglichkeit, frühzeitig Probleme bestimmter Implantate zu erkennen
und entsprechend zu reagieren. Derzeit berichten etwa 55% (706 von ca. 1300) der endoprothetisch-versorgenden
Kliniken an das EPRD [21] und mit der aktuell geplanten Einführung eines verbindlichen Implantat-Registers
ist demnächst mit einer Vollerfassung zu rechnen.
Die aktuellen EPRD-Daten zeigen, dass in Deutschland die Hauptindikation für eine
primäre Hüft- und Knie-TEP die Arthrose ist. Das Durchschnittsalter der Patienten
bei Primärimplantation einer Hüft-TEP beträgt 72 Jahre und 69 Jahre bei Knie-TEP,
hierbei sind ca. 30% der Patienten jünger als 65 Jahre. Die Patienten sind vorwiegend
weiblich (60% bei Hüft-TEP und 62% bei Knie-TEP) [21].
Indikationsstellung
Bei degenerativen Gelenkerkrankungen wird für die Indikation zum Gelenkersatz ein
Versagen konservativer Therapiemaßnahmen bei über 6 Monate andauernder, gelenkspezifischer
Beschwerde- und Schmerzsymptomatik mit eingeschränkter Lebensqualität und radiologischem
Nachweis eines Strukturschadens sowie subjektivem erkrankungsbezogenem Leidensdruck
gefordert. Für die Indikation zur Knie-TEP wurde 2018 eine S2-Leitlinie veröffentlicht,
für den Hüftgelenkersatz ist eine S3-Leitlinie in Arbeit. Für die Indikation zur Endoprothese
wird das Vorhandensein voran genannten Hauptkriterien als obligat gefordert [23]
[38]. Im Entscheidungsprozess sieht die neue Leitlinie weiterhin eine Prüfung von Nebenkriterien
(Gehstrecke, Beinachse, Instabilität, Bewegungseinschränkung, u. a.), die Beachtung
von Kontraindikationen und die Würdigung von Risikofaktoren vor, die in der Gesamtschau
die Empfehlung zur Operation verstärken oder abschwächen können. Als relative Kontraindikation
ist bspw. ein BMI>40 kg/m2 aufgeführt. Das Ziel ist der partizipative Entscheidungsprozess, in welchem der Patient
und der Arzt in der Entscheidung für oder gegen eine Operation zu einer gemeinsam
verantworteten Übereinkunft gelangen.
Dazu gehört auch, den „richtigen“ Operationszeitpunkt in diesem Entscheidungsprozess
miteinander abzuschätzen. Durch den operativen Eingriff kann ein bestimmtes Maß an
Funktionsverbesserung erreicht werden. Weist der Patient präoperativ noch eine gute
Gelenkfunktion auf, kann er ein sehr gutes Funktionsniveau erreichen, die Verbesserung
ist möglicherweise jedoch relativ gering. Findet sich präoperativ jedoch schon eine
besonders schlechte Funktion, kann dieser Patient sein persönliches Optimum ggf. nicht
mehr erreichen. In diesem Sinne ist es das Ziel, den Patienten nicht zu spät oder
zu früh zu operieren [20]
[37].
Hüftendoprothetik
Operationstechnik, Implantate – Verankerungsprinzipien, Gleitpaarungen
Neben den in der Vergangenheit etablierten Standardzugängen (lateral transgluteal,
anterior, anterolateral, dorsal) werden auch sog. „weniger-invasive“ Operationstechniken
propagiert, bei denen es sich in der Regel um muskelschonende Varianten der jeweiligen
Zugänge mit reduzierter Weichteilexposition und fehlender Muskelablösung handelt.
Nach den bisherigen Studienergebnissen zeigen diese weniger-invasiven Techniken eine
Tendenz zum geringeren Blutverlust und reduzierten postoperativen Schmerzen ohne dauerhaften
Unterschied in der Algofunktion. Bei Einführung entsprechender Techniken besteht aufgrund
limitierter Exposition in der Anfangsphase die Gefahr einer erhöhten Komplikationsrate
(u. a. intraoperative Frakturen und Fehlplatzierungen von Implantaten), weshalb entsprechende
Schulungsmaßnahmen vorausgehen sollten. In allen größeren Endoprothetikzentren Deutschlands
sind diese mittlerweile etabliert und tragen zu verbesserter peri- und postoperativer
Erholung bei, die auch für Enhanced-Recovery-Konzepte genutzt wird (s.u.).
Hüftendoprothesen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Verankerungskonzeptes im Knochen
und der Krafteinleitung in das proximale Femur. Zudem existieren unterschiedliche
Gleitpaarungsmöglichkeiten. Die dauerhafte Verankerung der Kunstpfanne und des Prothesenschaftes
erfolgt generell entweder mit Knochenzement oder durch knöcherne Integration zementfreier
Implantate. Neben rein zementierter oder zementfreier Verankerung aller Komponenten
kommen auch sogenannte Hybrid-Prothesen zur Anwendung, bei denen zumeist der Schaft
zementiert und die Pfanne zementfrei verankert ist (bei Zementierung der Pfanne und
zementfreiem Schaft spricht man von „reverser Hybridversorgung“). Durch die Totalendoprothese
(TEP) soll die patientenindividuelle Gelenkmechanik und Beinlänge wiederhergestellt
werden.
Zementfreie Implantate bestehen aus Titanlegierungen mit zusätzlich modifizierter
Oberflächenstruktur, zementierte Implantate werden aus Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierungen
geschmiedet. Die Entwicklung hin zu bereits erwähnten weniger-invasiven Zugängen geht
mit vermehrter Anwendung sogenannter Kurzschaftprothesen einher. Diese haben ein meist
gebogenes Design und können geschwungen in das Femur eingebracht werden, was eine
muskelschonende Implantation bzw. die Anwendung weniger invasiver Zugänge erleichtert
und das Ausmaß notwendiger Knochenresektion im Trochanterbereich reduziert. Auch wenn
mittelfristige Ergebnisse vielversprechend sind [1]
[26], existieren im Gegensatz zu den zementfreien Standardprothesen für Kurzschäfte derzeit
noch keine langfristigen klinischen Ergebnisse und Überlebensraten.
Vor dem Hintergrund der unphysiologischen Krafteinleitung bei schaftbasierten Endoprothesen
und der teilweise ausgeprägten primären Knochenresektion erlebte in den 90iger Jahren
das Konzept der Oberflächenersatzprothesen eine Renaissance [10]. Mittlerweile hat sich jedoch gezeigt, dass der Oberflächenersatz wie auch „Metall-Metall-Gleitpaarungen“
insgesamt (s.u.) erhebliche Risiken birgt und mitunter inakzeptabel hohe Revisionsraten
zur Folge hat [12]
[24]. Oberflächenendoprothesen werden vor diesem Hintergrund derzeit in einigen Ländern
(Niederlande, Dänemark) gar nicht mehr und in Deutschland nur noch sehr zurückhaltend
bzw. bei stark eingeschränktem Indikationsspektrum unter entsprechender Risikoaufklärung
eingesetzt [19]. Ob die aktuell begonnene Erprobung mit Oberflächenersatz-Implantaten, die komplett
aus Keramik bestehen und deshalb nicht mehr zu einer Metallbelastung führen, zukunftsträchtig
ist, muss in klinischen Studien geprüft werden.
Die Entscheidung, welches Prothesensystem ([Abb.3]) und welche Gleitpaarung zur Anwendung kommen, wird unter Abwägung von Patientenspezifika
(biologisches Patientenalter, Art der Hüfterkrankung, etwaige Pfannen- / Femurdeformitäten,
Aktivitätsanspruch, Allergien) und Erfahrungen getroffen. Zudem bestehen regionale
Besonderheiten. Während sich in Deutschland ein zunehmender Trend zur rein zementfreien
Verankerung beobachten lässt, so werden in Schweden weiterhin vorwiegend zementierte
Endoprothesensysteme verwendet [21]
[29]. Im eigenen Vorgehen werden Patienten bis zum 70. Lebensjahr zementfrei, zwischen
70 und 80 mit Hybrid-TEPs und jenseits des 80. Lebensjahr mit zementierten TEPs versorgt.
Ziel der Kunstgelenkoperation ist hierbei immer, dem Patienten möglichst direkt postoperativ
die Vollbelastung zu ermöglichen.
Abb. 3 a zementfreie Geradschaftprothese, b zementfreie Kurzschaftprothese, c Hybridprothese, d zementierte Geradschaftprothese
Für die schaftbasierten Endoprothesen bestehen grundsätzlich folgende Gleitpaarungsmöglichkeiten
([Tab. 1]).
In Deutschland besteht ein deutlicher Trend zur Nutzung der Keramik/UHMW-Polyethylen-Paarung,
da hier ein guter Kompromiss aus Bruchsicherheit und Abriebsarmut besteht. Bei Patienten
mit einem erhöhten Luxations-Risikoprofil oder auch in der Revisionssituation wird
heute zunehmend auf sog. „tripolare“ Implantatsysteme nach dem Dual-Mobility-Prinzip
zurückgegriffen. Ähnlich wie bei der Hemiarthroplastik – dort als Duo-Kopf-System
bezeichnet – artikuliert ein kleiner Metall- oder Keramikkopf (Durchmesser von maximal
28 mm) in einem [52] größerem Polyethylenkopf. Dieser ist in eine zusätzliche metallische Monoblock-Pfanne
eingefasst, womit der Durchmesser des Polyethylenkopfes abhängig vom Pfanneninnendurchmesser
ist. Damit resultiert eine Gleitpaarung Metall/Keramik – Polyethylen – Metall. Bei
der Verwendung hochvernetzten Polyethylens vereint dieses System die Vorteile eines
reduzierten Abriebes mit der Luxationssicherheit eines größeren Kopfes.
Tab. 1 Gleitpaarungen, UHMW: ultra-high molecular weight.
Kopf
|
Pfanne bzw. Inlay
|
Anmerkung
|
Metall
|
Metall
|
Aufgrund beobachteter Nebenwirkungen der Freisetzung von Metallpartikeln sind Metall-Metall-Gleitpaarungen
weitgehend verlassen
|
Metall
|
Polyethylen
|
Verfügbarkeit von konventionellem UHMW-Polyethylen oder (bei jüngeren Patienten wegen
deutlich reduziertem Abrieb vorwiegend genutztem) hochvernetztem UHMW-Polyethylen
mit /ohne Zusatzbehandlung
|
Keramik
|
Polyethylen
|
Keramik
|
Keramik
|
Abrieb-ärmste Gleitpaarung, allerdings potenzielles Bruchrisiko, mögliches Quietschen
|
Keramik
|
Metall
|
Als Hart-Hart-Gleitpaarung mit reduzierter Metallfreisetzung konzipiert – hat sich
nicht durchgesetzt.
|
Patienten-relevante Behandlungsergebnisse
Nach dem primären Hüftgelenkersatz zeigt sich häufig eine deutliche Verbesserung von
Funktionalität und Beschwerden bzw. gesundheitsbezogener Lebensqualität, was in entsprechend
hoher Patientenzufriedenheit resultiert [52]. Aber das Patienten-relevante Ergebnis hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren
ab. Neben durch Behandler beeinflussbaren Variablen ([Abb. 1]) sind dies in erster Linie vorliegende Begleiterkrankungen, zu denen insbesondere
Diabetes, Adipositas, und kardiopulmonale Konstitution gehören. Sie können sich auf
das Risiko postoperativer Komplikationen und damit auf die Patientenzufriedenheit
direkt auswirken. Auch gleichzeitig bestehende Beschwerden in angrenzenden Regionen
bzw. Gelenken beeinflussen den Verlauf [25]. Bei der zunehmenden Versorgung von immer älteren Patienten mit mehreren Begleiterkrankungen
ist zu berücksichtigen, dass sich gerade mehrere gleichzeitig bestehende Probleme
negativ auf das Ergebnis auswirken. So konnten wir nachweisen, dass bei Vorliegen
von 3 oder mehr Komorbiditäten das Risiko eines „non-response“ um das Dreifache gegenüber
Patienten mit nur einer Begleiterkrankung erhöht ist [50]. Auch die Persönlichkeit des Patienten (Alter, Geschlecht, psychologische Konstitution)
und soziale bzw. soziökonomische Rahmenbedingungen (u. a. Familienstand, Ausbildungsdauer,
berufliche Tätigkeit) nehmen Einfluss auf Verlauf und Ausmaß der post-operativen Erholung
von Funktion und Lebensqualität sowie der Patientenzufriedenheit [51]
[22]
[]
[23]). All diese Faktoren sind deshalb in die präoperative Entscheidungsfindung und Behandlungsplanung
mit zu integrieren.
Knieendoprothetik
Die anatomische Besonderheit des Kniegelenkes besteht im Vorliegen eines bandgeführten
biomechanisch-komplexen Gelenkes (Roll-Gleitbewegung mit zusätzlicher Rotation) mit
3 Kompartimenten (mediales, laterales sowie retropatellares Kompartiment). Neben einer
Bewegungs- und Belastungseinschränkung mit Beuge- und Streckdefizit kann es im Rahmen
der Gonarthrose auch zu einer erheblichen Achsdeformität kommen. Je nach Ausmaß, Lokalisation
und klinischem Beschwerdebild der Gonarthrose erfolgt ein Teilgelenk- oder Totalgelenkersatz.
Unikondyläre Endoprothesen
Unikondyläre Endoprothesen Knieprothesen (isolierter Ersatz des medialen oder seltener
lateralen tibiofemoralen Kompartiments; [Abb. 4]) können bei belastungsabhängigen, unikompartimellen Schmerzen indiziert sein, wenn
keine allzu große Achsabweichung, ein gutes Bewegungsausmaß und erhaltene Kollateral-
und Kreuzbänder vorliegen [44]. Der unikondyläre Kniegelenkersatz kann einen funktionellen Vorteil bieten, da die
natürliche komplexe Kinematik des Kniegelenkes nicht verändert wird. Hingegen zeigen
viele internationale Register (NJR, Australien, Schweden) eine höhere Revisionsrate
im Vergleich zur Totalendoprothese. So sind die aus dem Schwedischen Register berichteten
Überlebensraten nach 10 Jahren im Vergleich zu den Totalendoprothesen mit 88 vs. 96%
geringer [49]. Die neueste Auswertung des EPRD aus 2017 konnte zeigen, dass die Revisionsraten
von unikondylären Prothesen in den ersten 3 Jahren mit 6% etwa doppelt so hoch sind
wie die von Totalendoprothesen. Betrachtet man allerdings nur die Kliniken mit sehr
hoher Stückzahl von unikondylären Prothesen, dann sind die Ergebnisse mit den Totalendoprothesen
vergleichbar. Diese Daten sprechend dafür, dass eine höhere Versorgungshäufigkeit
und damit Routine zu besseren Ergebnissen führt. Der isolierte Ersatz des patellofemoralen
Gelenkes stellt mit weniger als 1% eine sehr seltene Versorgung dar.
Totalendoprothesen
Abb. 4 a unikondyläre Prothese, b bikondyläre Oberflächenendoprothese, c primär gekoppelte Prothese
Bestehen Schmerzen in Bezug auf mehrere Gelenkkompartimente wird die Totalendoprothesen
bevorzugt. Klassischerweise wird ein medialer, parapatellarer Zugang zum Kniegelenk
gewählt. Es existieren unterschiedliche Modifikationen und weniger-invasive Zugänge,
allerdings sind diese in der Knie-Endoprothetik von deutlich geringere Bedeutung im
Vergleich zum Hüftgelenk [31]. Die Standardversorgung stellt bei suffizienter Seitenbandführung die bikondyläre
Oberflächenersatzprothese dar. Hierbei muss das vordere Kreuzband meist reseziert
werden. Das hintere Kreuzband kann erhalten oder ebenfalls ersetzt werde. Dies erfolgt
durch spezielle Inlayformen (UC, ultrakongruente oder PS, posterior-stabilisierte
Inlays). Theoretisch haben posterior-stabilisierte Knie-TEPs Vorteile gegenüber dem
Kreuzbanderhalt (zuverlässigere Kinematik, bessere Beugefähigkeit), allerdings scheint
dieser theoretische Vorteil nicht beim Patienten anzukommen, denn PROMs sind in randomisierten
Studien nicht unterschiedlich [36]. Bei Insuffizienz der Seitenbänder kommen höhergradig gekoppelte Prothesenmodelle
zum Einsatz. Je nach Ausmaß dieser mediolateralen Instabilität werden teilgekoppelte
Prothesen oder voll gekoppelte Prothesen verwendet. Für die Kraftübertragung ist hier
eine längere Stielverankerung im Femur und in der Tibia notwendig. Heute werden kaum
noch achsgeführte Prothesen eingesetzt, meist werden Implantate mit einer mediolateralen
Kopplung, aber Rotationsfreiheit zwischen Femur und Tibiakomponente verwendet (Rotating
Hinge). Bestehen ausgeprägte Knochendefekte, so können diese mit metallischen Augmenten
ausgeglichen werden. Der endoprothetische Ersatz der Patellarückfläche erfolgt in
Deutschland zumeist nicht, da hierfür kein gesicherter Nutzen hinsichtlich eines besseren
Ergebnisses besteht [9].
Zur Verbesserung der Genauigkeit der Implantation v. a. bei anatomisch schwierigen
Situationen (z. B. posttraumatische Gonarthrose) wurde die Computergestützte Navigation
entwickelt. Die aktuellen Systeme arbeiten Bild-frei, d. h. ohne die Notwendigkeit
von präoperativen CT-Scans. Trotz einer in vielen Studien belegten höheren Implantationsgenauigkeit
gibt es bisher nur wenige Belege für einen zusätzlichen Nutzen für den Patienten [28]. Im australischen Register konnte gezeigt werden, dass die Revisionsraten bei Patienten
unter 65 Jahren durch Nutzung von computer-gestützter Navigation geringer sind [54]. Dies wäre relevant, da bereits jetzt in Deutschland ca. 30% der Knie-TEP bei Patienten
unter 65 Jahren eingesetzt werden und gerade diese Patienten aufgrund ihrer längeren
Lebenserwartung ein höheres Lebenszeitrevisionsrisiko haben als ältere Patienten.
Da die Navigation mit einer verlängerten OP-Zeit und Kosten verbunden ist, und dies
ein wesentlicher Hinderungsgrund für die weitere Verbreitung ist, wurde versucht mittels
anhand von CT- oder MRT-Scans erstellter Patienten-individuell angefertigter Schnittblöcke
die Implantation einfacher und dennoch genauer zu gestalten. Dabei haben sich jedoch
in einer Metaanalyse außer einer marginalen und klinisch kaum relevanten OP-Zeit-Verkürzung
von 4 Minuten keine Vorteile gegenüber der manuellen Implantation gezeigt [55]. Aktuell erlebt die Robotik einen Aufschwung. Hierbei kommen Fräsroboter in Zusammenarbeit
mit einem Navigationssystem zum Einsatz. Ob sich die im Vergleich zur alleinigen Navigation
noch höheren Kosten und die nochmals verlängerte OP-Zeit durch einen entsprechenden
Patientennutzen rechtfertigen lassen, muss abgewartet werden [34].
Gleitpartner bei allen Designs sind die metallische Oberfläche der femoralen Komponente
(in der Regel aus einer Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierung bestehend) und ein Polyethylen-Inlay,
welches dem tibialen Prothesenanteil (fix oder mobil) aufliegt. Die Fixation von Knieprothesen
kann zementiert oder auch zementfrei erfolgen, allerdings stellt die Zementierung
den Standard dar [20], da für zementierte Prothesen geringere Revisionsraten beschrieben sind.
Patienten-relevante Behandlungsergebnisse
Im Unterschied zur Hüft-TEP benötigen Knie-TEP Patienten eine längere Zeit um ihre
volle Leistungsfähigkeit „zu entwickeln“. Bis zum zweiten postoperativen Jahr findet
eine Verbesserung der Gelenkfunktion statt, wobei der Großteil nach einem Jahr abgeschlossen
ist. Wie auch in der Hüftendoprothetik gibt es eine Reihe von Einflussfaktoren auf
das klinische Ergebnis. So ist z. B. das Ausmaß der Verbesserung von Gelenkfunktion
und Patientenzufriedenheit auch von der Ausprägung der präoperativen Beschwerden und
Einschränkungen abhängig. Weitere Studien konnten einen Zusammenhang mit präoperativen
(alleinlebend, fortgeschrittenes Alter, ausgeprägte Bewegungseinschränkung und Ruheschmerzen)
und postoperativen (Auftreten von Komplikationen, niedrige Funktions-Scores) Risikofaktoren
aufzeigen [5]. Insgesamt sind etwa 80–90% der versorgten Patienten mit dem Behandlungsergebnis
zufrieden. Eine schlechte Beweglichkeit und persistierende Schmerzen sind dabei die
Hauptgründe für eine Unzufriedenheit mit dem Kunstgelenk auch über das erste postoperative
Jahr hinaus, die immerhin ca. 10–20% der Patienten betreffen. Patienten die an psychischen
Komorbiditäten (Depression) leiden und sogenannte „Pain-Catastrophizer“ haben ein
höheres Risiko auch nach der Knie-TEP an gelenkbezogenen Schmerzen zu leiden und folglich
unzufrieden zu sein. Auch jene Patienten mit einer ausgeprägten Adipositas (BMI>35 kg/m2) haben ein erhöhtes perioperatives Risikoprofil. Ein entscheidender Faktor ist auch
die Erwartungshaltung des Patienten und seiner eigenen Einschätzung, welches Operationsergebnis
er als erfolgreich bewertet [34]
[35]
[46]
[47].
Prinzipien der Rehabilitation und „Enhanced Recovery after Surgery (ERAS)“
Prinzipien der Rehabilitation und „Enhanced Recovery after Surgery (ERAS)“
Ein wichtiger Bestandteil der endoprothetischen Versorgung ist die medizinische Rehabilitation.
Der Großteil operativ versorgter Patienten in Deutschland nimmt eine stationäre oder
ambulante „Anschlussheilbehandlung“ nach dem Eingriff in Anspruch [47]. Zur korrekten Durchführung sind evidenzbasierte Therapiemodule der Rentenversicherungsträger
etabliert und diese tragen nachweislich zur funktionellen Erholung der Patienten bei.
Zusätzlich kann die Reintegration und körperliche Aktivität gerade bei älteren Patienten
durch den von Kostenträgern angebotenen Rehabilitationssport unterstützt werden [3]. Aktuell werden auch vermehr Konzepte der „Prähabilitation“ diskutiert, nach denen
sich eine bereits präoperative Übungsbehandlung und zusätzliche Schulungsmaßnahmen
positiv auf den postoperativen Verlauf auswirken können. Es ist jedoch bei überschaubarer
Datenlage noch offen, wie groß die Effekte tatsächlich sind [8].
Mit den Begriffen „Enhanced Recovery“, „Rapid Recovery“ oder “Fast Track” werden neuartige
Behandlungskonzepte bezeichnet, deren Ziel eine raschere Genesung des Patienten und
Reduktion von Morbidität und Mortalität nach endoprothetischer Versorgung ist. Grundlage
ist die Anwendung evidenzbasierter Behandlungsabläufe im multiprofessionellen Behandlungsteam
(Orthopädie/Unfallchirurgie, Anästhesie, Pflege, Physiotherapie). Grundlegende Forschungsarbeiten
hierzu stammen v. a. aus Dänemark, wo diese Prinzipien zunächst in der kolorektalen
Chirurgie eingeführt wurden [30].
Eckpfeiler dieser Therapiekonzepte in der Hüft- und Knieendoprothetik sind:
-
die präoperative Optimierung des Patienten (Diabeteseinstellung, Patient Blood Management
mit ggf. Eisensubstitution)
-
Patientenschulung zu Behandlungsabläufen durch Ärzte, Physiotherapeuten und Pflegekräften
-
intraoperative Schmerztherapie mit intra- und periartikulären Lokalanästhetika, Verzicht
auf Nervenblockaden, opiatsparende Schmerztherapie
-
konsequente PONV-Prophylaxe mit Hydrocortison und Odansetron
-
Verzicht auf Wunddrainagen
-
systemische oder intraartikuläre Anwendung von Tranexamsäure zur Blutungsprophylaxe
-
konsequente Frühmobilisierung der Patienten am OP-Tag / wenige Stunden nach der OP
ohne Bewegungsverbote
-
Motivierung des Patienten zur eigenständigen Mobilisierung und Aktivierung durch Initiierung
von Gruppendynamiken und speziellen „Fast Track“-Stationen
Die Fast Track-Prinzipien stehen teilweise im Kontrast zu tradierten Behandlungsregimen
in der Endoprothetik. Die Fokussierung auf eine frühzeitige Mobilisierung und Unterstützung
des Patienten zur Eigenständigkeit erfordert oftmals empfindliche Umstellung der Behandlungspraktiken
aller beteiligten Professionen. Die Anwendung von ERAS-Konzepten führt zu einer Verkürzung
der Krankenhausverweildauer und zu einer Senkung von Komplikationsraten [57]. Eine weitere Verbesserung des funktionellen Ergebnisses im Vergleich zur „tradierten“
Behandlung wird durch ERAS-Konzepte nicht erreicht [40].
Risiken und Revisionsraten
Risiken und Revisionsraten
Das Vorhandensein eines Kunstgelenkes ist immer mit dem potenziellen Risiko einer
Revisions- oder Wechseloperation verbunden. Die häufigsten Revisionsursachen waren
2017 im schwedischen Hüftregister und dem EPRD in absteigender Häufigkeit die aspetische
Prothesenlockerung, periprothetische Infektion, Luxation, periprothetische Fraktur
und Implantatverschleiß. Eine mögliche Ursache der aseptischen Lockerung sind periprothetische
Osteolysen als Folge einer abriebinduzierten Entzündungsreaktion. Die mittlerweile
standardmäßige Nutzung von ultra-hochvernetzen Polyethylen-Inlays in der Hüftendoprothetik
hat zur erheblichen Reduktion eines Polyethylen-Abriebs mit entsprechendem Rückgang
an Revisionen geführt. Lockerungen können auch durch unzureichende Passfähigkeit und
operationstechnische Fehler (falsche Zementierung, nicht ausreichende Primärstabilität)
bedingt sein. Bei schleichenden Lockerungsprozessen mit chronischen Beschwerden muss
auch immer an sogenannte „low-grade Infektionen“ gedacht werden. Die Zunahme von periprothetischen
Infektionen als Revisionsursache ist u. a. auf eine zunehmende Versorgung multimorbider
Patienten mit bestimmten Begleiterkrankungen (z. B. Diabetes mellitus und Adipositas),
Nikotin- und Alkoholabusus sowie Immunsuppression zurückzuführen [43]. Hierbei sind v. a. Kliniken der Maximalversorgung betroffen, da diese schwierig
zu behandelnden und kostenintensiven Patienten großzügig dorthin verlegt werden. Im
eigenen Krankengut sind periprothetische Infektionen bereits die häufigste Revisionsursache,
wobei>90% der Patienten in anderen Kliniken voroperiert wurden [45]. Bei frühen und akuten Infektionen mit kurzer Anamnesedauer ist der Versuch einer
gelenkerhaltenden Revision mit Debridément und Wechsel der mobilen Komponenten indiziert.
Bei chronischen und persistierenden Infektionen ist zumeist eine vorübergehenden Implantatentfernung
zur Infektsanierung notwendig. In allen Fällen ist eine mehrwöchige gezielte Antibiotikatherapie
nach mikrobiologischer Keimsicherung erforderlich.
Standzeit
Für moderne zementfreie Hüft-TEPs wird heutzutage über Standzeit von 95% nach 10 Jahren
in Bezug auf die aspetische Prothesenlockerung berichtet [17], ohne dass hierdurch eine individuelle Aussage für den Patienten abgeleitet werden
kann. Zwei aktuelle britische Meta-Analysen untersuchten Daten aus Fallserien und
aus Endoprothesen-Registern (Australien, Neuseeland, Dänemark, Finnland, Norwegen
und Schweden) für Hüft- und Kniegelenkersatz mit Nachuntersuchungszeiträumen über
das 15. „Prothesenjahr“ hinaus. Hierbei konnten 25-Jahres-Registerdaten von ca. 215 000
Hüft-Totalendoprothesen und von ca. 300 000 Knie-Totalendoprothesen gepoolt werden.
Die Autoren berichten von einer 25-Jahresstandzeit von ca. 58% für Hüft-TEPs und 82%
bei Knie-TEPs [13]
[14]. Im klinischen Alltag steht aber häufig die Frage nach der individuellen „Haltbarkeit
des Kunstgelenkes“ im Raum. Bayliss et al. konnten im Rahmen einer retrospektiven
Analyse von Behandlungsdaten aus dem britischen Gesundheitssystem über einen Zeitraum
von 20 Jahren (Zeitraum 1991–2011) zeigen, dass das Lebenszeitrisiko einer potentiellen
Revisionsoperation nach Hüft- oder Knietotalendoprothesen bei jüngeren Patienten (Altersgruppe
50–55 Jahre) im Vergleich zum älteren Patienten (75+) deutlich erhöht ist. Zudem besteht
sowohl für Hüft- als auch Knieprothesen ein geschlechtsspezifischer Risikounterschied
mit einem erhöhten Risiko für junge Männer. So beträgt das Lebenszeitrisiko für eine
Revisionsoperation nach Hüft-TEP beim 50-jährigen Patienten 30% und beim 75–79 jährigen
Patienten 5% [2]([Abb. 5 a, b]). Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass diese Ergebnisse mit teilweise
älteren Implantatmodellen erzielt wurden und die Weiterentwicklung gerade im Bereich
der Gleitpaarungen darin noch nicht enthalten ist. Die Daten des deutschen Endoprothesenregisters
sind für konkrete Aussagen leider noch zu vorläufig.
Abb. 5 a Lebenszeitrisiko einer Revisions-Operation nach Implantation einer Hüft-Totalendoprothese.
Die Kurven stellen das geschätzte Lebenszeitrisiko einer Revisionsoperation in Abhängigkeit
des Lebensalters zum Zeitpunkt der Primäroperation und des Geschlechtes dar [2]. b Lebenszeitrisiko einer Revisions-Operation nach Implantation einer Knie-Totalendoprothese.
Die Kurven stellen das geschätzte Lebenszeitrisiko einer Revisionsoperation in Abhängigkeit
des Lebensalters zum Zeitpunkt der Primäroperation und des Geschlechtes dar [2].
Zusammenfassung
Der endoprothetische Ersatz von Hüft- und Kniegelenk bei der fortgeschrittenen Kox-
und Gonarthrose ist ein bewährtes und sehr erfolgreiches Behandlungsverfahren. Während
aufgrund der mittlerweile sehr guten Standzeiten bei einem Großteil älterer Patienten
keine Revisionseingriffe in der verbleibenden Lebenszeit mehr erforderlich sind, sollte
insbesondere bei jüngeren Patienten ein später möglicher Revisionsbedarf in die Behandlungsplanung
einbezogen werden. Dazu liefert die Auswertung von nationalen Endoprothesenregistern
wertvolle Behandlungs- und Implantatdaten, auch im Hinblick auf die Patientensicherheit.
Vor dem Hintergrund der sehr erfolgreichen Standzeiten gewinnt die Analyse patienten-berichteter
Ergebnisse in der Bewertung des Behandlungserfolges weiter an Bedeutung, denn ein
kleiner Anteil der Patienten profitiert vom Gelenkersatz nicht. Komplikationen, unzureichende
Funktionsverbesserung oder unerreichte Erwartungen können Gründe dafür sein. Die zunehmende
Implementierung von interdisziplinären Behandlungskonzepten hat das Ziel der Reduktion
von Komplikationen und der rascheren Genesung von Patienten. Die Zunahme von Implantationszahlen,
v. a. bei jüngeren Patienten mit entsprechendem Aktivitätsanspruch, unterstreicht
die Bedeutung der kontinuierlichen Überwachung und Verbesserung von Implantaten und
Behandlungsergebnissen.
Anmerkungen
Wir danken Prof. Andrew Price (Nuffield; Department of Orthopaedics, Rheumatology
and Musculoskeletal Science, NIHR Biomedical Research Unit, University of Oxford,
Oxford, UK) für die Abbildungsgenehmigung der Diagramme zum Lebenszeitrisiko einer
Revisions-operation nach Knie- und Hüft-Primärendoprothetik.