physiopraxis 2020; 18(01): 61
DOI: 10.1055/a-0975-1728
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Die Rechtsfrage: Darf ich die Therapiezeit verlängern?

Karsten Bossow
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Publikationsdatum:
20. Dezember 2019 (online)

 

Karsten Bossow

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Karsten Bossow ist seit 1999 Rechtsanwalt. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht beantwortet seit 2012 Ihre Leserfragen.

„Darf ich die Therapiezeit verlängern, wenn ich die Patienten in dieser Extrazeit in meiner Freizeit betreue und auch keinen Aufpreis dafür verlange?“

Therapeutin aus Bayern

Die Antwort unseres Experten

Die Grundlage jeder therapeutischen Behandlung ist die ärztliche Verordnung. Für gesetzlich versicherte Patienten ergibt sich dies aus der Heilmittelverordnung. Gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung ist die Therapeutin oder der Therapeut grundsätzlich an die Verordnung durch einen Vertragsarzt gebunden. Die Verordnung von Heilmitteln darf gem. § 3 Abs. 3 der Heilmittelverordnung nur erfolgen, wenn sich der Vertragsarzt von dem Zustand des Patienten überzeugt, diesen dokumentiert und sich erforderlichenfalls über die persönlichen Lebensumstände informiert hat.

Mit der Verordnung kann der Arzt auch die Behandlungszeit vorgeben, der Therapeut ist dann daran gebunden. Im Übrigen ergeben sich Richtwerte für die Behandlungszeiten aus den Vorgaben der entsprechenden Rahmenempfehlungen zur Regeltherapiezeit, in der auch die Vor- und Nachbereitung durch den Therapeuten enthalten ist. Hier wird es dann problematisch. Einerseits darf die Therapiedauer mit dem Patienten die Mindestdauer der Regeltherapiezeit nur aus medizinischen Gründen unterschreiten, andererseits handelt es sich um Richtwerte, sodass geringfügige Abweichungen (in diesem Fall nach oben) möglich sind. Weicht der Therapeut nicht nur geringfügig von der Regeltherapiezeit ab, handelt es sich nicht mehr um die ärztlich verordnete Behandlung. Abgesehen davon, dass der Therapeut hierfür weder vom Patienten noch von der Krankenversicherung Vergütung erhält und auch nicht verlangen kann, riskiert er einen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz.

Möglich sind jedoch nicht verordnungspflichtige Behandlungen, wie beispielsweise Massagen. Diese dürfen sich an Behandlungen aufgrund einer Verordnung anschließen.

Ist der Therapeut jedoch Heilpraktiker oder sektoraler Heilpraktiker, darf er therapeutische Leistungen nach eigener Diagnose auch ohne ärztliche Verordnung erbringen. In diesem Fall darf er also eigenverantwortlich feststellen, ob über die ärztlich verordnete Therapie hinaus Maßnahmen medizinisch indiziert sind und auf dieser Grundlage dem Patienten die erforderlichen Maßnahmen anbieten.

Eine Änderung könnte sich in diesem Jahr ergeben, wenn Ärzte eine Blankoverordnung erteilen können und dem Therapeuten die konkrete Auswahl der Heilmittelleistung sowie die Bestimmung der Behandlungsfrequenz und der Behandlungsdauer übertragen wird.

Wirft auch Ihr Berufsalltag rechtliche Fragen auf? Dann schreiben Sie eine E-Mail an Simone.Gritsch@thieme.de.


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