Rofo 2020; 192(01): 59-64
DOI: 10.1055/a-0969-2117
Interventional Radiology
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vergleich der Strahlenbelastung des Operateurs bei der minimalinvasiven Versorgung osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen – Radiofrequenz-Kyphoplastie versus Ballon-Kyphoplastie mit Cement-delivery-Systems (CDS)

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Steffen Reißberg
1   Institute of Neuroradiology, Helios-Klinikum Berlin-Buch, Berlin, Germany
,
Lina Lüdeke
2   Institute of Diagnostic Radiology and Neuroradiology, Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg, Neubrandenburg, Germany
,
Michael Fritsch
3   Department of Neurosurgery, Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg, Neubrandenburg, Germany
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Correspondence

Dr. Steffen Reißberg
Institut für Neuroradiologie, Helios-Klinikum Berlin-Buch
Schwanebecker Chaussee 50
13125 Berlin
Germany   
Telefon: ++ 49/30/9 40 15 37 00   

Publikationsverlauf

09. Dezember 2018

25. Juni 2019

Publikationsdatum:
06. November 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Ziel der vorliegenden Untersuchung war der Vergleich der Dosisbelastung des Operateurs bei der Verwendung 2 verschiedener Kyphoplastie-Systeme zur minimalinvasiven Versorgung von osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen. Es lag eine Voruntersuchung einer belgischen Arbeitsgruppe aus dem ORAMED-Projekt (2010) vor, die als Grundlage diente und eine Dosisreduktion für die Augenlinsen und die linke Hand bei der Verwendung eines Ballon-Kyphoplastie-Systems mit Cement-delivery-Systems (CDS) für den Operateur zeigte.

Material und Methoden Verwendet wurden ein bipedikuläres Ballon-Kyphoplastie-System (Fa. Medtronic GmbH) mit CDS und ein unipedikuläres Radiofrequenz-Kyphoplastie-System (StabiliT, Fa. DFine Europe GmbH) bei solitären Frakturen im thorakolumbalen Übergang bei jeweils 20 Patienten. Die Patientenkollektive waren mit einem mittleren Alter von 76,9 Jahren für die Ballon-Kyphoplastie und 75 Jahren für die Radiofrequenz-Kyphoplastie relativ homogen. Der Frauenanteil war erwartungsgemäß in beiden Gruppen höher. Der Mittelwert für den BMI war bei der Gruppe der Radiofrequenz-Kyphoplastie höher und auch der Patient mit dem größten BMI-Wert war in dieser Gruppe. Die Arbeitsabläufe wurden in 3 Arbeitsschritte definiert. Die Arbeitszeit und die Durchleuchtungszeit (DLZ) wurden in den einzelnen Arbeitsschritten gemessen und die Oberflächendosis über alle Arbeitsschritte durch TLD-Chips (Thermolumineszenzdetektor) an der Stirn, auf der Röntgenschürze, an beiden Handgelenken und am linken OSG gemessen. Das Dosisflächenprodukt wurde für die gesamte Prozedur registriert.

Ergebnisse Im Arbeitsschritt 2 fanden sich die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Systemen in Arbeitszeit und Durchleuchtungszeit. Der Unterschied war bedingt durch die bipedikuläre Punktion für die Ballon-Kyphoplastie und den Wechsel der Arbeitskanüle, während bei der Radiofrequenz-Kyphoplastie nur eine unipedikuläre Punktion benötigt wurde. Die Gesamtdurchleuchtungszeit über alle Arbeitsschritte war bei der Ballon-Kyphoplastie 3-mal so lang; dies spiegelte sich auch im Dosisflächenprodukt wider, welches mehr als doppelt so hoch war. Die gemessenen Oberflächendosen für die Augenlinsen waren bei der Ballon-Kyphoplastie im Mittel 4-mal höher. Für das linke Handgelenk lagen die Werte bei der Ballon-Kyphoplastie etwa 8-mal höher.

Schlussfolgerung Insgesamt muss aus strahlenhygienischer Sicht die Empfehlung zur Verwendung eines unipedikulären Kyphoplastie-Systems gegeben werden. Sollte die Ballon-Kyphoplastie aus medizinischen Gründen zur Anwendung kommen, sind sämtliche Strahlenschutzmittel (Bleihandschuhe, Bleiglasscheibe, Strahlenschutzbrille und CDS) zu nutzen und die Oberflächendosen für beide Hände durch Ringdosimeter und die Linsendosis durch ein TLD an der Strahlenschutzbrille zu erfassen und zu dokumentieren.

Kernaussagen:

  • Unipedikuläre Kyphoplastiesysteme sind aus Strahlenschutzgründen zu bevorzugen.

  • Spezielle medizinische Indikationen können im Einzelfall die Verwendung eines bipedikulären Kyphoplastiesystems rechtsfertigen.

  • Die Verwendung eines Ballon-Kyphoplastiesystems ohne CDS ist nicht mehr zu empfehlen.

  • Bei Verwendung eines bipedikulären Kyphoplastiesystems sind die Oberflächendosen für die Hände und die Linse zwingend zu dokumentieren.

Zitierweise

  • Reißberg S, Lüdeke L, Fritsch M. Comparison of Radiation Exposure of the Surgeon in Minimally Invasive Treatment of Osteoporotic Vertebral Fractures – Radiofrequency Kyphoplasty versus Balloon Kyphoplasty with Cement Delivery Systems (CDS). Fortschr Röntgenstr 2020; 192: 59 – 64


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Einleitung

Die Durchführung minimalinvasiver OP-Techniken unter Durchleuchtung in der Orthopädie und Unfallchirurgie hat in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen. Insbesondere die transpedikuläre Versorgung von Wirbelkörperfrakturen mit dorsaler Stabilisierung und/oder Kyphoplastie sind beispielhaft für die Dosisbelastung des Personals bzw. des Operateurs zu nennen [1].

Ziel dieser Untersuchung war es, bei der Versorgung von osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen mittels Kyphoplastie die Dosisbelastung des Operateurs bei Verwendung von 2 unterschiedlichen Kyphoplastie-Systemen zu bestimmen. Die derzeit am häufigsten verwendete minimalinvasive Methode ist die Ballon-Kyphoplastie. Eine alternative Methode ist die Radiofrequenz-Kyphoplastie, die zum einen eine geringere Invasivität verspricht und zum anderen mit einer geringeren Dosisbelastung für den Operateur wirbt [2].

Mit Veränderung des Altersprofils der Bevölkerung in den Industrieländern steigt auch die Wahrscheinlichkeit, eine symptomatische Wirbelkörperkompressionsfraktur zu erleiden. Die betroffenen Patienten haben eine eingeschränkte Lebensqualität durch eine begrenzte Beweglichkeit. Damit verbunden ist eine steigende Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und somit eine Zunahme der Mortalität um ca. 23 % gegenüber dem nicht betroffenen Vergleichskollektiv [3] [4] [5] [6]. Um die Mobilisation der häufig multimorbiden Patienten zu beschleunigen wurden minimalinvasive Verfahren zur Wirbelkörperstabilisation mit Zement entwickelt, die das Ziel haben, den Wirbelkörper zu stabilisieren und schnellstmöglich eine Schmerzreduktion für den Patienten zu gewährleisten.

In einer Voruntersuchung im Rahmen des EU-Projekts ORAMED (Optimization of Radiation Protection of Medical Staff) konnte durch eine belgische Arbeitsgruppe bei bipedikulären Kyphoplastien mit und ohne Verwendung eines Zementapplikationssystems (CDS) eine Dosisreduktion für den Operateur nachgewiesen werden [7]. So konnte die Dosisbelastung für die linke Hand um ca. 70 % und für die Augenlinse um 20 % reduziert werden. Bestimmt wurde die Oberflächen-Personendosis Hp (0,07) an definierten Orten.

Die Oberflächen-Personendosis (Hp 0,07) entspricht der Äquivalentdosis in 0,07 mm Körpertiefe an der Tragestelle des Personendosimeters und wird mit Teilkörperdosimetern gemessen (z. B. Fingerringdosimeter). Sie liefert einen Schätzwert für die lokale Hautdosis und die Linsendosis.

Die Äquivalentdosis H ist dabei nicht direkt messbar, vielmehr entspricht sie der biologischen Wirkung in Zusammenhang mit der absorbierten Dosis. Es gilt, dass die Strahlenwirkung auf biologisches Gewebe bei gleicher absorbierter Dosis dabei von der Strahlenart abhängig ist.


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Material und Methoden

In dieser vergleichenden Untersuchung wurden das Kyphon-Ballon-Kyphoplastie-System (Fa. Medtronic GmbH) und das Radiofrequenz-Kyphoplastie-System (StabiliT, DFine Europe GmbH) verwendet.

Bei der Ballon-Kyphoplastie handelt es sich um eine Methode, die üblicherweise einen bipedikulären Zugang zum Wirbelkörper erfordert. Über einen K-Draht muss die Punktionskanüle gegen die Arbeitskanüle ausgetauscht werden, über die letztlich die Wirbelkörperaufrichtung mit Ballons durchgeführt wird. Im Anschluss erfolgt dann die Füllung der Hohlräume im Wirbelkörper mit Zement, der sich im idealen Fall mit der angrenzenden Spongiosa verzahnt. Verwendet werden bei der Ballon-Kyphoplastie Zementapplikationshülsen, die beidseits über die Arbeitskanülen eingeführt werden. Die Zementapplikation erfolgt per Hand im Durchleuchtungsfeld. Das CDS ermöglicht die Zementapplikation außerhalb des Durchleuchtungsfeldes. Die Applikationsschlauchlänge beträgt dabei maximal 120 cm und es handelt sich um eine wasserhydraulische Zementapplikation per Hand.

Die Radiofrequenz-Kyphoplastie kommt mit einem unipedikulären Zugang zum Wirbelkörper aus, da die Zementverteilung im Wirbelkörper durch die Anwendung eines speziellen biegsamen Osteotoms in der Mitte des Wirbelkörpers gewährleistet wird. Die Punktionskanüle ist die Arbeitskanüle, ein Wechsel ist nicht notwendig. Die wasserhydraulische Zementapplikation erfolgt über ein Steuergerät. Die Steuerung der Zementapplikation erfolgt über ein Bedienelement, das einen Abstand zum Durchleuchtungsfeld von bis zu 3,0 m erlaubt. Auch wird der Zement durch ein spezielles Aktivierungselement an der Applikationsnadel erst vor Einbringen in den Wirbelkörper aktiviert.

Es wurden 40 Patienten mit jeweils einer Fraktur im thorakolumbalen Übergang oder in der LWS zufallsverteilt (Losverfahren) mit einem der Kyphoplastie-Systeme behandelt ([Tab. 1]). Die Patienten der Ballon-Kyphoplastie-Gruppe hatten im Mittel ein Durchschnittsalter von 76,9 Jahre (min. 57 Jahre, max. 95 Jahre) und die Verteilung Männer zu Frauen betrug 9 zu 11. Für die Gruppe der Radiofrequenz-Kyphoplastie betrug das Durchschnittsalter 75 Jahre (min. 54, max. 89) und die Verteilung Männer zu Frauen betrug 7 zu 13.

Tab. 1

Behandelte Wirbelkörper.

Ballon-Kyphoplastie

Radiofrequenz-Kyphoplastie

Th11

 0

 1

Th12

 5

 7

L1

 7

 5

L2

 4

 5

L3

 2

 1

L4

 2

 1

Gesamt

20

20

Körpergröße und Körpergewicht wurden von jedem Patienten registriert und zur BMI-Bestimmung genutzt. Für die Gruppe der Ballon-Kyphoplastie-Patienten betrug der BMI im Mittel 27,6 (min. 26,2, max. 38,8) und für die Patienten der Radiofrequenz-Kyphoplastie-Gruppe im Durchschnitt 29,3 (min. 24, max. 40,6).

Beide Systeme wurden in der Klinik bereits vor der Studie (ab 2011) nebeneinander eingesetzt. Im Zeitraum von April 2013 bis Februar 2014 erfolgten die Behandlungen osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen in lokaler Anästhesie an einer monoplanaren Angiografie-Anlage (Fa. Siemens Artis zee). Der jeweils gleiche Operateur mit mehrjähriger Erfahrung sowohl mit der Ballon-Kyphoplastie als auch mit der Radiofrequenz-Kyphoplastie führte die Eingriffe durch. Die Angiografie-Anlage ist bauseitig mit Untertisch-Strahlenschutzlamellen, Übertisch-Bleilamellen und einer beweglichen Bleiglasscheibe ausgestattet. Der Fußschalter zum Auslösen der Strahlung ist über WLAN mit der Anlage verbunden, sodass ein beliebiger Abstand zum Durchleuchtungsfeld möglich ist. Zur Anwendung kamen Projektionen in a.-p.- und in lateraler Ebene. Die Kippung der Röhre war in der a.-p.-Projektion maximal 15° nach kranial oder kaudal. Die Lage der Röntgenröhre war in der a.-p.-Ebene unter dem Tisch und in der lateralen Ebene rechts des Patienten.

Vor jeder Untersuchung wurden TLD-Chips (Thermolumineszenzdetektoren) an definierten Stellen angebracht, um die jeweilige Oberflächendosis zu bestimmen. TLD-Chips wurden an der Stirn zwischen den Augen (Augendosis), auf den Innenflächen des linken und rechten Handgelenks, auf der Schürze in Höhe des Rippenbogens und am linken OSG angebracht. Das links OSG war dem Durchleuchtungsfeld zugewandt, d. h. die röhrennahe Seite war die linke Körperhälfte des Untersuchers.

Die Abstände zum Durchleuchtungsfeld wurden auf dem Fußboden für die jeweilige Anwendung markiert (Ballon-Kyphoplastie 1,20 m und Radiofrequenz-Kyphoplastie 2,40 m) um die Abstände fix zu definieren, die durch die baulichen Gegebenheiten (Raumgröße) bestimmt waren.

An der Röntgenanlage wurde das Dosisflächenprodukt über die gesamte Anwendung bestimmt und registriert.

Die Auswertung der TLD-Chips erfolgte zeitnah in der Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenbelastung Berlin (LPS Berlin). Der berücksichtigte Nulleffekt (Messpunkt Messstelle) betrug 0,009 +/– 0,004 mSv. Die Erkennungsgrenze beträgt 0,02 mSv und die Nachweisgrenze 0,03 mSv. Der Vertrauensbereich der Messunsicherheit beträgt +/– 95 % (k = 2).

Für die weiteren Betrachtungen wurden 3 Arbeitsschritte definiert, um die Arbeitszeiten und die Durchleuchtungszeiten (DLZ) für die jeweilige Anwendung vergleichen zu können.

Arbeitsschritt 1 war die Planung und Einstellung der Projektionen für den Eingriff. Der Untersucher steht links neben dem Patienten am Untersuchungstisch mit der linken Körperseite zur Röhre. Die Nutzung der Bleiglasscheibe ist möglich.

Arbeitsschritt 2 umfasste bei der Radiofrequenz-Kyphoplastie die unipedikuläre Wirbelkörperpunktion unter Durchleuchtung und die Anwendung des Osteotoms. Der Untersucher steht wiederum links neben dem Patienten am Untersuchungstisch. Für die Wirbelkörperpunktion ist die Nutzung der Bleiglasscheibe nicht möglich und zur korrekten Bestimmung des Punktionswinkels und der korrekten Stellung zum Wirbelbogen ist es notwendig, mit der Hand im Durchleuchtungsfeld während der Durchleuchtung tätig zu sein. Für die Ballon-Kyphoplastie erfolgten in diesem Arbeitsschritt die bipedikulären Punktionen beider Wirbelbögen, der Wechsel der Arbeitskanülen und die beidseitige Anwendung der Ballons jeweils unter Durchleuchtung. Auch hier steht der Untersucher links am Untersuchungstisch und ist mit den Händen teilweise im oder sehr nahe am Durchleuchtungsfeld.

Der letzte und 3. Arbeitsschritt war für beide Systeme die Zementapplikation und die Abschlussaufnahmen in 2 Ebenen. In diesem Arbeitsschritt konnte der Untersucher bei der Verwendung des CDS für die Ballon-Kyphoplastie 1,20 m von dem Durchleuchtungsfeld entfernt sein. Für die Radiofrequenz-Kyphoplastie wurde der Abstand auf 2,40 m festgelegt.


#

Ergebnisse

Die Patienten der Ballon-Kyphoplastie-Gruppe waren im Durchschnitt 2 Jahre älter und in der Gruppe der Radiofrequenz-Kyphoplastie-Patienten fand sich im Vergleich ein höherer Frauenanteil. Bezüglich des BMI waren im Durchschnitt die Patienten in beiden Gruppen übergewichtig. Es fanden sich jeweils 3 Patienten mit einer Adipositas Grad I in beiden Gruppen. 3 Patienten in der Ballon-Kyphoplastie-Gruppe und 2 Patienten in der Radiofrequenz-Kyphoplastie-Gruppe hatten eine Adipositas Grad II und nur 1 Patient mit einer Adipositas Grad III fand sich in der Gruppe der Radiofrequenz-Kyphoplastie.

Die Durchleuchtungszeiten (DLZ) für die einzelnen Arbeitsschritte sind in [Tab. 2] dargestellt.

Tab. 2

Durchschnittliche Arbeitszeiten und Durchleuchtungszeiten für die einzelnen Arbeitsschritte bei der Ballon- und Radiofrequenz-Kyphoplastie in min.

Planung

Punktion

Zement

Planung

Punktion

Zement

Zeit in min

DLZ in min

Ballon-Kyphoplastie

2,4

19,3

8,9

0,75

4,3

2,1

Radiofrequenz-Kyphoplastie

2,4

 7,9

8,4

0,63

1,3

0,82

Für den Arbeitsschritt 1 ergaben sich für die Arbeitszeit und die Durchleuchtungszeit keine wesentlichen Unterschiede. Sowohl die Arbeitszeit als auch die Durchleuchtungszeit waren für den Arbeitsschritt 2 um den Faktor 2 bis 3 höher für die Patienten der Ballon-Kyphoplastie-Gruppe. Der Arbeitsschritt 3 zeigte eine längere Durchleuchtungszeit für die Patienten unter Verwendung der Ballon-Kyphoplastie.

Betrachtet man das Dosisflächenprodukt, so liegt der Durchschnittswert für die Ballon-Kyphoplastie bei 2352,1 µGym² (min. 820,5 µGym², max. 4844,3 µGym²) und für die Radiofrequenz-Kyphoplastie bei 925,9 µGym² (min. 100,6 µGym², max. 1570,8 µGym²).

Die durchschnittliche Gesamtdurchleuchtungszeit für alle Arbeitsschritte betrug für die Ballon-Kyphoplastie 07:32 min und für die Radiofrequenz-Kyphoplastie 02:31 min.

Für die Oberflächenpersonendosis ergaben sich im Mittel die Werte wie in [Tab. 3] dargestellt.

Tab. 3

Mittelwerte der Oberflächenpersonendosis in mSv für die Ballon-Kyphoplastie und die Radiofrequenz-Kyphoplastie.

Dosis in mSv

Stirn

über der Schürze

Handgelenk rechts

Handgelenk links

OSG links

Ballon-Kyphoplastie

0,217

0,67

1,249

3,908

0,154

Radiofrequenz-Kyphoplastie

0,05

0,137

0,198

0,523

0,06


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Diskussion

Betrachtet man den BMI in beiden Kyphoplastie-Gruppen, so ist bei höheren BMI-Werten in der Radiofrequenz-Kyphoplastie-Gruppe eine höhere Strahlendosis für den Operateur bei der Anwendung der Radiofrequenz-Kyphoplastie zu erwarten. Der Patient mit dem höchsten BMI von 40,6 war in der Radiofrequenz-Kyphoplastie-Gruppe zu finden und hatte erwartungsgemäß auch den höchsten Wert für das Dosisflächenprodukt mit 1570,8 µGym² in dieser Gruppe. Die höchsten Einzelwerte (4844,3 µGym²) und Gesamtwerte (2352,1 µGym²) für das Dosisflächenprodukt fanden sich allerdings über alle Arbeitsschritte in der Gruppe der Ballon-Kyphoplastie. Dies lag, wie die BMI-Werte zeigen, nicht an den Patienteneigenschaften, sondern vor allem an den längeren Durchleuchtungszeiten für die Ballon-Kyphoplastie und hier vor allem an Arbeitsschritt 2 mit dem methodenbedingten bipedikulären Zugang und Wechsel der Punktions- gegen die Arbeitskanüle. Die Gesamtdurchleuchtungszeit über alle Arbeitsschritte war bei der Ballon-Kyphoplastie 3-mal so lang; dies spiegelt sich auch im Dosisflächenprodukt wider, welches im Mittel mehr als doppelt so hoch war.

Für die Oberflächendosen fanden sich die größten Unterschiede für beide Handgelenke und speziell für das linke Handgelenk sowie bei den Linsendosen ([Abb. 1], [2]). Da die TLDs eine untere Nachweisgrenze von 0,03 mSv haben und die Dosiswerte für die Radiofrequenz-Kyphoplastie nahe 0 mSv liegen, ergaben sich Messwerte für die Linse mit 2-malig dem Wert 0 und für das rechte Handgelenk mit einem Wert von 1-malig 0. Die Werte wurden so für die statistische Auswertung übernommen, auch wenn dies einem systematischen Fehler entspricht.

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Abb. 1 Boxplot für die gemessenen Dosiswerte an der Stirn für die Ballon- und die Radiofrequenz-Kyphoplastie.
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Abb. 2 Boxplot – Vergleich der gemessenen Dosiswerte für beide Handgelenke bei Verwendung des Ballon- und Radiofrequenz-Kyphoplastie-Systems.

Der Grund für die höheren Dosiswerte am linken Handgelenk ist begründet durch die Position des Operateurs links neben dem Patienten am Tisch, sodass die linke Körperseite nah am Direktstrahlenfeld war. Die gemessenen Oberflächendosen für die Augenlinsen waren bei der Ballon-Kyphoplastie im Mittel 4-mal höher. Für das linke Handgelenk lagen die Werte bei der Ballon-Kyphoplastie nahezu 8-mal höher. Der Effekt des größeren Abstands zur Strahlenquelle bei der Zementapplikation ist zwar als positiv zu werten für die Radiofrequenz-Kyphoplastie, der dosisrelevante Unterschied ergibt sich allerdings in Arbeitsschritt 2 durch den unipedikulären Zugang.

Die Hypothese, dass ein unipedikuläres Verfahren klare Dosisvorteile für den Operateur gegenüber einem bipedikulären Verfahren hat, konnte mit der Studie bestätigt werden. Dieser methodenbedingte Unterschied war bisher in Studien so noch nicht herausgestellt worden. Etliche Arbeiten beschäftigten sich mit Verfahren der Dosiseinsparung durch verschiedene Zementapplikationstechniken oder dem Vorteil der Anwendung von Strahlenschutzmitteln bei der Punktion und Zementapplikation im Direktstrahlenfeld [8] [9] [10]. Auch die Bestimmung von Ortsdosen für einzelne an der OP beteiligte Personen war schon Ziel von Untersuchungen [11] [12]. Der Vergleich verschiedener Kyphoplastie-Systeme unter dem Aspekt der Strahlenbelastung für den Operateur ist neu und war bisher nicht Gegenstand von Untersuchungen. Letztlich ist aber die Reduktion der Oberflächendosis durch Reduktion des Aufenthalts am und im Direktstrahlenfeld der effektivere Strahlenschutz, der durch die Anwendung von Strahlenschutzmitteln noch weiter optimiert werden muss. Die Anwendung des Abstandsquadratgesetzes bei der Zementapplikation ist für die Radiofrequenz-Kyphoplastie mit einer wasserhydraulischen Zementapplikation optimaler gegeben.

In dieser Studie wurde eine stationäre Röntgenanlage verwendet, die bauseitig mit entsprechenden technischen Strahlenschutzmitteln ausgerüstet ist, die bei Prozeduren im OP-Saal mit mobilen Anlagen (C-Bogen) meist nicht vorhanden sind. So sollten weitere Untersuchungen an mobilen Röntgenanlagen erfolgen, um belastbare Werte über die reale Strahlenbelastung des Operateurs im OP-Saal zu erhalten.

Bezieht man die Ergebnisse aus der ORAMED-Studie mit ein, so ist bei einer Reduktion der Oberflächendosis insbesondere für die linke Hand und für die Augen eine Anwendung der Ballon-Kyphoplastie ohne CDS und Strahlenschutzmittel nicht mehr zu akzeptieren. Die Oberflächendosiswerte bedingen auch die Notwendigkeit der Messung mit Ringdosimetern und Dosimetern an der Strahlenschutzbrille, insbesondere in Anbetracht der Senkung des Jahresgrenzwertes für die Augenlinse im neuen Strahlenschutzgesetz vom 01.01.2019 von 150 mSv auf 20 mSv.


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Schlussfolgerungen

Insgesamt muss aus strahlenhygienischer Sicht die Empfehlung zur Verwendung eines unipedikulären Kyphoplastie-Systems gegeben werden. Sollte die Ballon-Kyphoplastie aus medizinischen Gründen zur Anwendung kommen, sind sämtliche Strahlenschutzmittel (Bleihandschuhe, Bleiglasscheibe und Strahlenschutzbrille) zu nutzen und die Oberflächendosen für beide Hände durch Ringdosimeter und die Linsendosis durch ein TLD an der Strahlenschutzbrille zu erfassen und zu dokumentieren. Die Verwendung der Ballon-Kyphoplastie ohne CDS ist nicht mehr zu akzeptieren.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.

  • References

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Correspondence

Dr. Steffen Reißberg
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Telefon: ++ 49/30/9 40 15 37 00   

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Fig. 1 Box plot of the dose values measured on the forehead during balloon and radiofrequency kyphoplasty.
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Fig. 2 Box plot – comparison of the measured dose values for both wrists during balloon and radiofrequency kyphoplasty systems.
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Abb. 1 Boxplot für die gemessenen Dosiswerte an der Stirn für die Ballon- und die Radiofrequenz-Kyphoplastie.
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Abb. 2 Boxplot – Vergleich der gemessenen Dosiswerte für beide Handgelenke bei Verwendung des Ballon- und Radiofrequenz-Kyphoplastie-Systems.