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DOI: 10.1055/a-0962-3979
Sekretmobilisation – Schritt für Schritt
- Indikationen
- Schritt 1: Diagnostik
- Schritt 2: Vorbereitung – Konditionierung
- Schritt 3: Erste Mobilisation
- Schritt 4: Einleitung erweiterte Sekretmobilisation
- Kontraindikationen
- Schritt 5: Monitoring
- Schritt 6: Huffing und/oder Absaugung
- Literatur
Die Sekretmobilisation beschreibt das Lösen des Bronchialsekrets von der Bronchialschleimhaut sowie den Transport aus den peripheren in die zentralen Atemwege. Um ein effektives Sekretmanagement zu betreiben, genügt es nicht, die Sekretmobilisation isoliert zu sehen. Sie stellt neben der Sekretkonditionierung (1. Säule) sowie der Sekretexpektoration (3. Säule) die 2. Säule des Sekretmanagements dar.
Indikationen
Neuromuskuläre Erkrankungen, prolongierte Beatmungssituationen sowie obstruktive Flussminderungen haben Einfluss auf den Hustenstoß (tussive Clearance). Erkrankungen, die eine veränderte Sekretbeschaffenheit, also Dyskrenie verursachen, beeinträchtigen die mukoziliäre Clearance. In beiden Fällen kommt es bei einer unzureichenden Behandlung zur respiratorischen Dekompensation ([Abb. 1]). Somit ist eine differenzierte Therapie notwendig.


Schritt 1: Diagnostik
Körperliche Untersuchung und Auskultation
Zu Beginn erfolgt die körperliche Untersuchung zur Lokalisierung der Hauptsekretlast. Die Auskultation der Lungenlappen und das Auflegen der Handflächen auf den Thorax stellen gute Hilfsmittel dar [1]. Bei forcierten Atemmanövern können Vibrationen, die durch das Sekret verursacht werden, händisch wahrgenommen werden ([Abb. 2]).


Messung des Peak-Cough-Flow (PCF)
Die PCF-Messung ist für die Einschätzung der maximalen Hustenkapazität und der Planung und Wahl weiterer sekretmobilisierender Maßnahmen ein essentielles Tool. Hierbei wird bei möglichst aufrechter Körperhaltung (sitzend oder in Herzbettlage) mit verschlossener Nase, nach maximaler Inspiration, der maximale Flow im Hustenvorgang über ein Peak-Flow-Meter festgehalten. Der Spitzenwert aus 3 Messungen wird dokumentiert. Die spirometrisch gemessene forcierte Vitalkapazität (FVC) < 2,1 L und die Einsekundenkapazität FEV1 < 2,1 L/sec sind ein Prädiktor für einen PCF < 270 l/min [2] ([Abb. 3]).


Die Minderung der maximalen Hustenkapazität unter 270 l/min steht in engem Zusammenhang mit einer deutlichen Verschlechterung der mukozilliären Clearance [3].
Schritt 2: Vorbereitung – Konditionierung
Je nach Viskosität des Bronchialsekrets ist vor der eigentlichen Mobilisation eine Sekretkonditionierung durch Inhalation nicht zu vernachlässigen ([Abb. 4]). Hypertone Kochsalzlösungen begünstigen durch den entstehenden Diffusionsdruck eine Abnahme der Viskosität.


Eine obstruktive Ventilationsstörung kann durch die Verminderung des Atemwegsquerschnitts die Hustenkapazität negativ beeinflussen. Die duale Bronchodilatation mittels kurzwirksamer β2-Sympathomimetika (SABA) und kurzwirksamer Parasympatholytika (SAMA) erweitert die Atemwege und unterstützt den Sekretabfluss.
Schritt 3: Erste Mobilisation
Die Sekretmobilisation wird durch die Hinzunahme physikalisch wirkender Atemtherapiegeräte weiter unterstützt. Hierbei dienen statische PEP-Systeme (Positive-Expiratory-Pressure) der Schienung der Atemwege. Oszillierende PEP-Systeme unterstützen durch erzeugte Vibrationen zusätzlich die Sekretmobilisation. Die Schwingungen werden über die Atemwege übertragen. Das Sekret wird nicht nur von der Schleimhaut abgelöst, sondern zusätzlich in seiner Oberflächenstruktur verändert und die Viskosität herabgesetzt ([Abb. 5]) [4].


Drainagelagerungen sind eine sinnvolle Ergänzung, um die Fließrichtung des Sekrets zu beeinflussen. Die manuelle Begleitung des Betroffenen ist hierbei sehr hilfreich, da durch Kontaktatmung eine Lenkung des inspiratorischen Luftvolumens in sekretlastige Lungenareale erfolgt ([Abb. 6]) [5].


Schritt 4: Einleitung erweiterte Sekretmobilisation
Reichen die oben genannten Maßnahmen zur Sekretmobilisation nicht aus, kann das Sekretmanagement durch mechanische Hustenassistenz-Geräte unterstützt werden.
Hierzu gehören der mechanische In- und Exsufflator (MI-E) sowie die High-Frequency-Chestwall-Oszillation (HFCWO).
Titration zur Synchronisation von Mensch und Maschine
Modus: „Manuell“
Um die Effektivität des MI-E zu erhöhen, erfolgt im Manuell-Modus die Ermittlung der In- und Expirationszeiten des Betroffenen. Zudem gelingt eine Gewöhnung an die eingestellten Therapiedrücke. Eine Orientierung über die Effektivität bietet die PCF-Messung über das Display ([Abb. 7]). Zur Nutzung des MI-E werden zumeist Mund-Nasen-Masken verwendet, da sie beides suffizient verschließen und zur Effizienz der Therapie beitragen. Je nach Möglichkeit zur Mitarbeit können MI-E aber auch mit Mundstücken genutzt werden oder auch, mittels Konnektoren, über einliegende, invasive Zugänge wie Tubus und Trachealkanüle ([Abb. 8]).




Modus: „Auto“
Nach erfolgter Titration der Zeiten können diese in den automatischen Modus übernommen werden. Ein aktivierbarer Inspirationstrigger dient zur Initialisierung der Therapie durch den Betroffenen. Balkendiagramme sind hilfreich, um eine Orientierung in den Zyklusphasen zu ermöglichen. In beiden Phasen ist eine Oszillation und deren Frequenz sowie Amplitude einstellbar. Gerade in den ersten Anwendungen der Therapie ist die Unterstützung durch geschultes Personal notwendig. Das Ergebnis ist eine deutliche Verbesserung des PCF-Wertes und ein produktiver Hustenstoß.
Kontraindikationen
Mechanischer In- und Exsufflator [6]:
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COPD
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Bullöses Lungenemphysem mit tracheobronchialem Kollaps
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Gerade in der Exsufflation wird durch den negativen Sog der Kollaps der Atemwege provoziert.
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Pneumothorax
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Tracheo-Ösophageale-Fistel
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kürzlich stattgefundenes Barotrauma
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bulbäre Symptomatik
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kann zu unkalkulierbaren Reaktionen des Rachenraums und damit zu Aspiration des Sekrets anstelle seiner Elimination führen
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Schritt 5: Monitoring
Eine Ableitung der peripheren Sauerstoffsättigung (SpO2) ist sinnvoll, da nach erfolgreicher Sekretminimierung durch Rekrutierung gasaustauschender Lungenareale ein Anstieg der SpO2 erkennbar ist.
Schritt 6: Huffing und/oder Absaugung
Die professionelle Anwendung sekretmobilisierender Maßnahmen soll Sekret mindestens bis in die Trachea mobilisieren. Eine Mobilisation bis in den supraglottischen Raum, den Oropharynx oder ggfls. in eine Trachealkanüle oder einen Tubus kann ebenfalls erreicht werden. Huffing (Hauchen) unterstützt den Transport. Hier erfolgt im Anschluss eine endotracheale oder orale Absaugung.
Im beigefügten [Video 1] wird das schrittweise Vorgehen von der Diagnostik bis hin zum Einsatz verschiedener, sekretmobilisierender Maßnahmen verdeutlicht.


Autorinnen/Autoren
Benjamin Scheffler


ist Atmungstherapeut (DGP) im Sanakrankenhaus Düsseldorf, Gerresheim, in der Klinik für Pneumologie und Respiratorentwöhnung.
Dr. med. Abdel Hakim Bayarassou


ist niedergelassener Internist, Pneumologe, Schlaf- und Palliativmediziner. Er leitet das ambulante Zentrum für außerklinische Beatmung (ZaB), Köln.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
-
Literatur
- 1 van Gestel AJR, Teschler H. Physiotherapie bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen. 2. Aufl.. Heidelberg: Springer; 2014: 278
- 2 Gauld LM, Boynton A. Relationship between peak cough flow and spirometry in Duchenne muscular dystrophy. Pediatr Pulmonol 2005; 39: 457-460
- 3 Czaplinski A, Yen AA, Appel SH. Forced vital capacity (FVC) as an indicator of survival and disease progression in an ALS clinic population. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2006; 77: 390-392
- 4 van Gestel AJR, Teschler H. Physiotherapie bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen 2. Aufl. Heidelberg: Springer; 2014: 297-299
- 5 van Gestel AJR, Teschler H. Physiotherapie bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen 2. Aufl. Heidelberg: Springer; 2014: 295-297
- 6 Keller C. Fachpflege Außerklinische Intensivpflege. 1. Aufl.. Elsevier; 2017
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
05 November 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 van Gestel AJR, Teschler H. Physiotherapie bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen. 2. Aufl.. Heidelberg: Springer; 2014: 278
- 2 Gauld LM, Boynton A. Relationship between peak cough flow and spirometry in Duchenne muscular dystrophy. Pediatr Pulmonol 2005; 39: 457-460
- 3 Czaplinski A, Yen AA, Appel SH. Forced vital capacity (FVC) as an indicator of survival and disease progression in an ALS clinic population. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2006; 77: 390-392
- 4 van Gestel AJR, Teschler H. Physiotherapie bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen 2. Aufl. Heidelberg: Springer; 2014: 297-299
- 5 van Gestel AJR, Teschler H. Physiotherapie bei chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen 2. Aufl. Heidelberg: Springer; 2014: 295-297
- 6 Keller C. Fachpflege Außerklinische Intensivpflege. 1. Aufl.. Elsevier; 2017





















