Schlüsselwörter
Onkologie - Bauchspeicheldrüsenkrebs - Malignom - Tumorerkrankung
Abkürzungen
AJCC:
American Joint Committee on Cancer
AP:
alkalische Phosphatase
BRCA1/2:
Breast Cancer 1/2 (Tumorsuppressorgene)
BRPC:
Borderline resectable pancreatic Cancer
CA 19-9:
Carbohydrate Antigen 19-9 (Tumormarker)
COPD:
chronic obstructive Pulmonary Disease (chronisch obstruktive Lungenerkrankung)
ECOG:
Eastern Cooperative Oncology Group (Lebensqualität-Index bei Krebspatienten)
ERC:
endoskopisch retrograde Cholangiografie
EUS:
Endoscopic Ultrasound
FAP:
familiäre adenomatöse Polyposis
GGT:
Gamma-Glutamyltransferase
GIST:
gastrointestinaler Stromatumor
IAP:
International Association of Pancreatology
IPMN:
intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie
ISGPS:
International Study Group on Pancreatic Surgery
KM-CT:
kontrastmittelverstärkte Computertomografie
LK:
Lymphknoten
LSK:
Laparoskopie
MCN:
muzinöse zystische Neoplasie
mFolfirinox:
Folinsäure-Fluorouracil + Irinotecan + Oxaliplatin (modifizierte Form)
mPDAC:
metastasiertes PDAC
MRCP:
Magnetresonanzcholangiopankreatikografie
NCCN:
National Comprehensive Cancer Network
PanIN:
pankreatische intraepitheliale Neoplasie
PDAC:
Pancreatic ductal Adenocarcinoma (duktales Adenokarzinom des Pankreas)
Pn:
perineurale Invasion
SCN:
seröse zystische Neoplasie
TNM-System:
Klassifizierungssystem nach Tumor, Nodes (Lymphknoten), Metastasen
UICC:
Union internationale contre le cancer
V:
Invasion in Blutgefäße (Vessels)
Fallbeispiel
Anamnese und klinische Symptomatik
Eine 63-jährige Frau stellt sich beim Hausarzt wegen Leistungsknick und Gewichtsverlust
von 5 kg in den letzten 4 Wochen vor. Sie berichtet über hellen Stuhl und dunklen
Urin seit 2 Tagen. Es bestehen keine wesentliche Nebenerkrankungen. Sie schildert
starken Nikotinkonsum über 40 Jahre und lediglich moderaten Alkoholkonsum. In der
Familienanamnese sind Lungenkarzinom bei ihrem Vater und Kolonkarzinom bei ihrer älteren
Schwester bekannt.
Sonografisch zeigt sich eine beginnende Cholestase im intra- und extrahepatischen
Gallengangsystem. Die Cholestaseparameter im Serum sind entsprechend erhöht: Bilirubin
3,2 mg/dl, GGT 530 U/l, AP 312 U/l. Es erfolgt die Einweisung ins Krankenhaus.
Einleitung
Die Sterblichkeitsrate aller malignen Erkrankungen zeigt eine stetige Abnahme in den
letzten Jahrzehnten bis auf das Pankreaskarzinom. Das PDAC ist aktuell die vierthäufigste
krebsbedingte Todesursache in den industrialisierten Ländern und wird im Jahr 2030
zur zweithäufigsten Todesursache aufsteigen [2], [3]. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate in Deutschland beträgt lediglich 10% und hat
sich über die letzten Jahrzehnte nur langsam gebessert [4].
Die Ursachen für die ungünstige Prognose sind multifaktoriell:
-
verspätete Diagnose mit über 50% der Patienten im metastasierten Stadium (mPDAC) zum
Zeitpunkt der Erstdiagnose,
-
begrenzte Wirksamkeit und hohe Toxizität der systematischen medikamentösen Therapie,
-
komplikationsträchtige Operationen,
-
hohes Alter und Polymorbidität der meisten Patienten.
Durch Fortschritte der Chirurgie und Chemotherapie konnte die Prognose des resektablen,
Borderline-resektablen und des sekundär resektablen lokal fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms
in den letzten Jahren deutlich verbessert werden [5], [6].
Pathologie
Das Pankreaskarzinom, erst im Jahr 1761 vom italienischem Pathologen Giovanni Battista
Morgagni beschrieben, ist Sammelbegriff für alle aus dem Gangepithel der Bauchspeicheldrüse
stammenden bösartigen Tumoren. Das PDAC ist mit 95% der häufigste Vertreter. Andere
seltene Varianten des Pankreaskarzinoms sind das Azinuszellkarzinom, das adenosquamöse
Karzinom, das sarkomatoide Karzinom und das anaplastische Karzinom [7].
Der Tumor tritt bevorzugt im Pankreaskopf auf (ca. 70%) und ist zum Zeitpunkt der
Diagnosestellung meist 2 – 5 cm groß, unscharf begrenzt, grau-gelblich und mit sehr
fester Konsistenz.
Die aktuelle TNM-Klassifikation mit der Stadieneinteilung ist in [Tab. 1] dargestellt.
Tab. 1 Aktuelle TNM-Klassifikation 2017 (8. Ausgabe der AJCC [8]) und UICC-Stadieneinteilung des duktalen Adenokarzinoms des Pankreas (PDAC).
TNM-Klassifikation
|
Kennzeichen
|
AJCC = American Joint Committee on Cancer; AMS = A. mesenterica superior; HEP = hepatisch;
PER = peritoneal; PUL = pulmonal; UICC = Union internationale contre le cancer (International
Union for Cancer Control).
|
Primärtumor
|
Tis
|
Carcinoma in situ (inklusive PanIN III)
|
T1 (a, b, c)
|
maximaler Tumordurchmesser ≤ 2 cm (< 0,5 cm, 0,5 – 1 cm, 1 – 2 cm)
|
T2
|
maximaler Tumordurchmesser > 2 cm und ≤ 4 cm
|
T3
|
maximaler Tumordurchmesser > 4 cm
|
T4
|
Tumor infiltriert Truncus coeliacus oder AMS mit Inoperabilität
|
Lymphknoten
|
N0
|
keine befallenen lokoregionären Lymphknoten
|
N1
|
1 – 3 befallene lokoregionäre Lymphknoten
|
N2
|
≥ 4 befallene lokoregionäre Lymphknoten
|
Fernmetastasen
|
|
M0
|
keine Fernmetastasen
|
M1
|
Fernmetastasen (HEP, PUL, PER usw.)
|
Stadium
|
UICC IA
|
T1 N0 M0
|
UICC IB
|
T2 N0 M0
|
UICC IIA
|
T3 N0 M0
|
UICC IIB
|
T1–3 N1 M0
|
UICC III
|
T1–4 N2 M0
|
UICC IV
|
T1–4 N1–2 M1
|
Das histologische Bild ist durch atypische gangartige Drüsenstrukturen mit Schleimproduktion,
Hypovaskularisation und ausgeprägte interstitielle Fibrose geprägt. Eine einzigartige
morphologische Besonderheit des PDAC ist das sehr dichte desmoplastische Stroma, welches aus extrazellulärer Matrix, nicht neoplastischen Zellen wie Fibroblasten
und Immunzellen sowie Gefäßen besteht. Dieses Stroma erhöht massiv den interstitiellen
Druck im Tumor und verhindert das Eindringen von Chemotherapeutika ins Karzinomgewebe
[7].
Drei sichere Vorläuferläsionen des PDAC sind bekannt:
-
pankreatische intraepitheliale Neoplasien (PanIN),
-
intraduktal papillär-muzinöse Neoplasien (IPMN) und
-
muzinöse zystische Neoplasien (MCN).
Alle drei sind durch einen sehr langsamen Progress zum invasiven Karzinom charakterisiert
[7]. IPMN und MCN folgen der bekannten Adenom-Karzinom-Dysplasiesequenz. PanIN sind
mikroskopische Läsionen mit langsamer Kumulation von Mutationen, welche anhand der
Abnormalitäten in ihrer Zytoarchitektur in 3 Stufen klassifiziert werden (PanIN I – III).
Nur 1% aller PanIN wird invasiv. Die Dysplasiesequenz von PanIN I zu invasivem PDAC
dauert etwa 2 Jahrzehnte. PDAC wird im Durchschnitt 2 Monate nach den ersten Symptomen
diagnostiziert und führt unbehandelt zum Tod 4 – 6 Monate später.
Merke
Diese Daten zeigen nochmals das große Zeitfenster für eine mögliche Früherkennung
des PDAC [9].
Fallbeispiel
Diagnostisches Vorgehen
Stationär erfolgt die Komplettierung der Diagnostik: Im MRCP sind ein beginnendes
„Double Duct Sign“ sowie eine diffusionsgestörte Raumforderung im Pankreaskopf darstellbar
([Abb. 1]). Bei rasch progredienter Cholestase erfolgt eine ERC mit Papillotomie und Anlage
von Plastikstent in den Ductus choledochus ([Abb. 2]). Die Bürstenzytologie ist negativ.
Nach der Stentanlage und Normalisierung der Cholestaseparameter fällt der Tumormarker
CA 19-9 von initial 450 U/ml auf 75 U/ml. Im CT besteht kein Anhalt für Fernmetastasen,
und die V. portae erscheint lediglich komprimiert im Bereich des Confluens venosum
ohne Zeichen einer langstreckigen Tumorinfiltration ([Abb. 3]).
Bei dringendem V. a. resektables Pankreaskopfkarzinom besteht die Indikation zur primären
kurativen Resektion.
Abb. 1 MRCP mit beginnendem „Double Duct Sign“.
Abb. 2 ERC mit dilatiertem Gallengangysystem und Plastikstent in situ.
Abb. 3 Präoperatives CT mit darstellbarem Stent und resektablem Befund.
Epidemiologie
Die Inzidenz des PDAC variiert weltweit stark und ist am höchsten in den industrialisierten
Ländern, was hauptsächlich durch bessere Diagnostik und statistische Erfassung zu
erklären ist und nicht unbedingt durch ätiologische Unterschiede. In der Europäischen
Union ist PDAC aktuell der siebthäufigste maligne Tumor mit knapp über 100 000 neuen
Fällen und 95 000 verstorbenen Patienten im Jahr 2018 [10].
In Deutschland erkranken seit 2012 stets über 17 000 Menschen pro Jahr, was eine Inzidenz
von ca. 12/100 000 ergibt. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 72,
für Frauen bei 75 Jahren. Allein durch die Alterung der Bevölkerung ist eine weitere
Zunahme auf über 22 000 Neuerkrankungen pro Jahr in den nächsten 20 Jahren zu erwarten
[4].
Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose befinden sich mindestens 50% der Patienten in einem
fernmetastasierten Stadium der Erkrankung. Am häufigsten treten hepatische, pulmonale
und ossäre Metastasen auf.
Weitere 30% der Betroffenen leiden an einem lokal fortgeschrittenen Tumor, sodass
lediglich 20% einen lokal begrenzten Befund haben und somit Kandidaten für eine primär
kurativ intendierte Therapie darstellen.
Überlebensraten
Laut epidemiologischen Daten beträgt das durchschnittliche Überleben
-
im Stadium I: 25 Monate,
-
im Stadium II: 12 Monate,
-
im Stadium III: 8 Monate und
-
im Stadium IV: bis 4 Monate ([Abb. 4]).
Die relative 5-Jahres-Überlebensrate ist ausgesprochen ungünstig und liegt in Deutschland
für alle Tumorstadien zusammen bei lediglich 10% [4].
Abb. 4 Stadieneinteilung des duktalen Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) anhand der Bildgebung
und Prognose.
Merke
Damit weist das PDAC die niedrigsten Überlebensraten und schlechteste Prognose unter
allen Krebserkrankungen auf.
Mit Bezug auf die meisten krebsbedingt verlorenen Lebensjahre führt das PDAC mit 16,6
Jahren Lebensverlust mit deutlichem Abstand vor bösartigen Tumoren des Gehirns, des
Ösophagus und der Lunge [11]. In Europa führte das PDAC allein in 2014 zu etwa 1 Million verlorener Lebensjahre
mit einem Ausfall von mindestens 11 Quality-adjusted Life Years pro Patient [12].
Hintergrundinformation
Finanzielle Aspekte
Nicht zu unterschätzen ist die damit verbundene wirtschaftliche Belastung, welche
z. B. in Deutschland auf 4075 Euro monatlich pro Patient kalkuliert wurde, wobei die
meisten Kosten durch Hospitalisierung, chirurgische und interventionelle Therapie
und Chemotherapie entstehen [13]. Etwa ein Viertel der Patienten ist berufstätig zum Zeitpunkt der Diagnosestellung,
was zum kumulativen Produktionsverlust von mehreren Hunderttausend Euro führt [12].
Ätiologie
Das duktale Adenokarzinom des Pankreas kann sporadisch (90%), familiär (7%), und hereditär
(3%) auftreten. [Tab. 2] fasst die wichtigsten Risikofaktoren für das PDAC zusammen.
Am höchsten ist das Risiko bei manchen seltenen hereditären Erkrankungen mit Keimbahnmutationen
wie der hereditären chronischen Pankreatitis und der hereditären Mamma- und Ovarialkarzinome
mit Mutationen in BRCA1-, BRCA2- oder PALB2-Genen [10], [14].
Tab. 2 Risikofaktoren für das duktale Adenokarzinom des Pankreas PDAC.
Risikoklasse
|
Syndrome, Lebensweise
|
BRCA1/2 = Tumorsuppressorgene Breast Cancer1/2; FAMMM = familiäres atypisches multiples
Muttermal- und Melanom-(FAMMM-)-Syndrom; PDAC = Pancreatic ductal Adenocarcinoma (duktales
Adenokarzinom des Pankreas)
|
hereditäre Syndrome mit sehr hohem Risiko
|
hereditäre chronische Pankreatitis mit Keimbahnmutationen in PRSS1, SPINK1
hereditäre Mamma- und Ovarialkarzinome mit Mutationen in BRCA1-, BRCA2- oder PALB2-Genen
Peutz-Jeghers-Syndrom mit Mutationen in STK11-Gen
familiäres Pankreaskarzinom mit 2 oder mehr Verwandten I. Grades mit PDAC
FAMMM-Syndrom mit Mutationen in CDKN2a-Gen
|
genetische Alterationen mit hohem Risiko
|
familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Ataxie-Teleangiektasie-Syndrom
Falconi-Anämie
Von-Hippel-Lindau-Syndrom
Li-Fraumeni-Syndrom
|
externe Faktoren mit hohem Risiko
|
Nikotinkonsum
Alkoholkonsum
Adipositas
Diabetes mellitus Typ 2
chronische Pankreatitis
|
externe Faktoren unter Verdacht
|
schlechte Oralhygiene
häufiger Konsum von verarbeitetem Fleisch, gegrillten und geräucherten Speisen
hoher Zuckerkonsum
Pestizide, Fungizide, Herbizide
Chromverbindungen
chlorierte Kohlenwasserstoffe
elektromagnetische Felder
Kraftstoffdämpfe
|
externe Faktoren mit schützendem Effekt
|
regelmäßige körperliche Aktivität
Allergien
Vitamine A, B6
Verzehr von Gemüse
Verzehr von Obst
|
Die familiäre Häufung von Adenokarzinomen erhöht das Risiko für PDAC. Bei einem direkten
Angehörigen mit PDAC steigt das Erkrankungsrisiko 4,5-fach, bei 2 Angehörigen 6,4-fach
und bei 3 oder mehr direkten Angehörigen steigt das Risiko um das 32-Fache [15]. Dabei ist unklar, ob dahinter gemeinsame Erbanlagen oder aber auch ein gemeinsamer
Lebensstil stehen [16].
Merke
Nikotinabusus stellt den wichtigsten modifizierbaren Risikofaktor dar, und die Mehrzahl
der Fälle wird ihm geschuldet. Rauchen erhöht dabei nicht nur das Risiko für ein Pankreaskarzinom,
sondern führt zur Erkrankung in früherem Lebensalter.
Der übermäßige Alkoholkonsum wurde erst kürzlich wissenschaftlich als unabhängiger
Risikofaktor belegt. Alkohol erhöht direkt das Risiko für PDAC durch seine zytotoxische
Wirkung, aber auch indirekt als häufigster Auslöser einer chronischen Pankreatitis,
welche durch rezidivierende inflammatorische Episoden über die Jahre selbst einen
Auslöser für PDAC darstellt. Die Frage, ob Diabetes mellitus Typ 2 eher ein frühes
Zeichen des Pankreaskarzinoms ist oder eine ursächliche Rolle spielt, bleibt noch
offen. Der Einfluss von weiteren lebensstilbezogenen Risikofaktoren, insbesondere
von verschiedenen Lebensmitteln, sowie Umweltfaktoren ist noch nicht eindeutig geklärt
[4], [14], [16].
Symptomatik
Die Symptomatik des PDAC ist unspezifisch und tritt spät auf. Die am häufigsten angegebenen
Beschwerden fasst die Infobox zusammen.
Übersicht
Häufigste Symptome bei duktalem Adenokarzinom des Pankreas
Paraneoplastische Syndrome wie Thrombophlebitis migrans oder Panniculitis nodularis
sind möglich.
In der Regel äußern sich Pankreaskopfkarzinome mit einem schmerzlosen Ikterus und Pankreaskorpuskarzinome mit progredienten Rückenschmerzen.
Pankreasschwanzkarzinome bleiben aufgrund der uncharakteristischen Beschwerden am längsten unentdeckt und
werden erst sehr spät durch progredienten Gewichtsverlust, Rückenschmerzen oder Auswirkungen
ihrer Fernmetastasen präsent wie Aszites durch Peritonealkarzinose, Knochenschmerzen
durch Skelettmetastasen oder neurologische Ausfälle bei Hirnmetastasen [14].
Fallbeispiel
Therapeutisches Vorgehen I
Die Operation erfolgt nach Gabe der Antibiotikaprophylaxe mit Cefotaxim und Metronidazol.
Subkutan werden prophylaktisch 100 µg Octreotid s. c. verabreicht.
Nach der queren Oberbauchlaparotomie erfolgt die Exploration mit Ausschluss von Metastasen.
Zunächst wird eine pyloruserhaltende Duodenohemipankreatektomie nach Traverso-Longmire
mit En-bloc-Entfernung von Pankreaskopf, Duodenum, Choledochus und Gallenblase durchgeführt
([Abb. 5]). Der Plastikstent wird entfernt und Galleabstrich für die Mikrobiologie entnommen.
Der makroskopisch bestehende V. a. Tumorinfiltration der V. portae wird im Schnellschnitt
aus dem Präparat bestätigt ([Abb. 6] u. [Abb. 7]). Es erfolgt eine kurzstreckige Pfortaderresektion über 2 cm mit Reanastomosierung
der Vene direkt oberhalb der Einmündung der V. lienalis ([Abb. 8]). Dabei wird die in diesem Bereich einmündende V. coronaria ventriculi mitreseziert.
Dadurch kommt es zu venösem Stau des Pylorus, sodass dieser im Sinne einer klassischen
Whipple-OP nachreseziert wird.
Abb. 5 Whipple-Präparat.
Abb. 6 Derbes weißlich-gelbliches Pankreaskopfkarzinom – Schnittfläche.
Abb. 7 Tumorinfiltration des Confluens venosum kurzstreckig (VMS = V. mesenterica superior).
Abb. 8 Situs nach Rekonstruktion der V. portae (VMS = V. mesenterica superior).
Diagnostisches Vorgehen
Merke
Die spät auftretenden Symptome, die manchmal schwierige histologische Sicherung, das
Auftreten der Erkrankung erst im hohen Alter bei polymorbiden Patienten, welche die
toxische Chemotherapie nicht vertragen, und die komplikationsträchtige Therapie stellen
große Probleme in der erfolgreichen Behandlung des Pankreaskarzinoms dar.
Die Frühdetektion des PDAC ist schwierig, da die Erkrankung selten ist, Symptome unspezifisch
sind und spät auftreten. Schwere Raucher und Patienten mit langjähriger chronischer
Pankreatitis sowie solche mit neu aufgetretenem Diabetes mellitus oder mit familiärer
Belastung für Karzinome präsentieren Risikogruppen, die bei Angabe von Beschwerden
von einer frühzeitigen gezielten Stufendiagnostik profitieren ([Abb. 9]).
Abb. 9 Diagnostischer Algorithmus bei duktalem Adenokarzinom des Pankreas (PDAC).
EUS-FNA = endoskopische Ultrasound-gestützte Feinnadelaspiration; KM-CT = Kontrastmittel-CT;
MRCP = Magnetresonanzcholangiopankreatikografie; ÖGD= Ösophagogastroduodenoskopie;
PET-CT = Positronenemissions-Computertomografie
Bildgebung
Merke
Das bildgebende Verfahren der Wahl ist die Dünnschicht-KM-CT mit nativer, arterieller
und portalvenöser Phase.
Die Sensitivität liegt bei 85 – 97% für die Diagnose von PDAC mit einer Größe > 3 cm,
allerdings fällt diese auf 65 – 75% für Tumoren unter 2 cm im Durchmesser. Moderne
MRT-Protokolle erlauben die Detektion von tumorbedingten Diffusionsstörungen und können
somit die diagnostische Sicherheit erhöhen [14], [15].
Die zwei Schlüsselfragen der bildgebenden Diagnostik sind
-
die Suche nach Fernmetastasen und
-
die Beurteilung der lokalen Resektabilität, die auf den Verhältnissen zwischen dem
Tumor und den großen benachbarten Viszeralgefäßen basiert.
Die Infiltration von Duodenum, Magen, Dickdarm oder anderen benachbarten Organen ist
von untergeordneter Bedeutung und hat keinen maßgebenden Einfluss auf die Resektabilität.
Der Lymphknotenstatus ist mittels der präoperativen Bildgebung sehr unsicher einschätzbar,
da weder die Morphologie noch die Größe der Lymphknoten mit einem Tumorbefall korreliert.
Bei eindeutigem resektablem Befund in der Bildgebung ist die präoperative histologische
Sicherung entbehrlich. In der palliativen Situation stellt die histologische Sicherung
eine obligate Voraussetzung vor dem Beginn der Chemotherapie dar. Bei metastasiertem
PDAC soll die Histologie aus den Metastasen gewonnen werden, um komplikative Pankreasbiopsien
zu vermeiden. Bei nicht metastasiertem lokal fortgeschrittenem PDAC ist dagegen eine
Histologiegewinnung aus dem Haupttumor unumgänglich.
Die endosonografische Feinnadelpunktion ist häufig in der Lage, eine wenig invasive
histologische Sicherung lokal inoperabler Karzinome zu liefern. Wenn die Methode scheitert,
stellt die diagnostische Laparoskopie (LSK) mit direkten, ggf. sonografisch gesteuerten
Stanzbiopsien aus dem Tumor eine exzellente Alternative dar. Die Bürstenzytologie
zur Tumorsicherung sollte dagegen dringend vermieden werden [14], [17], [18], [19].
Merke
Die Staginglaparoskopie kann unnötige Laparotomien verhindern. Sie ist eine sinnvolle
Option bei selektierten Patienten mit Indizien für fortgeschrittene Erkrankung wie
großer Primarius (> 3 cm), multiple vergrößerte Lymphknoten, CA 19-9 > 500 U/ml, oder
bei massivem Gewichtsverlust.
Cave
Etwa 15% der lokal irresektablen oder fernmetastasierten duktalen Adenokarzinome des
Pankreas werden in der präoperativen Bildgebung falsch eingeschätzt und erst durch
die LSK als solche detektiert [17], [18].
Das Lewis-Antigen CA 19-9 ist der einzige Tumormarker, welcher Spezifität und Sensitivität
in der Diagnose von PDAC von über 80% erreicht und wird in allen gängigen Leitlinien
als Teil der Primärdiagnostik empfohlen. Allerdings macht ihn sein niedriger positiv
prädiktiver Wert ungeeignet zum Screeningbiomarker. Insgesamt sind Werte unter 200 U/ml
ein Zeichen für Resektabilität, und Werte über 1000 U/ml sind mit lokal fortgeschrittener
Erkrankung oder Fernmetastasen assoziiert [17], [18], [19], [20], [21]. CA 19-9 kann bei einer Reihe von anderen Erkrankungen wie Ovarialzysten, COPD,
Rheuma, Hashimoto-Thyreoiditis und insbesondere bei einer Cholestase erhöht sein.
Andererseits kann das CA 19-9 bei sogenannten „Nichtsekretoren“ auch bei großen Tumoren
im Normbereich liegen, sodass er bei etwa 5% der Patienten nicht indikativ ist [14], [17], [18], [19], [20], [21].
Fallbeispiel
Therapeutisches Vorgehen II
Die Rekonstruktionsphase beginnt mit einer End-zu-Seit-Duct-to-Mucosa-Pankreatikojeunostomie,
gefolgt von einer End-zu-Seit-Hepatikojejunostomie und einer antekolisch gelegenen
Gastrojejunostomie mit Braunʼscher Fußpunktanastomose.
Die im Rahmen der Lymphknotendissektion freiskelettierte A. hepatica wird in einem
gestieltem Lig.-teres-Patch umgewickelt als Schutz vor Arrosionsblutungen ([Abb. 10] u. [Abb. 11]). Es werden 2 Zieldrainagen an der Hepatikojejunostomie und Pankreatikojeunostomie
gelegt.
Abb. 10 Situs nach Komplettierung der Anastomosen im Oberbauch.
Abb. 11 Gastroenterostomie mit Fußpunktanastomose.
Resektabilität
Die rein anatomische Resektabilitätsdefinition basiert auf den Verhältnissen zwischen
dem Tumor und den großen Viszeralgefäßen und wurde von der International Study Group
on Pancreatic Surgery (ISGPS) erst 2014 festgelegt, basierend auf die existierenden
Empfehlungen des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) ([Tab. 3]).
Tab. 3 Konsensus-Klassifikation der International Association of Pancreatology (IAP) der
CT-basierten anatomischen Resektabilität bei Pankreaskarzinom (nach Daten aus [22]).
Resektabilitätsstatus
|
VMS/PV – Kontakt
|
AMS/TC/AHC – Kontakt
|
Aortakontakt
|
Fernmetastasen*
|
* Inklusive extraregionären LK paraaortal und extraabdominal.
AHC = A. hepatica communis; AHP = A. hepatica propria; AMS = A. mesenterica superior;
BRA = borderline resektabel – arteriell; BR-PV = borderline resktabel – Portalvene;
LA = lokal avanciert; M = metastasiert; R = resektabel; TC = Truncus coeliacus
|
R
|
kein Tumorkontakt oder
Kontakt < 180° mit unilateraler Einengung
|
kein Tumorkontakt
|
kein Tumorkontakt
|
keine
|
BR-PV
|
Tumorkontakt ≥ 180° oder
bilaterale Einengung bis oberhalb des Duodenalunterrandes
|
kein Tumorkontakt
|
kein Tumorkontakt
|
keine
|
BR-A
|
kein Tumorkontakt
|
AMS/TC-Kontakt < 180° ohne Gefäßdeformität
AHC-Kontakt wenn AHP/TC frei
|
kein Tumorkontakt
|
keine
|
LA
|
bilaterale Einengung bis unterhalb des Duodenalunterrandes
|
AMS/TC-Kontakt ≥ 180°
AHC-Kontakt mit AHP/TC-Beteiligung
|
Kontakt oder Infiltration
|
keine
|
M
|
egal
|
egal
|
egal
|
vorhanden
|
Ab 2017 international gültig sind die sogenannten ABC-Resektabilitätskriterien der
International Association of Pancreatology (IAP), welche neben den anatomischen (A –
anatomical), auch biologische Aspekte des Tumors (B – biological) und den konditionellen
Zustand des individuellen Patienten (C – conditional) berücksichtigen ([Tab. 4]) [22], [23].
Tab. 4 IAP-Konsensus-Klassifikation der BRPC (= Borderline resectable pancreatic Cancer)
nach dem ABC-Schema (nach Daten aus [22]).
Resektabilität
|
A
|
B
|
C
|
A – anatomical: Verhältnisse zu den Gefäßen
B – biological: CA 19-9 > 500 IU/ml oder befallene regionäre Lymphknoten (PET-CT oder
bioptisch)
C – conditional: ECOG Performance Status ≥ 2 (ECOG = Eastern Cooperative Oncology
Group; Lebensqualität-Index bei Krebspatienten)
neg: negativ für die o. g. Parameter
pos: positiv für die o. g. Parameter
Weitere Kombinationen möglich, z. B. BR-BC, BR-ABC, LA-ABC usw.
|
R
(resektabel)
|
R – Typ A
|
neg: R – Typ A
|
neg: R – Typ A
|
pos: BR – Typ B
|
pos: BR – Typ C
|
BR
(Borderline-resektabel)
|
BR – Typ A
|
neg: BR – Typ A
|
neg: BR – Typ A
|
pos: BR – Typ AB
|
pos: BR – Typ AC
|
LA
(lokal avanciert)
|
LA – Typ A
|
neg: LA – Typ A
|
neg: LA – Typ A
|
pos: LA – Typ AB
|
pos: LA – Typ AC
|
Tipp
Die genaue und reproduzierbare Beurteilung der anatomischen Resektabilität erfolgt
am besten mit einem Pankreas-Protokoll-KM-CT und ist für die therapeutische Strategie
entscheidend. Deswegen ist es äußerst wichtig, dass die Beurteilung des Lokalbefundes
bei Borderline- und irresektablen Tumoren möglichst immer durch einen erfahrenen Pankreaschirurgen
am Pankreaszentrum durchgeführt wird.
Cave
Die genaue Tumorausdehnung wird bildgebend aufgrund der ausgeprägten desmoplastischen
Reaktion häufig überschätzt. Besonders nach Chemotherapie ist die Genauigkeit der
Bildgebung sehr schwach.
Differenzialdiagnosen
Für den sicheren Ausschluss anderer differenzialdiagnostisch relevanter Erkrankungen
können ggf. zusätzliche apparative und laborchemische Untersuchungen notwendig sein
wie
Die häufigsten Differenzialdiagnosen des Pankreaskarzinoms sind:
-
neuroendokrine, zystische Pankreastumoren
-
SCN (serous cystic neoplasia = seröse zystische Neoplasie),
-
MCN,
-
IPMN (intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie)
-
Frantz-Tumor,
-
Metastasen:
-
Nierenzellkarzinom,
-
Melanom,
-
Pankreaskopfpseudotumor bei chronischer Pankreatitis,
-
Autoimmunpankreatitis.
Sarkome und extrapankreatische Neoplasien wie GIST des Magens/Duodenums oder Nebennierentumoren
oder Lymphome, welche engen Kontakt zum Pankreas in der Bildgebung zeigen, können
manchmal differenzialdiagnostische Schwierigkeiten bereiten.
Therapie
Teil 2 des Beitrags in der gleichen Ausgabe dieser Zeitschrift stellt die therapeutischen
Möglichkeiten des Pankreaskarzinoms vor, wobei die Chirurgie die einzige Chance auf
langfristiges Überleben bietet [1]. Die Behandlung von Patienten mit PDAC hat sich durch die Einführung neuer wirksamerer
Chemotherapieregimes in der letzten Dekade wesentlich verändert. Einerseits erbrachten
diese sowohl im palliativen, aber auch im adjuvanten Setting längere Überlebenszeiten.
Andererseits erlaubten die Fortschritte der Chirurgie und Chemotherapie die zunehmende
Etablierung neuer multimodaler neoadjuvanter Therapiekonzepte für lokal fortgeschrittene
Karzinome mit dem Ziel, eine sekundäre Resektabilität zu erreichen.
Fallbeispiel
Postoperativer Verlauf
Postoperativ wird die Patientin über Nacht auf der Intensivstation überwacht unter
Heparinisierung wegen der Venenrekonstruktion.
Postoperativ entwickelt sich eine Cholangitis. Im intraoperativen Galleabstrich zeigten
sich multiresistente Klebsiellen sowie Enterokokken, sodass die postoperative Antibiotikabehandlung
auf Meropenem und Linezolid für 10 Tage umgestellt wird. Die Octreotid-Gabe wird 1
Woche fortgeführt.
Die Patientin wird frühzeitig mobilisiert und kostaufgebaut. Drainagen werden bei
sistierter Sekretion am 9. Tag entfernt. Die Entlassung erfolgt am 14. Tag.
Die endgültige Histologie ergibt ein G3-Adenokarzinom des Pankreas pT3 N1 (1/32, LK-Ratio
0,03) M0 L1 V1 Pn1, UICC IIb, R0 wide.
Im Tumorboard wird bei ECOG0 eine adjuvante Chemotherapie mit mFolfirinox über 6 Monate
empfohlen. Diese wird nach 3-wöchigem Aufenthalt in einer Rehaklinik und nach Portanlage
in der 7. Woche postoperativ begonnen. Unter Chemotherapie entwickelt die Patientin
eine schwere periphere Neuropathie sowie rezidivierende Neutropenien, sodass die Chemotherapie
als dosisreduzierte Folfiri bis zu Ende fortgeführt wird (FOLFIRINOX ohne Oxaliplatin,
d. h. nur 3 Chemotherapeutika: 5-FU, Folinsäure und Irinotecan. Oxaliplatin wird nicht
mehr gegeben, da genau dieses Medikament für die erwähnten starken Nebenwirkungen
vernatwortlich ist.).
Ein Jahr nach der Operation zeigt der postoperativ normalisierte CA 19-9 eine progrediente
Erhöhung, und im CT findet sich eine diffuse hepatische Metastasierung mit Aszites
und V. a. Peritonealkarzinose. Es wird eine Chemotherapie mit Gemcitabin und Abraxane
begonnen, allerdings bei rascher Verschlechterung des Allgemeinzustandes wieder gestoppt
und auf Best Supportive Care umgestellt. Die Patientin wird auf die Palliativstation
aufgenommen und verstirbt an ihrer progredienten Tumorerkrankung 18 Monate nach der
Erstdiagnose.
Kernaussagen
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Das duktale Adenokarzinom des Pankreas („pancreatic ductal adenocarcinoma“, PDAC)
wird durch seine stets wachsende Inzidenz bis 2030 zur zweithäufigsten krebsbedingten
Todesursache in Europa aufsteigen.
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Seine Prognose ist mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von unter 10% die schlechteste
unter allen Krebsarten. Die Gründe dafür sind die späte Diagnosestellung wegen unspezifischer
Symptomatik, das hohe Metastasierungspotenzial und die Therapieresistenz sowie die
fehlenden Biomarker und Screeningmethoden zur Frühdetektion.
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Das duktale Adenokarzinom des Pankreas tritt weitaus am häufigsten sporadisch (90%),
aber auch familiär (7%) und hereditär (3%) auf.
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Die Symptomatik des PDAC ist unspezifisch und tritt spät auf.
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Eine frühe Diagnostik des PDAC ist schwierig, zum Screening geeignete Tumormarker
sind nicht bekannt.
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Das bildgebende Verfahren der Wahl bei V. a. PDAC ist die Dünnschicht-KM-CT mit nativer,
arterieller und portalvenöser Phase.
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Die spät auftretenden Symptome, die manchmal schwierige histologische Sicherung, das
Auftreten der Erkrankung erst im hohen Alter bei polymorbiden Patienten, welche die
toxische Chemotherapie nicht vertragen, und die komplikationsträchtige Therapie stellen
große Probleme in der erfolgreichen Behandlung des Pankreaskarzinoms dar.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist PD Dr. med. Orlin Belyaev, Bochum.