Nervenheilkunde 2019; 38(12): 879-880
DOI: 10.1055/a-0952-7401
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nervenheilkunde

Zeitschrift für interdisziplinäre Fortbildung
Holger Lerche
1   Tübingen
,
Stefan Wolking
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Holger Lerche und Stefan Wolking
Tübingen

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Publication Date:
17 December 2019 (online)

 
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Prof. Dr. med. Holger Lerche Ärztlicher Direktor Abt. Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie Hertie Institut für Klinische Hirnforschung Universitätsklinikum Tübingen
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Dr. med. Stefan Wolking Abt. Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie Hertie Institut für Klinische Hirnforschung Universitätsklinikum Tübingen

Aktuelles aus der Epileptologie

Die Epileptologie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Von einem Fach mit relativ geringem Verständnis für pathophysiologische Vorgänge und zugrunde liegenden Mechanismen, hin zu teilweise gut verstandener Pathogenese. Von wenigen gut etablierten Therapien, hin zu einer Vielfalt von neuen Therapiemöglichkeiten, und zwar sowohl solchen Therapien, die mehr oder minder zufällig entdeckt wurden – wie es immer noch bei vielen Medikamenten der Fall ist – als auch solchen, die speziell auf neu entdeckten Mechanismen beruhen und diese antagonisieren. Fünf Artikel in diesem Heft beschäftigen sich mit neuen Erkenntnissen aus ganz unterschiedlichen Gebieten, einerseits sehr klinisch geprägten, andererseits mehr forschungsgetriebenen Themen. Dabei kommt es allen Artikeln auf den klinischen Praxisbezug an, auch denen, die mehr aus der Forschung heraus resultieren.

Im ersten Artikel gehen Lara Kay et al. auf die aktuell wichtigsten medikamentösen Therapieoptionen ein und zeigen Charakteristika, Dosierungen und Nebenwirkungsspektren der gängigsten Antianfallsmedikamente auf. Die Autoren gehen insbesondere auf aktuellste Behandlungsmöglichkeiten des Status epilepticus ein, für den in den letzten Jahren zunehmend neue Optionen für die i.v.-Therapie verfügbar wurden. Es zeichnet sich ab, dass diese einfacher handhabbar und sicherer als ältere Medikamente, wie Phenytoin und Phenobarbital, sind. Mit diesem Beitrag können Sie auch Punkte für die CME-Fortbildung erlangen.

In der zweiten Arbeit fassen Stefan Wolking und Holger Lerche die neuesten Erkenntnisse der Genetik zusammen. Dabei geht es nicht um eine Aufschlüsselung der mehreren Hunderten von Gene, die mittlerweile mit Epilepsie assoziiert sind, und die sich – wie in anderen Gebieten der Neurologie und Medizin auch – niemand mehr merken kann, sondern vielmehr um das Grundverständnis zum Beitrag häufiger und seltener genetischer Varianten zu den sehr verschiedenen seltenen und häufigen, generalisierten und fokalen Epilepsiesyndromen. Während für einzelne Gene und Varianten der klinische Nutzen offensichtlich ist und bereits zu klaren therapeutischen Konsequenzen geführt hat, ist dies für andere, insbesondere häufige Varianten noch zu zeigen. Auch die Hoffnung, dass wir Wirkungen und Nebenwirkungen von Pharmaka aufgrund des genetischen Profils vorhersagen können, hat sich als sehr schwierig beweisbar herausgestellt, weil sehr große Kohorten von exzellent charakterisierten Patienten notwendig sind, um dies zu zeigen. Es gibt allerdings einige erste Beispiele.

Der nächste Artikel von Justus Marquetand und Kollegen fasst die wichtigsten bildgebenden Befunde bei Epilepsien sehr anschaulich zusammen. Er zeigt zudem den Beitrag der Bildgebung auf, um bisher nicht sichtbare epileptogene Hirnregionen zu identifizieren, das Verständnis der Epilepsien zu schärfen, als auch deren Rollen in der Trennung und Erkennung von unterschiedlichen Epilepsiesyndromen. Die Bildgebung ist mittlerweile ein dem EEG mindestens ebenbürtiges diagnostisches Werkzeug, vor allem in einigen Bereichen der Fokussuche, Läsionsidentifikation und prächirurgischen Epilepsiediagnostik. Zudem gibt es viele neue Verfahren, von der Hochfeld-MRT bis zur Resting-State-Netzwerkanalyse, mit denen die Charakteristika und das Verhalten von epileptischen Läsionen und Netzwerken besser verstanden werden können, und die in Zukunft hoffentlich auch klinisch einsetzbar sein werden.

Ein weiterer Artikel von Pitt Niehusmann und Albert Becker berichtet über neueste Erkenntnisse und Charakteristika der wichtigsten Entitäten von epileptogenen Läsionen: die Hippocampussklerose, fokale kortikale Dysplasien und epilepsieassoziierte Tumoren. Die Autoren legen die Zusammenhänge zwischen histologischen und bildgebenden Befunden dar und gehen auf die molekularen Grundlagen ein, soweit diese bekannt sind. Auch daraus ergeben sich sehr interessante neue therapeutische Perspektiven. Schließlich berichten sie über den aktuellen Stand der zusätzlichen Entität der ausschließlichen Gliose, die sich von den zuvor genannten und der Hippocampussklerose klar abgrenzen lässt.

Schließlich berichten Robert Nass und Rainer Surges über alle wichtigen Gegebenheiten zum plötzlichen unerwarteten Tod bei Epilepsiepatienten, kurz SUDEP. Das Auftreten, die Häufigkeit, assoziierte klinische Merkmale sowie moderne Möglichkeiten der Detektion und Prävention werden in diesem Artikel sehr anschaulich zusammengefasst. Es wird zudem auf den wichtigen Aspekt der Aufklärung eingegangen.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Auswahl ein interessantes wie auch klinisch relevantes und praktisches Spektrum der modernen Epileptologie bieten zu können und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.


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Holger Lerche und Stefan Wolking
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Prof. Dr. med. Holger Lerche Ärztlicher Direktor Abt. Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie Hertie Institut für Klinische Hirnforschung Universitätsklinikum Tübingen
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Dr. med. Stefan Wolking Abt. Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie Hertie Institut für Klinische Hirnforschung Universitätsklinikum Tübingen