Das Osteoidosteom ist ein gutartiger knochenbildender Tumor und tritt vorwiegend bei
Kindern und Jugendlichen auf. Das Osteoidosteom macht etwa 10 % aller gutartigen Knochen-Neoplasien
aus. Er wird klinisch auffällig durch eine ausgeprägte Nachtschmerzsymptomatik. Typischerweise
zeigt diese Schmerzsymptomatik auch ein deutliches Ansprechen auf die Einnahme von
Acetylsalicylsäure oder auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR).
Charakteristisch ist ein strahlentransparenter Nidus, der am verlässlichsten in der
Computertomografie (CT) mit Schichtdicken unter 2 mm detektiert werden kann. Der Nidus
kann hierbei zentrale Verkalkungen zeigen. Der nichtverkalkte Nidus stellt sich typischerweise
signalarm in T1-gewichteten Sequenzen und signalreich in T2-gewichteten Sequenzen
der Magnetresonanztomografie (MRT) dar.
Dieser Nidus ist als der eigentliche Tumor anzusehen und in Abgrenzung zu Osteoblastomen
definitionsgemäß kleiner als 1,5 cm. Der Nidus ist zumeist von einer ausgeprägten
Sklerose-Reaktion umgeben – vor allem bei intrakortikaler Lage im Knochen, die aber
zum Beispiel bei juxtaartikulärer oder rein auf den Markraum des Knochens beschränkter
Lage auch nahezu vollständig fehlen kann. Bisweilen zeigt sich bei gelenknaher Lage
eine Entkalkung der gelenknahen Knochenabschnitte und eine Synovialitis. Der Tumor
verursacht trotz seiner geringen Größe starke, vor allem nächtliche Schmerzen, bedingt
durch eine vermehrte Prostaglandin-Produktion im Nidus. Diese führt über eine lokale
Entzündungsreaktion, Vasodilatation und erhöhte Kapillarpermeabilität zu einer Reizung
afferenter Nerven und einer perifokalen, ebenfalls schmerzhaften Ödem-Bildung. Befindet
sich der Tumor intraartikulär, sind die Symptome meist unspezifischer. Läsionen, die
nahe der Epiphysenfuge liegen, können Wachstumsstörungen verursachen und über eine
begleitende Synovialitis zu sekundären, regressiven Veränderungen des Gelenkknorpels
führen. Patienten mit spinalen Läsionen entwickeln zum Teil eine reversible skoliotische
Fehlhaltung. Mehr als 50 % der Osteoidosteome sind in Femur und Tibia lokalisiert.
Der Nidus ist stark vaskularisiert, was sich in einer deutlichen Kontrastmittelaufnahme
in der MRT äußert, die mittels Kontrastmitteldynamik gut demonstriert werden kann.
Die starke Vaskularisierung des Nidus äußert sich in der Perfusionsphase der Knochenszintigrafie
als zentrale Anreicherungszone, umgeben von einer weiteren Mehrspeicherung in der
Spätphase im Bereich der Sklerose-Reaktion, was auch als „double density sign“ beschrieben
wurde.
Differenzialdiagnostisch ist das Osteoblastom abzugrenzen, das eine dem Osteoidosteom
ähnliche Morphologie und Histologie vorweisen kann und dann als eine besonders große
Manifestationsform des Osteoidosteoms zu betrachten ist (benignes Osteoblastom oder
Riesenosteoidosteom) mit einem Nidusdurchmesser von mehr als 1,5 cm bzw. als ein Osteoidosteom
mit starker Wachstumstendenz. Aber trotz der histologischen Ähnlichkeit zu den Osteoidosteomen
besitzen Osteoblastome zum Teil andere klinische Charakteristika (Bevorzugung der
Wirbelsäule, variable Schmerzsymptomatik, geringere Kortikalis-Reaktion) und manche
Osteoblastome weisen einen aggressiveren histologischen und radiologischen Aspekt
auf, sodass immer eine histologische Sicherung bei diesen Tumoren angestrebt werden
sollte. Des Weiteren stellt die herdförmig begrenzte Osteomyelitis, der sogenannte
„Brodie-Abszess“, eine wichtige Differenzialdiagnose dar.
Therapie der Wahl des Osteoidosteoms ist die minimalinvasive Radiofrequenzablation
(RFA), welche eine komplikationsarme, zielgenaue Destruktion des Tumorgewebes ermöglicht
und eine exzellente klinische Erfolgsrate aufweist. Die einfache Anbohrung des Nidus
mit optionaler nachfolgender Ethanol-Injektion hat eine deutlich geringere Erfolgsrate.
Die chirurgische Resektion wurde von der bildgesteuerten RFA als Therapie der Wahl
abgelöst. Die CT-gesteuerte, minimalinvasive RFA von Osteoidosteomen wurde erstmals
im Jahre 1992 beschrieben und weist im Langzeitverlauf klinische Erfolgsraten von
über 90 % auf, bei durchschnittlichen Komplikationsraten von ca. 3 %. Bei der RFA
wird hochfrequenter Wechselstrom über eine Elektrode in das Nidusgewebe appliziert.
Zwischen der RFA-Sonde, die aus einem Metallschaft besteht, der bis auf die aktive
Spitze abisoliert ist, und der Neutralelektrode kommt es so zum freien Stromfluss.
Die Spannungs- und Stromdichte hat, bedingt durch die geringe Oberfläche der Sondenspitze,
an der aktiven RFA-Elektrode ihr Maximum und verursacht dort eine Gewebserwärmung
bis zur Nekrose. Die Größe des ellipsoiden Ablationsareals kann dabei abhängig von
der gewählten aktiven Spitze über folgende Formel abgeschätzt werden:
Die RFA erfolgt im Regelfall in Vollnarkose und wird unter CT-Kontrolle unter Verwendung
dünnschichtiger Niedrigdosis-Protokolle durchgeführt. Der Zugangsweg wird möglichst
rechtwinklig zur Knochenoberfläche geplant, um ein Abgleiten der Knochenstanze oder
des Bohrers zu verhindern. Je nach Lage der Läsion wird zur Schonung verletzlicher
Gefäß- oder Nervenstrukturen ein Zugangsweg durch die Gegenkortikalis bevorzugt; bei
gelenknaher Lage ist ein extraartikulärer Zugang zu wählen.
Durch Nutzung thermaler Protektionstechniken wie der Applikation von Luft in den Epiduralraum
zur Vergrößerung des Abstands zwischen Rückenmark bzw. Spinalnerven und dem Nidus,
dem Einsatz einer 3D-Zugangsplanung und dem Einsatz multipler Ablationspositionen
sowie Temperatursensoren ist inzwischen die Ablation von Tumoren in der Wirbelsäule
mit engem Lagebezug zu Nerven oder dem Spinalkanal und Nidusdurchmessern von über
2 cm möglich. Ist der Nidus spindelförmig bzw. überschreitet der Durchmesser 1 Zentimeter,
empfiehlt sich eine Ablation in mehreren überlappenden Sondenpositionen (in domo werden
aktive Spitzen der RFA-Sonde von 7 mm und 10 mm verwendet), da erfahrungsgemäß auch
geringe Volumina noch vitalen Nidusgewebes ein Rezidiv oder persistierende Schmerzen
zur Folge haben können. Die Ablation an sich erfolgt dann in domo jeweils über 400
Sekunden mit einer Zieltemperatur von 90 Grad Celsius. Eine Ablation des Punktionstraktes
ist aufgrund der Benignität des Osteoidosteoms nicht notwendig. Die in der Literatur
am häufigsten beschriebene Komplikation ist die Verbrennung der Haut um die Punktionsstelle
bei relativ oberflächlich gelegenen Osteoidosteomen oder aber auch an der Neutralelektrode.
Eine weitere nennenswerte Komplikation sind postinterventionelle Frakturen um den
Bohrkanal; daher empfehlen wir bis zu 6 Wochen Sportkarenz nach RFA von Röhrenknochen,
die das Körpergewicht tragen.
Andere minimalinvasive Verfahren zur Behandlung des Osteoidosteoms, wie die Laserablation,
die Mikrowellenablation, der hochintensive fokussierte Ultraschall und die Kryoablation,
haben sich bisher nicht als Therapie der Wahl etablieren können.
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass das Osteoidosteom als gutartiger knochenbildender
Tumor vorwiegend Kinder und Jugendliche betrifft und sich durch ausgeprägte Nachtschmerzen
manifestiert. Die Diagnosestellung ist durch den Nachweis des hypodensen Nidus innerhalb
einer hyperdensen Sklerose-Wolke mittels CT und einer starken Kontrastmittelaufnahme
im Nidus mittels dynamischer MRT meist problemlos möglich. Therapie der Wahl ist die
RFA ([Abb. 1]), die eine komplikationsarme und sichere Behandlung ermöglicht.
Abb. 1 Komplikationslose, CT-gesteuerte Radiofrequenzablation in Vollnarkose eines Osteoidosteoms
metaphysär-kortikal am medialen Collum chirurgicum des proximalen Humerus bei einer
18-jährigen Frau. A kontrastverstärkte fettsupprimierte T1-Wichtung koronar; B kontrastverstärkte fettsupprimierte T1-Wichtung axial; C koronare T1-Wichtung; D Röntgen a.-p.; E CT in koronar Reformation; F CT axial; G Zugangsweg zum Nidus; H, I RFA-Elektrode im Nidus, sagittale Ansicht; J RFA-Elektrode im Nidus, koronare Ansicht. Deutliches Knochenmarködem in der MRT (Pfeil
in A), der Nidus (Pfeile) ist in der CT (E, F) besser abgrenzbar als in der MRT (B, C) und im Röntgen (D). Indikation zur RFA bei progredienter Schmerzsymptomatik mit regelmäßiger Einnahme
von NSAR und einer funktionellen Einschränkung des gesamten rechten Arms bei Ausstrahlung
bis in die Hand (Schmerzintensität gemäß visueller Analogskala (VAS) von 8 auf einer
Skala von 0–10). Intervention mit direkter Punktion des Nidus bei eleviertem Arm mittels
koaxialem Punktionssystem (11G× 6 cm) unter CT-Kontrolle (G). Im Anschluss Einbringen der Ablationselektrode (5 mm aktive Spitze) und Positionierung
der aktiven Spitze im Nidus mit vorsichtigem geringem Ausfahren der Arrays (H–J). Nach Bestätigung der korrekten Lage im angestrebten Ablationsareal erfolgt die
Radiofrequenzablation mit einer Temperatur von 90 °C über eine Ablationszeit von 400 Sekunden
bei 50 Watt. Am nächsten Morgen, ca. 21 h nach Intervention, gibt die Patientin keine
Schmerzen mehr an (Schmerzintensität von 0 auf VAS-Skala von 0–10). Zudem freie Beweglichkeit
des Arms.