Einleitung
In Deutschland ist etwa jedes 15. Neugeborene von einer großen (angeborenen) Fehlbildung
betroffen (ca. 49 000/Jahr).
Ziel sonografischer Untersuchung ist nicht die Geburt eines „designten“ Kindes, sondern
bei nachgewiesenen Auffälligkeiten die Sicherung einer optimalen Betreuung während
der verbleibenden Restschwangerschaft, Vermittlung von Beratungsmöglichkeiten für
die prospektiven Eltern, Wahl eines geeigneten Entbindungsortes (Perinatalzentrum)
mit entsprechender interdisziplinärer (z. B. kinderkardiologischer oder kinderchirurgischer)
Kompetenz. Entsprechend der Diagnose kann auch die vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft
unter Berücksichtigung der geltenden Bestimmungen (u. a. § 218 StGB, Schwangerschaftskonfliktgesetz)
Resultat einer vorgeburtlichen Diagnostik sein.
Als Indikatorfehlbildungen werden 36 exakt definierte Fehlbildungen bezeichnet, die
als strukturelle Defekte des Körpers und/oder von Organen die Lebensfähigkeit und
die Lebensqualität beeinflussen bzw. einer medizinischen Intervention bedürfen. Fehlbildungen
der Lunge werden im Rahmen der sog. Indikatorfehlbildungen (definiert vom International
Clearinghouse for Births Defects Surveillance and Research (ICBDSR)) nicht explizit
benannt. Die angeborene Zwerchfellhernie (ICD-10: Q61.1-Q61.9) gehört zu den Indikatorfehlbildungen
und wird wegen der Bedeutung für die fetale Lungenentwicklung hier ausdrücklich erwähnt.
Insgesamt sind Lungenfehlbildungen seltene Ereignisse. Weitaus häufiger werden angeborene
Herzfehler oder Erkrankungen der Nieren und ableitenden Harnwege des Fötus beobachtet.
Der frühzeitigen, möglichst pränatalen Erkennung von Lungenfehlbildungen kommt wegen
der zentralen Bedeutung der ungestörten Lungenfunktion beim Neugeborenen eine große
Bedeutung zu.
Unilaterale Lungenagenesie
Unilaterale Lungenagenesie
Es handelt sich um eine sehr seltene Hemmungsmissbildung mit fehlender oder rudimentärer
Entwicklung des ipsilateralen Bronchus. Die Prävalenz wird mit 0,0034–0,0097 % angegeben.
Die geschätzte Inzidenz (Autopsie-Daten) liegt bei 1:15 000.
-
linksseitig häufiger, manchmal Kombination mit Vitium cordis (Fallot’sche Tetralogie)
-
rechtsseitige Lungenagenesie führt zur Obstruktion von großen Gefäßen und Atemwegen,
häufig Kombination mit Herzfehlern (Lungenvenenfehleinmündung, VSD, Aortenisthmusstenose)
-
Ausdehnung der kontralateralen Lunge bis auf die Gegenseite, Gefahr der Hyperperfusion,
Neigung zur pulmonalen Hypertonie
Sonografie:
Lungenhypoplasie
Die Inzidenz der Lungenhypoplasie wird in Autopsie-Serien mit bis zu 10 % und ca.
2/1000 Lebendgeborene angegeben. Eine Lungenhypoplasie wird definiert als Zustand,
bei dem das kombinierte Lungengewicht weniger als 1,2 % des Körpergewichts bzw. das
Lungenvolumen < 60 % des üblichen Lungenvolumens beträgt oder der sog. „radial alveolar
count“ mit < 4 ermittelt wurde.
Für die normale intrauterine Entwicklung der fetalen Lungen sind verschiedene Faktoren
maßgeblich notwendig. Eine Schlüsselrolle kommt einer normalen Fruchtwassermenge zu.
Fetale Kompression bei Oligo- oder Anhydramnion (z. B. als Folge eines vorzeitigen
Blasensprungs, bei renaler Agenesie, bei schwerer obstruktiver Uropathie, fetaler
Nierenfunktionsstörung (Zystennieren)) begünstigen eine Lungenhypoplasie. Eine kongenitale
Zwerchfellhernie (CDH) führt sekundär zu einer Entwicklungsstörung der primär normal
angelegten Lunge ([Tab. 1]).
Tab. 1
Ursachen einer Lungenhypoplasie (Elsässer M. Fetaler Thorax 2013).
ausgeprägtes Oligohydramnion
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langanhaltender (vorzeitiger) Blasensprung
Nierenagenesie beidseits
Nierendysplasie beidseits
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intrathorakale Raumforderung
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Zwerchfellhernie (CDH)
Pleuraerguss
Kardiomegalie
CCAML
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enger Thorax
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Skelettdysplasie
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Syndrome
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Pena-Shokeir-Syndrom
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Chromosomenstörung
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Trisomie 13
Trisomie 18
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primäre Lungenhypoplasie
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Sonografie:
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Beurteilung der Fruchtwassermenge
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Amnion-Fluid-Index (AFI), Oligohydramnion AFI < 5. Perzentile, Polyhydramnion > 95.
Perzentile
-
Single deepest pocket (SDP),
-
Nachweis von Magen, Leber, Darm im Thorax des Fötus; Mediastinal-Verlagerung
-
fetaler Pleuraerguss
-
Thorax-Form
Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation der Lunge (CCAML)
Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation der Lunge (CCAML)
Die CCAML ist die häufigste angeborene Lungenfehlbildung, aber mit einer Häufigkeit
von 1:8300–1:35 000 trotzdem relativ selten. Ursache der CCAML ist eine Fehlentwicklung
des Bronchialbaums mit einem gesteigerten Wachstum der terminalen Bronchiolen. Das
zum Zeitpunkt der Entwicklungsstörung vorliegende Gestationsalter hat vermutlich einen
Einfluss auf den Typ der CCAML. Die CCAML wird häufiger beim männlichen Fötus beobachtet
und tritt in 80–95 % einseitig auf (weniger als 2 % bilateral) ([Tab. 3], [Abb. 1], [2], [3]).
Tab. 3
Subtypen der CCAML (Mod. n. Hummler und Stocker).
Suptyp
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Häufigkeit
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Morphologie
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Kommentar
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Typ 0
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1–3 %
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diffuse Malformation der gesamten Lunge
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postnatal schweres Atemversagen, letaler Verlauf
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Typ I[1]
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60–70 %
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Zysten 2–10 cm, singulär, gelegentlich multilokulär, meist nur einseitig
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Atemnot, Mediastinal-Verlagerung
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Typ II[2]
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15–20 %
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Zysten 0,5–2 cm, ähnelt Lungensequester, hat im Gegensatz dazu aber keine Gefäßversorgung!
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häufig Begleitfehlbildungen Gastrointestinaltrakt, Nieren, Zwerchfell, ZNS
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Typ III2
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5–10 %
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sehr viele kleine Zysten bis 0,5 cm, häufig ganzer Lappen betroffen
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schwere Atemnot postnatal,
Hydrops fetalis, Polyhydramnion,
intrauteriner Fruchttod,
schlechte Prognose
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Typ IV1
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10–15 %
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Zysten bis 7 cm
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Zufallsbefunde nach Geburt häufig, postnatale Infektionen oder Pneumothorax
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1 maligne Entartung möglich.
2 keine maligne Entartung beschrieben.
Abb. 1 CCAML Typ III, 40-jährige Patientin, Sechstgravida, Zweitpara (2 gesunde Kinder,
3x Abort). 21. SSW. Thorax-Querschnitt mit hyperechogener kleinzystisch veränderter
fetaler Lunge und Mediastinal-Verdrängung (fetales Herz in die rechte Thoraxregion
verdrängt) (Fall UFK Rostock, 2006).
Abb. 2 CCAML Typ III, Fall wie Abb. 1, Polyhydramnion – tiefstes Fruchtwasser-Depot 8,21 cm
(SDP-Methode).
Abb. 3 CCAML Typ III, Fall wie Abb. 1, nach umfänglicher Beratung der Schwangeren im Konsens
Entscheidung zur vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft; Fötus nach Abortinduktion:
Herz in den rechten Thorax verlagert, gesamte linke Lunge kleinzystisch verändert
und überbläht; histologische Bestätigung.
Spontanregressionen in der Schwangerschaft sind – häufiger bei singulären oder großzystischen
Befunden – beschrieben. Mikrozystische Läsionen sind häufiger mit Hydrops fetalis
und Polyhydramnion assoziiert und haben eine schlechtere Prognose.
Die Diagnosestellung erfolgt in ca. 50 % der Fälle pränatal.
Sonografie:
-
zystische Läsionen der fetalen Lunge
-
Polyhydramnion
-
Mediastinal-Verdrängung
-
Abgrenzung zum Lungensequester
-
(ergänzend pränatal MRT möglich)
Lungensequester
Als Lungensequester wird dysfunktionelles Lungengewebe bezeichnet, das nicht an den
Tracheobronchialbaum angeschlossen ist und in der Regel eine direkte Gefäßversorgung
aus der Aorta aufweist. Intralobäre (in der Lunge und von der gleichen Pleura umgeben)
werden von extralobären Lungensequestern (25 % der Fälle) abgegrenzt. 75–90 % der
Lungensequester sind intrapulmonal lokalisiert, zumeist in den Unterlappen. Extralobäre
Lungensequester werden vor allem links zwischen Unterlappen und Zwerchfell (90 % supradiaphragmatisch,
10 % subdiaphragmatisch) beobachtet. Der venöse Abstrom erfolgt über die pulmonalen
Venen (intralobäre Lungensequester) bzw. die V. azygos (extralobäre Lungensequester)
([Abb. 4], [5]).
Abb. 4 Lungensequester 22. SSW (mit freundlicher Genehmigung Dr. Th. Külz, Praxis für Pränataldiagnostik
Rostock).
Abb. 5 Lungensequester mit zuführendem Gefäß aus der Aorta thoracalis, 22. SSW (gleicher
Fall wie Abb. 4) (mit freundlicher Genehmigung Dr. Th. Külz, Praxis für Pränataldiagnostik
Rostock).
Sonografie:
-
Hyperechogenität der extralobären Lungensequester im Vergleich zum normalen Lungengewebe
([Tab. 2])
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Gefäßdarstellung (farbcodierte Dopplersonografie)
-
gelegentlich Pleuraerguss (6–10 % der Fälle)
-
Begleitfehlbildungen möglich (CDH, CCAML, Vitium, Nieren, Cerebrum, Skelett) (extralobäre
Lungensequester 60 %; intralobäre Sequester 10 %)
-
(ergänzend pränatal MRT möglich)
Tab. 2
Ursachen einer sonografisch hyperechogenen Lunge (Elsässer M. Fetaler Thorax 2013).
Differenzialdiagnosen
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Zwerchfellhernie (Magen, Darm, Leber)
CCAML
Lungensequestration
bronchogene Zyste
Congenital high Airway Obstruction (CHAOS, Tracheal- oder Larynxatresie)
Rhabdomyom
Mediastinaltumor
Thymustumor
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Zwerchfellhernie
Zwerchfellhernien (congenital diaphragmatic hernia, CDH) zählen zu den seltenen, je
nach Ausprägungsgrad aber schwerwiegenden angeborenen Fehlbildungen. Dabei kann das
Zwerchfell partiell oder vollständig fehlen, wobei bevorzugt die linke Seite betroffen
ist (80–90 % linksseitig; 10–20 % rechtsseitig). Im Gegensatz zum Zwerchfelldefekt
ist bei der Hernie ein peritonealer Bruchsack in den Thorax verlagert. Die Inzidenz
wird mit 1:2000 bis 1:5000 angegeben. Die Genese von Zwerchfellhernien ist nicht vollständig
geklärt.
Bestimmend für die postnatale Therapie und Prognose sind die persistierende pulmonale
Hypertonie und das Ausmaß der Lungenhypoplasie. Die sonografische Detektion ist ab
der 18. SSW möglich. Für die Prognoseabschätzung ist die Bestimmung des fetalen Lungenvolumens
wichtig. Dieses kann sonografisch (B-Bild, 3D-Volumen-Ultraschall) und mittels MRT
erfolgen.
Folgende Bestimmungsmethoden sind etabliert:
Sonografie:
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Nachweis von Magen, Darm, Leber im fetalen Thorax
-
Verlagerung von Herz- und Mediastinum in der Vierkammerblickebene
-
Nachweis einer Flow-Minderung in der A. cerebri media (Zwerchfellhernie komprimiert
linken Ventrikel – fetales Herzminutenvolumen verringert) als negativer Prognosefaktor
(infaust!)
Sonografische und ergänzend dopplersonografische und 3D-Volumen-Ultraschall-Untersuchungen
ermöglichen im Rahmen der pränatalen Diagnostik die Erkennung und in bestimmten Situationen
auch Prognoseabschätzung angeborener Lungenerkrankungen.