Aktuelle Dermatologie 2019; 45(07): 314
DOI: 10.1055/a-0923-4808
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Myzetom – eine vergessene Krankheit

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 July 2019 (online)

 

Myzetome sind chronisch-granulomatöse Infektionen der Haut, die langfristig oft zu Amputationen führen und mit Stigmata sowie einem sozialen und ökonomischen Abstieg der Betroffenen einhergehen. Es ist eine Armutserkrankung, die vor allem in sehr abgelegenen Regionen der Welt auftritt. Dementsprechend gering war bisher das Interesse der Öffentlichkeit, der Politik und auch der Forschung. Erst im Jahr 2016 setzte die WHO das Myzetom auf die Liste der „neglected tropical diseases“, das sudanesische Mycetoma Research Centre nennt es die „vernachlässigste der vernachlässigten Tropenkrankheiten“.

Die 6. Internationale Myzetom-Konferenz, die Mitte Februar in ebendiesem Forschungszentrum ausgerichtet wurde, rief nun die Weltgemeinschaft zum Handeln auf. Insbesondere politische Institutionen, Forschungseinrichtungen und Pharmaunternehmen sollten stärker zusammenarbeiten, um die Folgen dieser Tropenkrankheit einzudämmen.

Viele offene Fragen

Denn obwohl Myzetome neben der Dracontiasis zu den ältesten schriftlich belegten Krankheiten der Menschheit gehören und auch die moderne Beschreibung der Krankheit bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte, gibt es nach wie vor viele offene Fragen, etwa bezüglichen des genauen Übertragungswegs. Und auch zur Prävalenz gibt es keinerlei belastbare Zahlen.

Bekannt ist, dass die meisten Fälle im sogenannten Myzetomgürtel, auftreten, der hauptsächlich zwischen 15 und 30 Grad nördlicher Breite verläuft – der Sudan ist deutlich am stärksten betroffen.

Myzetome können durch verschiedene Erreger hervorgerufen werden. In Amerika sind es vor allem Actinomyceten, während es sich in Afrika in der Regel um Pilzinfektionen handelt. Das Krankheitsbild ist aber sehr einheitlich.


#

Symptomatik

Die Erreger dringen durch leichte Hautverletzungen – etwa durch Dornen beim Barfußlaufen – in die Haut ein. Dementsprechend sind vor allem die Füße betroffen (70 %), die Krankheit ist daher auch als „Madurafuß“ bekannt. Die übrigen Infektionen erfolgen fast ausschließlich an den Händen. Touristen erkranken nur ausgesprochen selten, da anscheinend mehrfache Erregerkontakte über einen längeren Zeitraum hinweg nötig sind, um zu einer Erkrankung zu führen. Männer sind 5-mal häufiger betroffen als Frauen, meist sind es Feldarbeiter oder Hirten. Kinder machen 20 – 25 % der Erkrankten aus.

Nach der Infektion kommt es an der Eintrittspforte zunächst zu einer schmerzlosen Gewebsverhärtung. Diese breitet sich in den folgenden Monaten und Jahren immer weiter aus, es entstehen Knoten (Pseudotumore), Abszesse und Fistelgänge, und die Extremität schwillt unförmig an. Die Erkrankung verläuft aber oft lange Zeit schmerzfrei, und die Extremität bleibt zunächst auch funktionstüchtig.

Daher zögern Betroffene einen Arztbesuch, der oft mit langen Anreisen, Kosten und Verdienstausfall einhergeht, meist zu lange hinaus. Wenn aber erst einmal auch Sehnen, Muskeln und Knochen angegriffen wurden und es zu Schmerzen und funktionellen Beeinträchtigungen kommt, bleibt den Betroffenen meist nur noch eine großzügige Amputation. Unbehandelt können Myzetome auch in den Torso streuen und schließlich zum Tod führen.


#

Behandlung ist langwierig und teuer

Bei den in Mexiko und Venezuela dominierenden bakteriellen Infektionen ist eine Pharmakotherapie im frühen Krankheitsstadium sehr erfolgversprechend, einfache Antibiotika erreichen Heilungsraten von bis zu 90 %. Bei den in Afrika vorherrschenden Pilzinfektionen ist die Behandlung dagegen sehr langwierig, teuer und mit starken Nebenwirkungen verbunden. Selbst bei kleineren Läsionen dauert die Behandlung etwa ein, bei weiter fortgeschrittenen Infektionen auch mehrere Jahre. Die Heilungsrate liegt hier derzeit bei nur 28 %, etwa 10 – 30 % der Erkrankten benötigen eine Amputation. Und um ein Rezidiv zu verhindern, ist auch danach noch eine regelmäßige Überwachung nötig. Allerdings werden derzeit nur etwa die Hälfte der Patienten durch Nachsorgeprogramme erreicht. Prothesen und Rollstühle sind für die meisten unerschwinglich, daher gehen von Amputationen betroffene Kinder anschließend meist nicht mehr zur Schule, Erwachsene verlieren ihre Arbeit. Hinzu kommt eine soziale Ausgrenzung.

Es bleibt zu hoffen, dass es den Veranstaltern der 6. Internationalen Myzetom-Konferenz gelungen ist, etwas Aufmerksamkeit auf diese vernachlässigte Krankheit zu ziehen, um Ressourcen freizumachen, die für die Bekämpfung der medizinischen und sozio-ökonomischen Folgen der Krankheit benötigt werden.

Dipl. biol. Unn Klare, Behnkenhagen

Quellen: promed, WHO


#
#