ASS in der Primärprävention
Der Nutzen einer dauerhaften täglichen Dosis von 100 mg ASS nach einem Myokardinfarkt
oder ischämischen Schlaganfall zur Sekundär- beziehungsweise Rezidivprophylaxe ist
bereits durch mehrere randomisierte klinische Studien belegt. Hierbei zeigt sich,
dass der Nutzen in der Sekundärprophylaxe verglichen mit den Nebenwirkungen überwiegt
[1].
Allerdings ist der Einsatz von ASS in der Primärprophylaxe hinsichtlich einer potenziellen
protektiven Wirkung gegenüber kardiovaskulären Ereignissen nicht ausreichend geklärt.
Entstehung von Atherosklerose ist einer der Hauptrisikofaktoren für chronische Herzkrankheiten
und zerebrovaskuläre Erkrankungen. Arterielle Thromben, welche aus rupturierten atherosklerotischen
Plaques oder aus endothelialen Erosionen entstehen, sind meist Ursprung eines Herzinfarkts
oder Schlaganfalls [1]. Thrombozyten sind ein wichtiger Bestandteil arterieller Thromben und spielen im
Rahmen der Plaquebildung eine wichtige Rolle.
In diesem Artikel soll zunächst die Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärprävention
beleuchtet werden:
-
Primärprävention bezieht sich auf den Erhalt der Gesundheit und der Vorbeugung von
Krankheiten, bevor ein schädliches Ereignis oder eine Krankheit auftritt.
-
Bei der Sekundärprävention sind bereits eine Krankheit, Risikofaktoren oder ein schädliches
Ereignis vorhanden beziehungsweise geschehen und Ziel ist, die Früherkennung beziehungsweise
das Voranschreiten der Krankheit zu verhindern.
Im Rahmen der Studien wurden Patienten je nach Studiendesign mit verschiedenen Vorerkrankungen
(wie beispielsweise Diabetes) oder Risikofaktoren (hohes Alter), jedoch ohne schwerwiegendes
kardiovaskuläres Ereignis eingeschlossen. Dementsprechend werden sie der Primärprävention
zugeordnet, da es sich um eine Vorbeugung eines schädlichen Ereignisses handelt.
Mehrere Studien haben sich mit dem Nutzen von ASS in der Primärprävention zur Verhinderung
von kardiovaskulären Ereignissen befasst: Die ASCEND-Studie, die ARRIVE-Studie und
die ASPREE-Studie ([Tab. 1]). Es wurde der Effekt einer langjährigen ASS-Gabe von 100 mg/d bei allen Studien
mit unterschiedlichen Patientengruppen hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse oder
anderer Erkrankungen untersucht.
Tab. 1 Übersicht Studien zu ASS in Primärprävention.
Studie
|
Risiko
|
ASS-Dosis
|
Dauer
|
Patientenanzahl
|
ASCEND
|
Diabetes
|
100 mg/d
|
7,4 Jahre
|
12 546
|
ARRIVE
|
mittleres kardiovaskuläres Risiko
|
100 mg/d
|
7,4 Jahre
|
15 840
|
ASPREE
|
hohes Alter (≥ 70 Jahre)
|
100 mg/d
|
4 Jahre
|
19 114
|
Merke
Der Nutzen von ASS in einer Dosis von 100 mg/d im Rahmen der Primärprävention wurde
in verschiedenen Studien untersucht.
Im Folgenden werden die verschiedenen Studien und ihre Ergebnisse kurz erklärt.
Patienten mit Diabetes – ASCEND-Studie
In der ASCEND-Studie („A study of Cardiovascular Events in Diabetes“) wurden 15 840
Patienten mit Diabetes mellitus (jedwelcher Genese) und einem Mindestalter von 40 Jahren
eingeschlossen. Die placebokontrollierte randomisierte Studie beinhaltet eine tägliche
Gabe von ASS 100 mg/d bei einer durchschnittlichen Follow-up-Periode von 7,4 Jahren
[17]. Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen wurden aus der Studie ausgeschlossen.
Primäre Endpunkte der ASCEND-Studie wurden definiert als nicht tödlicher Herzinfarkt,
nicht tödlicher Schlaganfall oder transischämische Attacke sowie Tod durch ein vaskuläres
Ereignis, welches nicht auf einer intrakraniellen Blutung basierte.
Die sekundären Endpunkte beinhalteten das Auftreten von gastrointestinalen Tumoren,
welche innerhalb der ersten 3 Jahre des Follow-ups aufgetreten sein mussten, sowie
jegliche Form eines schwerwiegenden vaskulären Ereignisses oder einer arteriellen
Revaskularisierungsmaßnahme.
Im Patientenkollektiv, das mit täglich 100 mg ASS behandelt wurde, war gegenüber der
Placebogruppe das Risiko für ein vaskuläres Ereignis, wie einen Herzinfarkt, Schlaganfall
oder den Tod zu erleiden, um 12% gesenkt (RR: 0,88; 95%-KI 0,79 – 0,97; 8,5% vs. 9,6%;
p < 0,01) [17].
Diesem als moderat zu bezeichnenden Nutzen steht jedoch ein erhöhtes Blutungsrisiko
entgegen: Mit der regelmäßigen ASS-Einnahme stieg das Blutungsrisiko um 29% an (4,1
vs. 3,2%, p = 0,003). Die meisten Blutungen waren gastrointestinal (41,3%), davon
62,3% im oberen und 32,9% im unteren Gastrointestinaltrakt. Weitere Blutungslokalisationen
waren Einblutungen im Auge (21,1%) sowie intrakranielle Blutungen (17,2%).
Die Autoren der Studien konsultieren, dass sich die positiven Effekte einer Primärprävention
mit ASS 100 mg/d mit den negativen Effekten bei Diabetikern ausgleichen. Des Weiteren
sind die Autoren der Meinung, dass Diabetiker bereits gut mit Statinen [18], Blutdrucksenkern und Antidiabetika eingestellt sind, sodass eine Hinzunahme von
ASS keinen relevanten Nutzen bringen würde [17]. Die Adhärenz der Tabletteneinnahme sank mit zunehmender Studiendauer. Die Autoren
mutmaßen, dass dadurch der positive Effekt der primärprophylaktischen ASS-Einnahme
vermindert wurde [18].
Es wird in der Studie publiziert, dass die „Number needed to treat“ mit ASS 100 mg,
welche erforderlich ist, um ein schwerwiegendes vaskuläres Ereignis abzuwenden (definiert
als nicht tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie eine transischämische Attacke
oder Tod), 91 Patienten umfassen müsste. Jedoch würden bei dieser Dosierung 112 Patienten
eine relevante Blutung erleiden [17].
Die Autoren der Studie diskutieren, dass vor allem bei älteren Menschen das individuelle
Blutungsrisiko in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden müsse. Nach den Leitlinienempfehlungen
der ADA (American Diabetes Association) und ACC (American College of Cardiology)/AHA
(American Heart Association) könnte ASS 100 mg/d bei Patienten mit einem hohen Risiko
für arteriosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD) bei einem geringen Blutungsrisiko
eingesetzt werden (COR IIB LOE A) [18]. Bei Diabetespatienten mit einem niedrigen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
überwiegt das Risiko, eine schwere Blutung zu erleiden, jedoch die positiven Effekte
einer Primärprophylaxe.
Merke
Aspirin kann bei Diabetikern ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung nur marginal Herzinfarkten
und Schlaganfällen vorbeugen bei einem erhöhten Risiko für das Auftreten starker Blutungen.
Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko – ARRIVE-Studie
Bei der ARRIVE-Studie („Aspirin to reduce risk of initial vascular event“) [19] handelt es sich um eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, multizentrische
Studie, welche in 7 Ländern (Deutschland, Italien, Irland, Polen, Spanien, Großbritannien,
USA) durchgeführt wurde.
Insgesamt wurden 12 546 Patienten eingeschlossen: männliche Patienten im Alter ab
55 Jahre und weibliche Patienten im Alter ab 60 Jahre mit einem mittleren kardiovaskulären
Risikoprofil von 2 – 4 Risikofaktoren:
-
hoher Cholesterinwert (> 200 mg/dl bei Männern/> 240 mg bei Frauen) oder hohes LDL
(> 130 mg/dl bei Männern/> 160 mg/dl bei Frauen),
-
niedriges HDL (< 40 mg/dl),
-
Rauchen,
-
arterielle Hypertonie (systolischer Blutdruck > 140 mmHg),
-
antihypertensive Medikation,
-
eine positive Familienanamnese hinsichtlich kardiovaskulärer Erkrankung.
Patienten wurden aus der Studie ausgeschlossen, falls sie bereits ein vaskuläres Ereignis
wie beispielsweise einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten haben sowie an Herzrhythmusstörungen,
Klappenschäden oder Herzinsuffizienz litten. Weitere Ausschlusskriterien beinhalteten
ein hohes Risiko an gastrointestinalen oder intrazerebralen Blutungen als auch bereits
überstandene gastrointestinale Blutungen oder Ulzerationen sowie Diabetes mellitus.
Ein Großteil des Patientenkollektivs war bereits mit Antihypertensiva (64,8%) oder
mit Statinen (43%) behandelt worden [18]. Das mediane Follow-up betrug 60 Monate.
Im 1 : 1 randomisierten Patientenkollektiv erhielt die ASS-Gruppe eine tägliche Gabe
von ASS 100 mg (n = 6270). Die Placebokontrollgruppe umfasste n = 6276 Patienten.
Tod durch ein kardiovaskuläres Ereignis, Myokardinfarkt, instabile Angina, Schlaganfall
und transiente ischämische Attacke waren die primären Endpunkte der ARRIVE-Studie.
Die Sicherheitsendpunkte bezogen sich auf hämorrhagische und andere schwerwiegende
Ereignisse, wie beispielsweise Herzinfarkt, instabile Angina, transischämische Attacke
oder Schlaganfall und wurden der Intention-to-treat-Population zugeordnet.
In der Intention-to-treat-Analyse trat der primäre Endpunkt bei 269 (4,29%) Patienten
in der Aspiringruppe gegenüber 281 (4,48%) Patienten in der Placebogruppe auf (Hazard
Ratio [HR] 0,96; 95%-KI 0,81 – 1,13; p = 0,6038). Gastrointestinale (meist leichte)
Blutungsereignisse traten bei 61 (0,97%) Patienten in der Aspiringruppe gegenüber
29 (0,46%) in der Placebogruppe auf (HR 2,11; 95%-KI 1,36 – 3,28; p = 0,0007). Die
Gesamtinzidenzrate schwerer unerwünschter Ereignisse war in beiden Behandlungsgruppen
ähnlich (n = 1266 [20,19%] gegenüber n = 1311 [20,89%] in der Placebogruppe). Die
Gesamtinzidenz behandlungsbedingter unerwünschter Ereignisse war gering (n = 1050
[16,75%] vs. n = 850 [13,54%] in der Placebogruppe; p < 0,0001). Es gab 321 dokumentierte
Todesfälle in der Intention-to-treat-Gruppe (n = 160 [2,55%] vs. n = 161 [2,57%] von
6276 Patienten in der Placebogruppe).
Im Erreichen des primären Endpunkts gab es im 5-Jahres-Follow-up zwischen der ASS-
und der Placebogruppe keine signifikanten Unterschiede (4,3% unter Aspirin vs. 4,5%
unter Placebo), jedoch zeigte sich das Risiko für gastrointestinale Blutungen signifikant
erhöht (mit 0,97% bei der ASS-Gruppe doppelt so hoch wie in der Placebogruppe mit
0,46%). Hinsichtlich Gesamtsterblichkeit und Rate fataler Blutungen gab es keine signifikanten
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Die Ereignisrate an primären Endpunkten
war geringer, als von den Autoren erwartet wurde. Dies führen die Autoren der Studie
auf die allgemeinen Präventionsstrategien wie die Statintherapie, physikalische Aktivitäten
oder Diäten zurück [18].
Im Einklang mit der ASCEND-Studie konstatieren die Autoren, dass die ASS-Einnahme
individuell mit dem Patienten entschieden werden muss hinsichtlich der kardiovaskulären
Risikoreduktion und der Gefahr der gastrointestinalen Blutung.
Merke
Die ARRIVE-Studie hat gezeigt, dass ASS-Gabe nach 5 Jahren in der Intention-to-treat-Analyse
(ITT) keinerlei Effekte auf die kardiovaskuläre Ereignisrate hat, das Risiko für gastrointestinale
Blutungen jedoch mehr als verdoppelt.
Ältere Patienten – ASPREE-Studie
Das Ziel der dritten Studie, ASPREE („Effect of Aspirin on Disability-free Survival
in the Healthy Elderly“), war es, zu klären, ob eine niedrige tägliche Dosis ASS die
Zeit ohne körperliche Einschränkungen bei älteren Menschen verlängern könnte [20].
Zwischen 2010 und 2014 wurden in Australien und den Vereinigten Staaten 19 114 Patienten
in einem Alter von 70 Jahren oder älter (oder ≥ 65 Jahre, wenn afroamerikanischer
oder hispanischer Abstammung) rekrutiert. Die Ausschlusskriterien beinhalteten kardiovaskuläre
Erkrankungen, Demenz oder physische Behinderungen in der Vorgeschichte.
Der primäre Endpunkt war Tod, beginnende Demenz oder eine physische Behinderung. Letztere
wurde erreicht, wenn der Patient eine von den 6 grundlegenden Fertigkeiten zum täglichen
Leben, wie Nahrungsaufnahme, Körperpflege oder der Toilettengang alleine, über ein
halbes Jahr nicht mehr oder nur schwer ausüben könnte [20].
Die sekundären Endpunkte beinhalteten jegliche Form des Todes, einer größeren Blutung
sowie einen hämorrhagischen Schlaganfall. Außerdem wurden tödliche und nicht tödliche
kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, Krebserkrankungen,
milde kognitive Einschränkung sowie Depressionen eingeschlossen [20].
Das eingeschlossene Patientenkollektiv erhielt randomisiert entweder täglich 100 mg
ASS (9525 Personen) oder ein Placebo (9589 Personen). Die Studie wurde nach einem
medianen Follow-up von 4,7 Jahren bei einer erhöhten Blutungsneigung in der ASS-Gruppe
frühzeitig beendet. Die Rate aller erreichten primären Endpunkte war in der ASS-Gruppe
mit 21,5 Vorkommnissen nicht signifikant höher als in der Placebogruppe mit 21,2 Vorkommnissen
pro 1000 Personenjahren (HR: 1,01; 95%-KI 0,92 – 1,11; p = 0,79). Vor allem die Anzahl
an schwerwiegenden Blutungen war in der ASS-Gruppe im Vergleich zur Placebogruppe
signifikant erhöht (3,8 vs. 2,8%; HR: 1,38; 95%-KI, 1,18 – 1,62; p < 0,001) [21].
Der häufigste erreichte primäre Endpunkt war der Tod, welcher insgesamt ca. 50% der
primären Endpunkte ausmacht (480/9525 in der ASS-Gruppe vs. 431/9589 Patienten in
der Placebogruppe im Durchschnittsalter von 77,5 Jahren). Darauf folgt die Demenz
mit 30% der primär erreichten Endpunkte (274/9525 vs. 275/9589 Patienten im Durchschnittsalter
von 77,7 Jahren), die persistierende körperliche Einschränkung wurde bei 375 Patienten
(167/9525 vs. 208/9589) erreicht, welche 20% der primären Endpunkte umfasst [21].
Die Anzahl an Todesfällen jeglicher Ursache, welche in den sekundären Endpunkten der
ASPREE-Studie definiert waren, war in der ASS-Gruppe mit 558 Patienten höher als in
der Placebogruppe mit 494 Patienten. Dies bedeutet 12,7 vs. 11,1 Ereignisse pro 1000
Personenjahre (HR: 1,14; 95%-KI 1,01 – 1,29). Die Anzahl der 1052 (5,5% des gesamten
Patientenkollektivs) Todesfälle bemisst sich in der ASS-Gruppe auf 558 und in der
Placebogruppe auf 494 Patienten. Dies bedeutet, dass das Risiko von Tod jeglicher
Ursache in der ASS-Gruppe mit 12,7 vs. 11,1 Ereignissen pro 1000 Personenjahre (HR:
1,14; 95%-KI 1,01 – 1,29) höher ist. Krebs war der Hauptgrund für die höhere Sterblichkeit
in der ASS-Gruppe, welche 1,6 überzählige Todesfälle pro 1000 Personenjahre ausmachte.
Krebsbedingte Todesfälle kamen bei 3,1% der Teilnehmer in der ASS-Gruppe und bei 2,3%
der Teilnehmer in der Placebogruppe vor (HR: 1,31; 95%-KI 1,10 – 1,56) [22].
Das Ergebnis der Studie ist, dass die prophylaktische Gabe von ASS, um bei älteren
Patienten eine längere Zeit ohne körperliche Behinderungen zu erreichen, keinen Vorteil
bringt. Es senkt zwar die Zahl an kardiovaskulären Ereignissen wie eines nicht tödlichen
Herzinfarkts oder einer Hospitalisierung wegen einer Herzinsuffizienz (Rate an Ereignissen
pro 1000 Personenjahre, ASS 10,7 vs. 11,3, HR: 1,38%; 95%-KI 1,18 – 1,62; p < 0,001)
[18], allerdings steigt die Zahl an schwerwiegenden Blutungen wie symptomatischen intra-
oder extrakraniellen Blutungen oder hämorrhagischen Schlaganfällen in der ASS-Gruppe
an (Rate an Ereignissen pro 1000 Personenjahre, ASS 3,8% vs. 2,8%, HR: 1,38; 95%-KI
1,18 – 1,62; p < 0,001) [21].
Merke
Ältere Patienten erlangen keinen Vorteil (hinsichtlich Tod, den Beginn einer Demenz
oder einer physischen Behinderung) durch eine primärprophylaktische ASS-Einnahme,
vielmehr steigt das Blutungsrisiko signifikant an.
Körpergewicht und Dosierung – „Effects of aspirin on risks of vascular events and
cancer according to bodyweight and dose“-Studie
In Deutschland ist ASS in Dosierungen von 100 mg/d und 300 mg/d zur Therapie und Prophylaxe
kardiovaskulärer Erkrankungen zugelassen. Im Gegensatz dazu ist ASS in den USA in
den Dosierungen von 81 mg/d (low-dose) und 325 mg/d (regular-dose) erhältlich.
Im Falle eines akuten Myokardinfarkts sollte laut der Leitlinie von 2017 der European
Society of Cardiology eine initiale Dosis von 150 – 300 mg p. o. bzw. von 75 – 250 mg
i. v., wenn eine orale Einnahme nicht möglich ist, verabreicht werden [23].
Die Studie „Effects of aspirin on risks of vascular events and cancer according to
bodyweight and dose“ hat sich mit der Fragestellung beschäftigt, ob die ASS-Dosis in der kardiovaskulären
Prävention an das Körpergewicht der Patienten angepasst werden muss [24].
Das Patientenkollektiv für diese retrospektive Analyse wurde aus mehreren Studien
des Antithrombotic Treatment Trialistsʼ (ATT) Collaboration, welche ASS in der Primär-
als auch Sekundärprävention untersucht hatten, ausgewählt. Gewicht, Alter, Geschlecht,
vaskuläre Risikofaktoren, wie beispielsweise hohes LDL, Rauchen und der Diabetesstatus,
wurden erfasst.
Einerseits wurde zunächst unterschieden, ob ASS initial zur Primär- oder Sekundärprävention
eingesetzt wurde, andererseits wie hoch die Initialdosis war (100 mg oder > 300 mg).
Anschließend wurden diese verschiedenen Gruppen in Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht
weiter differenziert. Schließlich wurde im letzten Schritt jede Patientengruppe in
2 Bereiche unterteilt:
-
< 70 kg Körpergewicht,
-
≥ 70 kg Körpergewicht.
Innerhalb dieser beiden Patientengruppen gab es noch jeweils 2 weitere Subgruppen:
-
In dem Patientenkollektiv < 70 kg Körpergewicht wurde zwischen < 50 kg sowie 50 – 69 kg
Körpergewicht unterschieden.
-
In dem Patientenkollektiv ≥ 70 kg Körpergewicht wurde zwischen ≥ 70 – 89 kg und über
≥ 90 kg Körpergewicht differenziert.
Für jedes Ergebnis wurde das Risikoverhältnis (HR) zwischen der ASS-Gruppe und Placebogruppe
ausgerechnet. Des Weiteren wurden mithilfe des Cox-Regressionsmodells der Effekt von
ASS bei Patienten unter < 70 kg oder ≥ 70 kg Körpergewicht stratifiziert. Außerdem
wurden gewichtsstratifizierte Analysen im Hinblick auf den Effekt von ASS auf tödliche
Ereignisse, Schlaganfall und Myokardinfarkt gemacht. Zusätzlich wurde der Effekt von
ASS hinsichtlich des Risikos aller kardiovaskulären Ereignisse sowie Todes jeglicher
Ursache untersucht.
In dem Patientenkollektiv mit weniger als 70 kg Körpergewicht und einer täglichen
niedrigdosierten ASS-Dosis (75 – 100 mg) wurden 2 weitere Subgruppen verglichen:
Bei letzterer Patientengruppe wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe weniger kardiovaskuläre
Events festgestellt (383 Ereignisse bei 15 155 Patienten mit ASS vs. 504 Ereignisse
bei 15 145 Patienten mit Placebo; HR: 0,75; 95%-KI 0,75 – 0,885; p < 0,0001). ASS
hatte allerdings keinen primärprophylaktischen Nutzen mehr bei der Patientengruppe
mit einem Körpergewicht von unter 50 kg (HR: 1,25; 95%-KI 0,74 – 2,09; p = 0,40).
Der gewichtsabhängige Effekt der niedrigdosierten ASS-Gabe wurde in allen Patientenkollektiven
unter 70 kg Körpergewicht festgestellt. Mit ansteigendem Körpergewicht nimmt die primärpräventive
Wirkung der niedrigdosierten ASS-Gabe (75 – 100 mg) ab. Bei Patienten mit einem Körpergewicht
über 70 kg wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe unter einer niedrigdosierten ASS-Therapie
ein Anstieg der Todesfälle bei einem ersten kardiovaskulären Ereignis erfasst (OR:
1,33; 95%-KI 1,08 – 1,64; p = 0,0082). Insbesondere wurde dies bei Myokardinfarkten
beobachtet
(OR: 1,73; 95%-KI 1,20 – 2,49; p = 0,0035). Unabhängig vom Körpergewicht stieg
unter einer Low-Dose-ASS-Therapie im Rahmen der Primärprävention der Anteil an erstmalig
auftretenden und tödlichen vaskulären Ereignissen bei Patienten ab der 7. Lebensdekade
an (HR: 1,45; 95%-KI 1,01 – 2,10; p = 0,04) [24].
In der Sekundärprophylaxe mit ASS (50 mg/d) nach einem Schlaganfall zeigten Patienten
unter 70 kg Körpergewicht gegenüber dem Kontrollkollektiv eine reduzierte Rate an
kardiovaskulären Ereignissen (HR: 0,74; 95%-KI 0,63 – 0,87; p = 0,0003). Die niedrigdosierte
ASS-Gabe von 75 – 100 mg hatte im Vergleich zur Kontrollgruppe vor allem bei Frauen
unter 70 kg Körpergewicht im Rahmen der Sekundärprävention eine senkende Wirkung auf
das Risiko, einen plötzlichen Tod oder ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden (HR
0,68; 95%-KI 0,56 – 0,83; p = 0,0001). Bei Frauen über 70 kg Körpergewicht wurde das
Risiko, verglichen mit der Kontrollgruppe unter der niedrigdosierten ASS-Einnahme
als Sekundärprophylaxe, nicht signifikant gesenkt (HR: 1,02; 95%-KI 0,77 – 1,35; p = 0,90)
[24].
Ab einem Körpergewicht über 70 kg reduziert eine hohe ASS-Dosis (300 – 325 mg/d) verglichen
zur Kontrollgruppe das Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, welches
als Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod definiert ist (HR 0,79; 95%-KI 0,70 – 0,90;
p = 0,005). Patienten mit einem Körpergewicht von > 90 kg benötigen über 500 mg/d
ASS, um eine effektive Risikoreduktion (HR: 0,45; 95%-KI 0,26 – 0,79; p = 0,005) zu
erzielen [24].
Diese Effekte zeigen, dass das Körpergewicht mit der ASS-Dosis in Wechselwirkung steht.
Durch eine genauere Anpassung kann möglicherweise die Effektivität des Thrombozytenaggregationshemmers
verbessert werden. Des Weiteren schließen die Autoren aus der Studie, dass mehr als
80% der Männer und mehr als 50% der Frauen aufgrund eines höheren Körpergewichts von
70 kg hinsichtlich der eingenommenen ASS-Dosis unterdosiert sind.
Dies könnte eine Erklärung für die Ergebnisse der ARRIVE- und ASCEND-Studien sein,
in welchen publiziert wurde, dass eine Therapie mit ASS 100 mg/d in der Primärprävention
von kardiovaskulären Ereignissen keine durchschlagenden Erfolge erzielt hat. Weitere
Studien zu einer gewichtsbasierten ASS-Dosis müssen dieses Phänomen bestätigen, bevor
eine gewichtsadaptierte Dosierung empfohlen werden kann.
Merke
Die wirksame ASS-Dosis scheint gewichtsabhängig zu sein.
Fazit
Die Daten großer randomisierter Studien wie ASPREE, ARRIVE und ASCEND sprechen gegen
eine primärprophylaktische Therapie mit ASS. Diese Schlussfolgerung wird durch Metaanalysen
unterstützt, die keinen Benefit einer primärprophylaktischen ASS-Medikation auf die
Gesamtmortalität aufzeigen. Das Risiko schwerer Blutungen überwiegt den geringen Benefit
hinsichtlich niedrigerem Auftreten nicht tödlicher Myokardinfarkte, TIAs und ischämischen
Schlaganfällen [25].
ASS in der Sekundärprävention
In der Sekundärprävention ist der Nutzen ASS durch viele Studien gut belegt – die
niedrigdosierte ASS-Gabe (75 – 100 mg/d) hat sich bei Patienten mit einem hohen kardiovaskulären
Risiko, nach einem Myokardinfarkt oder einem ischämischen Schlaganfall, seit Jahren
bewährt und ist in den Leitlinien verankert [1]. Laut den ESC/ESAC-Leitlinien sollte auch nach einer perkutanen koronaren Intervention
eine dauerhafte Gerinnungshemmung mit ASS (75 – 100 mg/d) erfolgen [26].
Bei Patienten, die einen Myokardinfarkt (MI) oder ischämischem Schlaganfall erlitten
haben, besteht ein sehr hohes Risiko, ein weiteres CVD-Ereignis zu erleiden. Eine
Aspirin-Therapie kann dazu dienen, nachfolgende CVD-Ereignisse zu verhindern [27].
Die Rolle von Aspirin bei der Verringerung der Letalität durch CDV und der Wiederholung
von Ereignissen nach einem akuten MI wurde erstmals 1988 in der zweiten Studie der
International Study of Infarct Survival (ISIS-2) nachgewiesen [28]. In dieser Studie wurden 17 187 Patienten aus 417 Krankenhäusern innerhalb von 24
Stunden nach Ausbruch des Verdachts auf einen akuten MI rekrutiert und in folgende
Gruppen randomisiert:
-
1-stündige intravenöse Infusion von 1,5 MU Streptokinase,
-
1 Monat lang 160 mg/d p. o. Aspirin (magensaftresistent beschichtet),
-
beide Behandlungen,
-
keine von beiden.
Die Einnahme von Aspirin führte zu einer signifikanten Verringerung der nicht tödlichen
Re-Infarkte, Schlaganfälle, der 5-wöchigen vaskulären Letalität und der Gesamtletalität.
Obwohl andere kleinere Studien ähnliche Vorteile für Patienten mit einer Vorgeschichte
von früherem MI zeigten, war die ISIS-2-Studie die erste, die einen Nachweis für eine
direkte Wirkung von Aspirin auf den Verlauf eines akuten MI erbrachte. Sie zeigte,
dass die Gabe von niedrigdosiertem Aspirin für die Dauer eines Monats, unmittelbar
begonnen nach einem MI bei 1000 Patienten, 25 Todesfälle und 10 – 15 nicht tödliche
Infarkte und Schlaganfälle verhindern würde. Ein zusätzlicher Nutzen für die Letalität
wurde bei längerer Dauer der Aspirintherapie beobachtet [27], [28].
Seither haben auch einige andere Gruppen ähnliche Ergebnisse zum Einsatz von Aspirin
in der Sekundärprävention von CVD-Ereignissen publiziert.
In der Metaanalyse der Antithrombotic Treatment Trialistsʼ (ATT) Collaboration aus
dem Jahr 2009 wurden z. B. retrospektiv der Nutzen und die Risiken einer ASS-Therapie
(zwischen 50 und 1500 mg/d) in der Primär- und Sekundärprävention evaluiert. Der Endpunkt
waren schwerwiegende vaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall oder vaskulärer
Tod) [29].
In 16 Studien zur Langzeitanwendung von Aspirin mit Dosen zur Sekundärprävention von
CVD-Ereignissen, darunter über 17 000 Probanden und 3306 schwere vaskuläre Ereignisse,
zeigte ASS eine signifikante Reduktion der schwerwiegenden vaskulären Ereignisse (Herzinfarkt,
Schlaganfall, Tod) (6,7 vs. 8,2% pro Jahr; p < 0,0001). Sowohl die Anzahl schwerer
vaskulärer Ereignisse (995 [4,3%] vs. 1214 [5,3%] Events pro Jahr; 95%-KI 0,80; p < 0,00001)
als auch bei schweren vaskulären Ereignissen (1505 [6,69%] vs. 1801 [8,19%]; 95%-KI
0,81; p < 0,00001) konnte durch ASS signifikant gegenüber der Placebogruppe gesenkt
werden. Nicht tödliche Herzinfarkte (357 vs. 505 Events; 95%-KI 0,69) sowie Patienten
mit einer KHK (614 vs. 696 Events; 95%-KI 0,87) profitierten durch eine Sekundärprävention
mit ASS. Niedrigdosierungen (75 – 100 mg/d) erwiesen sich als ebenso wirksam wie höhere
Dosen [29].
Die Anzahl an ischämischen Schlaganfällen konnte in der ASS-Gruppe ebenfalls gesenkt
werden (140 [0,61%] vs. 176 [0,77%]; 95%-KI 0,78; p = 0,04). Das Risiko, eine Hirnblutung
(36 vs. 19 Events; 95%-KI 1,39; p = 0,01) zu erleiden, stieg an, jedoch war dieser
Anstieg nicht signifikant [29].
Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit wurden in der randomisierten
doppelblinden Studie CLIPS („Critical Leg Ischaemia Prevention Study“) hinsichtlich
des protektiven Effekts von ASS untersucht. Das Ziel der Studie war es, die prophylaktische
Wirksamkeit von Aspirin und einer hochdosierten antioxidativen Vitaminkombination
bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit im Hinblick auf die Verringerung
des Risikos eines ersten vaskulären Ereignisses (Myokardinfarkt, Schlaganfall, vaskulärer
Tod) und einer kritischen Extremitätenischämie zu untersuchen.
Insgesamt erlitten 7 von 185 (4%) Personen der ASS-Gruppe im Vergleich zu 20 von 181
(11%) der Placebogruppe ein schwerwiegendes vaskuläres Ereignis (2 vs. 11 Herzinfarkt;
4 vs. 7 Schlaganfälle; 1 vs. 2 Lungenembolien). Dies bedeutet eine Risikoreduktion
von 64% (HR: 0,35; 95%-KI 0,15 – 0,82; p = 0,016). Des Weiteren war die Anzahl an
kritischen Extremitätenischämien durch die antithrombozytäre Therapie geringer (5/185
vs. 8/181) [30]. Folglich sollte im Rahmen einer symptomatischen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
eine antithrombozytäre Therapie in der Sekundärprävention erfolgen [31].
ASS in Kombination mit anderen Thrombozytenaggregationshemmern
Neben ASS zählen auch P2Y12-Antagonisten zu der Gruppe der Thrombozytenaggregationshemmer.
Diese blockieren den ADP-Rezeptor P2Y12 auf der Oberfläche der Thrombozyten, mit der
Folge, dass ADP nicht binden kann und die Thrombozytenaggregation über die Glykoprotein-IIb/IIa-Aktivierung
inhibiert wird [26].
In der CAPRIE-Studie („A randomised, blinded, trial of clopidogrel versus aspirin
in patients at risk of ischaemic events“) wurde die antithrombotische Wirksamkeit
von Clopidogrel (75 mg/d), einem P2Y12-Antagonisten der 2. Generation, mit ASS (325 mg/d)
hinsichtlich der Risikoreduktion eines kombinierten Endpunkts bestehend aus Myokardinfarkt,
ischämischem Schlaganfall oder vaskulärem Tod, über einen Zeitraum von 1 – 3 Jahren
verglichen. In der Studie reduzierte Clopidogrel im Vergleich zu ASS den kombinierten
Endpunkt, bestehend aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall, um relative
8,7% ohne Unterschied in Gesamtblutungsereignissen und bei intrakraniellen Blutungen.
Die individuellen Endpunkte und die Gesamtsterblichkeit waren zwischen ASS und Clopidogrel
nicht signifikant unterschiedlich. Die Rate gastrointestinaler Blutungen war unter
ASS gegenüber Clopidogrel (2,65 vs. 2,0%) erhöht. In der Subgruppe der Patienten mit
KHK (Zustand nach Herzinfarkt) war
ASS so effektiv und sicher wie Clopidogrel, sodass Clopidogrel bei KHK nur bei
ASS-Unverträglichkeit gegeben werden sollte [32].
In der TiCAB-Studie wurde die Wirkung von ASS mit jener von Ticagrelor bei Patienten
nach koronarer Bypassoperation verglichen [33]. Nach einer Follow-up-Periode von 12 Monaten ergab sich kein signifikanter Unterschied
in den ischämischen und in den Blutungsereignissen zwischen beiden Gruppen. Die Studie
wurde jedoch vorzeitig wegen Finanzierungsproblemen gestoppt, nachdem erst die Hälfte
der ursprünglich geplanten Studienteilnehmer rekrutiert worden war. Weitere Studien
beschäftigten sich mit dem Vergleich der dualen Thrombozytenhemmung im Vergleich zur
Monotherapie mit ASS. Die CURE- sowie die COMMIT-Studien fanden dabei bei Patienten
mit akuten koronaren Syndromen einen Vorteil in der dualen Thrombozytenhemmung mit
ASS und einem P2Y12-Rezeptor-Inhibitor gegenüber der Monotherapie mit ASS [34], [35]. Im Gegensatz dazu war dies in der CHARISMA-Studie [36] bei Patienten mit chronischer KHK nicht der Fall. Nur bei Patienten, welche in der
Vorgeschichte einen Herzinfarkt erlitten hatten, konnten Vorteile in der dualen Thrombozytenhemmung
(Clopidogrel + ASS) gegenüber einer Behandlung mit ASS alleine gefunden werden [37]. Auch in der PEGASUS-Studie [38] wurde ein Vorteil der über den Zeitraum von 12 Monaten nach Herzinfarkt hinausgehenden
dualen Therapie (Ticagrelor + ASS) gegenüber der ASS-Monotherapie festgestellt.
In der GLOBAL-LEADERS-Studie [39] wurde eine duale Thrombozytenhemmung mit Ticagrelor über 4 Wochen, gefolgt von einer
Monotherapie mit Ticagrelor über weitere 23 Monate, gegenüber einer Standardtherapie
mit ASS und Clopidogrel über 12 Monate nach Herzinfarkt sowie ASS und Clopidogrel
über 12 Monate nach elektiver PCI untersucht. Das Resultat: Ticagrelor in Kombination
mit Aspirin für 1 Monat, gefolgt von Ticagrelor allein für 23 Monate, war einer 12-monatigen
dualen Standard-Thrombozytenaggregationshemmer-Therapie, gefolgt von 12 Monaten Aspirin
allein, nicht überlegen in der Senkung der Gesamtletalität oder Prävention eines erneuten
Myokardinfarkts 2 Jahre nach perkutaner Koronarintervention.
In der TWILIGHT-Studie [40] wurde eine 12-monatige Monotherapie mit Ticagrelor im Vergleich zu einer dualen
Thrombozytenhemmung mit ASS und Ticagrelor nach einer 3-monatigen dualen Thrombozytenhemmung
nach Stentimplantation untersucht. Im Gegensatz zur GLOBAL-LEADERS-Studie wurde hier
gefunden, dass bei Hochrisikopatienten, die eine PCI bekamen und eine 3-monatige duale
Thrombozytenaggregationshemmer-Therapie durchliefen, die Ticagrelor-Monotherapie mit
einer geringeren Inzidenz klinisch relevanter Blutungen verbunden war als Ticagrelor
plus Aspirin, ohne dass ein höheres Risiko für Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall
bestand.
In der COMPASS-Studie („Cardiovascular Outcome for people using anticoagulation strategies“)
[41] wurde die Inzidenzrate für die Auswirkung einer Therapie mit ASS (100 mg/d) mit
zusätzlich dem direkten Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban (2 × 2,5 mg/d) gegenüber einer
Monotherapie mit ASS (100 mg/d) bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten verglichen.
Die Patienten mussten entweder eine stabile koronare Herzerkrankung oder eine periphere
arterielle Verschlusskrankheit aufweisen. Der kombinierte Endpunkt bestand aus einem
kardiovaskulär bedingten Tod sowie einem Erstauftritt eines Myokardinfarkts oder ischämischen
Schlaganfalls. Gefährliche Blutungen, Tod oder blutungsbedingte Hospitalisierung waren
die primären Sicherheitspunkte. In der Kombinationstherapie wurde der primäre Endpunkt
relativ um 24% zur Monotherapie mit ASS reduziert (HR: 0,80; 95%-KI 0,70 – 0,91; p = 0,0005).
Innerhalb der Studiendauer von 23 Monaten wurde der primäre Endpunkt
bei der Rivaroxaban/ASS-Gruppe bei 379 und bei der ASS-Gruppe bei 479 Patienten
erreicht (4,1 vs. 5,4%). Allerdings traten Blutungen signifikant häufiger unter der
Kombinationstherapie (3,1%) im Vergleich zur Monotherapie mit ASS (1,9%) auf (HR:
1,70; p < 0,001) [41].
Eine tägliche niedrigdosierte ASS-Gabe im Rahmen der Sekundärprävention reduziert
bei Hochrisikopatienten also das Risiko, einen erneuten Herzinfarkt, Schlaganfall
oder ein anderes vaskuläres Ereignis zu erleiden. Die Häufigkeit von hämorrhagischen
Schlaganfällen stieg von 1 auf 2 Ereignisse pro 10 000 Patienten. Schließlich wiegt
der Nutzen einer niedrigdosierten ASS-Gabe von 75 – 100 mg bei Hochrisikopatienten
das Risiko, eine Blutung zu erleiden, auf.
Merke
ASS 100 mg/d ist bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten im Rahmen der Sekundärprävention
indiziert und kann als Standard der Thrombozyten-hemmenden Therapie bezeichnet werden.