Luoto J.
et al.
Relative and absolute lung function change in a general population aged 60 – 102 years.
Eur Respir J 2019;
DOI:
10.1183/13993003.01812-2017
Bei Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) nehmen spirometrische
Parameter wie das forcierte endexspiratorische Volumen in der ersten Sekunde (FEV1) oder die forcierte Vitalkapazität (fVC) im Krankheitsverlauf tendenziell ab. Wie
sich diese beiden wichtigen Parameter allerdings in der alternden Normalbevölkerung
entwickeln, darüber gibt es bislang nur wenige Anhaltspunkte. Luoto und Kollegen haben
sich diesem Thema nun angenommen und im Rahmen einer groß angelegten schwedischen
Kohortenstudie die absolute und relative FEV1 und fVC in der alternden Bevölkerung zwischen 60 und 102 Jahren im prospektiven Längsschnittdesign
untersucht.
Sie stellten zuvor die Hypothese auf, dass weibliches Geschlecht, Bildungsniveau,
Entzündungsparameter wie CRP und Raucherstatus mit etwaigen Veränderungen bzw. einer
Abnahme der Werte im Alter zusammenhängen würden. Weiterhin wollten sie herausfinden,
ob es Unterschiede zwischen den relativen und absoluten Veränderungen beider Parameter
gibt.
Geeignete Probanden aus dem Schwedischen Nationalregister wurden zunächst kontaktiert
und um die Teilnahme gebeten. Eingeschlossene Schweden stellten sich dann im Laufe
einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 13,5 Jahren regelmäßig zur spirometrischen
Untersuchung und Befragung vor.
Zusätzlich registrierten die Forscher für jeden Studienteilnehmer Information über
das Bildungsniveau, soziodemografische Daten, Erkrankungen und Entzündungsparameter
und führten verschiedene Test zum kognitiven Leistungsniveau wie den Mini-mental-status-Test
(MMST) durch. Schließlich rechneten die Autoren eine Regressionsanalyse in verschiedenen
Varianten, um potenzielle Einflussfaktoren nachweisen zu können.
Geschlecht spielt eine Rolle
4459 Menschen nahmen an der Studie teil, 55,8 % von ihnen waren weiblich. Das durchschnittliche
Alter konnte auf 70,6 Jahre mit einer Standardabweichung von 10,6 Jahren beziffert
werden. 17,3 % der Teilnehmer waren zum Studienzeitpunkt aktive Raucher, 3,1 % gaben
einen niedrigen sozioökonomischen Status einschließlich Bildungsniveau an. Die häufigsten
Morbiditäten waren Bluthochdruck mit 30,4 %, Diabetes Typ 2 (7,3 %) und koronare Herzerkrankung
(16,4 %). Bei 3,1 % aller Teilnehmer konnten die Forscher einen erhöhten CRP-Wert
von über 20 % der Norm feststellen, 9,1 % der Teilnehmer litten an einer relevanten
Anämie.
3736 aller zunächst rekrutierten Teilnehmer absolvierten schließlich während der 13,5-jährigen
Nachbeobachtungszeit zwischen einer und 5 spirometrischen Untersuchungen. Die bereinigte
absolute Veränderung lag bei – 51,7 ml für die FEV1 und bei – 56,25 ml für die fVC. Die bereinigte relative Veränderung pro Jahr betrug
– 2,97 % für die FEV1 und – 2,46 % für die fVC. Risikofaktoren für einen erhöhten relativen fVC- und FEV1-Rückgang waren weibliches Geschlecht, niedriges Bildungsniveau, höheres Alter, Raucherstatus
sowie ein erhöhter CRP-Wert.
Letzterer war allerdings für die FEV1 nicht signifikant. Für einen erhöhten absoluten Rückgang waren die Risikofaktoren
hingegen männliches Geschlecht, positiver Raucherstatus (FEV1) und niedriges Bildungsniveau (fVC). Relative, aber nicht die absoluten Veränderungen
korrelierten signifikant mit klinisch relevanten Funktionsmarkern wie dem MMST. Insgesamt
betrachten die Forscher auf Grundlage ihrer Resultate die Eingangshypothese für bestätigt
und planen weitere Untersuchungen zum Thema.
In dieser nationalen Kohortenstudie gingen die Risikofaktoren weibliches Geschlecht,
positiver Raucherstatus, Inflammation und niedriges Bildungsniveau mit einer relativen
Abnahme der FEV1 sowie der forcierten Vitalkapazität bei Menschen zwischen 60 und 102 Jahren einher.
Da Geschlecht, Bildung und Raucheranamnese ebenfalls einen relevanten Einfluss auf
die Abnahme der absoluten Werte hatten, empfehlen die Autorinnen/Autoren eine stärkere
Beachtung und Erforschung dieser Zusammenhänge.
Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover