Schlüsselwörter
Duplexsonographie - Beckenvenen - Beckenvenenstenting - Rekanalisation der Beckenvenen
- May-Thurner-Syndrom
Einleitung
Die aktuellen deutschen und internationalen Leitlinien zur Behandlung der
Phlebothrombose empfehlen neben der therapeutischen Antikoagulation und
Kompressionstherapie in geeigneten Fällen auch den frühzeitigen Einsatz
rekanalisierender Maßnahmen wie chirurgische Thrombektomie, Thrombolyse und die
kathetergestützte pharmako-mechanische Thrombektomie, um das Risiko der Entwicklung
eines postthrombotischen Syndroms (PTS) zu reduzieren [1], [2]
Zur Behandlung des PTS hat die technologische Entwicklung der vergangenen zwei
Jahrzehnte die Etablierung der Rekanalisation und Stenting chronischer
Beckenvenenverschlüsse beigetragen.
Die Inzidenz der Phlebothrombose wird mit 1–3/1000 Menschen pro Jahr in der
Gesamtbevölkerung angegeben. Das Risiko eines PTS wird dabei mit 20–50 % beziffert,
wobei 5–10 % der Betroffenen eine schwere Ausprägung zu erwarten haben [3], [4]. Die
Prävalenz des PTS wird von verschiedenen Autoren mit 1–5 % angegeben [5], [6].
Invasive Optionen zur Therapie von Thrombose und PTS zielen maßgeblich auf die
Behandlung der proximalen Becken- und Beinvenen ab. Während die
herstellerunabhängige ATTRACT-Studie einen Behandlungsvorteil (Verringerung eines
postthrombotischen Syndroms) durch eine katheterassistierte Thrombolyse bei der
akuten Phlebothrombose nicht nachweisen konnte [7],
lassen zahlreiche Untersuchungen darauf schließen, dass bei geeigneten
Patientenkollektiven Rekanalisation und Stenting chronischer Beckenvenenverschlüsse
eine Beschwerdelinderung bewirken können [8], [9], [10].
Die wenigen zur Verfügung stehenden Daten zur topographischen Manifestation
postthrombotischer Veränderungen legen allerdings nahe, dass es sich bei der für
eine endoluminalen Rekanalisation geeigneten isolierten Beckenvenenthrombose um eine
seltene Krankheitsentität handelt [11], [12], [13], [14].
Wenngleich die vorliegenden Studienergebnisse auf sehr gute therapeutische Ergebnisse
bei hoher Sicherheit schließen lassen, handelt es sich doch um Eingriffe, die mit
Strahlenbelastung und Discomfort für die Patienten verbunden sind und auch
gesundheitsökonomisch wohlüberlegt erfolgen müssen. Die Untersuchung der Beckenvenen
und der Vena cava inferior ist von besonderer Bedeutung bei der Therapieplanung und
besitzt eine maßgebliche prognostische Bedeutung.
Die Diagnostik akuter Verschlüsse der Beckenvenen
Die Diagnostik akuter Verschlüsse der Beckenvenen
Eine akute Thrombosierung der V. iliaca communis und/oder der V. iliaca externa mit
hämodynamisch relevanter Beeinträchtigung des venösen Abstroms und damit
einhergehender Druckerhöhung in den tiefen ipsilateralen Beinvenen führt beim
mobilen Patienten in der Regel zu einem ausgeprägten, schmerzhaften Phlebödem des
Beines, häufig mit begleitender Phlebozyanose ([
Abb.
1
]).
Abb. 1a Akute Thrombose der V. iliaca externa und communis links sowie
partielle thrombotische Okklusion der V. cava inferior: schmerzhaftes Ödem
des linken Beines vom Innenknöchel bis zum Oberschenkel, livide Verfärbung
und Umfangsdifferenz + 4 cm zu Gunsten des linken Beines am Oberschenkel,
venöse Claudicatio. b Sonographischer Befund: frischer inhomogen
echoreicher Thrombus in der dilatierten V. femoralis communis. Flusssignal
sistiert unmittelbar an der Gabel.
Bei einer kompletten Thrombosierung und schlechter Kollateralisierung kann sich durch
eine Behinderung des arteriellen Einstroms das schwere Krankheitsbild einer
Phegmasia coerulea dolens mit potenzieller vitaler Gefährdung entwickeln. Die
konsekutiven Amputationsraten betragen zwischen 25 und 50 % [15].
Bei bettlägerigen Patienten kann eine Schwellung allerdings auch vollständig
fehlen.
Die sonographische Exploration der akuten Becken-Beinvenen-Thrombose
Die sonographische Exploration der akuten Becken-Beinvenen-Thrombose
Am Beginn der Diagnostik der akuten Beckenvenenthrombose sollte wie bei allen
thrombembolischen Erkrankungen die Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit
stehen [1]. Nur bei niedriger klinischer
Wahrscheinlichkeit ist die Durchführung eines D-Dimer-Tests sinnvoll, weil dessen
negatives Ergebnis nur dann, nicht jedoch bei höherer klinischer Wahrscheinlichkeit
eine Thrombose mit hinreichender Sicherheit ausschließt. Bei mittlerer und hoher
klinischer Wahrscheinlichkeit ist bereits der erste diagnostische Schritt eine
sonographische Untersuchung der Becken- und Beinvenen.
Trotz hoher Sensitivität der CW-Doppler-Sonographie (continuous wave) für proximale
Venenthrombosen ist diese Methode wegen fehlender Genauigkeit an den distalen
Beinvenen und dem Versagen der Methode bei inkompletten Thrombosierungen obsolet.
Die Standarduntersuchung zum Nachweis bzw. Ausschluss einer tiefen
Beinvenenthrombose ist die kontinuierliche B-Bild-Kompressionssonographie der tiefen
Beinvenen von der V. femoralis communis bis zum distalen Unterschenkel unter
Einbeziehung der Wadenmuskulatur und bei entsprechendem klinischen Verdacht eine
Ausdehnung der Sonographie bis zur Plantarregion. Die Untersuchung sollte dabei aus
Sicht der Autoren proximal beginnen. Zusätzlich sollten die Saphena-Stämme
untersucht werden, da auch oberflächliche Thrombosen in die tiefen Beinvenen
aszendieren können.
Zur Beurteilung der Beckenvenen ist die Kompressionssonographie nicht geeignet, da
sich allenfalls die distalen Vv. iliacae externae ausreichend komprimieren lassen.
Vor der Kompressionssonographie der Beinvenen sollten daher zuerst die auch bei
unvorbereiteten und/oder adipösen Patienten gut einsehbaren distalen Abschnitte der
Vv. iliacae externae in der farbkodierten Duplexsonographie (FKDS) mit Ableitung der
atemmodulierten Strömungssignale dargestellt werden.
Bei einem Teil der Patienten lassen sich durch Nutzung verschiedener Schallfenster
auch die proximalen Vv. iliacae externae und Vv. iliacae communes ausreichend
untersuchen. Während sich bei einem senkrechten Aufsetzen der Schallsonde über der
Mitte der Beckengefäßachse aufgrund von Darmgasüberlagerungen und eines nahe 90 Grad
liegenden Einschallwinkels häufig keine Strömung detektieren lässt ([
Abb. 2
]), können die V. iliaca externa von
einem suprainguinalen ([
Abb. 3
]) und die
V. iliaca communis von einem paraumbilikalen Schallfenster ([
Abb. 4
]) mit Kippung der Sonde in Richtung
des Gefäßverlaufes besser sichtbar gemacht werden. Alternativ kann eine Platzierung
des bei der Konvexsonde nicht kippbaren Farbfensters am lateralen Bildrand zu einer
Optimierung des Dopplerwinkels führen. Eine niedrige Pulsrepetitionsfrequenz (PRF),
d. h. ein niedriger Geschwindigkeitsbereich bei der Farbdarstellung verbessert die
Sensitivität der Flussdarstellung.
Abb. 2 Fehlende Flussdarstellung in den Beckenvenen durch
Darmgasüberlagerung (linke Bildhälfte) und ungünstigen Dopplerwinkel (Mitte
und rechte Bildhälfte).
Abb. 3 Darstellung der rechten A. iliaca externa (rot) und der rechten
V. iliaca externa (blau) von einem suprainguinalen Schallfenster aus bei
gleicher Patientin.
Abb. 4 Darstellung der rechten V. iliaca communis (blau) von einem
paraumbilikalen Schallfenster aus bei gleicher Patientin.
Neben der bildlichen Darstellung der Beckenvenen gibt die seitenvergleichende Messung
der Blutströmung in den fast immer gut zu erreichenden distalen Vv. iliacae
externae, aber auch in den Vv. femorales communes Aufschluss über das Vorliegen oder
Fehlen eines nachgeschalteten, hämodynamisch wirksamen Strombahnhindernisses.
Sonographische Befunde bei akuter Beckenvenenthrombose
Sonographische Befunde bei akuter Beckenvenenthrombose
Direkte Zeichen im unmittelbaren Bereich der Thrombosierung sind eine
gegenüber einem offenen Gefäß gering echoreichere Binnenstruktur, eine Erweiterung
der Vene sowie ein partiell oder komplett fehlender Flussnachweis ([
Abb. 5
]).
Indirekte Zeichen sind eine im Seitenvergleich zu bestimmende Erweiterung der
ipsilateralen V. femoralis communis (ggf. auch V. iliaca externa) mit Aufhebung oder
Abschwächung der Herz- und Atemmodulation im PW-Dopplersignal (pulsed wave) ([
Abb. 6
]), eine erschwerte Kompressibilität
der Beinvenen und der Nachweis einer Spontanströmung in Kollateralvenen aus dem
iliakalen und pudendalen Abstromgebiet, zum Teil mit Flussumkehr.
Abb. 5 Längsschnitt mit A. iliaca externa links und erweiterter
V. iliaca externa links mit fehlendem Flussnachweis bei akuter Thrombose
(direktes Zeichen).
Abb. 6 Blutströmung in der V. femoralis communis links mit
aufgehobener Herz- und Atemmodulation bei akuter Thrombose der V. iliaca
externa und V. iliaca communis links.
Bei Nachweis einer Thrombose in den Beckenvenen oder einer Lungenembolie mit
fehlender Detektion einer Becken- oder Beinvenenthrombose sollte auch die V. cava
inferior untersucht werden [16].
Zusätzlich zur Bildgebung der Becken- und Beinvenen sowie der venösen und arteriellen
Blutflüsse, ermöglichst die Sonographie im B-Bild-Modus die Darstellung der
perivaskulären Weichteilstrukturen und ist geeignet, Ursachen einer externen
Gefäßaffektion etwa durch neoplastische Prozesse wie z. B. Lymphknotenkonglomerate
aufzuklären.
Der Stellenwert radiologischer Verfahren
Der Stellenwert radiologischer Verfahren
Die indirekte magnetresonanztomographische und computertomographische Phlebographie
können die V. cava und die Beckenvenen gut abbilden und stellen bei nicht
konklusiven Ergebnissen der FKDS die diagnostische Methode der Wahl bei vermuteten
iliakokavalen Thrombosen dar. Als Nachteile stehen dem der höhere zeitliche Aufwand
der MR-Phlebographie und die Strahlenbelastung der CT-Phlebographie gegenüber.
Aufgrund der inzwischen weit verbreiteten sonographischen Verfahren und der
Schnittbilddiagnostik (CT, MRT) hat die klassische direkte intravenöse Phlebographie
für die Primärdiagnostik an Bedeutung verloren und wird vorwiegend nur noch im
Rahmen von Interventionen eingesetzt. [17]
Die Diagnostik chronischer Verschlüsse der Beckenvenen
Die Diagnostik chronischer Verschlüsse der Beckenvenen
Während Beckenvenenthrombosen in der Regel mit einer akuten Schmerzsymptomatik
einhergehen und durch ein Ödem sowie livide Verfärbung häufig der gesamten
betroffenen Extremität gekennzeichnet sind, sind Patienten mit chronischen
Verschlüssen oder postthrombotischen bzw. auch nicht-thrombotischen Stenosen im
Bereich der Beckenvenen von Schweregefühl und Schmerzen im Bereich des proximalen
Beines betroffen, aber auch des Unterbauches sowie u. U. einer bewegungsabhängigen
Claudicatio venosa. Patientinnen können über Dysmenorrhoe und Dyspareunie klagen.
Mitunter findet sich eine Varikose im Vulva- und Pudendalbereich. Nach
postthrombotischen Verschlüssen ist häufig eine epifasziale Kollateralisierung über
einen sog. „Spontan-Palma“ (benannt nach dem von Eduardo Palma entwickelten venösen
Bypass-Verfahren) sichtbar ([
Abb. 7
]).
Überdies können auch typische Hautveränderungen im Sinne der chronischen venösen
Insuffizienz im Stadium C4-C6 nach CEAP auffällig sein.
Abb. 7 Epifasziale Kollateralisierung im Pudendalbereich und
kaliberstarker korkenzieherartig gewundener Ast über der Symphyse (sog.
„Spontan-Palma“) zur Vena iliaca der Gegenseite bei postthrombotischem
Verschluss der Beckenvene. Zusätzliche Kollateralisierung über Äste aus dem
Gebiet der Venae saphenae accessoria anterior und lateralis.
Die sonographische Exploration chronischer Beckenvenenverschlüsse
Die sonographische Exploration chronischer Beckenvenenverschlüsse
Auch bei der Beurteilung chronischer Beckenvenenverschlüsse stellt die
Duplexsonographie die Basisdiagnostik dar. Dabei soll die Untersuchung sowohl
Aufschluss über pathologisch-anatomische, als auch über funktionelle Aspekte geben.
Die sonographische Exploration zielt darauf ab, morphologische Veränderungen an der
Beckenvene darzustellen (Stenose oder Verschluss; Ausdehnung der Obstruktion bzw.
Okklusion). Außerdem ist die Frage zu klären, ob und in welchem Maße die V. cava
inferior mit betroffen ist. Darüber hinaus lässt sich das Ausmaß der
Kollateralisierung abschätzen.
Sonographische Befunde bei chronischen Beckenvenenverschlüssen
Sonographische Befunde bei chronischen Beckenvenenverschlüssen
Der Seitenvergleich der Strömungssignale wird auch zur Beurteilung postthrombotischer
Veränderungen an den Beckenvenen herangezogen. Im Unterschied zur akuten
Phlebothrombose ist die Atemmodulation in der postthrombotischen Beckenvene häufig
nicht komplett aufgehoben, sondern kann stark abgeschwächt und verzögert nachweisbar
sein ([
Abb. 8a
], [
Abb. 8b
]). Dies liegt darin begründet, dass
sich im Rahmen der Ausbildung des postthrombotischen Syndroms eine kaliberstarke
Kollateralisierung über die Venengeflechte des kleinen Beckens entwickelt hat.
Abb. 8a Atemmoduliertes Signal der intakten distalen Vena iliaca
externa rechts. b Deutlich gedämpfte Atemmodulation in der linken
Vena iliaca externa distal eines postthrombotischen Verschlusses.
Es ist hervorzuheben, dass die Beurteilung des venösen Abstromes auf der Gegenseite
der betroffenen Beckenvene von besonderer Bedeutung ist, da er Rückschlüsse auf die
Mitbeteiligung der V. cava inferior ermöglicht, welche in ihrem distalen Abschnitt
nur sehr eingeschränkt eingesehen werden kann. Während sich die Flusssignale in den
vorgeschalteten Vv. iliacae externae wie in den Beinvenen optimaler Weise mit einer
Linearsonde mit 8–12 MHz ableiten lassen, ist zur Untersuchung der Kollateralen im
kleinen Becken der Konvexsonde („Abdominalschallkopf“) der Vorzug zu geben.
Die postthrombotisch veränderte V. iliaca communis lässt sich aufgrund der
eingeschränkten Auflösung in der Regel nur schemenhaft mittels Farbdoppler
nachweisen. Dazu wird die begleitende Arterie als Leitstruktur aufgesucht. Im Falle
eines kompletten Verschlusses ist die Darstellung der Vene nicht möglich. Dafür
lassen sich die kompensatorisch erweiterten und stark korkenzieherartig gewundenen
Kollateralen mit hochfrequenten Flusssignalen abbilden ([
Abb. 9a
], [
Abb.
9b
]).
Abb. 9a Arteria (rot) und Vena iliaca communis (blau) rechts mit
regulären Signalen. b Schallkopfnah Arteria iliaca communis links
(rot) Schallkopffern korkenzieherartig verändertes Kollateralgefäß.
Dazwischen die postthrombotisch okkludierte und dilatierte Vene.
Limitationen der farbkodierten Duplexsonographie
Limitationen der farbkodierten Duplexsonographie
Die Detektion einer Beckenvenenstenose mit der FKDS ist in der Regel möglich. Murphy
et. al. veröffentlichten eine Untersuchung, in der sich die Sensitivität nicht von
der MR-Phlebographie unterschied [18]. Dennoch ist
die diagnostische Treffsicherheit der FKDS wegen der häufig eingeschränkten
abdominalen Schallausbreitungsbedingungen begrenzt und von der Erfahrung des
Untersuchers und den anatomischen Begebenheiten beim Patienten abhängig.
In einer monozentrischen Untersuchung detektierten die Untersucher im Rahmen einer
venösen Standard-Ultraschalluntersuchung nur 10 von 36 in der Schnittbildgebung
nachgewiesenen isolierten Beckenvenenthrombosen, was einer Sensitivität von nur
27,8 % entsprach. Differenzierte und standardisierte Untersuchungsprotokolle könnten
vermutlich zu besseren Ergebnissen führen [19],
[20].
Radiologische Verfahren und intravaskulärer Ultraschall (IVUS)
Radiologische Verfahren und intravaskulärer Ultraschall (IVUS)
Thrombosen der Beckenvenen sind achtmal häufiger links als rechts festzustellen, was
auf die topographische Beziehung zwischen der rechten Arteria iliaca und der
Wirbelsäule zurückzuführen ist. Die österreichischen Pathologen May und Thurner
wiesen an Sektionspräparaten als Folge der chronischen mechanischen Alteration eine
lokale Endothelproliferation und Intimahyperplasie mit Ausbildung einer
„spornartigen“ Struktur an 15–22 % der untersuchten Individuen nach [21], [22], [23].
Wenngleich im Laufe der vergangenen sechzig Jahre zahlreiche Kasuistiken und
Kleinserien publiziert wurden, liegen nicht allzu viele epidemiologische Daten zur
Inzidenz dieses sog. „Beckenvenensporns“ vor [24],
[25], [26].
Darüber hinaus sind die klinische und die prognostische Bewertung aktuell unklar
[27]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, vor
der Durchführung eines rekanalisierenden Eingriffes weitere Informationen über die
funktionelle Bedeutung eines nachgewiesenen chronischen Beckenvenenverschlusses zu
gewinnen.
Die Beurteilung des postthrombotischen Stenosegrades bzw. eines nicht-thrombotischen
May-Thurner-Syndroms mit der Konvexsonde ist nur in begrenztem Maße möglich. Die
Phlebographie im Rahmen der präinterventionellen Befunderhebung erfolgt in
gestreckter Körperhaltung und Rückenlage und lässt ebenfalls keine sichere
Beurteilung einer nicht-thrombotischen Obstruktion zu. Aus diesem Grunde plädieren
einige Autoren für die obligatorische Durchführung einer intravenösen
Ultraschalluntersuchung (IVUS). Im Rahmen der 2017 publizierten VIDIO-Studie
verglichen Gagne et al. die Ergebnisse der Phlebographie in drei Ebenen an
100 Probanden (CVI C4-C6 mit Verdacht auf iliofemorale Obstruktion) mit IVUS. In
26,3 % der Fälle ließen sich mit IVUS signifikante Stenosen (≥ 50 %) nachweisen, die
sich der Phlebographie entzogen haben. Darüber hinaus wurde die Stenose in der
radiologischen Bildgebung um durchschnittlich 11 % unterschätzt [28] ([
Abb.
10a
], [
Abb. 10b
], [
Abb. 10c
]).
Abb. 10a IVUS-Sonde in der proximalen Vena iliaca (Arterie links
unten). b IVUS-Sonde innerhalb der Stenose (bei 1:00 Uhr) bei
May-Thurner-Syndrom. c IVUS-Sonde distal der Stenose.
Die Arbeitsgruppe von Jalaie et al. favorisiert eine präprozedurale MR- oder
CT-Phlebographie, da diese neben Stenose, Okklusion und Atresie zusätzliche
Informationen über eine mögliche externe Kompression und die Kollateralisierung
liefert [29] ([
Abb.
11
]). Die niederländische Arbeitgruppe um Arnoldussen, Tonder und
Wittens entwickelte einen Score zur standardisierten Beurteilung der Beckenvenen und
der V. cava inferior (LOVE score), wobei sich MR-Phlebographie und Duplexsonographie
als gleichwertig erwiesen [30].
Abb. 11 Der proximale Anteil der V. cava inferior (Patient von [
Abb. 1
]) entzieht sich dem
Ultraschall. Im CT Darstellung eines Thrombus (Pfeil) mit subtotaler
Lumeneinengung im distalen Verlauf.
Phlebologische Funktionsdiagnostik
Phlebologische Funktionsdiagnostik
Die primäre Offenheitsrate nach Beckenveneninterventionen wird in der Literatur mit
70 % angegeben, was auch der Erfahrung am eigenen Patientengut der Autoren
entspricht [14]. Daraus lässt sich die
Notwendigkeit hämodynamischer Untersuchungen ableiten, welche die Identifizierung
geeigneter Patienten und eine Abschätzung der Erfolgsaussichten ermöglichen. Dies
ist nicht zuletzt von Bedeutung, da es sich bei einem erheblichen Teil der
Zielgruppe um jüngere und fertile Frauen handelt, deren Genitalorgane nicht
unkritisch einer Strahlenbelastung ausgesetzt werden dürfen. Über die prognostische
Bedeutung hämodynamischer Faktoren wurden bislang nur sehr wenige Untersuchungen
durchgeführt. Unter 7.562 Publikationen zu Beckenvenen-Stenting und Bypass-Chirurgie
fanden Kurstjens et al. nur vier Arbeiten, in denen prädiktive Aussagen aus
hämodynamischen Untersuchungen vor einem Eingriff gewonnen werden sollten [31]. Die Phlebodynamometrie (PDM) und die venöse
Verschlussplethysmographie (VVP, [
Abb. 12
])
geben im Routineprotokoll nur wenige zusätzliche Informationen. Während die PDM im
Falle einer isolierten Beckenvenenobstruktion lediglich eine gering reduzierte bis
normale Druckreduktion im Arbeitsmanöver aufweist, lässt die VVP keine Rückschlüsse
über die Lokalisation einer postthrombotischen Läsion zu. Modifizierte
Versuchsanordnungen der VVP und die Air-Plethysmographie könnten perspektivisch
einen Ansatz bieten, wie verschiedene Arbeiten belegen [32], [33]. Lattimer und Mendoza führten
wegweisende Experimente mit der Air-Plethysmographie durch. Sie konnten den venösen
Drainage-Index (VDI < 11 ml/s) als Parameter identifizieren, der im Falle einer
iliofemoralen Obstruktion signifikant reduziert ist und geeignet sein könnte, den
Effekt einer Rekanalisation der Beckenvenen vorauszusagen. Die Untersuchung kann
unter Beinhochlagerung und Hinstellen durch Praxismitarbeiter durchgeführt werden
oder idealerweise auf einem Kipptisch. Zusammenfassend ist allerdings festzustellen,
dass das Gerät zum aktuellen Zeitpunkt in Deutschland noch nicht erhältlich ist und
die Untersuchung in der Praxis noch nicht umsetzbar ist [34].
Abb. 12 Venöse Verschlussplethysmographie (VVP). Im Seitenvergleich
deutliche Reduktion des venösen Abstroms links nach Beckenvenenverschluss
(43 vs. 106 ml/min). Rückschlüsse auf Verschlussetage und Länge bzw.
Offenheitsprognose sind nicht möglich.
Zusammenfassung
Trotz der weiterentwickelten interventionellen Technologie zur Behandlung der
Thrombose und trotz immer sicherer gewordener Antikoagulationstherapie haben
Phlebothrombose, Lungenarterienembolie und postthrombotisches Syndrom nicht an
Bedeutung verloren. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Faktor Zeit insbesondere
im Falle der akuten Erkrankung von entscheidender Bedeutung ist.
Die Thrombose der Beckenvenen geht mit einem besonders hohen Risiko für eine
schwerwiegende Lungenembolie einher, was sich aus dem stärkeren Gefäßkaliber und der
damit zusammenhängenden größeren Thrombuslast erklärt. Zur Vermeidung dieser
Komplikation ist die schnellstmögliche Einleitung der Therapie erforderlich. Die
FKDS ist das Mittel der ersten Wahl zur Diagnosesicherung auch in der Untersuchung
proximal des Leistenbandes. Sie ist kostengünstig, vergleichsweise gut verfügbar und
liefert heutzutage eine hervorragende Gefäßdarstellung. Dabei muss vom Untersucher
berücksichtigt werden, dass aufgrund der Topographie im kleinen Becken bzw. der
Tiefe des Abdomens die Konvexsonde verwendet werden muss. In Einzelfällen können MR
und CT die Diagnosefindung unterstützen.
MR- und CT-Phlebographie können insbesondere bei der Bewertung chronischer
Beckenvenenverschlüsse und V.-cava-Prozesse nützliche Zusatzbefunde erbringen. Es
ist allerdings festzustellen, dass die Untersuchungstechnik nicht in allen
radiologischen Einrichtungen vorgehalten wird und letztlich spezialisierten Zentren
vorbehalten ist. Invasive Methoden wie Phlebographie und IVUS sind den Fällen
vorbehalten, in denen eine interventionelle bzw. operative Behandlung vorgesehen ist
und im Rahmen der Eingriffsplanung spezielle Daten erhoben werden müssen wie zum
Beispiel über die Länge und den Querschnitt einer Obstruktion.
-
Die Diagnostik der akuten und der chronischen Beckenvenenthrombose sollte
primär mittels farbkodierter Duplexsonographie unter Verwendung einer
Konvex-Sonde erfolgen. Ergänzend können distal des Leistenbandes mittels
Linear-Schallkopf indirekte hämodynamische Informationen gewonnen
werden.
-
Bei nicht schlüssigen sonographischen Befunden wie auch im Falle einer
geplanten Thrombektomie bzw. Rekanalisation stellen die MR- bzw.
CT-Phlebographie den nächsten diagnostischen Schritt dar.
-
Der intravaskuläre Ultraschall findet Verwendung, wenn die
interventionelle Behandlung einer nicht-thrombotischen Gefäßobstruktion
in Betracht gezogen wird.
-
Die klassische direkte Phlebographie ist nur noch im Rahmen einer
Intervention erforderlich. Als isolierte diagnostische Methode kann sie
als obsolet angesehen werden.