Aktuelle Dermatologie 2019; 45(11): 540-545
DOI: 10.1055/a-0886-9250
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

SIP: Berufsdermatologische Präventions-Seminare

SIP: Occupational Dermatological Prevention Seminars
E. Weisshaar
Berufsdermatologie, Universitäts-Hautklinik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
,
C. Weseloh
Berufsdermatologie, Universitäts-Hautklinik, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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Korrespondenzadresse

Apl. Prof. Dr. med. Elke Weisshaar
Universitätsklinikum Heidelberg
Hautklinik/Berufsdermatologie
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Voßstr. 2
69115 Heidelberg

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Juli 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Berufliche Hautkrankheiten zählen zu den häufigsten Berufskrankheiten, insbesondere in den Industrieländern. Das Gesundheitswesen, die Metallbearbeitung, das Friseurhandwerk, das Baugewerbe und die Lebensmittelindustrie sind dabei besonders betroffen. In diesen Berufen ist die Haut der Beschäftigten oft Wasser, arbeitsspezifischen Reizstoffen und Allergenen ausgesetzt und es besteht ein hohes Risiko, ein Kontaktekzem, am häufigsten an den Händen, zu entwickeln. Die Folgen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene sind enorm. Berufliche Hauterkrankungen verursachen hohe Kosten. Fehlzeiten und mangelnde Produktivität belasten insbesondere kleine und mittlere Betriebe. Der Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen kommt daher seit Jahren eine wichtige Bedeutung zu. Auf ambulanter Versorgungsebene spielt die sekundäre Individualprävention (SIP) eine wesentliche Rolle. Sie beinhaltet ein ambulantes dermatologisches Heilverfahren sowie das Angebot von interdisziplinären Hautschutzseminaren. Frühzeitig eingeleitete Präventions- und Therapiemaßnahmen können der Manifestation einer Berufserkrankung nach BK 5101 entgegenwirken und Kosten sparen.


Abstract

Occupational skin diseases are among the most common occupational diseases in industrialized countries. Hairdressing, metalworking, construction industry, the food industry and healthcare are particularly affected. There, the skin of employees is often exposed to work-specific irritants, water and allergens and there is a high risk of developing contact dermatitis, most commonly on the hands. The consequences on an individual and social level are enormous. Occupational skin diseases cause high costs. Absenteeism and lack of productivity are a particular burden on small and medium-sized enterprises. The prevention of occupational skin diseases is therefore of great importance. Secondary individual prevention (SIP) plays an important role at the outpatient care level. It includes an outpatient dermatological treatment as well as the offer of interdisciplinary skin protection seminars. Early initiated prevention and therapy measures can counteract the manifestation of an occupational disease according to BK 5101 and save costs.


Einleitung

Berufliche Hautkrankheiten zählen zu den häufigsten Berufskrankheiten in den Industrieländern. In Deutschland machen sie 35 % aller gemeldeten beruflichen Krankheiten aus [1]. Meldungen auf Verdacht einer Berufskrankheit nach Nr. 5101 (Hautkrankheiten mit Ausnahme von Hautkrebs) stehen dabei ganz vorne. Sie stiegen bis Mitte der 1990er-Jahre stetig an und zählen mittlerweile zu den am häufigsten angezeigten Berufskrankheiten. Allein bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften fielen im Jahr 2017 von insgesamt 75 187 angezeigten Berufskrankheiten 21 063 auf die BK Nr. 5101 [2].

Schwere und/oder sich wiederholende Hauterkrankungen können in vielen Berufen auftreten. Das Friseurhandwerk, die Metallbearbeitung, das Baugewerbe, die Lebensmittelindustrie sowie das Gesundheitswesen sind besonders betroffen. In diesen Bereichen ist die Haut der Beschäftigten oft arbeitsspezifischen Reizstoffen, Allergenen und Wasser ausgesetzt. Reinigungsmittel, organische Lösungsmittel, Flüssigkeiten zur Metallbearbeitung, Mehl, Zement, Klebstoffe oder Chemikalien sind z. B. Substanzen, die eine Berufsdermatitis verursachen können [3]. Die in den oben genannten Berufsfeldern Tätigen tragen ein hohes Risiko, ein Kontaktekzem, am häufigsten an den Händen, zu entwickeln ([Abb. 1 – 4]).

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Abb. 1 Schweres hyperkeratotisches Handekzem (a) bei einem 59-jährigen Malermeister mit vollständiger Abheilung nach einer Maßnahme der Tertiären Individualprävention (TIP) und (b) Konstanz des unauffälligen Hautbefundes 4 Wochen nach Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit und nach Umsetzung von individuellen Arbeits- und Hautschutzmaßnahmen.
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Abb. 2 Leichtes pruriginöses Handekzem (a) bei einer 62-jährigen Altenpflegerin mit Beteiligung der Füße (b) in Form von Prurigoknötchen und leichten Fußekzemen beidseits. Auch bei einer Maßnahme der Sekundären oder Tertiären Individualprävention sollten immer die Füße und die gesamte weitere Körperhaut inspiziert werden, da sich hierdurch die relevanten Differenzialdiagnosen rasch eingrenzen lassen.
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Abb. 3 27-jähriger Metallfacharbeiter mit einem subtoxisch-kumulativen Handekzem beidseits seit 9 Monaten. Solche Hautbefunde sind bez. der Morphologie und der Bestandsdauer typisch für SIP-Seminar-Teilnehmer.
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Abb. 4 Schweres atopisches Handekzem mit Beteiligung der Handgelenksbeuge und hauptsächlicher Manifestation an den Handtellern.

Meist handelt es sich um subtoxisch-kumulative und allergische Kontaktekzeme. Es sollte bedacht werden, dass auch die Füße ([Abb. 2 b]) oder andere Körperstellen von Ekzemen betroffen sein können, insbesondere bei Versicherten mit einer atopischen Hautdiathese oder einer atopischen Dermatitis (AD).

Berufliche Hautkrankheiten sind auf individueller Ebene mit einem deutlichen Verlust der Lebensqualität verbunden. Die sozioökonomische Belastung ist enorm. Schätzungen zufolge verursachen berufliche Hauterkrankungen in Deutschland jährlich über 1,5 Milliarden Euro Kosten – v. a. bedingt durch Fehlzeiten und mangelnde Produktivität. Kleinere und mittlere Betriebe sind dadurch mit Blick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit stark belastet [1].

Meist sind lange Behandlungszeiten notwendig und die häufig jungen Betroffenen stehen erst am Anfang ihrer beruflichen Karriere. Oft sind Umschulungen nötig.

Berufliche Hautkrankheiten sind besonders präventiv beeinflussbar. Eine frühe Intervention mit geeigneten präventiven und therapeutischen Strategien sollte angestrebt werden, da dies für den Verlauf von berufsbedingten Hauterkrankungen entscheidend ist [27]. Hier setzen spezielle ambulante Vorsorge- und Behandlungsmaßnahmen an.


Informationsbedarf zum Thema Hautschutz

Frühzeitig eingeleitete ambulante Präventions- und Therapiemaßnahmen können der Manifestation einer Berufserkrankung nach BK 5101 entgegenwirken und Kosten sparen. Nach dem großen Erfolg präventiver Maßnahmen für Friseure [4] [5] wurden entsprechende Programme und Hautschutzseminare ([Abb. 5]) für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Metallindustrie ausgebaut [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14].

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Abb. 5 Üben des richtigen Eincremens der Hände mit einer Fluoreszenzfarbstoff enthaltenden Creme und dem Dermalux Gerät.

Der Bedarf solcher Programme ist groß. Viele in Risikoberufen Tätige wissen nicht, wie man sich hautschützend verhält, oder erkennen die Notwendigkeit entsprechender Hautschutzmaßnahmen nicht. Eine Fragebogenstudie aus Dänemark [28] konnte aufzeigen, dass Patienten mit einer berufsbedingten Hauterkrankung (Handekzem) immer noch zu wenig über den Hautschutz wissen – unabhängig von ihrem Bildungsniveau und der Ekzemaktivität. Insbesondere Männer und Patienten über 50 Jahre benötigten noch mehr Informationen, um sich hautschützend zu verhalten. Die Ergebnisse einer deutschen Studie mit 1355 Metallarbeitern, überwiegend männlich (n = 1310), veranschaulichen darüber hinaus, dass die ärztliche Empfehlung zur Verwendung entsprechender Schutz- und Feuchtigkeitscremes für die Hände zum Schutz vor einem Handekzem nur auf wenig Akzeptanz stieß [15].

Empfehlungen und evidenzbasierte Mindestnormen für die Prävention

Leitlinien geben Empfehlungen zur Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen. Darüber hinaus konnten Experten der Berufsdermatologie im Jahr 2017 europaweit einen Konsens über die Festlegung von evidenzbasierten Mindestnormen für die Prävention und das Management von berufsbedingten Hauterkrankungen erzielen [25] [26].



Primäre, sekundäre, tertiäre Prävention

In Deutschland wird seit über 15 Jahren seitens der gesetzlichen Unfallversicherungsträger ein mehrstufiger, multidisziplinärer Interventionsansatz verfolgt, der primäre, sekundäre und tertiäre Präventionsmaßnahmen beinhaltet (Osnabrücker Modell). Mit dem seit 06. 12. 2005 existierenden „Stufenverfahren Haut“ soll erreicht werden, dass die Unfallversicherungsträger individuell erforderliche Präventionsmaßnahmen und Leistungen möglichst frühzeitig erbringen. Auf ambulanter Versorgungsebene spielt die sekundäre Individualprävention (SIP) eine wesentliche Rolle. Sie beinhaltet das ambulante dermatologische Heilverfahren im Rahmen des § 3 BKV (Berufskrankheiten-Verordnung) sowie das Angebot von ärztlichen und gesundheitspädagogischen Hautschutzseminaren.

Primäre Prävention

Die primäre Prävention soll bei Hautgesunden das Entstehen von beruflichen Hautkrankheiten verhindern. Die primäre Prävention beinhaltet daher die entsprechende (technische/organisatorische) Ausstattung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber sowie entsprechende individuelle Hautschutzmaßnahmen durch die Beschäftigten, wie z. B. das Tragen von Schutzhandschuhen [16] und Schutzkleidung. Effektive Trainingsprogramme zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit Blick auf den Inhalt, die Art der Bereitstellung und den Zeitplan ähnlich sind, branchenspezifisch konzipiert sind und dabei multimodales Lernen, partizipative Elemente, Bereitstellung von Hautpflegemitteln, wiederholte Sitzungen sowie das Engagement des Managements beinhalten [29]. Je früher und spezifischer präventive Maßnahmen umgesetzt werden, umso effektiver kann der Entwicklung einer beruflichen Hauterkrankung vorgebeugt werden. Beschäftigte in Riskoberufen sollten frühzeitig über entsprechende Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz informiert werden. Ergebnisse von Studien mit Auszubildenden in Risikoberufen legen dar, dass speziell auf diese Gruppe zugeschnittene Präventionsmaßnahmen wirksam sind [23] [30]. Eine aktuelle Studie mit 140 Auszubildenden aus Hochrisikoberufen konnte zeigen, dass sich bereits ein einmalig stattfindendes Hautschutzseminar positiv auf das Wissen über berufliche Hautkrankheiten auswirken kann [23].


Sekundäre Prävention

Liegt bereits eine berufliche Hauterkrankung vor, sollte im Sinne einer sekundären Prävention dem Wiederaufleben oder gar einer Chronifizierung durch entsprechende Maßnahmen vorgebeugt werden. Vorrangiges Ziel ist es hierbei, die Manifestation des Handekzems zu vermeiden, das Arbeits- und Hautschutzverhalten zu verbessern, die Motivation zu steigern und eine Sensibilisierung durch Allergene zu verhindern. Übergeordnetes Ziel ist es, eine Berufskrankheitheit nach BK 5101 zu vermeiden. Bei den Teilnehmern handelt es sich i. d. R. um Versicherte mit leichten Handekzemen ([Abb. 3]).

Die seit Mitte der 1990er-Jahre entwickelten berufsdermatologischen, berufsspezifischen Präventions-Seminare sind spezielle – in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) durchgeführte – Schulungskurse, bei denen Berufskrankheiten der Haut auf individueller Ebene im Fokus stehen. Der Erfolg solcher Maßnahmen konnte in mehreren Studien bestätigt werden [5] [6] [8] [10] [13] [17]. SIP-Seminare sind bei Friseuren und Beschäftigten aus Gesundheitsberufen seit über 10 Jahren etabliert [4] [5] [6] [7] [8] [18].

Seminare der Sekundären Individualprävention (SIP)

Im Januar 2002 wurden erstmals in der Abteilung Klinische Sozialmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg SIP-Seminare für Versicherte mit berufsbedingten Hauterkrankungen bei Angehörigen von Gesundheitsberufen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsberufe und Wohlfahrtspflege etabliert und durchgeführt [6]. Rasch folgten die Seminare für Reinigungs- und Küchenberufe. Ziel der Intervention ist es, Veränderungen des individuellen Hautschutz- und Hautpflegeverhaltens zu erzielen, Empfehlungen zur weiteren Diagnostik und Behandlung festzulegen sowie eine langfristige Verbesserung und Stabilisierung des Hautzustandes zu erreichen. In den zweitägigen Seminaren erhalten bis zu 14 Hauterkrankte Informationen über den Aufbau und die Funktion der Haut und über notwendige Schutzmaßnahmen. In praktischen Seminareinheiten lernen die Teilnehmer, Hautschutzmaßnahmen in tägliche Arbeitsabläufe zu integrieren. Ergänzt wird das Angebot durch eine ausführliche ärztliche Anamnese und Untersuchung. Der Arzt hat dadurch die Möglichkeit, ein auf die individuellen Bedürfnisse angepasstes Hautschutz- und Hautpflegeprogramm auszuarbeiten.

Seit November 2004 werden SIP-Seminare auch für Beschäftigte aus Reinigungs- und Küchenberufen angeboten. Eine Nachbeobachtungsstudie mit Beschäftigten aus Reinigungs- und Küchenberufen [19] konnte den Erfolg von SIP-Seminaren hinsichtlich des Verlaufes der Hauterkrankung und des subjektiven Wohlbefindens bestätigen.

Die Universität Osnabrück bietet seit Ende der 80er-Jahre Hautschutzseminare für Friseure an, die die Grundlage für die großen Erfolge der SIP-Seminare bis heute begründen [5]. In den folgenden Jahren folgten SIP-Seminare für Gesundheitsberufe. Seit Juni 2007 bietet die Universität Osnabrück, Fachbereich Dermatologie, Umweltmedizin und Gesundheitstheorie, Versicherten der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft Seminare zur sekundären Prävention von berufsbedingten Hauterkrankungen an. Die eintägigen Hautschutzseminare werden von bis zu 10 Patienten besucht. Die Teilnehmer erhalten Informationen über den Hautaufbau und die Hautfunktion, über die Entstehung von berufsbedingten Hauterkrankungen, über persönliche Risikofaktoren sowie über notwendige Schutzmaßnahmen. Ergänzt wird das Angebot durch eine individuelle Handschuh- und Hautmittelberatung. Eine Evaluation nach einjähriger Durchführung konnte die positiven Auswirkungen der Schulungsmaßnahmen belegen [13].

Mittlerweile werden SIP-Seminare auch von anderen Berufsgenossenschaften wie der Nahrungsmittel-BG und der BG für Metall und Holz durchgeführt [22]. Die Wirksamkeit von Hautschutzseminaren bei Metallarbeitern demonstrierte ein interdisziplinäres Projekt zur sekundären Individualprävention [14]. Nach einer dermatologischen Eingangsuntersuchung und einer Befragung der Erkrankten erfuhren die 128 Patienten in einem eintägigen Schulungsseminar von Gesundheitspädagogen Wissenswertes über die Ekzementstehung und die Präventionsmöglichkeiten. Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft überprüften die Hautschutzmaßnahmen vor Ort und optimierten diese individuell. Nach 3 bis 6 Monaten wurde der Erfolg des Seminars durch die Teilnehmer und durch einen Dermatologen evaluiert. Von ärztlicher Seite wurde der Seminarerfolg als sehr erfolgreich (27,0 %) und erfolgreich (54,1 %) gewertet [14].



Tertiäre Prävention

Tertiäre, stationäre Präventionsmaßnahmen kommen dann zum Einsatz, wenn die Maßnahmen der primären und sekundären Prävention zu keinem Erfolg geführt haben. Diese enthalten ebenfalls zumeist wöchentliche Schulungseinheiten zum Thema „Arbeits- und Hautschutz“, und die diesbezüglichen Inhalte resultieren aus den jahrelangen Erfahrungen der SIP-Seminare. Tertiäre individuelle Präventionsmaßnahmen (TIP) sind dann angezeigt, wenn „der konkrete Zwang zur Unterlassung der schädigenden Tätigkeit bzw. die Anerkennung einer Berufskrankheit nach BK 5101 der BKV droht“. Hierbei handelt es sich i. d. R. um schwere, therapieresistente, chronische Handekzeme, ätiologisch unklare Handekzeme und Hauterkrankungen, die sich auch oft am Körper manifestieren und bei denen ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit vermutet wird. Darunter sind auch zunehmend Versicherte mit AD bzw. schwerem atopischem Handekzem. Der große Erfolg und die signifikante Wirksamkeit der TIP-Maßnahme wurde für sämtliche medizinische und psychologische Parameter, insbesondere auch für den Berufsverbleib, gezeigt [1] [11] [20] [21] [22]. Alle Versicherten wurden über 3 Jahre nachbeobachtet, und es konnte gezeigt werden, dass die TIP-Maßnahme die Krankheitsschwere, Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität und Prognose der Betroffenen nachhaltig verbessert [1].



Fazit für die Praxis

  • Wissen zum Umgang mit hautreizenden Arbeitsstoffen sowie Arbeits- und Hautschutzmaßnahmen werden nicht an allen Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt, auch nicht an potenziell hautbelastenden Arbeitsplätzen. Dabei wird auch oft eine individuelle Arbeits- und Hautschutzberatung nicht durchgeführt und deren Bedeutung unterschätzt.

  • Der Bedarf an individuellen, präventiven Hautschutzseminaren ist ungebrochen hoch. V. a. in den Gesundheitsberufen, im Metallbereich, im Baugewerbe, in der Lebensmittelindustrie und bei Friseuren haben die Beschäftigten mit Feuchtarbeit, einer Vielzahl an hautreizenden Stoffen und potenziellen Allergenen Kontakt, die zu Handekzemen führen können. Dabei spielt auch die atopische Hautdiathese eine große Rolle, die Versicherte zum Enstehen von Abnutzungsdermatosen disponiert.

  • Der ambulanten Prävention und Behandlung kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Frühzeitig durchgeführte ambulante Präventions- und Therapiemaßnahmen können der Manifestation einer Berufskrankheit nach BK 5101 vorbeugen, die Lebensqualität steigern und Kosten sparen. Ziel der Maßnahmen sollte es stets sein, die Betroffenen im Beruf zu halten und eine Berufsaufgabe zu verhindern. Vor diesem Hintergrund erscheint es zudem sinnvoll, entsprechende Schulungen in regelmäßigen Abständen zu wiederholen [24]. Männern und Patienten ab 50 Jahren sollten gezielte Schulungsangebote gemacht werden, um deren Compliance zu erhöhen.

  • Es wäre wünschenswert, Präventionsmaßnahmen bereits früher einzusetzen: vor der Berufswahl bzw. in der Schule bzw. im vorletzten Schuljahr, bevor sich die Schüler für ein Ausbildungsverhältnis entscheiden und darauf bewerben. Beruflich bedingte Allergien treten meist in den ersten Monaten des Arbeitsverhältnisses auf. Bereits bestehende Symptome verschlimmern sich. Jugendliche und junge Menschen mit einer atopischen Erkrankung sollten sich daher vor der Berufswahl ausführlich beraten lassen.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Apl. Prof. Dr. med. Elke Weisshaar
Universitätsklinikum Heidelberg
Hautklinik/Berufsdermatologie
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Voßstr. 2
69115 Heidelberg


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Abb. 1 Schweres hyperkeratotisches Handekzem (a) bei einem 59-jährigen Malermeister mit vollständiger Abheilung nach einer Maßnahme der Tertiären Individualprävention (TIP) und (b) Konstanz des unauffälligen Hautbefundes 4 Wochen nach Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit und nach Umsetzung von individuellen Arbeits- und Hautschutzmaßnahmen.
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Abb. 2 Leichtes pruriginöses Handekzem (a) bei einer 62-jährigen Altenpflegerin mit Beteiligung der Füße (b) in Form von Prurigoknötchen und leichten Fußekzemen beidseits. Auch bei einer Maßnahme der Sekundären oder Tertiären Individualprävention sollten immer die Füße und die gesamte weitere Körperhaut inspiziert werden, da sich hierdurch die relevanten Differenzialdiagnosen rasch eingrenzen lassen.
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Abb. 3 27-jähriger Metallfacharbeiter mit einem subtoxisch-kumulativen Handekzem beidseits seit 9 Monaten. Solche Hautbefunde sind bez. der Morphologie und der Bestandsdauer typisch für SIP-Seminar-Teilnehmer.
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Abb. 4 Schweres atopisches Handekzem mit Beteiligung der Handgelenksbeuge und hauptsächlicher Manifestation an den Handtellern.
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Abb. 5 Üben des richtigen Eincremens der Hände mit einer Fluoreszenzfarbstoff enthaltenden Creme und dem Dermalux Gerät.