Ein Tag in der berufsdermatologischen Sprechstunde
Ein Tag in der berufsdermatologischen Sprechstunde
Aerogenes allergisches Kontaktekzem auf Epoxidharz im Tiefbau
Das Telefon klingelt. Eine Apotheke im Südschwarzwald bittet um ein Rezept über Prednisolontabletten
und kortikoidhaltige Externa. Kurz danach schickt der Versicherte ein Foto ([Abb. 1]). Selbstverständlich erhält die Apotheke in St. Blasien das angeforderte Rezept
per Fax und später im Original per Post. Der Maurerpolier steht seit 25 Jahren wegen
seines rezidivierenden aerogenen allergischen Kontaktekzems in meiner kontinuierlichen
dermatologischen Betreuung. Zu den Verlaufskontrollen stellt er sich meist an Sonntagvormittagen
vor, weil er werktags auf Montage unterwegs ist. Er ist hochgradig gegen das volatile
Kontaktallergen Epoxidharz sensibilisiert. Über das Vorkommen dieser Substanz auf
dem Bau ist er gut informiert. Durch technisch-organisatorische Maßnahmen kann er
weitgehend Allergenkarenz am Arbeitsplatz einhalten. Manchmal muss er allerdings seine
Mitarbeiter selbst anleiten, so beim Abdichten der Schluchseetalsperre mit Zweikomponentenkleber.
Ähnliche Situationen kommen bei der Sanierung von Autobahnbrücken und von Tiefgaragen
vor. Akzidentelle Exposition gegenüber epoxidharzhaltigen Aerosolen lassen sich dabei
nicht völlig vermeiden.
Abb. 1 Akute Symptomatik eines aerogenen allergischen Kontaktekzems im Gesicht.
Persönliche Schutzausrüstung (PSA) bietet keinen Schutz vor volatilen Allergenen auf
dem Bau. Die Schwere der Hauterkrankung ergibt sich allein aus der Natur des Allergens.
Dem Grunde nach besteht ein Unterlassungszwang für die gefährdende Tätigkeit [1]. Der Deutsche Bundestag wird noch in dieser Legislaturperiode über den Begriff des
Unterlassungszwangs diskutieren. Eine Gesetzesvorlage wurde erstellt, in der die Anerkennung
einer BK 5101 nicht in jedem Fall von der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit abhängig
sein soll. Fälle wie der geschilderte könnten somit in der Zukunft mit einer BK-Anerkennung
rechnen. Eine berufliche Neuorientierung kommt für den 58-jährigen Versicherten nicht
in Betracht. Seine verantwortungsvolle, abwechslungsreiche Tätigkeit ist sehr gut
bezahlt. Die Sorge des Patienten, dass er sich an einem leidensgerechten Arbeitsplatz
finanziell verschlechtern könnte, ist nicht unberechtigt. Er nimmt Schübe seines Ekzems
in Kauf, um seinen Lebensstandard zu halten. In seiner leitenden Position als Polier
kann er die unmittelbare Allergenexposition weitgehend durch organisatorische Maßnahmen
meiden. Mit den Leistungen der BG Bau ist der Versicherte hoch zufrieden. Sie gewährt
seit vielen Jahren – zeitlich unbefristet – Maßnahmen nach § 3 BKV. Alle 2 Jahre darf
er für 3 Wochen zur stationären TIP-Maßnahme (TIP: Tertiäre Individual-Prävention)
in eine geeignete Fachklinik. Vielen seiner Kollegen auf der Baustelle geht es nicht
so gut. Sie arbeiten für Nachunternehmer (früher Subunternehmer genannt) aus Rumänien
und Polen. Es ist Realität, dass auf deutschen Baustellen nur wenige Arbeiter bei
deutschen Bauunternehmungen angestellt sind. Viele Hauterkrankungen werden dem Unfallversicherungsträger
(UVT) nicht gemeldet. Arbeitnehmer, die für einen Nachunternehmer arbeiten, sind nicht
in Deutschland unfallversichert.
Rezepte
Meine medizinische Fachangestellte (MFA) legt mir ein BG-liches Rezept zur Unterschrift
vor. Die verordneten Externa sollen für 2 – 3 Monate reichen. Mit einem starken und
einem schwachen topischen Kortikoid sowie einem Basistherapeutikum mit 10 % Harnstoff
sind viele Versicherte gut bedient. Eine Reinigungskraft stellt sich vor und bittet
um ein Wiederholungsrezept. Die MFA weist mich darauf hin, dass der Behandlungsauftrag
abgelaufen ist. Sie ruft bei der Sachbearbeiterin des UVT an und schildert die Situation.
Meist liegt nach kurzer Zeit die Verlängerung per Fax vor. In einem anderen Fall erhält
die Versicherte ein Kassenrezept. Die Verlängerung des § 3-Behandlungsauftrags wird
im Verlaufsbericht beantragt.
Hautschutzberatung
Für eine Bäckerin wird von der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe
(BGN) ein individueller Hautschutzplan nach GZI 17a angefordert. Kein anderer UVT
nützt nach meiner Erfahrung diese Möglichkeit. Dies liegt daran, dass die BGN für
ihre Mitglieder – meist Kleinbetriebe mit wenigen Beschäftigten – keinen Technischen
Aufsichtsdient (TAD) mit Besuchen vor Ort anbieten kann. In meiner Praxis hat sich
dazu eine Maske für unterschiedliche hautbelastende Tätigkeiten bewährt ([Tab. 1]). Eine solche Beratung kann auch nach Aktenlage erfolgen. Eine optimale Hautschutzberatung,
z. B. zur Anwendung von Desinfektionsmitteln im Pflegebereich, schließt Übungen mit
dem Dermalux®-Gerät ([Abb. 2]) ein. Dabei wird nach dem Auftragen einer fluoreszierenden Creme überprüft, welche
Hautareale an den Händen bei der Anwendung vergessen wurden. Meist sind dies die Daumen
und Parungualregionen. Diese Maßnahme ist eine komplett delegierbare Leistung.
Tab. 1
Muster für einen persönlichen Hautschutzplan.
Hautgefährdung
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Schutzhandschuhe
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Hautschutz
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Hautreinigung
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Hautpflege
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Abb. 2 Dermalux-Gerät zur Schulung der richtigen Handpflege und -hygiene (Quelle: Dr. Udo
Schöpf/Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel, Bonn, mit freundlicher Genehmigung).
Patientenaufklärung über Sprachbarrieren hinweg
Im Sprechzimmer wartet ein Maschinenbediener mit einem akuten Handekzem ([Abb. 3]). Er arbeitet in der zerspanenden Metallbearbeitung. Er präsentiert ein Fläschchen
mit einer übelriechenden, graubraunen Flüssigkeit, die er getestet haben möchte. Meine
MFA hat mithilfe eines Dolmetschers bereits die Arbeitsanamnese erhoben. Die Sprachbarriere
ist nicht nur bei Ausländern, sondern auch bei Spätaussiedlern ein Problem. Ein Übersetzungsprogramm
auf dem Smartphone – es gehört zur Grundausstattung von Migranten – kann bei der Verständigung
helfen. Meine MFA hat bereits die Arbeitsanamnese erhoben, den für den Arbeitgeber
zuständigen UVT ausfindig gemacht und die Datenschutzerklärung für den Hautarztbericht
vorbereitet. Für die Meldung ist das schriftliche Einverständnis des Patienten erforderlich.
Die Vorteile seiner Teilnahme an dem Hautarztverfahren werden dem Versicherten von
der MFA erläutert. Ein Argument neben den Leistungen der BG „mit allen geeigneten
Mitteln“ ist im ländlichen Raum die Möglichkeit, vom UVT Fahrtkosten erstattet zu
bekommen.
Abb. 3 Akutes Handekzem, verursacht durch Kontakt mit Flüssigkeiten in der Metallbearbeitung.
Vorbehalte hinsichtlich der Information des Arbeitgebers werden manchmal von Versicherten
in befristeten Arbeitsverträgen geäußert. In solchen Fällen ist der Patient beruhigt,
wenn auf der Datenschutzerklärung handschriftlich vermerkt wird „Patient wünscht keine
Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber“. Dies ist formal gar nicht notwendig, weil der
Versicherte nach der Einleitung des Hautarztverfahrens als nächsten Schritt stets
vom UVT zu diesen und anderen Punkten einen Fragebogen erhält, den er unterschreiben
muss. Der Wunsch des Versicherten nach Diskretion wird vom UVT respektiert.
Im akuten Stadium ist ein Patient mit einem schweren Handekzem gar nicht testfähig.
Meine MFA erläutert ihm das weitere Vorgehen: Der Hautarztbericht sollte immer bei
der Erstkonsultation erstattet werden (Definition gemäß UV-GOÄ „unverzüglich“ = 8
Werktage). An Diagnostik können IgE-Bestimmung, Pricktest und RAST-Untersuchungen
bei entsprechender Indikation sofort durchgeführt werden. Der Epikutantest erfolgt
einige Wochen später. Die Testung eigener Berufsstoffe macht erst am Ende der Diagnostik
Sinn. Entnahme und Etikettierung von Proben aus Maschinen oder Behältern am Arbeitsplatz
ist nicht Sache des Maschinenbedieners. Wenn der Patient ohne Erlaubnis seines Arbeitgebers
Kühlschmiermittel aus dem Betrieb mitnimmt, erfüllt dies juristisch sogar den Tatbestand
des Diebstahls. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit kann i. d. R. professionell Proben
zur Testung konfektionieren. Am besten gelingt die Probengewinnung durch den TAD des
UVT. Die GZi 379 ist genehmigungspflichtig. Deshalb wird handschriftlich bei solchen
Fällen bereits auf dem Erstbericht vermerkt: „Ich beantrage die Testung von arbeitsplatzspezifischen
Berufsstoffen gemäß GZi 379 und beantrage einen schriftlichen Auftrag.“ Die zu Beginn
erwähnte mitgebrachte Flüssigkeit wird entsorgt. Der Versicherte versteht dies nach
den Erläuterungen durch die MFA.
Abschätzen: Was übernimmt der Versicherungsträger?
Eine Physiotherapeutin erscheint nach einer TIP-Maßnahme mit einem Wunschzettel, auf
dem über 10 Hautreinigungs- und Hautpflegemittel stehen. Vor dem Ausstellen des BG-Rezepts
muss die Liste auf wenige Produkte gekürzt werden. Die Großzügigkeit der UVT bei Sekundärer
Individualprävention (SIP) und TIP weckt Begehrlichkeiten. Einige UVT sind großzügig
bei der Gewährung von Hautmitteln, die meisten nicht. SVLFG, UKBW und andere Versicherungen
legen die Bestimmung, dass die Kosten für PSA vom Arbeitgeber zu übernehmen sind,
sehr eng aus. So soll eine Reinigungskraft selbst geeignete Schutzhandschuhe von ihrem
Chef fordern. Dies wird jedoch aus Sorge um den Arbeitsplatz nur sehr selten erfragt.
Der Migrantenhintergrund von Reinigungskräften ist mit einer Sprachbarriere verbunden.
Der UVT könnte der Versicherten in einer solchen Situation – natürlich mit deren Einverständnis
– mit schriftlichem Informationsmaterial einfach helfen.
Wirklich eine Berufskrankheit?
Ein Lackierer präsentiert nach einem zweitägigen Arbeitsversuch in der Autowerkstatt
seine nässenden und blutenden Handinnenflächen. Der Faustschluss ist beidseits nicht
möglich. Mit einem Gesichtsausdruck, der an das Leiden Christi erinnert, stellt er
die rhetorische Frage: „Soll ich so wieder arbeiten gehen?“ Er erhält ohne längere
Diskussion den gewünschten Krankengeld-Auszahlschein bis zum Monatsende.
Ein externes, vom UVT beauftragtes Hautschutzzentrum hat den Fall nach Aktenlage als
„problematisch“ eingestuft. Kontaktsensibilisierungen konnten schon früher ausgeschlossen
werden. Der Unterlassungszwang wird vom Versicherten selbst definiert. Auf die Frage,
wie er sich seine berufliche Zukunft vorstelle, gibt er die Antwort: „Ich will auf
keinen Fall mehr als Lackierer arbeiten. Meine schwere, verschmutzende und mechanisch
belastende Arbeit bildet sich in keiner Weise in meinem Verdienst ab.“ Auf den Verlaufsbericht
kommt der Vermerk: „V. a. Artefakt. Feststellungsverfahren mit Begutachtung einleiten!“
Eine Physiotherapeutin mit chronischem Handekzem huscht an mir vorbei. Sie kommt zur
Creme-PUVA-Therapie. An der Anmeldung hat sie ihre rauen und roten Handrücken präsentiert
und die suggestive Frage gestellt: „Kann ich mit diesen Händen arbeiten?“ Selbstverständlich
bekommt sie die gewünschte AU-Bescheinigung. Sie ist glücklich über ein paar zusätzliche
freie Tage. Sie ist allergisch gegen (Chlor-)Methylisothiazolinon (MCI) und weiß,
wie sie ihr allergisches Kontaktekzem provo-zieren kann. SIP- und TIP-Maßnahmen hat
sie schon hinter sich. Die Teilnahme daran hat zu einem Lerneffekt geführt. Chronisch
Kranke stehen in einem Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Heilung einerseits und
der Gewährung von sozialen Leistungen andererseits. Ein Kompromiss zwischen diesen
beiden Zielen lässt die Logik nicht zu. Manchmal ist der sekundäre Krankheitsgewinn
größer als der Wille zur nachhaltigen Heilung.
Weitere Erkrankungen
Keinesfalls darf die Zielgruppe für das Hautarztverfahren auf Handekzempatienten reduziert
werden. Auch folgende Fälle sollten gemeldet werden:
Eine Friseurmeisterin mit einer Psoriasis vulgaris ([Abb. 4]), die Schutzhandschuhe mit abgeschnittenen Fingerlingen trägt, damit ihr Feingefühl
nicht beeinträchtigt wird, hat kein Handekzem. Die Effloreszenzen entsprechen einem
isomorphen Reizeffekt nach Köbner bei Psoriasis inversa. Diese ist konstiutionell
verursacht. Die berufliche Einwirkung ist eine Gelegenheitsursache.
Abb. 4 Psoriasis an den Händen einer Friseurin.
Das Two-Feet-One-Hand-Syndrom [2] eines Metallarbeiters ([Abb. 5]), der sich immer wieder an seiner rechten Handinnenfläche mit dem Dermatophyten
Trichophyton rubrum von seinen Vorfüßen infizierte, muss vom chronischen Handekzem
abgegrenzt werden. Neben der allergologischen Diagnostik sind bei entsprechender Indikation
im Rahmen der fachärztlichen Untersuchung oft auch Biopsien und mykologische Kulturen
angezeigt. Die Kosten dafür werden nach Rücksprache vom UVT i. d. R. übernommen.
Abb. 5 Infektion der rechten Handinnenfläche mit Trichophyton rubrum im Rahmen eines Two-Feet-One-Hand-Syndroms.
An der Anmeldung sehe ich beim Postausgang 3 Briefe an Patienten. Meine MFA teilt
mir mit, dass es sich um Einladungen für Versicherte handelt, über die der UVT einen
Verlaufsbericht angefordert hat.
Was ist der gemeinsame Nenner der oben genannten Beispiele? Ohne die Einbindung des
Praxispersonals ist die Berufsdermatologie nicht umsetzbar. Die oben geschilderten
Konsultationen fanden während der normalen Sprechstunde, zum Teil sogar zwischen operativen
Eingriffen statt. Der ärztliche Zeitaufwand beschränkte sich auf Befunderhebung, Diagnose,
kurze Beratung und das Festlegen des Prozedere. Die Formulare von Erst- und Folgebericht
im Hautarztverfahren sind so angelegt, dass ein großer Teil der Fragen von einer geschulten
MFA beantwortet werden können. In meiner Praxis wird ein großer Teil des BG-lichen
Schriftverkehrs von einer erfahrenen MFA, die von zu Hause aus arbeitet, erledigt.
Nur so kann die Berufsdermatologie in der Hautarztpraxis effizient integriert werden.
Die Anfänge des Hautarztverfahrens
Die Anfänge des Hautarztverfahrens
Am 12. 05. 1925 wurde die Ausdehnung der Zuständigkeit der 1884 gegründeten Unfallversicherung
auf Berufskrankheiten erweitert. Ursprünglich waren 11 Krankheiten gelistet. Arzt
und Unternehmer wurden anzeigepflichtig [3]. Die 2. Verordnung vom 11. 02. 1929 nannte bereits 5 spezielle Hauterkrankungen.
In der Fassung von 1936 tauchte erstmals unter der Nr. 15 folgende Formulierung auf:
„Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zum Wechsel des Berufs
oder zur Aufgabe jeder Erwerbsarbeit zwingen.“
Der Unterlassungszwang als Kriterium zur Anerkennung wurde 1968 eingeführt. Seither
erfolgten entsprechend neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse kontinuierlich Ergänzungen
der Berufskrankheitenverordnung. Aktuell sind 80 Berufskrankheiten gelistet. Eine
der jüngsten Berufskrankheiten in unserem Fachgebiet ist die BK 5103.
Hauterkrankungen stehen in fast allen westlichen Industrienationen an der Spitze aller
berufsbedingten Erkrankungen – geschätzte 30 – 40 % – und verursachen erhebliche volkswirtschaftliche
Kosten. Direkte (Therapie, Berufshilfe) und indirekte Kosten wurden in Deutschland
auf 1,5 – 1,8 Mrd. € geschätzt [4]. Der hohe Stellenwert der BK 5101 bildet sich auch in der Steigerung der Zahl der
jährlichen Verdachtsmeldungen seit 1950 ab. Die UVT erkannten schon vor 40 Jahren,
welches Potenzial präventive Maßnahmen in der Dermatologie bieten. Deshalb wurde am
01. 07. 1972 auf Anregung von S. Borelli von Noeske das „Verfahren zur Früherfassung
beruflich bedingter Hautkrankheiten (Hautarztverfahren)“ eingeführt. Die wichtigsten
Bestimmungen des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger lauten (§ 41 – § 43):
„§ 41 Vorstellungspflicht beim Hautarzt
-
Jeder Arzt ist verpflichtet, einen Versicherten mit krankhaften Hautveränderungen,
bei dem die Möglichkeit besteht, dass daraus eine Hauterkrankung durch eine berufliche
Tätigkeit im Sinne der BK 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (Schwere
oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten
gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können) entsteht, wiederauflebt oder sich
verschlimmert, unverzüglich einem Hautarzt vorzustellen.
-
Der Hautarzt untersucht den Versicherten. Er erstattet unverzüglich den Hautarztbericht
– Einleitung Hautarztverfahren/Stellungnahme Prävention nach Formtext F 6050 – dem
Unfallversicherungsträger und übersendet Durchschriften dem behandelnden Arzt.
-
Der Unfallversicherungsträger teilt dem Hautarzt unverzüglich mit, ob und ab welchem
Zeitpunkt Heilbehandlung zulasten des Unfallversicherungsträgers durchzuführen ist.
§ 42 Wiedervorstellungspflicht
Soweit es aus Gründen der Diagnostik erforderlich ist, hat der Hautarzt den Krankheitsverlauf
durch Wiedervorstellung des Versicherten zu überwachen. Er hat unverzüglich den Hautarztbericht
– Behandlungsverlauf nach Formtext F 6052 – dem Unfallversicherungsträger zu erstatten
und Durchschriften dem behandelnden Arzt zu übersenden.
§ 43 Hauttestungen
-
Der Hautarzt ist berechtigt, Tests durchzuführen, die zur Klärung des Ursachenzusammenhangs
zwischen der Hauterkrankung und der beruflichen Tätigkeit erforderlich sind.
-
Testungen sind auf das für die Erstattung des Hautarztberichts erforderliche Maß zu
beschränken. Darüberhinausgehende Testungen bedürfen der Zustimmung des Unfallversicherungsträgers.“
Unter Ärzten anderer Fachrichtungen ist das Hautarztverfahren nach wie vor wenig bekannt.
Etwas Vergleichbares gibt es bei anderen Berufskrankheiten nicht. Nur bei der BK 5101
ist ein solches Vorfeldverfahren etabliert [5]. Die Erfolge des Verfahrens sind eindrucksvoll. Weniger als 5 % der gemeldeten Versicherten
müssen in eine berufliche Neuorientierung. Durch gezielte Präventionsmaßnahmen sind
früher häufige Erkrankungen, wie z. B. das Friseurekzem, sehr selten geworden [6].
Der Hautarztbericht muss bereits erstellt werden, wenn die Möglichkeit einer beruflichen
Verursachung einer Hautkrankheit besteht. Darüber hinaus ist jeder Arzt, also auch
ein Haus- oder Betriebsarzt, gemäß § 41 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger
eines Versicherten mit krankhaften Hautveränderungen, bei dem die Möglichkeit besteht,
dass daraus eine Hauterkrankung durch eine berufliche Tätigkeit im Sinne der BKV entsteht,
wiederauflebt oder sich verschlimmert, verpflichtet, diesen unverzüglich einem Hautarzt
vorzustellen. Der Dermatologe nimmt somit eine Schlüsselrolle bei der Erkennung, Bewertung
und Behandlung von beruflich bedingten Hauterkrankungen ein. Die fachkompetente Betreuung
umfasst auch Empfehlungen zu individualpräventiven Maßnahmen und deren Anwendung.
Aktuelle Situation
Nur ein Teil der Dermatologen in Deutschland erstellt Hautarztberichte. Über 70 %
aller Hautärzte nehmen nicht am Hautarztverfahren teil. Der durchschnittliche Hautarzt
erstellt 2,3 Hautarztberichte pro Jahr. Eine Hautarztpraxis in den KV-Bezirken Nordrhein,
Baden-Württemberg oder Bayern erwirtschaftet unter 5 % ihres Umsatzes in der Berufsdermatologie.
20 % der Praxen in den Bundesländern Westfalen-Lippe, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
erwirtschaften bis zu 10 % ihres Umsatzes mit BG-Leistungen. Nur 15 % der in diesem
Gebiet aktiven Praxen kommt auf einen Umsatz von über 500 € an Honorar nach der UV-GOÄ
pro Quartal. Diese Zahlen wurden von Klaus Strömer 2012 im Rahmen einer repräsentativen
Umfrage ermittelt. Die Ergebnisse der Umfrage wurden auf Tagungen vorgetragen, aber
nicht schriftlich publiziert [7]. Diese Zahlen sind inzwischen etwas in die Jahre gekommen. Es ist aber unwahrscheinlich,
dass sich die Akzeptanz des Hautarztverfahrens inzwischen wesentlich gesteigert hat.
Die Zahl der Erstmeldungen ist 2018 dramatisch eingebrochen [8].
Nach Erreichen einer Plateauphase ist die Zahl der Erstmeldungen im Hautarztverfahren
in der zweiten Hälfte des Jahres 2018 rückläufig ([Abb. 6]). Dies ist bemerkenswert, weil gleichzeitig die Zahl der Beschäftigten in Deutschland
auf einem absoluten Höchststand angekommen ist. Eine plausible Erklärung dafür gibt
es nicht. Folgende Hypothesen bieten sich an [9]:
Abb. 6 Entwicklung der Fallzahlen berufsbedingter Hauterkrankungen (BK Nr. 5101) von 2004 – 2017. Datenquelle:
DGUV, Geschäfts- und Rechnungsergebnisse 2017.
Abnahme der hautbelastenden Arbeitsplätze? Dies ist unwahrscheinlich, da sich in Deutschland sowohl im Produktions- als auch
im Dienstleistungsbereich nichts Grundlegendes geändert hat. Es ist möglich, dass
manche angelernten Personen in den zweiten Arbeitsmarkt abgerutscht sind, für Personaldienstleister
arbeiten und befristete Arbeitsverträge haben. In manchen Fällen mag die Sorge um
den Arbeitsplatz größer sein als der Wunsch nach einer kompetenten fachärztlichen
Behandlung. Deshalb wird die Konsultation beim Hautarzt zurückgestellt. Arbeitnehmer,
die für Nachunternehmer arbeiten, sind nicht unfallversichert und tauchen deshalb
in keiner Statistik auf. Kontaktallergien gegen Epoxidharz sind wahrscheinlich viel
häufiger als gemeldet, weil viele Betroffene durch keinen UVT geschützt sind.
Besserer Arbeitsschutz? Intensive SIP- und TIP-Maßnahmen haben sicher zu einer Reduktion der schweren, fortgeschrittenen
Fälle geführt. Paradebeispiel für eine solche erfolgreiche Strategie ist die fast
vollständige Ausrottung des Friseurekzems durch die SchuBerZ der BGW in den 90er-
und 00er-Jahren. Etwas Ähnliches ereignet sich derzeit in den Pflegeberufen. Die TeilnehmerInnen
von Hautschutzseminaren profitieren nicht nur selbst von den intensiven Präventionsmaßnahmen
des UVT, sondern kehren mit ihrem profunden Wissen über Prävention in ihren Betrieb
zurück und wirken so als Multiplikatoren im Hautschutz bei ihren KollegInnen.
Mangelndes Engagement der Dermatologen? Für niedergelassene Hautärzte ist das wichtigste Alltagsproblem im Praxismanagement
der Fachkräftemangel. Der Arbeitsmarkt für MFAs ist leergefegt. Die Industrie bietet
in Zeiten guter Konjunktur hochdotierte kaufmännische Arbeitsplätze mit attraktiven
Arbeitszeiten. Viele MFAs wandern in dieses Arbeitsmarktsegment ab. Die Hautarztpraxen
in Deutschland arbeiten am Anschlag. In Zeiten steigender Hautkrebszahlen liegt der
Schwerpunkt der Versorgung der Patienten im Hautscreening und in der konservativen
und operativen Behandlung von Hauttumoren, was personalintensiv ist. Ohne die Einbindung
qualifizierter MFAs ist die Berufsdermatologie nicht effektiv zu betreiben. Sie ist
obligat mit zeitaufwendigem Schriftverkehr verbunden. In der einen oder anderen Praxis
kann so die Priorität für BG-liche Fälle leiden.
Gibt es eine Erklärung für das nachlassende Interesse der deutschen Dermatologen an
dem Hautarztverfahren?
Gibt es eine Erklärung für das nachlassende Interesse der deutschen Dermatologen an
dem Hautarztverfahren?
Nach wie vor nehmen viele Kollegen an den Zertifizierungsseminaren der ABD teil, um
die Zusatzbezeichnung „Berufsdermatologie (ABD)“ zu erwerben. Dieses Angebot ist sehr
wichtig, weil nur wenig Weiterbildungseinrichtungen, insbesondere kaum Universitätskliniken,
Berufsdermatologie in Lehre und Forschung praktizieren.
Eine häufige Einlassung von Kollegen, die ihr Engagement reduziert haben, ist der
hohe Zeitaufwand für den BG-lichen Schriftverkehr. Manche fühlen sich durch standardisierte
Empfehlungen von Hautschutzzentren, die Fälle nach Aktenlage oder im Rahmen von SIP-
und TIP-Maßnahmen beurteilen, in ihrer Therapiefreiheit eingeschränkt. Die Briefe
von BG-lichen Sachbearbeiterinnen sind standardisiert und gehen oft nicht auf die
individuellen Bedürfnisse der Versicherten ein. Ein zunehmendes Problem ist der Datenschutz.
Wenn dem betreuenden Dermatologen ein TAD-Bericht verweigert wird, weil das Unternehmen
dazu kein Einverständnis gegeben hat, ist dies kontraproduktiv für Therapie und Prävention.
Manche Entscheidungen der Sachbearbeiter sind nicht nachvollziehbar. Das Totschlagargument
lautet: „Die BG ist Herr des Verfahrens.“ Aufträge für Zusammenhangsgutachten werden
von den UVT nur noch selten an niedergelassene Dermatologen vergeben. Feststellungsverfahren
werden meist hausintern abgeschlossen. Der Aufwand für Prozeduren in der Hautarztpraxis
steht und fällt mit dem Grad der Standardisierung. Das Qualitätsmanagement kennt dazu
den Begriff Behandlungspfad. Geschultes Personal kann dem Arzt viele Aufgaben abnehmen.
Es lohnt sich, MFAs zu Qualifizierungsseminaren der ABD zu schicken. Neben der Ökonomisierung
der Alltagsarbeit gibt das Delegieren von Verantwortung der zertifizierten MFA ein
Alleinstellungsmerkmal. Ihre Tätigkeit ist anspruchsvoll und mit Wertschätzung verbunden.
Die Einbindung des Praxispersonals ist der Schlüssel für einen erfolgreichen berufsdermatologischen
Schwerpunkt.
Vorteile des Hautarztverfahrens
Vorteile des Hautarztverfahrens
Die Behandlung von GKV-Versicherten erfolgt nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Ärztliche
und technische Leistungen sind budgetiert. Die Verordnung von teuren Arzneimitteln
ist von Regressen bedroht. Honorare für allergologische Leistungen werden im Rahmen
des Regelleistungsvolumens (RLV) nicht leistungsgerecht durch den EBM abgebildet.
Das Leistungsspektrum der UVT nach erteiltem Behandlungsauftrag geht weit über das
Angebot der GKV hinaus. Die rechtliche Vorgabe dazu gibt der § 3 BKV:
„Besteht für den Versicherten die Gefahr, dass eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt
oder sich verschlimmert, so hat der Träger der Unfallversicherung mit allen geeigneten Mitteln dieser Gefahr entgegenzuwirken. Ist die Gefahr für den Versicherten nicht zu beseitigen,
hat der Träger der Unfallversicherung ihn aufzufordern, die gefährdende Tätigkeit
zu unterlassen. Der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle ist Gelegenheit
zur Äußerung zu geben.“
Die Leistungen nach § 3 BKV umfassen nicht nur Heil- und Pflegemaßnahmen, sondern
auch Schulungen sowie technische und organisatorische Maßnahmen. Verlaufsberichte
an den UVT sollen in mindestens zweimonatigen Abständen erfolgen. Sie können aber
auch anlassbezogen erstattet werden, wenn sich die Situation am Arbeitsplatz negativ
verändert, bei langer Arbeitsunfähigkeit oder wenn es vom UVT angefordert wird. Zentrales
Ziel des Hautarztverfahrens ist es, hautkranken Beschäftigten den Berufsverbleib durch
Optimierung des Haut- und Arbeitsschutzes sowie stadiengerechter Therapie zu ermöglichen
[10].
Neben den Sach- und Beratungsleistungen ist noch ein anderer Aspekt wichtig: BG-liche
Patienten erfahren Wertschätzung und Zuwendung in der Praxis. Ihre Wartezeiten sind
kurz. Sie werden wie VIP behandelt. Dies bekommen Patienten, die durch andere Kostenträger
versichert sind, nicht geboten.
Abrechnung
Die Vergütung BG-licher Leistungen erfolgt nach der UV-GOÄ, die sich in einigen wesentlichen
Punkten von anderen Abrechnungsregelwerken unterscheidet [11]. So gilt als Behandlungsfall die gesamte ambulante Versorgung, die von demselben
Arzt nach der ersten Inanspruchnahme innerhalb von 3 Monaten an demselben Patienten
zulasten desselben gesetzlichen UVT vorgenommen worden ist [12]. Es gibt keine Steigerungsfaktoren und keine Analogziffern. Rechtsgrundlage ist
der Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger, der kontinuierlich Änderungen unterworfen
ist. In den letzten Jahren wurden die Honorare deutlich angehoben. Bei der DGUV kann
kostenfrei eine UV-GOÄ (Stand 01. 01. 2019) angefordert werden. Die Gebührenordnung
ist ständig im Fluss. So ist die GZi 5 seit Anfang 2019 abgeschafft; ihr Inhalt ist
jetzt Bestandteil der GZi 4. Am 01. 10. 2017 wurde eine Steigerung aller Honorare
um 8 % für das laufende Jahr und um je 3 % bis 2020 vereinbart [13]. Es empfiehlt sich, grundsätzlich nach der im Internet veröffentlichten und laufend
aktualisierten UV-GOÄ abzurechnen. Allergologische Diagnostik kann schon mit dem Erstbericht
erfolgen. Der Epikutantest ist in der UV-GOÄ deutlich besser vergütet als in der GOÄ
und der GKV, um den höheren Aufwand für die Bereitstellung der Testsubstanzen für
die Abklärung einer Berufskrankheit zu entschädigen. Der Testumfang ergibt sich aus
der spezifischen Exposition des Versicherten [11].
Nach erteiltem Behandlungsauftrag gemäß § 3 BKV kann die Behandlung zulasten des UVT
erfolgen. Dauer und Schwere der Erkrankung, hoher Aufwand und Gefahr des Arbeitsplatzverlustes
können im Einzelfall Anlass für die Gewährung „besonderer Heilbehandlung“ sein. Der
Atopie-Score nach GZi 128 wird nur nach vorheriger Anforderung durch den UVT erstattet.
Auch der individuelle Hautschutzplan nach GZi 17a wird nur nach entsprechendem Auftrag
des UVT erstellt. Die physikalische Behandlung, z. B. die Creme-PUVA-Therapie nach
GZi 565 und 567, stellt eine effektive, nebenwirkungsarme Behandlung des chronischen
Handekzems dar. Die Mitarbeit des Versicherten kann durch den Hinweis gesteigert werden,
dass seine Fahrtkosten erstattet werden.
Ein Institutionskennzeichen erleichtert und beschleunigt den Zahlungsverkehr. Es kann
bei der DGUV beantragt werden. Wenn für die BG-lichen Vergütungen ein separates Bankkonto
eingerichtet ist, erleichtert dies die Kontrolle des Zahlungseingangs. Manchmal irritieren
Informationen des UVT über – berechtigte oder unberechtigte – Kürzungen der Liquidationen.
Ob es sich im Einzelfall lohnt, die Clearingstelle am iDerm in Osnabrück einzuschalten,
hängt vom gekürzten Betrag ab. Die meisten Liquidationen werden rasch und vollständig
bezahlt. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der BG-lichen Vorgänge sind Honorarkürzungen
ein seltenes Ereignis. Sie fallen durch die Pflicht der UVT zur Information im Posteingang
auf und haben für den ganzen Gesamtumsatz eine geringe Bedeutung.
Fazit
Die Dermatologen tragen durch die optimale Versorgung von Patienten mit Berufsdermatosen
entscheidend zur Reduktion von individuellen gesundheitlichen und sozioökonomischen
Problemen bei. Der Praxisschwerpunkt Berufsdermatologie lohnt sich für die betroffenen
Patienten, für die individuelle Praxis, aber auch für die gesundheitspolitische Stellung
unseres Fachgebiets [13]. Die Umsetzung im Sprechstundenalltag erfordert die Einbindung und Qualifizierung
des Praxispersonals. Deshalb ist die Teilnahme von MFAs an den von der ABD angebotenen
Fortbildungsseminaren Berufsdermatologie für Pflegekräfte und Fachangestellte (DDA)
dringend zu empfehlen. Ihre Anmeldung erfolgt über folgende E-Mailadresse: info@agentur-herzberg.de.