Aktuelle Dermatologie 2019; 45(07): 336-342
DOI: 10.1055/a-0881-6924
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pflanzliche Ceramide zur kosmetischen Anwendung

Plant Ceramides for Cosmetic Use
E. N. Tessema
1   Institut für angewandte Dermatopharmazie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
,
R. H. H. Neubert
1   Institut für angewandte Dermatopharmazie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
,
J. Wohlrab
1   Institut für angewandte Dermatopharmazie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
2   Klinik für Dermatologie und Venerologie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Johannes Wohlrab
Klinik für Dermatologie und Venerologie
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Ernst-Grube-Straße 40
06097 Halle (Saale)

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. Juli 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Die Bedeutung von Ceramiden als aktive Inhaltstoffe in kosmetischen Präparaten hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Im dermatologischen Kontext werden Ceramide meist in Kombination mit anderen Lipiden sowie weiteren kosmetischen Wirkstoffen in Präparaten zur Barriereprotektion und -regeneration bei chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen bzw. bei Diabetes mellitus oder Altershaut eingesetzt. Da die Herstellung von synthetischen Ceramiden sehr kostenintensiv ist, kann die Verwendung von pflanzlichen Ceramiden mit vergleichbaren physikochemischen Eigenschaften eine Alternative darstellen. Neuere Verfahren ermöglichen die Glykosylierung dieser aus Pflanzenextrakten isolierten Ceramide und deren Einsatz in kosmetischen Zubereitungen. Weitere Untersuchungen müssen klären, ob sich glykosylierte pflanzliche Ceramide in die natürlichen Lipidmembranen im Stratum corneum integrieren und welche funktionellen Auswirkungen sie auf die Barrierefunktion haben. Die bisherigen Daten begründen ein großes Potenzial pflanzlicher Ceramide für die Barriere-protektive Anwendung in kosmetischen Präparaten.


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Abstract

Ceramides as active ingredients in cosmetic preparations became more and more important in recent years. In dermatology, ceramides combined with other lipids and other cosmetic ingredients are mostly used in preparations for barrier protection and regeneration in patients with chronic inflammatory skin conditions, diabetes mellitus, or for aging skin. Since the production of synthetic ceramides is very expensive, the use of plant-based ceramides with comparable physico-chemical properties may be an alternative. New methods allow the glycosylation of these ceramides extracted from plants and their application in cosmetic preparations. Further investigations are needed to prove the integration of glycosylated plant-based ceramides into the natural lipid membranes of the stratum corneum, and to determine the functional effects on the skin barrier. Existing data predicate a great potential of plant-based ceramides for barrier protective cosmetic preparations.


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Einleitung

Das Stratum corneum (SC) der Epidermis besteht aus mehreren Schichten von keratinisierten Korneozyten, die vom cornified envelope ummantelt und durch korneodesmosomale Strukturen verbunden in eine komplexe Lipidmatrix aus flüssigkristallinen, lamellaren Strukturen eingebettet sind [1]. Die Lipidfraktion besteht wesentlich aus Ceramiden (CERs), langkettigen freien Fettsäuren (FFS), Cholesterol (CHOL) und Triglyceriden (TG). Diese bilden in der Interaktion mit Wasser ein komplexes Membrannetzwerk, welches als morphologisches Äquivalent zur Barrierefunktion verstanden wird [2]. CERs bilden dabei, wegen ihrer anisotropen Molekülstruktur und den dadurch begründeten besonderen physikochemischen Eigenschaften, das Rückgrat des Membrannetzwerks, während die anderen lipophilen Bestandteile die Membraneigenschaften, wie Fluidität, Permeabilität und Stabilität, modulieren.

Die unterschiedlichen CERs werden aus langkettigen Sphingoidbasen gebildet, die über Amide an Fettsäuren gebunden sind [3] [4]. Es gibt mehrere Klassen von epidermalen CERs, die daraus resultieren, dass es verschiedene Kombinationsmöglichkeiten der 4 Typen von Dihydroxy- und Trihydroxy-Sphingoidbasen (Dihydrosphingosin [d18:0], 4-Sphingenin [Sphingosin] [d18:1], 4-Hydroxysphinganin [Phytosphingosin] [t18:0] oder 6-Hydroxysphingosin) mit 4 Typen von Fettsäuren (nicht-Hydroxy-, α-Hydroxy-, ω-Hydroxy- oder veresterte ω-Hydroxyfettsäuren) gibt ([Abb. 1]). Erst kürzlich wurde eine weitere Klasse von CERs mit Tetrahydroxy-Sphingoidbasen beschrieben [5]. Außerdem gibt es ω-Hydroxy-CERs, die kovalent an Proteine des cornified envelope von Korneozyten gebunden sind [6]. In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben zur quantitativen Verteilung der verschiedenen CER-Klassen innerhalb des SC [5] [7] [8]. Dies lässt auf eine hohe interindividuelle und intraindividuelle Variabilität schließen, deren funktionelle Bedeutung noch nicht vollständig verstanden ist.

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Abb. 1 Chemische Struktur und Nomenklatur der verschiedenen epidermalen CERs [12]. Die Namensgebung (XY) erfolgt anhand der Acylkette (X) und der Sphingoidbase (Y) wie vorgeschlagen von Motta et al. [15] und Robson et al. [6]. Die ω-Hydroxyfettsäure (R4) ist meist verestert mit Linolsäure (C18:2). Die Fettsäuren können auch Verbindungen mit ungesättigten Fettsäuren eingehen. Die Struktur der CER-Klassen, die ω-Hydroxyfettsäuren enthalten (CER [OS], CER [OP], CER [OH] und CER [ODS]), sind nicht dargestellt.

Bei einer Vielzahl von pathologischen (z. B. atopische Dermatitis [9], Psoriasis [10], Diabetes mellitus) oder physiologischen Prozessen (Hautalterung [11]) ist der Anteil und das Muster insbesondere von CERs deutlich reduziert und/oder die Zusammensetzung des SC signifikant verändert. Dies führt zu einer veränderten molekularen Ordnung innerhalb der Lipidmatrix, die eine Reduktion der Wasserbindung und eine Zunahme der Permeabilität bedingt sowie klinisch in einem Barrieredefizit mit Ausbildung trockener, schuppiger Haut phänotypisch wird.

Für die Rekonstitution und Protektion der Barriere im Rahmen basistherapeutischer Konzepte hat sich als eine zentrale Option die Lipidsubstitution mit CERs erwiesen. In klinischen Studien konnten durch den Einsatz von CER-enthaltenden Zubereitungen sowohl eine gesteigerte Barrierefunktion als auch eine verbesserte Hydratisierung des SC nachgewiesen werden [12]. Der breiten Anwendung von CERs in Basistherapeutika und Kosmetika in relevanten Konzentrationen stehen bisher v. a. die hohen Kosten der synthetisch hergestellten Rohsubstanzen entgegen. Eine Alternative könnte der Einsatz von pflanzlichen Ceramiden (Phyto-CERs) darstellen, die vergleichbare physikochemische Eigenschaften besitzen und durch Extraktion aus pflanzlichen Ölen kostengünstiger gewonnen werden können.


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Epidermale Lipidsubstitutionstherapie

Ein verminderter Gehalt an CERs und anderen SC-Lipiden wird in betroffener und nicht betroffener Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis [9] [13] [14] oder Psoriasis [10] [15] beobachtet. Der daraus resultierende Barrieredefekt führt zum klinischen Symptom der trockenen Haut (Xerosis cutis) und wird bei längerer Persistenz als mit ursächlich für eine Eskalation extrinsisch getriebener Alternsprozesse gesehen. Diese bedingen Umbauprozesse im Korium, die zur Bildung von Mikro- und Makrofalten führen und damit das kosmetische Hautbild erheblich beeinflussen können.

Es ist deshalb naheliegend, dass eine effektive Substitution der defizitären Barriere durch Applikation von CERs in Kombination mit anderen Lipiden sowie Wasser zur funktionellen Rekonstitution des SC beitragen und so die morphologischen Folgen des Barriereschadens reduzieren bzw. verzögern kann [12].

Die kommerziell erhältlichen Produkte mit CERs folgen konzeptionell 2 unterschiedlichen Herangehensweisen. Eine Gruppe von Präparaten (z. B. EpiCeram®, Lipobase®) enthält eine Lipidphase, die in ihrer Zusammensetzung die quantitativen Verhältnisse relevanter Lipidfraktionen (CERs, CHOL, FFS) des SC imitieren [16] [17]. Andere Präparate aus Produktserien (z. B. AtopiControl®, Atopiclair®, Ceradan®, CeraVe®, Cetaphil®, Effaclar®, MimyX®, Nutritic®, SkinMedica®, Toleriane®, TriCeram®, XeraCalm® u.v.m.) enthalten auch lipophile Mischphasen mit CERs oder deren Analoga, aber als qualitativ und quantitativ variable Bestandteile, die sich nicht ausschließlich an den physiologischen Bedingungen adaptieren [12] [18] [19]. Die meisten dieser Präparationen, deren CER-Anteil unbekannt ist, bleiben den wissenschaftlichen Beweis ihrer Effektivität mit Bezug auf die CERs schuldig. Die vereinzelt verfügbaren klinischen Studiendaten fokussieren zwar auf die Barriere-protektiven Effekte der jeweiligen Präparation, sparen aber den Vehikelvergleich aus, sodass ein Rückschluss auf den CER-Anteil bez. die Effektgröße nicht möglich ist [19].

Der dermatologische Nutzen in physiologischen Lipidmischungen beruht auf der Reduktion des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL), der Wiederherstellung der Barriere und der Verbesserung der Hydratation der Haut von Patienten mit atopischer Dermatitis, wie in einem Reviewartikel von Hon und Leung 2013 gezeigt [18]. Verschiedene Studien haben zudem ergeben, dass der Vorteil der CERs auch darin besteht, dass es zu einer Induktion der endogenen Synthese von epidermalen CERs und damit Beschleunigung der Restitutionszeit einer gestörten Barriere kommt [20] [21] [22]. Einige dieser Produkte sind patentiert und können möglicherweise im Management von Hauterkrankungen mit erniedrigtem epidermalen CER-Gehalt hilfreich sein. Die meisten CERs in topischen Formulierungen sind synthetischer oder tierischer Herkunft bzw. werden biotechnologisch gewonnen. Die chemische Synthese von CERs ist ein kostenintensives und aufwändiges Verfahren. Gegen die Gewinnung von CERs aus tierischem Material gibt es aber erhebliche ethische und Sicherheitsbedenken. Deshalb werden weniger teure und sichere Alternativen zur Gewinnung bzw. Herstellung von CERs benötigt. Seit CERs, die aus essbaren Pflanzen isoliert wurden (Phyto-CERs), als sicher eingestuft wurden, versprechen sie eine alternative Quelle zu sein. Bisher wurden Phyto-CERs insbesondere zur Barrieresubstitution in Form von Nahrungsergänzungsmitteln beforscht und weniger für die topische Applikation. Da Phyto-CERs aber strukturell den epidermalen CERs eng verwandt sind, können topisch applizierte Phyto-CERs möglicherweise einen den CERs vergleichbaren Effekt auf erkrankte oder gealterte Haut ausüben.


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Pflanzliche Ceramide

Pflanzliche Sphingolipide sind eine breite Gruppe von Lipiden, welche sowohl eine Rolle bei der Membranstabilität und -permeabilität spielen, als auch für die Signaltransduktion und Zellregulation von Bedeutung sind [23]. Sie können in 4 Gruppen unterteilt werden: Glykosylceramide (Glc-CERs), Glykosylinositolphosphoryl-Ceramide (GIPCs), Ceramide (CERs) und freie „long‐chain base“ (LCB) Sphingolipide [14]. In den ersten 2 Klassen befindet sich am C1 der n-acetylierten langen Ketten eine polare Kopfgruppe in glykosidischer Bindung [23]. Die häufigste Sphingolipidklasse in pflanzlichen Geweben sind die Glc-CERs, die einen hydrophoben CER-Anteil und einen hydrophilen Glucoseanteil enthalten ([Abb. 2]). Der CER-Anteil besitzt meist eine ∆8-Doppelbindung am Sphingoid-Rest sowie eine α-Hydroxyfettsäure [24]. Somit stellen Glc-CERs die Hauptkomponente von kommerziell erhältlichen Phyto-CERs dar.

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Abb. 2 Chemische Struktur pflanzlicher Glc-CERs. Die Fettsäuren (Kettenlänge: C14 – c26) sind im Wesentlichen α-hydroxyliert mit möglicher ω-9-Bindung*. Die Sphingoidbasen variieren bei Sättigungsgrad und Hydroxylierung an C4 und/oder C8*.

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Phyto-CERs versus epidermale CERs

Die Grundstruktur der Phyto-CERs und CERs ist weitgehend identisch. Unterschiede finden sich lediglich in der Kettenlänge, im Sättigungsgrad und im Hydroxylierungsmuster ihrer Sphingolipidbasen sowie der Fettsäure-Komponenten ([Tab. 1] und [Abb. 3]). Während epidermale Sphingolipide eine ∆4-Desaturation aufweisen, kommt in Phyto-CERs typischerweise eine ∆8-Desaturation hinzu [23]. Die ∆8-Desaturation kann in cis (Z)- oder trans (E)-Konfiguration auftreten, sodass letztlich eine größere Diversität der Phyto-CERs resultiert [25].

Tab. 1

Vergleich von Phyto-CERs und epidermalen CERs

Phyto-CERs

epidermale CERs

Sphingoidbasen

meistens C18-Dihydroxy-/Trihydroxy-Basen

meistens C18-Dihydroxy-/Trihydroxy-Basen

maßgeblich: 4,8-Sphingadienin (d18:2Δ4,8), 4-Hydroxy-8-Sphingenin (t18:1Δ8), 8-Sphingenin (d18:1Δ8) [23]

maßgeblich: 4-Sphingenin (Sphingosin) (d18:1Δ4), 4-Hydroxysphinganin (Phytosphingosin) (t18:0), Sphinganin (d18:0), 6-Hydroxy-4-Sphingenin

selten: Dihydrosphingosin (d18:0), 4-Sphingenin (d18:1Δ4), 4-Hydroxy-Sphinganin (t18:0) [23] [43]

Δ4- und/oder Δ8-desaturierte Basen (d18:1Δ8 and d18:2Δ4,8)

Spuren von Tetrahydroxysphingoid-Basen [5]
Δ4-desaturierte Basen (d18:1Δ4)

Fettsäuren

Kettenlänge C14 – C28 [25]

Kettenlänge C16 – C32

grundsätzlich: C16, C20, C22 und C24

maßgeblich: C24 – C26; geringe Menge von C16 – C18

meistens α-Hydroxyfettsäuren (> 90 %), nicht ω-Hydroxyfettsäuren, meist gesättigt

Nicht-Hydroxy-, α-Hydroxy- oder ω-Hydroxysäuren (Kettenlänge meist C28 – C32), meistens gesättigt

geringe Mengen von ω-9-einfachungesättigte sehr langkettige Fettsäuren (C22 – C26) [25]

ω-Hydroxysäuren verestert mit ungesättigten Fettsäuren, vorwiegend Linolsäure [2]

meistens C18-Dihydroxy-/Trihydroxy-Basen

meistens C18-Dihydroxy-/Trihydroxy-Basen

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Abb. 3 Ähnlichkeiten der polaren Kopfgruppen von Phyto-CERs und epidermalen CERs bei typischer C18-Sphingolipidbase.

Die polare Kopfgruppe der CERs enthält Hydroxylgruppen, die in der Lage sind, Wasserstoffbrückenbindungen einzugehen und dadurch die strukturelle Anordnung der SC-Lipide wesentlich bestimmen [26]. Die Anzahl dieser Hydroxylgruppen scheint zudem maßgeblich für die Integrität der Barrierefunktion des SC zu sein [27] [28]. Phytosphingosin-basierende CERs (wie CER [AP]) haben 4 Hydroxylgruppen, für die gezeigt wurde, dass sie die lamelläre Struktur des SC stabilisieren [28]. Die Ähnlichkeiten der polaren Kopfgruppen (3 oder 4 Hydroxylgruppen) von Phyto-CERs und epidermalen CERs ([Abb. 3]) lassen eine große Homologie ihrer physikochemischen Eigenschaften vermuten und begründen das Potenzial der Phyto-CERs zur Barrieresubstitution nach epikutaner Applikation auf geschädigter Haut.


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Kommerzielle Phyto-CER enthaltende Präparationen

Da Phyto-CERs natürlicherweise in vielen Getreiden, Knollen und Gemüsesorten zu finden sind, gibt es viele potenzielle Quellen zur Rohstoffgewinnung. Die wichtigsten kommerziell genutzten sind dabei Weizen, Reis, Kartoffelarten, Sojabohnen und Wurzeln der Teufelszunge (Konjak). So sind Phyto-CER-angereicherte Rohmassen in Form von Pulvern oder Ölen als Ausgangmaterialien für die weitere Verarbeitung in Nahrungsergänzungsmitteln bzw. halbfesten Zubereitungen zur epikutanen Anwendung verfügbar. Am häufigsten kommen aus Reis (z. B. ORYZA CER-PCD®), Weizen (z. B. Lipowheat®, Cennamide®, Ceramosides®) oder Konjak gewonnene Phyto-CERs zum Einsatz ([Abb. 4]). Die im dermatologischen Kontext verfügbaren Produkte im Markt, die Phyto-CERs enthalten, sind mannigfaltig und beinhalten häufig eine Vielzahl weiterer aktiver Inhaltsstoffe wie essenzielle Vitamine, pflanzliche Extrakte oder Radikalfänger. Die wissenschaftliche Evidenz zur Effektivität dieser Produkte in kosmetischen oder dermatologischen Indikationen ist bisher sehr niedrig und für die meisten Präparate nicht überprüft, sodass der praktische Nutzen nicht bewertet werden kann.

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Abb. 4 Struktur von marktüblichen Glc-CERs. Die abgekürzte Schreibweise folgt Karlsson [44]. Glc: Glucose; d: Dihydroxybasen; 18: C18-Basen; 1 und 2: Anzahl Doppelbindungen; h: α-Hydroxyfettsäuren; 16 – 20: Fettsäurekettenlänge und 0: Grad der Sättigung der Fettsäuren.

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Penetration von Phyto-CERs nach epikutaner Applikation

Im Unterschied zu Nahrungsergänzungsmitteln finden sich nur sehr wenige halbfeste Zubereitungen mit Phyto-CERs auf dem Markt, die für die epikutane Applikation konzipiert sind. Eine der wesentlichen Herausforderungen ist neben der stabilen galenischen Formulierung die effiziente Diffusion der hochmolekularen Phyto-CERs aus konventionellen Formulierungen in das SC. Die Phyto-CERs sollen dabei tief in den Übergangsbereich vom SC zur vitalen Epidermis penetrieren, wo die molekulare Organisation der Lipidbilayer erfolgt [12] [29] [30]. Durch unterschiedliche Formulierungsansätze mit CERs ist bekannt, dass die Penetration in das SC mittels kolloidaler Vehikelsysteme erleichtert werden kann [31] [32] [33] [34]. Auf diese Weise können auch Phyto-CERs in das Zielkompartiment innerhalb des SC penetrieren und so potenziell die Lipidlamellen stabilisieren. Da Phyto-CERs in Pflanzen hauptsächlich als Glc-CERs vorkommen, sollte im Vorfeld eine Modifikation durch Abspaltung der Zuckermoleküle erfolgen. Die dafür notwendige Hydrolyse der Glc-CERs kann mithilfe von enzymatischen, chemischen oder kombinierten Methoden erfolgen. Kürzlich wurde gezeigt, dass mittels einer humanen rekombinanten Glukocerebrosidase (Imiglucerase, Cerezyme®) die Hydrolyse von 3 unterschiedlichen, aus Apfeltrester isolierten Glc-CER Spezies (Glc-d18:2Δ4,8/h16:0, Glc-t18:1Δ8/h22:0 und Glc-t18:1Δ8/h24:0) gelungen ist [35]. Dieses Verfahren der enzymatischen Hydrolyse erscheint aber für eine großtechnologische Anwendung wenig geeignet, da durch den Verbrauch rekombinanter Enzyme hohe Kosten entstehen.

Vor diesem Hintergrund wurde ein chemisches Verfahren entwickelt, welches auf dem Prinzip der sauren Deglykosylierung von Glc-CERs aus Haferextrakt (enthält 2 Glc-CER-Spezies mit Allyl-freien Sphingoidbasen: Glc-d18:1Δ8/h16:0 und Glc-d18:1Δ8/h20:0) basiert [36] ([Abb. 5]). Damit konnten sehr effektiv CERs hergestellt und aufgereinigt werden. Gleichzeitig zeigten die Untersuchungen, dass Allyl-Gruppen enthaltende Glc-CERs im stark sauren Milieu zerstört werden. Damit steht ein sehr effizientes und praktikables Verfahren zur Abspaltung der glykosidischen Verbindung mit wenigen unerwünschten Begleitprodukten zu Verfügung. Durch Penetrationsuntersuchungen an In-vitro- und Ex-vivo-Humanhaut konnte zudem gezeigt werden, dass die so gewonnenen CERs, formuliert in Nanocarriern (Mikroemulsionen und Nanopartikeln), nach epikutaner Applikation in das SC transportiert werden können [37]. Durch die Verwendung von Mikroemulsionssystemen konnte eine deutliche Penetrationsförderung und durch Nanopartikel ein Retardeffekt erzielt werden. Für beide Konzepte konnte mittels LC-MS gezeigt werden, dass glykosylierte Phyto-CERs durch Verwendung eines Mikroemulsions- oder Nanopartikelgels effektiv in den unteren Schichten des SC angereichert werden konnten [38]. Für Glc-CERs, formuliert in liposomalen Dispersionen, konnte bereits an humanen Hautäquivalenten nachgewiesen werden, dass sie Barriere-protektive Effekte vermitteln. Dabei wurde festgestellt, dass die Substitution von Glc-CERs dosisabhängig zum Anstieg der CER [AS]-Fraktion im SC führt [39]. Im Tierversuch wurde an Mäusen die Zunahme von CERs und Glc-CERs in der Epidermis nach enteraler Applikation von Glc-CERs aus Reis nachgewiesen [40]. Auch an gesunden Probanden wurde nach topischer Applikation von Glc-CERs aus Reis in einer klinischen Studie ein Barriere-protektiver Effekt durch Zunahme der Hydratation des SC und Abnahme des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL) gemessen (50). An Mäusen konnte gezeigt werden, dass Glc-CERs aus Mais nach topischer Applikation einer UVA-induzierten epidermalen Atrophie sowie Faltenbildung entgegenwirken, also anti-photoaging Effekte vermittelt [41].

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Abb. 5 Hydrolyse von Glc-CERs aus Haferextrakt durch saure Deglykosylierung.

Insgesamt muss man aber feststellen, dass die wissenschaftliche Evidenz für die epikutane Nutzung von CERs und Phyto-CERs sehr gering ist. Wenige Studien befassen sich mit dem Nachweis der kutanen Pharmakokinetik und Bioverfügbarkeit epikutan applizierter CER-Präparationen [34] [42]. Es bedarf somit nach wissenschaftlichen Kriterien konzipierter Studien, um die Effektivität von CER- und Phyto-CER-Präparationen zu belegen und somit das große Potenzial dieser Molekülgruppe für eine nachhaltige Barriereprotektion im kosmetischen und dermatologischen Kontext zu belegen.


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Zusammenfassung und Ausblick

CERs werden zunehmend als aktive Inhaltstoffe in kosmetischen Produkten zur Barrieresubstitution und -protektion eingesetzt. Da der Einsatz von Phyto-CERs besondere Herausforderungen bei der galenischen Formulierung und Bioverfügbarkeit mit sich bringt, haben sich diese bei der epikutanen Applikation bisher nicht durchgesetzt. Dies könnte sich durch den Einsatz effizienter und kostengünstiger chemischer Methoden zur Glykosylierung der aus Pflanzenextrakten gewonnenen Phyto-CERs ändern.

Untersuchungen mittels Neutronen- und Röntgendiffraktion müssen klären, welchen Einfluss Phyto-CERs im Vergleich zu epidermalen CERs auf die Nanostruktur der Lipidmembranen im SC nehmen, wie sie in bestehende Membranstrukturen integriert werden und welche funktionelle Bedeutung ihnen bei der Substitution der epidermalen Barriere zukommt. Zudem muss objektiviert werden, ob Glc-CERs als lipophile Vorläufer, sog. lipid precursors, innerhalb der vitalen Epidermis effektiv zu CERs reduziert werden und somit eine kostengünstige Alternative für die Barrieresubstitution darstellen können.

Die bisher vorliegenden präklinischen und klinischen Daten unterstreichen das große Potenzial CER-basierter topischer Präparationen, insbesondere zur Stabilisierung der interkorneozytären Lipidmatrix und der damit verbundenen Substitution der epidermalen Barrierefunktion.


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Interessenkonflikt

J. Wohlrab gibt an, Honorare für Beratung und/oder Vorträge und/oder Sponsoring für wissenschaftliche Projekte und/oder klinische Studien von folgenden Firmen erhalten zu haben: Allergika, Almirall, Astellas, Bombastus, Dermapharm, Ei, Evolva, Evonik, Galderma, GSK, Jenapharm, Leo, L’Oréal, Mavena, Mibe, Novaliq, Riemser, Skinomics, Widmer, Wolff.
E. Tessema und R. Neubert geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Johannes Wohlrab
Klinik für Dermatologie und Venerologie
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Ernst-Grube-Straße 40
06097 Halle (Saale)

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Abb. 1 Chemische Struktur und Nomenklatur der verschiedenen epidermalen CERs [12]. Die Namensgebung (XY) erfolgt anhand der Acylkette (X) und der Sphingoidbase (Y) wie vorgeschlagen von Motta et al. [15] und Robson et al. [6]. Die ω-Hydroxyfettsäure (R4) ist meist verestert mit Linolsäure (C18:2). Die Fettsäuren können auch Verbindungen mit ungesättigten Fettsäuren eingehen. Die Struktur der CER-Klassen, die ω-Hydroxyfettsäuren enthalten (CER [OS], CER [OP], CER [OH] und CER [ODS]), sind nicht dargestellt.
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Abb. 2 Chemische Struktur pflanzlicher Glc-CERs. Die Fettsäuren (Kettenlänge: C14 – c26) sind im Wesentlichen α-hydroxyliert mit möglicher ω-9-Bindung*. Die Sphingoidbasen variieren bei Sättigungsgrad und Hydroxylierung an C4 und/oder C8*.
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Abb. 3 Ähnlichkeiten der polaren Kopfgruppen von Phyto-CERs und epidermalen CERs bei typischer C18-Sphingolipidbase.
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Abb. 4 Struktur von marktüblichen Glc-CERs. Die abgekürzte Schreibweise folgt Karlsson [44]. Glc: Glucose; d: Dihydroxybasen; 18: C18-Basen; 1 und 2: Anzahl Doppelbindungen; h: α-Hydroxyfettsäuren; 16 – 20: Fettsäurekettenlänge und 0: Grad der Sättigung der Fettsäuren.
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Abb. 5 Hydrolyse von Glc-CERs aus Haferextrakt durch saure Deglykosylierung.