Laryngorhinootologie 2019; 98(06): 413-420
DOI: 10.1055/a-0881-2937
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auditive Verarbeitung und Wahrnehmungsstörungen: Erfahrungen mit Fragebogeninstrumenten

Auditory processing disorder: Our experience with questionnaires
Thomas Koch
1   HNO-Phoniatrie/Pädaudiologie-Gemeinschaftspraxis Calenberger Esplanade
,
Corinna Bergmann
1   HNO-Phoniatrie/Pädaudiologie-Gemeinschaftspraxis Calenberger Esplanade
,
Martin Ptok
2   MHH Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie
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Publication Date:
16 April 2019 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Beeinträchtigungen der Lautdiskrimination, des Sprachverständnisses im Störlärm, der Merkfähigkeit u. s. w. können im Rahmen einer Diagnostik bezüglich einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) strukturiert mit dem von der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie erstellten Fragebogen (DGPP-AVWS-FB) erfasst werden. Hier soll über Erfahrungen bei Verwendung dieses Fragebogens in einer phoniatrisch-pädaudiologischen Praxis berichtet werden. Insbesondere sollte ermittelt werden, ob Angaben der Eltern zum auditiven Verhalten ihrer Kinder ähnlich oder different zu Angaben von Erzieherinnen und Erziehern im Kindergarten (KGK) respektive von Lehrkräften in der Schule (LK) sind.

Methodik In einem neunmonatigen Zeitraum wurde allen Eltern, die ihre Kinder zur Abklärung einer eventuellen AVWS vorstellten, der DGPP-AVWS-FB zum Ausfüllen durch sie sowie durch KGK/LK ausgehändigt. Zum Vergleich der Übereinstimmung der Beurteilungen wurden auch jeweils zwei Fragebögen zur Aufmerksamkeit und Konzentration bzw. zu exekutiven Funktionen (DISYPS II, BRIEF oder BRIEF-P) mitgegeben. Daten von Kindern mit peripherer Hörstörung oder kognitiver Entwicklungsstörung wurden nicht verwendet. Dann wurde für die jeweiligen Items, Skalen und Indices der Korrelationskoeffizient berechnet.

Ergebnisse Ausgefüllte Fragebögen lagen zum Schluss des Untersuchungszeitraums von insgesamt 20 Grundschulkindern sowie 7 Kindergartenkindern vor. Bei letztgenannten erfolgte die Vorstellung ausschließlich auf Veranlassung der KGK, bei einem Schulkind wurde eine AVWS durch die Eltern, nicht aber durch LK, bei drei Schulkindern sowohl durch die Eltern wie durch LK und bei 16 Schulkindern nur durch LK vermutet. Die Auswertung der DGPP-AVWS-FB spiegelte letztlich diese unterschiedliche Einschätzung der Symptomatik wieder: die Angaben der Eltern zeigten, mit Ausnahme der Angaben bei Kindern, bei denen sowohl Eltern wie LK eine AVWS vermuteten, nur eine geringe Übereinstimmung zu den Angaben der KGK/LK. Im Vergleich dazu waren die Antworten zu den beiden anderen Fragebögen ebenfalls unterschiedlich, die Angaben zur Aufmerksamkeit und Hyperaktivität bei Kindergartenkindern tendenziell aber ähnlicher.

Diskussion Die hier aus der phoniatrisch-pädaudiologischen Praxis vorgestellten Daten könnten mit einem unterschiedlichen Verhalten der Kinder im häuslichen Umfeld respektive im Kindergarten/in der Schule zu erklären sein. Es könnte auch sein, dass dasgleiche Verhalten unterschiedlich bewertet wird. Für Fragebögen-Instrumente zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und zu exekutiven Funktionen sind niedrige Korrelationen bereits bekannt. Für die klinische Routine empfiehlt sich, die berichteten Symptome standardisiert mit dem DGPP-AVWS-FB zu dokumentieren und insbesondere auch festzustellen, ob ein auffälliges auditives Verhalten nur in einer oder in zwei bzw. mehreren Umgebungen auffällt.

Summary

Background Impairments of sound discrimination, speech comprehension in background noise, memory, etc. can be assessed within the diagnosis of an auditory processing and perception disorder (AVWS) in a structured manner using the questionnaire (DGPP-AVWS-FB) provided by the German Society for Phoniatrics and Pedaudiology. The aim is to report on experiences with the use of this questionnaire in a pedaudiology practice. In particular, it was to be determined whether information on the auditory behaviour provided by parents is similar or different to information provided by kindergarten teachers (KGK) or teachers at school (LK).

Methods During a nine-month period, all parents who presented their children to be examined for a possible AVWS were handed the DGPP-AVWS-FB to be completed by them and by KGK/LK. In order to compare the agreement of the judgements, two questionnaires on attention and concentration or on executive functions (DISYPS II, BRIEF or BRIEF-P) were also given. Data from children with peripheral hearing impairment or cognitive developmental disorder were not used. The correlation coefficient was then calculated for the respective items, scales and indices.

Results Completed questionnaires were available at the end of the study period for a total of 20 primary school children and 7 kindergarten children. In kindergarten children, only KGK but not parents, in school children however, 1x only parents, 16x only LK and in the remaining 3 others both parents and LK suspected an impaired auditory processing. The evaluation of the DGPP-AVWS-FB ultimately reflected this different assessment of the symptoms: with the exception of children in whom both parents and LK suspected an AVWS, the information provided by the parents showed only little agreement with the information provided by the KGK/LK. In comparison, the responses to the other two questionnaires were also different, but the data on attention and hyperactivity in kindergarten children tended to be more similar.

Discussion The data presented could be explained by a different behavior of the children at home or in kindergarten/school. It could also be that the same behavior is evaluated differently. Low correlations are already known for questionnaires on attention deficit/hyperactivity disorder and executive functions.

For the clinical routine it is recommended to document the reported symptoms standardized with the DGPP-AVWS-FB and in particular to determine whether an abnormal auditory behavior is noticeable in only one or two or more environments.