Einleitung
Das Plattenepithelkarzinom ist nach dem Basalzellkarzinom der zweithäufigste maligne
Hauttumor [1]. In frühen Stadien ist die radikale Exzision die Therapie der ersten Wahl. Die Behandlungsmöglichkeiten
für das fortgeschrittene oder metastasierte Plattenepithelkarzinom sind begrenzt [2]. Mit Cemiplimab steht ein monoklonaler Antikörper gegen den programmed death-1-Rezeptor
(PD-1) zur Verfügung [3]. Cemiplimab ist in Amerika für die Behandlung lokal fortgeschrittener oder metastasierter
Plattenepithelkarzinome zugelassen, welche inoperabel und nicht kurativ bestrahlbar
sind [4]. Eine Zulassung bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) wurde vom Hersteller
beantragt [5].
Die Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren kann eine Vielzahl immunvermittelter
Nebenwirkungen verursachen. Eine frühzeitige Diagnostik und adäquate Therapie ist
essenziell, da schwere Nebenwirkungen lebensbedrohlich werden können. Während für
häufige immunvermittelte Nebenwirkungen wie die Kolitis oder Pneumonitis Diagnostik-
und Therapieschemata erarbeitet wurden, stellen neurologische Nebenwirkungen aufgrund
ihrer Symptomvielfalt weiterhin eine Herausforderung für Diagnostik und Therapie dar.
Fallbericht
Bei einem 74-jährigen, männlichen Patienten wurde im April 2014 ein fortgeschrittenes
Plattenepithelkarzinom an der Schulter links diagnostiziert (pT3, TD 10,1 mm, IL VI,
G2). Aufgrund des ausgedehnten Befundes war eine Exzision vollständig im Gesunden
nicht möglich und im Mai 2014 erfolgte eine Nachbestrahlung. Im September 2015 trat
ein Rezidiv auf. Es erfolgte eine Resektion der Kortikalis und der Gelenkkapsel des
Akromioklavikulargelenks links. Im November 2016 wurde ein weiteres Tumorrezidiv an
der Schulter links exzidiert. Im April 2017 erfolgte die Exzision eines nekrotischen
Rezidivs im Hals-Nacken-Bereich. Aufgrund eines inoperablen Lokalrezidivs erhielt
der Patient im Januar 2018 den PD-1-Antikörper Cemiplimab im Rahmen einer Studie.
Im März 2018 wurde der Patient aufgrund von Fieber unklarer Genese mit akuter Verschlechterung
des Allgemeinzustands stationär von der Universitäts-Hautklinik Dresden aufgenommen.
Im Verlauf trat bei dem Patienten ein epileptischer Anfall auf. Anschließend zeigte
der Patient neurologische Ausfallerscheinungen im Sinne einer Sprachstörung und neu
aufgetretener Immobilität. Im Ruhe-EEG zeigte sich kein Anhalt für einen Status epilepticus.
Im cMRT zeigte sich ein Kontrastmittel-Enhancement im Umfeld der Ventrikel, welches
klinisch als Enzephalitis/Leptomeningitis interpretiert wurde. Zur weiterführenden
Diagnostik wurden zwei Lumbalpunktionen durchgeführt. Dabei zeigten sich Hinweise
auf eine Meningitis im Sinne eines erhöhten Eiweißgehalts. Hinweise auf eine bakterielle
Infektion fanden sich nicht. Zur Anfallsprophylaxe wurde eine Therapie mit Levetiracetam
begonnen. Bei Verdacht auf eine immunvermittelte Meningoenzephalitis wurde eine Therapie
mit Methylprednisolon 1 mg/kg Körpergewicht eingeleitet und im Verlauf auf 2 mg/kg
Körpergewicht erhöht. Unter der Therapie trat nach 2 Wochen eine deutliche Besserung
der neurologischen Symptome ein. Die Immobilität bestand jedoch weiterhin. Im cMRT
zeigte sich nach 2 Wochen eine nahezu vollständige Regredienz der Meningoenzephalitis.
Das Methylprednisolon konnte oralisiert und im Verlauf langsam ausgeschlichen werden.
Anschließend wurde der Patient in eine Rehabilitationsklinik zur Durchführung neurologischer
Rehabilitationsmaßnahmen verlegt.
Seit Beginn der Immuntherapie im Januar 2018 zeigte sich eine Komplettremission des
Plattenepithelkarzinoms. Unter der zeitnahen hochdosierten Kortikosteroidtherapie
bildete sich die immunvermittelte Meningoenzephalitis komplett zurück.
Diskussion
Immun-Checkpoint-Inhibitoren haben im Rahmen von Studien vielversprechende Ergebnisse
bei der Behandlung des Plattenepithelkarzinoms gezeigt. In der Phase-1- und Phase-2-Studie
mit dem PD-1-Antikörper Cemiplimab bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem bzw.
metastasiertem Plattenepithelkarzinom erhielten die Patienten Cemiplimab in einer
Dosis von 3 mg/kg Körpergewicht intravenös alle 2 Wochen [3].
In den Kohorten mit lokal fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Plattenepithelkarzinom der Phase-1-Studie wurde ein Ansprechen auf Cemiplimab bei 13 von 26 Patienten (50 %; 95 % Konfidenzintervall
[CI], 30 – 70) beobachtet [3].
In der Kohorte mit metastasiertem Plattenepithelkarzinom der Phase-2-Studie sprachen 28 von 59 Patienten (47 %; 95 % CI, 34 bis 61) auf die Therapie an. Bei
57 % der Patienten, die ein Therapieansprechen zeigten, betrug die Ansprechdauer mehr
als 6 Monate. Nebenwirkungen traten bei mindestens 15 % der Patienten auf. Zu den
Nebenwirkungen gehörten Durchfall, Müdigkeit, Übelkeit, Verstopfung und Hautausschlag.
7 % der Patienten brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab [3].
In der im Januar 2019 veröffentlichten Interimsanalyse der Phase-2-Daten für den PD-1-Antikörper Cemiplimab bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom sprachen 43,5 % der Patienten (95 % CI, 23,2 – 65,5) auf die Therapie an. 70 % der
Patienten zeigten eine Ansprechdauer von mehr als 6 Monaten. Weder das mediane Gesamtüberleben
noch das progressionsfreie Überleben wurden bislang erreicht. Das errechnete progressionsfreie
Überleben nach 12 Monaten betrug 65,6 % (95 % CI, 37,6 – 83,4), das errechnete Gesamtüberleben
nach 12 Monaten betrug 91,1 % (95 % CI: 68,8 – 97,7) [4]. Schwere Nebenwirkungen traten in 21,7 % der Fälle auf, in einem Fall (4,3 %) musste
die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen werden.
In Zusammenschau der Daten der Phase-1- und Phase-2-Studien mit Cemiplimab ist ein
Therapieansprechen bei 50 % der Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem
Plattenepithelkarzinom zu erwarten [3]. Das Nebenwirkungsprofil ist mit dem anderer Anti-PD-1-Antikörper vergleichbar [4].
Die zeitnahe Diagnose immunvermittelter neurologischer Nebenwirkungen wird wegen der
oft unspezifischen Klinik erschwert. Bei der immunvermittelten Enzephalitis wurden
Symptome wie Verwirrtheit, verändertes Verhalten, Kopfschmerzen, motorische und sensorische
Defizite, Sprachstörungen und Fieber beschrieben [6]. Zeitnahes interdisziplinäres Management mit frühzeitiger Diagnosestellung und Therapieeinleitung
ermöglichen eine komplette Rückbildung immunvermittelter neurologischer Nebenwirkungen.
Eine verzögerte Diagnostik und Therapie können bleibende Schäden zur Folge haben.