Schlüsselwörter
Organisationsbezogene Versorgungsforschung - Memorandum - Versorgungsorganisation
- Methoden - Evaluation - Implementierung
Key words
Organizational health services research - Memorandum - healthcare organizations -
methods - evaluation - implementation
Einleitung
Das Forschungsfeld der organisationsbezogenen Versorgungforschung ist in Deutschland
noch relativ jung und von zunehmender Bedeutung. Das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung
e. V. (DNVF) hat im Jahr 2009 – getragen von den im DNVF organisierten Fachgesellschaften
und Mitgliedern – eine Vertiefung zu „Methoden der organisationsbezogenen Versorgungsforschung“
des Memorandums III, Teil 1 konsentiert [1]. Ausgehend von dieser Veröffentlichung und dem Bedeutungsgewinn des Forschungsfeldes
ist eine Weiterentwicklung der konzeptionellen und methodischen Grundlagen und Standards
erforderlich. Die Neuauflage und Erweiterung der Veröffentlichung aus dem Jahr 2009
widmet sich in 3 Kapiteln den Fragen: (1) Was sind die konzeptionellen und theoretischen
Grundlagen der organisationsbezogenen Versorgungsforschung und wie lassen sich diese
definieren? (2) Welche Zielgrößen, Datenquellen, Erhebungs- und Analysemethoden sind
für die organisationsbezogene Versorgungsforschung besonders wichtig und geeignet?
(3) Welche methodischen Ansätze eignen sich für Studien zur Konzeption, Evaluation
und Implementierung komplexer Interventionen in Versorgungsorganisationen? Die Veröffentlichung
aus dem Jahr 2009 wurde dabei in der vorliegenden Neufassung um wichtige konzeptuelle
und methodische Inhalte erweitert. Diese umfassen die organisationstheoretische und
konzeptuelle Rahmung sowie erstmals eine Definition der organisationsbezogenen Versorgungsforschung.
Der methodische Ansatz wurde geschärft, indem die Notwendigkeit von Mixed Methods
hervorgehoben und die Möglichkeiten der Nutzung bzw. Erhebung von Primär- und Sekundärdaten
in diesem Bereich aufgezeigt werden. Es wird ein weiterentwickeltes Phasenmodell zur
Evaluation komplexer Interventionen unter Berücksichtigung des organisationalen Kontextes
präsentiert, das Methoden des Interventionsdesign, der Wirksamkeits- und Wirkungsforschung
sowie der Implementierungsforschung integriert. Im Folgenden werden in einer Kurzfassung
die Inhalte der 3 Kapitel und die zentralen Definitionen und Aussagen vorgestellt.
Für das tiefere Verständnis und für Literaturhinweise ist es jedoch notwendig, die
Online-Langversionen der 3 Kapitel zu lesen. Im Anhang wird zudem das Vorgehen bei
der Entwicklung, Kommentierung und Abstimmung des Memorandums beschrieben und die
Mitglieder und Mitgliedsorganisationen des DNVF genannt, von denen das Memorandum
getragen wird.
Ergebnisse
Kapitel 1 – Definition und Konzept der organisationsbezogenen Versorgungsforschung
Im ersten Kapitel [2] erfolgt eine theoretische Rahmung und die Begrifflichkeiten und Aufgaben der organisationsbezogenen
Versorgungsforschung werden definiert. Das Kapitel gibt zunächst eine Übersicht über
Organisationstheorien und arbeitet dann die Besonderheiten von Versorgungsorganisationen
heraus. Danach werden Aufgaben der organisationsbezogenen Versorgungsforschung definiert
sowie Wechselwirkungen der Organisationsebene mit der Individual- und Systemebene
konzeptualisiert. Es wurde die folgende Definition der organisationsbezogenen Versorgungsforschung
entwickelt:
Die organisationsbezogene Versorgungsforschung befasst sich mit
-
den Rahmenbedingungen, unter denen Versorgungsorganisationen agieren und deren Wechselwirkungen
auf Individuums- und Organisationsebene,
-
den Strukturen, Prozessen und Kulturen von Versorgungsorganisationen,
-
den Interaktionen innerhalb und zwischen Versorgungsorganisationen und
-
den Auswirkungen dieser Faktoren auf das Ergebnis und die Organisation gesundheitlicher
Versorgung.
In verschiedenen Disziplinen sind vielfältige Definitionen, Modelle und Theorien über
das Funktionieren von Organisationen entstanden. Diese Vielfalt kann genutzt werden,
um Forschungsfragen, Methoden und Analyseverfahren für die organisationsbezogene Versorgungsforschung
abzuleiten. Hierbei sollten Fragestellungen und Methoden angewendet werden, die die
Komplexität des Forschungsgegenstandes angemessen berücksichtigen. Dies sollte zum
einen durch ein besonderes Augenmerk auf die Wechselwirkungen der Mesoebene mit der
Mikro- und Makroebene realisiert werden. Zum anderen sollte es neben der Identifikation
von Unterschieden in der Versorgungsqualität zwischen Versorgungsorganisationen auch
Ziel der organisationsbezogenen Versorgungsforschung sein, zu verstehen, wodurch diese
Unterschiede zu erklären sind und über welche Mechanismen organisationale Interventionen
zu Veränderungen führen.
Kapitel 2 – Methodische Ansätze der organisationsbezogenen Versorgungsforschung: Zielgrößen,
Datenquellen, Datenerhebung und Datenanalyse
Ziel des zweiten Kapitels [3] ist es, die methodischen Besonderheiten mit ihren Konsequenzen für die Datenerhebungen,
-nutzung und -analyse zu umreißen. In dem Kapitel werden zum einen verschiedene Arten
von für die organisationsbezogene Versorgungsforschung relevanten Zielgrößen beschrieben.
Zum anderen wird der methodische Ansatz des Forschungszweiges herausgearbeitet, der
die Relevanz von Mixed Methods betont, um Versorgungsunterschiede zwischen Organisationen
erklären zu können. Zudem werden besonders geeignete Datenquellen, Erhebungs- und
Auswertungsmethoden skizziert. In der Versorgungsforschung ist die Sicht auf organisationale
Zusammenhänge bisher vielfach noch versperrt durch die Unkenntnis geeigneter theoretischer
und methodischer Ansätze. So wird der Organisationsbezug von Forschungsfragen und
-daten häufig nicht erkannt. Die Potenziale der organisationsbezogenen Versorgungsforschung
bleiben dadurch oft ungenutzt. Durch die Ergänzung der outcomebezogenen Zielgrößen
um Größen aus dem Bereich der organisationalen Versorgungsstrukturen, -prozesse und
-kulturen ist die organisationsbezogene Versorgungsforschung in der Lage, die vielfach
beschriebene „Black Box“ zu beleuchten. Denn sie kann potenziell die Variation von
Patientenoutcomes[1] zwischen Versorgungsorganisationen und die Wirkungsweise von Interventionen in der
Versorgung erklären. Um dies leisten zu können, ist die Nutzung geeigneter Datenquellen
sowie die Anwendung und Integration geeigneter Methoden der Datenerhebung, -nutzung
und -analyse erforderlich.
Kapitel 3 – Methodische Ansätze zur Evaluation und Implementierung komplexer Interventionen
in Versorgungsorganisationen
Das dritte Kapitel [4] behandelt Kriterien und Standards für Methoden der Konzeption, Evaluation und Implementierung
komplexer Interventionen in Versorgungsorganisationen. In der Versorgungsforschung
sind alle interventionellen, empirischen Vorhaben unter der Perspektive der Qualität
des Interventionsdesigns, der Analyse von Wirkprozessen, des Wirksamkeitsnachweises
und der bestmöglichen Implementierbarkeit zu betrachten. Hierbei wird den Besonderheiten
des organisationalen Kontextes besondere Bedeutung zugeschrieben. Die theorie- und
evidenzbasierte Wahl und Gestaltung der Intervention erfolgen in der Phase des Interventionsdesigns.
Die Wirksamkeits- und Wirkungsforschung prüft die empirischen Effekte der Intervention
auf patientenrelevante Outcomes gemäß forschungsmethodisch solider Kriterien. Die
Implementierungsforschung beschäftigt sich damit, wie komplexe Interventionen an die
lokalen Rahmenbedingungen angepasst werden können, sodass die Wirksamkeit der Intervention
gewährleistet bleibt. Entsprechend muss die Evidenz für den Nutzen von Interventionen
in der organisationsbezogenen Versorgungsforschung gemäß der Inhalte und Anforderungen
aller 3 Bereiche geprüft und sichergestellt werden. Strukturen und koordinierte Prozessabläufe
in und zwischen organisationalen Einheiten und Ebenen müssen in der organisationsbezogenen
Versorgungsforschung besonders berücksichtigt werden. Eine valide Beschreibung des
Handelns Einzelner und der patientenrelevanten Versorgungsprozesse bedarf stets einer
analytischen Reflexion im sozialen und organisationalen (Funktions-) Kontext.
Diskussion
Das Memorandum bietet eine konzeptionelle und methodische Grundlage für die organisationsbezogene
Versorgungsforschung, die gemeinsam mit Experten und unter Einbezug einschlägiger
und aktueller internationaler Literatur erarbeitet worden ist. Die kritischen Rückmeldungen
und Vorschläge im Rahmen des Konsentierungsprozesses des DNVF e.V. wurden bestmöglich
und transparent eingearbeitet. Die vorgestellten methodologischen Grundlagen sind
als Methodeninventar zu verstehen. Sie sollen zum einen zu einer stärkeren Berücksichtigung
des organisationalen Kontextes in der Versorgungsforschung beitragen und zum anderen
dazu genutzt werden, die konzeptionelle und methodische Qualität von Untersuchungen
der organisationsbezogenen Versorgungsforschung zu sichern, weiterzuentwickeln und
zu verbessern.
Entwicklung, Kommentierung und Abstimmung des Memorandums
Nach den Standards der Erstellung von Memoranden des DNVF wurde die Zustimmung des
DNVF-Vorstands zur Erarbeitung eines Memorandums eingeholt und alle Mitglieder und
Mitgliedsorganisationen wurden zur Mitarbeit eingeladen. Es haben sich 20 Personen
aktiv an der Erstellung des Memorandums beteiligt (Autorengruppe). Die Autorengruppe
stimmte die Grundstruktur des Memorandums ab, bildete für jedes der 3 Kapitel eine
Autorengruppe und erstellte gemeinsam den Entwurf des Memorandums. Struktur und Inhalt
wurden auf dem Deutschen Kongress für Versorgungsforschung in 2017 und 2018 diskutiert.
Alle Mitglieder- und Mitgliedsorganisationen des DNVF hatten in einer 3-monatigen
Kommentierungsphase vom 10.07. bis 10.10.2018 die Möglichkeit, zum Entwurf Stellung
zu nehmen. Auf die Kommentierungen wurde in einer finalen Überarbeitung vollumfänglich
reagiert. Danach wurde eine finale Fassung erstellt, die an die ordentlichen sowie
an die korrespondierenden institutionellen Mitglieder des DNVF mit der Einladung zur
Mitzeichnung versandt wurde. Die Autoren des aktuellen Memorandums möchten sich bei
allen am Konsentierungsprozess Beteiligten für ihre konstruktiven Diskussionsbeiträge
bedanken.
Folgende Fachgesellschaften haben sich im Rahmen des Kommentierungsprozesses am Memorandum
zu Konzept und Methoden der organisationsbezogenen Versorgungsforschung beteiligt:
-
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
-
Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft
-
Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen
-
Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaft
-
Deutsche Gesellschaft für Senologie
Folgende Wissenschaftliche Institute und Forschungsverbünde haben sich im Rahmen des
Kommentierungsprozesses am Memorandum zu Konzept und Methoden der organisationsbezogenen
Versorgungsforschung beteiligt:
Folgende persönliche Mitglieder des DNVF haben sich im Rahmen des Kommentierungsprozesses
am Memorandum zu Konzept und Methoden der organisationsbezogenen Versorgungsforschung
beteiligt:
Das Memorandum zu Konzept und Methoden der organisationsbezogenen Versorgungsforschung
wird von folgenden ordentlichen und korrespondierenden institutionellen Mitgliedern
des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung e. V. getragen.
Von folgenden Mitgliedern der Sektion „Fachgesellschaften“:
-
Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin
-
Deutsche Gesellschaft für Ambulante Allgemeine Pädiatrie
-
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.
-
Deutsche Krebsgesellschaft e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie
-
Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Senologie e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e.V.
-
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V.
-
Deutsche Ophtalmologische Gesellschaft e.V.
-
Deutsche Sepsis-Gesellschaft e.V.
Von folgenden Mitgliedern der Sektion „Wissenschaftliche Institute und Forschungsverbände“:
-
Centre for Health and Society, Universitätsklinikum Düsseldorf
-
Center for Health Care Research, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
-
Gesundheit Österreich GmbH
-
Institut für Hausarztmedizin der Universität Bonn
-
Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft
der Humanwissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität
zu Köln (KöR)
-
Institut für Patientensicherheit, Universitätsklinikum Bonn
-
Interdisziplinäres Zentrum für Versorgungsforschung im Gesundheitswesen der Universität
Witten/Herdecke
-
Landesinstitut Gesundheit des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
-
LVR-Institut für Versorgungsforschung
-
Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane
-
Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung, Universitätsklinikum Freiburg
-
Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH
-
Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum Carl Gustav
Carus an der TU Dresden
-
Zentrum für Versorgungsforschung Köln
-
Universität Potsdam, Professur für Rehabilitationswissenschaften
Von folgenden Mitgliedern der Sektion „Juristische Personen und Personenvereinigungen“:
-
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.
-
Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e.V.
-
Kassenärztliche Bundesvereinigung
-
OptiMedis AG
-
4QD - Qualitätskliniken.de GmbH